2617 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Justizausschusses

über die Regierungsvorlage (2606 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Grundbuchsumstellungsgesetz, das Rechtspflegergesetz und das Außerstreitgesetz geändert werden (Grundbuchs-Novelle 2024 – GB-Nov 2024)

Hauptgesichtspunkt des Gesetzesvorschlages

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat mit seiner Entscheidung vom 6. April 2021, EGMR 5434/17, Liebscher/Österreich, ausgesprochen, dass Österreich im Anlassfall das Grundrecht des Beschwerdeführers auf Achtung seines Privat- und Familienlebens nach Art. 8 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verletzt hat, weil die mit dem Fall befassten Gerichte für die Frage der Veröffentlichung des Scheidungsvergleichs in der Urkundensammlung des Grundbuchs keine Abwägung zwischen dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers einerseits und den Zwecken der Öffentlichkeit des Grundbuchs, also dem Interesse des Staates und des Rechtsverkehrs an der Richtigkeit, Genauigkeit und (auch nachträglichen) Überprüfbarkeit von Grundbuchseintragungen andererseits vorgenommen haben. Eine solche Interessenabwägung konnten die Gerichte nach geltendem Recht bisher auch nicht vornehmen, weil das Grundbuchsrecht derzeit weder eine solche Interessenabwägung noch eine Entscheidung über eine Beschränkung des Anspruchs auf Einsicht in die Urkundensammlung vorsieht. Der Oberste Gerichtshof hat aber in seinem Beschluss vom 30.3.2022, 8 Ob 3/22g, aufgrund eines Lückenschlusses ausgesprochen, dass ­ trotz fehlender gesetzlicher Grundlage ­ das Grundbuchsgericht sich nach Einsicht in den gesamten Scheidungsfolgenvergleich mit der Veröffentlichung einer Teilausfertigung in der Urkundensammlung begnügen kann, um dem Grundrecht des Antragstellers oder der Antragstellerin auf Schutz persönlicher Daten im Sinn des Art. 8 EMRK Rechnung zu tragen. Darüber hinaus haben Vertragsverfasser und Vertragsverfasserinnen damit begonnen, Geheimhaltungsinteressen möglichst schon an der Quelle, nämlich bei der Formulierung der Eintragungsgrundlagen zu berücksichtigen.

Dennoch hat Österreich nun die Entscheidung des EGMR auch durch eine explizite gesetzliche Regelung in seine nationale Rechtsordnung umzusetzen. Diese Umsetzungspflicht geht über den konkreten Einzelfall hinaus und umfasst auch generelle Maßnahmen des Staates, um künftige gleichartige Konventionsverletzungen hintanzuhalten.

In den §§ 6b und 6c des Grundbuchsumstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 550/1980, in der Fassung des Gesetzesvorschlages, sollen daher Bestimmungen einerseits über die Beschränkung der Einsicht in Urkunden in der Urkundensammlung eingeführt werden, die bestimmte Daten des Privat- oder Familienlebens enthalten, und andererseits Beschränkungen der Aufnahme von bestimmten Urkunden in die Urkundensammlung vorgesehen werden.

Der allgemein anwendbare antragsgebundene verfahrensrechtliche Lösungsansatz in § 6b greift einerseits Vorschläge auf, die in der wissenschaftlichen Diskussion de lege ferenda vorgebracht (s. Rassi, EF Kurz gesagt, EF-Z 2021, 161) und in verfassungskonformer Interpretation für das geltende Recht bereits vertreten wurden (s. Rechberger, Grundbuch und verfassungskonforme Interpretation, NZ 2021, 692). Er entspricht im Kern auch dem, was der OGH zu 8 Ob 3/22g judiziert hat. Der Vorschlag berücksichtigt darüber hinaus, dass die Antragsteller oder die Antragstellerinnen im Grundbuchsverfahren nicht notwendigerweise mit den in ihren Geheimhaltungsinteressen betroffenen Personen ident sind. Andererseits soll in ganz bestimmten Fällen, in denen vermehrt mit solchen Anträgen zu rechnen wäre, von vornherein eine amtswegige Erstellung von gesonderten Ausfertigungen und eine antragsunabhängige Beschränkung der Aufnahme von gewissen öffentlichen Urkunden in die Urkundensammlung vorgesehen werden (§ 6c Abs. 2).

Kompetenzgrundlage

Die Kompetenz des Bundes zur Erlassung dieses Bundesgesetzes gründet sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG („Zivilrechtswesen“).

 

Der Justizausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 18. Juni 2024 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten
Dr. Gudrun Kugler die Abgeordneten Dr. Johannes Margreiter, Mag. Klaus Fürlinger,
Mag. Georg Bürstmayr, Mag. Selma Yildirim und Mag. Harald Stefan sowie die Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M..

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit (dafür: V, S, F, G, dagegen: N) beschlossen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (2606 der Beilagen) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2024 06 18

                             Dr. Gudrun Kugler                                                   Mag. Michaela Steinacker

                                  Berichterstattung                                                                           Obfrau