Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Hauptgesichtspunkt des Gesetzesvorschlages

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat mit seiner Entscheidung vom 6. April 2021, EGMR 5434/17, Liebscher/Österreich, ausgesprochen, dass Österreich im Anlassfall das Grundrecht des Beschwerdeführers auf Achtung seines Privat- und Familienlebens nach Art. 8 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verletzt hat, weil die mit dem Fall befassten Gerichte für die Frage der Veröffentlichung des Scheidungsvergleichs in der Urkundensammlung des Grundbuchs keine Abwägung zwischen dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers einerseits und den Zwecken der Öffentlichkeit des Grundbuchs, also dem Interesse des Staates und des Rechtsverkehrs an der Richtigkeit, Genauigkeit und (auch nachträglichen) Überprüfbarkeit von Grundbuchseintragungen andererseits vorgenommen haben. Eine solche Interessenabwägung konnten die Gerichte nach geltendem Recht bisher auch nicht vornehmen, weil das Grundbuchsrecht derzeit weder eine solche Interessenabwägung noch eine Entscheidung über eine Beschränkung des Anspruchs auf Einsicht in die Urkundensammlung vorsieht. Der Oberste Gerichtshof hat aber in seinem Beschluss vom 30.3.2022, 8 Ob 3/22g, aufgrund eines Lückenschlusses ausgesprochen, dass ­ trotz fehlender gesetzlicher Grundlage ­ das Grundbuchsgericht sich nach Einsicht in den gesamten Scheidungsfolgenvergleich mit der Veröffentlichung einer Teilausfertigung in der Urkundensammlung begnügen kann, um dem Grundrecht des Antragstellers oder der Antragstellerin auf Schutz persönlicher Daten im Sinn des Art. 8 EMRK Rechnung zu tragen. Darüber hinaus haben Vertragsverfasser und Vertragsverfasserinnen damit begonnen, Geheimhaltungsinteressen möglichst schon an der Quelle, nämlich bei der Formulierung der Eintragungsgrundlagen zu berücksichtigen.

Dennoch hat Österreich nun die Entscheidung des EGMR auch durch eine explizite gesetzliche Regelung in seine nationale Rechtsordnung umzusetzen. Diese Umsetzungspflicht geht über den konkreten Einzelfall hinaus und umfasst auch generelle Maßnahmen des Staates, um künftige gleichartige Konventionsverletzungen hintanzuhalten.

In den §§ 6b und 6c des Grundbuchsumstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 550/1980, in der Fassung des Gesetzesvorschlages, sollen daher Bestimmungen einerseits über die Beschränkung der Einsicht in Urkunden in der Urkundensammlung eingeführt werden, die bestimmte Daten des Privat- oder Familienlebens enthalten, und andererseits Beschränkungen der Aufnahme von bestimmten Urkunden in die Urkundensammlung vorgesehen werden.

Der allgemein anwendbare antragsgebundene verfahrensrechtliche Lösungsansatz in § 6b greift einerseits Vorschläge auf, die in der wissenschaftlichen Diskussion de lege ferenda vorgebracht (s. Rassi, EF Kurz gesagt, EF-Z 2021, 161) und in verfassungskonformer Interpretation für das geltende Recht bereits vertreten wurden (s. Rechberger, Grundbuch und verfassungskonforme Interpretation, NZ 2021, 692). Er entspricht im Kern auch dem, was der OGH zu 8 Ob 3/22g judiziert hat. Der Vorschlag berücksichtigt darüber hinaus, dass die Antragsteller oder die Antragstellerinnen im Grundbuchsverfahren nicht notwendigerweise mit den in ihren Geheimhaltungsinteressen betroffenen Personen ident sind. Andererseits soll in ganz bestimmten Fällen, in denen vermehrt mit solchen Anträgen zu rechnen wäre, von vornherein eine amtswegige Erstellung von gesonderten Ausfertigungen und eine antragsunabhängige Beschränkung der Aufnahme von gewissen öffentlichen Urkunden in die Urkundensammlung vorgesehen werden (§ 6c Abs. 2).

Kompetenzgrundlage

Die Kompetenz des Bundes zur Erlassung dieses Bundesgesetzes gründet sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG („Zivilrechtswesen“).

Besonderer Teil

Zu Art. 1 (Änderung des Grundbuchsumstellungsgesetzes)

Zu Z 1 (§§ 6b und 6c):

Zu § 6b:

Zu Abs. 1:

§ 6b dient der Sicherstellung des Grundrechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK und der dazu ergangenen Entscheidung des EGMR vom 6. April 2021, EGMR 5434/17, Liebscher/Österreich. Aufgrund dieser Entscheidung hat Österreich ein Verfahren einzuführen, in dem Gerichte das Interesse einer betroffenen Person auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens gegen das Interesse des Staates und des Rechtsverkehrs an der Richtigkeit, Genauigkeit und (auch nachträglichen) Überprüfbarkeit von Grundbuchseintragungen abwägen und bei Überwiegen des ersteren eine Grundbucheintragung auch ohne Veröffentlichung der Eintragungsgrundlagen in der Urkundensammlung des Grundbuchs zulassen können.

Was unter „Privat- und Familienleben“ zu verstehen ist, soll sich angesichts der Zielrichtung des § 6b GUG, die Entscheidung des EGMR umzusetzen, und des grundrechtlichen Hintergrundes seiner Entstehung konsequenterweise insbesondere nach der Rechtsprechung des EGMR zum entsprechenden Grundrecht nach Art. 8 EMRK richten. Dieses wurde von Art. 7 der Europäischen Grundrechtecharta beinahe wörtlich übernommen, sodass auch einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und der mitgliedstaatlichen Gerichte von Bedeutung sein wird. Art. 8 EMRK, der neben der Achtung des Privat- und Familienlebens ausdrücklich auch die Achtung der Wohnung und des Briefverkehrs der Bürgerin bzw. des Bürgers gebietet, dient der Gewährleistung eines Freiheitsraums des oder der Einzelnen als Voraussetzung für die freie Entfaltung der Persönlichkeit. Der Bürger bzw. die Bürgerin soll gegen willkürliche Eingriffe des Staates in diesen Freiheitsraum geschützt werden. Zur Auslegung der Begriffe „Privatleben“ und „Familienleben“ sei etwa auf Grabenwarter/Pabel, EMRK7 § 22 Rz 5 ff mwN hingewiesen. In Rz 27 befassen sich die Autoren mit Eingriffen in den durch Art. 8 EMRK gewährleisteten Schutz persönlicher Daten durch das Gewinnen, Sammeln, Speichern und Verwenden von Daten, allerdings vorwiegend unter strafrechtsbezogenen Aspekten. Der EGMR hat in seiner Entscheidung vom 6. April 2021, EGMR 5434/17, Liebscher/Österreich, betont, dass der Schutz persönlicher Daten von grundlegender Bedeutung für den Genuss des Rechts einer Person auf Achtung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sei.

Zu beachten ist, dass die vom Grundrecht nach Art. 8. EMRK umfassten bestimmten persönlichen Daten, auf deren Schutz sich ua. die Entscheidung Liebscher/Österreich bezieht, und die daraus abgeleiteten Anforderungen des Gerichtshofs an den nationalen Gesetzgeber von datenschutzrechtlichen Aspekten im Sinne der Verordnung (EU) 2016/679 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) und den daraus abgeleiteten Erfordernissen des innerstaatlichen Rechts zu unterscheiden sind. Die Vorgaben der DSGVO wurden für das Grundbuch bereits mit dem Materien-Datenschutz-Anpassungsgesetz 2018, BGBl. I Nr. 32/2018, umgesetzt. Die gerichtlichen Verfahrensgesetze, die darauf basierenden Verordnungen und das Gerichtsorganisationsgesetz (GOG), regeln die datenschutzrechtlichen Rechte und Pflichten für den Bereich der Gerichtsverfahren abschließend (vgl. ErlRV 65 der Beilagen XXVI. GP Seite 151). Die für das Grundbuch als öffentliches Buch (Register) getroffenen Abweichungen von den Rechten und Pflichten der DSGVO wurden damit begründet, dass das Grundbuch ein von den Bezirksgerichten in ihrer justiziellen Tätigkeit geführtes öffentliches Verzeichnis ist, in das Grundstücke und die an ihnen bestehenden dinglichen Rechte eingetragen werden. Es dient der Sicherung des Rechtsverkehrs durch Offenkundigkeit der Rechtsverhältnisse. Das Vertrauen des gutgläubigen rechtsgeschäftlichen Erwerbers auf die Richtigkeit und Vollständigkeit des Grundbuchs ist geschützt. Daraus folgt zum einen, dass die in das Grundbuch eingetragenen personenbezogenen Daten grundsätzlich jedermann zur Einsicht offenstehen müssen. Darüber hinaus muss aus der Einsicht in das Grundbuch auch die Kette der Rechtserwerbe und Rechtsverluste lückenlos nachvollziehbar sein. Der vorliegende Gesetzesvorschlag betrifft daher nicht die bereits erfüllten Vorgaben der DSGVO, sondern die Vorgaben des EGMR bezüglich Art. 8 EMRK.

Der Antragsteller oder die Antragstellerin im Grundbuchsverfahren ist nicht notwendigerweise mit der Person ident, deren Privat- oder Familienleben in der Urkunde offengelegt wird. Deshalb wird ein Antragsrecht der jeweils in ihren Anliegen auf Geheimnisschutz betroffenen Person vorgeschlagen (Abs. 1). Freilich kann ein Antrag, etwa bei minderjährigen Kindern, auch über einen dazu berechtigten Vertreter gestellt werden. Der Antrag ist gebührenbefreit. Von einer zeitlichen Befristung zur Stellung des Antrags – etwa drei Jahre nach Eintragung oder ab Kenntnis – wurde abgesehen.

Die Entscheidung des EGMR verpflichtet den österreichischen Gesetzgeber, für die Zukunft eine Möglichkeit der Interessenabwägung zu schaffen. Die neue Regelung soll darüber hinaus aber aufgrund ihrer Bedeutung auch eine gewisse Rückwirkung entfalten. Sie soll daher auch für alle digital abrufbaren Urkunden gelten, die in der Vergangenheit in der Urkundendatenbank des – durch das Grundbuchsumstellungsgesetz – umgestellten Grundbuchs gespeichert wurden (§ 2 Abs. 4). Die digitale Umstellung der Urkundensammlung der Grundbuchgerichte wurde im Laufe des Jahres 2006 abgeschlossen. Damit ist es nun auch möglich, Anträge zu Urkunden zu stellen, die bereits in der digital zugänglichen Urkundensammlung für jedermann abrufbar sind.

Zu Abs. 2:

Das neue Verfahren gehört zu den Geschäften des Grundbuchsverfahrens im weiteren Sinn, weil es die Offenlegung von Eintragungsgrundlagen in der Urkundensammlung betrifft. Es handelt sich aber nicht um eine Grundbuchssache im engeren Sinn, weil der Antrag auf Beschränkung der Einsicht nicht auf eine Eintragung im Grundbuch gerichtet ist. In der Praxis wird in der Regel – außer in Altfällen, in denen die Eintragung bereits stattgefunden hat – neben dem Einsichtsbeschränkungsantrag auch ein Antrag auf Eintragung gestellt werden, über den ganz unabhängig davon im Grundbuchsverfahren entschieden wird.

Über den Einsichtsbeschränkungsantrag soll im Verfahren außer Streitsachen und nicht im Grundbuchsverfahren entschieden werden, sodass Zwischenerledigungen und die Gewährung des Parteiengehörs möglich sind. Parteistellung haben neben einem Antragsteller oder einer Antragstellerin (s. oben) abweichend von § 2 Außerstreitgesetz (AußStrG) nur die Personen, die zum Antrag auf Verbücherung der betroffenen Urkunde berechtigt sind oder – bei einer bereits erfolgten Eintragung – berechtigt waren.

Da das Entscheidungsorgan eine Abwägung der Achtung des Privat- und Familienlebens mit den Interessen des Rechtsverkehrs vornehmen muss, soll die Entscheidung über den Einsichtsbeschränkungsantrag dem Richter oder der Richterin vorbehalten werden (§ 21 Abs. 3 Rechtspflegergesetz [RpflG] in der Fassung des Gesetzesvorschlages).

Zu Abs. 3:

Abs. 3 legt die Erfordernisse eines Antrags nach Abs. 1 fest. Im Antrag ist ein berechtigtes Interesse darzulegen, dass bestimmt bezeichnete Daten, die das Privat- oder Familienlebens betreffen, nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, um dem Entscheidungsorgan eine Interessenabwägung nach Abs. 5 zu ermöglichen. Außerdem ist dem Antrag eine um die antragsgegenständlichen Daten bereinigte Fassung der Urkunde, die als solche zu kennzeichnen ist, anzuschließen. Werden diese Inhaltserfordernisse nicht erfüllt, wird der Antrag unter Anwendung des § 10 AußStrG nach erfolglosem Verstreichen einer kurzen Verbesserungsfrist zurückzuweisen sein.

Das Gesetz gibt keine bestimmte Art und Weise vor, wie eine bereinigte Fassung der Urkunde herzustellen ist. In der Regel wird dies wohl zweckmäßigerweise durch entsprechende Unkenntlichmachung der betroffenen Stellen erreicht werden, wobei darauf zu achten sein wird, dass es sich erkennbar um dieselbe Urkunde wie die ursprüngliche handelt. Wurde eine Urkunde offensichtlich überschießend bereinigt, wird ebenfalls nach § 10 AußStrG vorzugehen sein.

Zu Abs. 4:

Um zu verhindern, dass die Erledigung des Grundbuchsantrags wegen des Antrags auf Beschränkung der Einsicht verzögert wird, aber auch um den neuen Rechtsbehelf insgesamt möglichst wirksam auszugestalten, soll wie bisher die betroffene nicht bereinigte Urkunde die Eintragungsgrundlage bilden und jedenfalls in die Urkundensammlung aufgenommen werden, allerdings für die Dauer des Einsichtsbeschränkungsverfahrens in einer für die öffentliche Einsicht vorübergehend gesperrten Form. Zusätzlich dazu soll für die Dauer des Einsichtsbeschränkungsverfahrens eine vom Antragsteller oder von der Antragstellerin vorzulegende bereinigte Fassung in die Urkundensammlung für jedermann einsehbar aufgenommen werden. Der oder die für das Verfahren auf Einsichtsbeschränkung zuständige Richter oder Richterin wird dafür umgehend die entsprechenden Aufträge an das Grundbuch zu erteilen haben, insbesondere um eine Sperre der öffentlichen Einsicht zu gewährleisten.

Auch während des Einsichtsbeschränkungsverfahrens soll aber bei einem überwiegenden rechtlichen Interesse die Einsicht in die nicht bereinigte Urkunde möglich sein (s. auch die Erläuterungen zu Abs. 7).

Zu Abs. 5:

Abs. 5 legt die Kriterien fest, nach denen das Gericht die Offenlegung der betroffenen Urkunde in der Urkundensammlung beschränken kann. Der EGMR hat in seiner Entscheidung vom 6. April 2021, EGMR 5434/17, Liebscher/Österreich, nicht bestimmte Informationen über das Privat- und Familienlebens von einer Offenlegung ausgeschlossen, sondern den Gerichten eine Interessenabwägung aufgetragen. Ein solch genereller Ausschluss bestimmter Daten des Privatlebens wäre auch gar nicht möglich, ohne die Bedeutung des Grundbuchs für die Sicherung von Rechten an Liegenschaften und des Rechtsverkehrs in Frage zu stellen. Ein Abstellen auf einen engeren Kreis an Daten, etwa des höchstpersönlichen Lebensbereichs, ist aber nicht erforderlich, da die Interessenabwägung als Korrektiv gegen eine zu weitgehende Beschränkung des Zugangs zu für die Öffentlichkeit wichtigen Daten hier ohnedies Grenzen setzt. Eine Interessenabwägung ist durch das Gericht nur über einen Antrag nach Abs. 1, nicht aber amtswegig, vorzunehmen. Aufgrund der Ergebnisse des Begutachtungsverfahrens wird die Interessenabwägung nunmehr näher gesetzlich determiniert. Bei der Interessenabwägung ist insbesondere zu berücksichtigen, ob die betroffenen Daten für öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Rechte oder Rechtsverhältnisse im Zusammenhang mit der betroffenen Liegenschaft relevant sein können. Zunächst ist festzuhalten, dass aus den öffentlich zugänglichen Urkunden jedenfalls der Umfang der bestehenden Rechte und Verpflichtungen, die Natur des Rechtsgeschäfts und die vereinbarten Leistungen ersichtlich sein müssen. Die Urkunden sollen auch insgesamt verständlich bleiben und die Zusammenhänge zwischen den geregelten Rechten und Pflichten müssen klar ersichtlich und nachvollziehbar sein. Darüber hinaus dürfen in der Regel keine Daten des Privat- oder Familienlebens unkenntlich gemacht werden, die für öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Rechte oder Rechtsverhältnisse im Zusammenhang mit der betroffenen Liegenschaft relevant sein können, weil sonst der Zweck der Öffentlichkeit des Grundbuchs, der Überprüfbarkeit der Eintragungen und auch die Grundsätze des Gutglaubensschutzes vereitelt werden könnten. Für eine Anfechtung von für Gläubiger oder Gläubigerinnen nachteilige Rechtsgeschäfte nach den Bestimmungen der IO muss beispielsweise ersichtlich sein, ob die Anfechtungsvoraussetzungen vorliegen, wozu auch familiäre Beziehungen gehören. Eine vorkaufsberechtigte Person muss erkennen können, ob der Vorkaufsfall eingetreten ist und sie darüber nicht informiert wurde. Ein Kaufinteressent oder eine Kaufinteressentin muss wissen, unter welchen Bedingungen ein verbüchertes Wiederkaufsrecht schlagend wird. Manche Normen stellen explizit darauf ab, ob Umstände aus den öffentlichen Büchern bekannt sein konnten (zum Beispiel § 468 und § 527 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch [ABGB]). Schließlich sollen auch alle Informationen, die für das Bestehen und für die Erfüllung von öffentlich-rechtlichen Pflichten, wie Genehmigungen oder Abgaben, relevant sein können, öffentlich zugänglich und überprüfbar sein. Diese Fälle stellen nur eine beispielhafte Aufzählung dar. Es ist auch davon auszugehen, dass in vielen dieser Fälle in der Praxis schon die Voraussetzung nicht erfüllt sein wird, dass es sich um Daten des Privat- oder Familienlebens handelt.

Als Ergebnis dieser Interessenabwägung werden – abhängig von den Umständen des Einzelfalls – beispielsweise folgende Daten des Privat- oder Familienlebens in Urkunden zu einer Einsichtsbeschränkung führen (zur Sonderregelung bei Scheidungsvergleichen vgl. § 6c Abs. 2): Ausführungen über den Kindesunterhalt, die Obsorge und Regelungen über die Ausübung des Kontaktrechts sowie vergleichbare Daten des Privat- und Familienlebens, die überhaupt nicht mit der Grundbuchseintragung im Zusammenhang stehen. Derartige Daten sind jedenfalls nicht für Rechte oder Rechtsverhältnisse im Zusammenhang mit der Liegenschaft relevant. Andererseits sind aber etwa ein Kaufpreis oder die Parteien des Titelgeschäfts jedenfalls offen zu legen. Daten der Grundbuchseintragungen selbst, wie etwa Geburtsdaten oder Pfandrechte für Kredite sind von der Regelung von vorneherein nicht betroffen.

Trotz Bestehens der neuen Antragsmöglichkeit sind vorrangig die Vertragserrichter und die Vertragserrichterinnen selbst in der Pflicht, den Inhalt von Vertragsurkunden unter größtmöglicher Beachtung des Interesses am Schutz des Privat- und Familienlebens der an Verträgen beteiligten Personen zu formulieren. In die für das Grundbuch vorgesehene Urkunde sollten möglichst von vornherein keine für die Parteien unerwünschten Daten aufgenommen werden. Darüber hinaus ist aber auch aus Justizsicht besonderes Augenmerk darauf zu richten, dass nur die Grundbuchsurkunden als „unmittelbare Eintragungsgrundlagen“ in die Urkundensammlung aufzunehmen sind und sogenannte bloße „Bewilligungsurkunden“ nicht zu veröffentlichen sind. Bewilligungsurkunden sind zwar Eintragungsvoraussetzung, aber nicht unmittelbar Grundlage für die Eintragung (vgl. zur Unterscheidung nur Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht2 § 87 GBG [Stand 1.9.2016, rdb.at] Rz 1 ff). Beispiele für bloße Bewilligungsurkunden sind etwa Pass- und Personalausweisdaten, Personenstandsurkunden zum Nachweis der Angehörigeneigenschaft iSd § 364c ABGB, Staatsbürgerschaftsnachweise, Heiratsurkunden oder steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigungen. Die Aufnahme von Urkunden in die Urkundensammlung ist lediglich eine interne Verfügung im Rahmen justizieller Tätigkeit, weshalb eine irrtümliche Aufnahme von Bewilligungsurkunden vom Entscheidungsorgan auch ebenso formlos rückgängig gemacht werden kann.

Zu Abs. 6:

Wenn das Gericht dem Antrag ganz oder teilweise stattgibt, hat es nach rechtskräftiger Erledigung der Sache eine um die betroffenen Daten endgültig bereinigte Fassung der Urkunde herzustellen oder herstellen zu lassen. Die Entscheidung, wie es vorgeht, liegt im Ermessen des Gerichts. In der Praxis wird das Gericht wohl vor allem in Fällen, in denen dies bloß einen geringen Aufwand darstellt, eine bereinigte Fassung selbst herstellen. Das Gesetz gibt weder dem Gericht noch den Parteien eine bestimmte Art und Weise vor, wie eine bereinigte Fassung der Urkunde herzustellen ist. In der Regel wird dies wohl zweckmäßigerweise durch entsprechende Unkenntlichmachung der betroffenen Stellen erreicht werden, wobei darauf zu achten sein wird, dass es sich erkennbar um dieselbe Urkunde wie die nicht bereinigte Urkunde handelt. Streichungen oder Schwärzungen sollten generell nur gezielt und sparsam vorgenommen werden, um den Inhalt einer Urkunde nicht zu verfälschen oder auszuhöhlen. Nur so kann die größtmögliche Publizität für eine sachenrechtliche Zuordnung von unbeweglichen Sachen gewährleistet und die Richtigkeit und Vollständigkeit des Grundbuchs und das Vertrauen der Rechtsunterworfenen darauf sichergestellt bleiben. Abs. 3 trägt dem Antragsteller bzw. der Antragstellerin bereits bei der Antragstellung auf, eine um die antragsgegenständlichen Daten bereinigte Fassung vorzulegen. Diese wird in der Regel bei gänzlicher Antragsstattgebung weiterverwendet und auch für die endgültige Aufnahme in die Urkundensammlung vorgelegt werden können. Die endgültig bereinigte Fassung der Urkunde samt einem Hinweis auf den Beschluss, mit dem die Beschränkung der Einsicht angeordnet wurde, ist dann dauerhaft in die Urkundensammlung aufzunehmen und die nicht bereinigte Urkunde dauerhaft für die öffentliche Einsicht zu sperren. Hat das Gericht den Antrag rechtskräftig abgewiesen, so ist die für die Dauer des Verfahrens vorgenommene Sperre aufzuheben und die bei der Antragstellung vorgelegte bereinigte Fassung der Urkunde aus der Urkundensammlung zu entfernen. Damit ist dann die nicht bereinigte Fassung der Urkunde für die öffentliche Einsicht wieder zugänglich. Das Gericht hat die entsprechenden Aufträge an das Grundbuch zu erteilen.

Zu Abs. 7:

Die nicht bereinigte Fassung der Urkunde ist in einer für die öffentliche Einsicht gesperrten Form dauerhaft in der Urkundensammlung aufzubewahren, um Personen die Einsicht in die vollständige Urkunde gewähren zu können, die ein das Interesse an Geheimhaltung überwiegendes rechtliches Interesse geltend machen. Über einen darauf gerichteten Antrag ist die Person zu hören, über deren Antrag die Beschränkung der Einsicht angeordnet wurde.

Zu § 6c:

Zu Abs. 1:

Bei dieser Regelung handelt es sich um eine präzisierende Klarstellung der geltenden Rechtslage. Es soll verdeutlicht werden, dass nur Grundbuchsurkunden (also die umittelbaren Eintragungsgrundlagen) im Sinne des § 6 GBG Eingang in die Urkundensammlung finden sollen. Hingegen sollen die sogenannten Bewilligungsurkunden nicht in die Urkundensammlung aufgenommen werden (siehe zur Unterscheidung § 6b Abs. 5).

Zu Abs. 2:

Mit der Neuregelung einer antragsgebundenen Beschränkung der Einsicht in die Urkundensammlung zum Schutz des Privat- und Familienlebens ist der Umsetzung des Urteils des EGMR grundsätzlich Genüge getan. Dennoch sieht sich der Gesetzgeber veranlasst, in bestimmten Fällen bereits gesetzliche Beschränkungen vorzusehen. In diesen Fällen ist es nämlich schon zum jetzigen Zeitpunkt vorhersehbar, dass häufig Anträge auf Einsichtsbeschränkung gestellt werden. Dies betrifft auch Fälle, in denen Art. 8 EMRK regelmäßig berührt sein könnte und der Inhalt der in die Urkundensammlung aufzunehmenden Urkunden gesetzlich vorgegeben ist oder zumindest der Disposition der Parteien nicht zur Gänze offensteht.

In bestimmten familien- und erbrechtlichen Fällen sollen die Gerichte daher zukünftig amtswegig eine gesonderte Ausfertigung für die Aufnahme in die öffentlich zugängliche Urkundensammlung erstellen (siehe dazu unten zu Art. 3 des Gesetzesvorschlages). § 6c Abs. 2 stellt sicher, dass ausschließlich diese gesonderten Ausfertigungen in die Urkundensammlung aufgenommen werden können.

Darüber hinaus wird für den Fall der zwangsweisen Pfandrechtsbegründung geregelt, dass nur die Exekutionsbewilligung, nicht aber der zugrundeliegende Titel in die Urkundensammlung aufgenommen wird, weil die Informationen in der Exekutionsbewilligung den Zwecken des Grundbuchs ohnehin Genüge tun und es potentiell eine Vielzahl an Exekutionstitel geben kann, bei denen Antragstellungen auf Einsichtsbeschränkung denkbar sind.

Mit § 6c Abs. 2 und den §§ 93 Abs. 4 und 178 Abs. 4 Außerstreitgesetz (AußStrG) in der Fassung des Gesetzesvorschlages, soll gewährleistet werden, dass in Fällen, in denen mit einer gewissen Anzahl an Anträgen gerechnet werden kann, von vornherein keine Antragstellung im Einzelfall notwendig ist.

Zu Z 2 (§ 30 Abs. 12 und 13):

Die neue Möglichkeit der Beschränkung der Einsicht soll auch für Urkunden gelten, die vor dem Inkrafttreten der Bestimmung in die Urkundensammlung aufgenommen wurden.

§ 6c Abs. 1 bringt eine Klarstellung in Hinblick auf die Aufnahme von bloßen Bewilligungsurkunden in die Urkundensammlung. Für die Vergangenheit soll aufgrund des lang zurückliegenden Zeitraums und des möglicherweise erheblichen Aufwands für das einzelne Entscheidungsorgan alle Urkunden auf etwaig irrtümliche Verfügungen einzeln zu überprüfen, auch eine Möglichkeit der automatisierten Änderung des Urkundenstatus in der elektronisch geführten Urkundendatenbank über pauschalen Auftrag der Bundesministerin für Justiz vorgesehen werden. Damit kann nur mehr bei rechtlichem Interesse in die entsprechende Urkunde Einsicht genommen werden. Dieses vereinfachte automatisierte Verfahren hat sich in der Vergangenheit bereits bei der Löschung der Anmerkungen von Sachwalterschaften und Kautionsbändern bewährt, die infolge gesetzlicher Änderungen gegenstandslos geworden waren.

Zu Art. 2 (Änderung des Rechtspflegergesetzes)

Zu Z 1 (§ 21 Abs. 3):

Da bei Entscheidungen über die Anträge auf Beschränkung der Einsicht in die Urkundensammlung nach § 6b GUG das Entscheidungsorgan eine Abwägung der Achtung des Privat- und Familienlebens des Antragstellers oder der Antragstellerin mit den Interessen des Rechtsverkehrs an Liegenschaften vornehmen muss, soll die Entscheidung dem Richter oder der Richterin vorbehalten werden.

Zu Art. 3 (Änderung des Außerstreitgesetzes)

Zu Z 1 und 2 (§ 93 Abs. 4 und § 178 Abs. 4):

Wie bereits zu § 6c Abs. 2 GUG des Gesetzesvorschlages ausgeführt, sollen in potentiell besonders betroffenen Bereichen antragsunabhängige Beschränkungen gesetzlich geregelt werden. § 93 Abs. 4 und § 178 Abs. 4 sehen daher in familien- und erbrechtlichen Angelegenheiten nun eine durch die in der Hauptsache zuständigen Gerichte amtswegig anzufertigende gesonderte Ausfertigung vor, welche – wie von den Gerichten bereits jetzt im Anwendungsbereich des geltenden § 178 Abs. 4 gehandhabt – nur die auf die Herstellung der Grundbuchsordnung bezogenen Daten enthält. Die generelle Möglichkeit, gesonderte Ausfertigungen nach § 178 Abs. 4 zu begehren, soll fortbestehen, um den Erhalt von gesonderten Ausfertigungen abseits von grundbuchsrechtlichen Anordnungen sicherzustellen.

Die Regelung nach § 93 Abs. 4 betrifft Scheidungsfolgenvereinbarungen, Entscheidungen in Eheangelegenheiten und Einantwortungsbeschlüsse. Entscheidungen in Eheangelegenheiten umfassen die Angelegenheiten, die in § 93 Abs. 1 genannt sind, also insbesondere auch die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse; erfasst sind auch Angelegenheiten der eingetragenen Partnerschaft (§ 43 Abs. 1 Z 2 Eingetragene Partnerschaft-Gesetz [EPG]). Die neue Bestimmung des § 6c Abs. 2 GUG (siehe dazu oben) gewährleistet, dass in Zukunft nur mehr diese gesonderten Ausfertigungen und nicht auch die vollumfänglichen Ausfertigungen zur Urkundensammlung genommen werden.