2675 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP
Bericht
des Finanzausschusses
über die Regierungsvorlage (2599 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz geändert wird (Betrugsbekämpfungsgesetz 2024 Teil II – BBKG 2024 Teil II)
Das Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz (SBBG) ist im Jahr 2016 in Kraft getreten. Änderungen in der Vorgangsweise durch rechtswidrig agierende Unternehmen und Erfahrungswerte mit den im SBBG vorgesehenen Instrumenten machen gesetzliche Anpassungen notwendig.
Scheinunternehmen nach § 8 agieren vermehrt in einer Rolle, in der die maßgeblichen Arbeitnehmer nicht beim/vom Scheinunternehmen beschäftigt bzw. angemeldet werden. Dabei erstellen sie (insbesondere über vorgetäuschte Überlassungen, mitunter auch über vorgetäuschte Subvergaben) sogenannte Schein- und Deckungsrechnungen, um Schwarzlohnzahlungen an Arbeitnehmer/Dienstnehmer zu ermöglichen, die von/bei anderen Unternehmen unrichtig angemeldet bzw. ohne Anmeldung beschäftigt werden. Damit ermöglichen sie Verkürzungshandlungen und Leistungsmissbrauch wie in § 8 Abs. 1 angesprochen. Scheinunternehmen beantragen regelmäßig Beihilfen nach dem Arbeitsmarktservicegesetz.
In Bezug auf Scheinunternehmen ist eine vorläufige und zeitlich beschränkte Sicherung von Geldtransaktionen bei Banken und Kreditinstituten und der Entzug der einmal identifizierten inkriminierten Gelder vor dem Zugriff der Tätergruppen sinnvoll, um den Behördenorganen die Möglichkeit zu geben, erforderliche Ermittlungsmaßnahmen zu treffen und entsprechende Sicherungsmaßnahmen im gerichtlichen oder abgabenrechtlichen Verfahren durchzuführen.
Bei einem Verfahren zur Feststellung von Scheinunternehmen nach § 8 sind im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bei Hinzukommens eines Insolvenzverwalters die Abläufe der Verdachtsmitteilung und der persönlichen Vorsprache klärungsbedürftig.
Scheinunternehmen sind auf die Begehung von Sozialbetrug im Sinne der Sozialbetrugsdatenbank nach § 5 ausgerichtet. Mitunter ergeben sich jedoch, weil es noch an konkreten relevanten Handlungen für einen strafrechtlichen Verdacht fehlt, Hindernisse zur Eintragung in die Sozialbetrugsdatenbank. Damit werden eine frühzeitige Sammlung von Anhaltspunkten für die zu erwartenden Sozialbetrugshandlungen und eine frühzeitige Informierung anderer Stellen verhindert.
Aktuell dient die Sozialbetrugsdatenbank nach § 5 nur der Bekämpfung von Sozialbetrug im Sinne der §§ 153c bis 153e StGB, insbesondere im Rahmen der sogenannten Beitragsverkürzung (Verkürzung von Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz) durch Scheinunternehmen und sonstige Unternehmen. Und auch hier finden die maßgeblichen Handlungen und dazugehörigen Daten mitunter nicht Eingang in die Datenbank, wenn die Handlungen unrichtig nur aus dem Blickwinkel etwa der §§ 146 oder 148a StGB verfolgt werden. Darüber hinaus ist der in § 2 angesprochene Leistungsmissbrauch (betreffend Bezug von Versicherungs-, Sozial- oder sonstigen Transferleistungen) durch Scheinunternehmen und sonstige Unternehmen nicht umfasst. Generell scheint eine Ausweitung der Datenbank auf gerichtlich strafbaren Sozialbetrug im Sinne des § 2 durch Unternehmen, und damit auch auf den Leistungsmissbrauch, sinnvoll. Betroffen vom Leistungsmissbrauch durch (Schein-)Unternehmen ist auch das AMS. Bei den in der Datenbank in Frage kommenden Datenarten ist auch die Kennziffer des Unternehmensregisters nach § 25 Abs. 1 Z 7 Bundesstatistikgesetz zweckmäßig.
Aktuell kommt nach § 7 nur den Trägern der Krankenversicherung und dem Amt für Betrugsbekämpfung im Ermittlungsverfahren sowie im Haupt- und Rechtsmittelverfahren nach den §§ 153c bis 153e StGB im Rahmen ihres jeweiligen Zuständigkeitsbereichs die Stellung eines Privatbeteiligten zu. Keine Privatbeteiligten hat jedoch die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse in Hinblick auf die von § 153d StGB umfassten Zuschläge.
Nach § 9 haftet ab der rechtskräftigen Feststellung des Scheinunternehmens der Auftrag gebende Unternehmer, wenn er zum Zeitpunkt der Auftragserteilung wusste oder wissen musste, dass es sich beim Auftrag nehmenden Unternehmen um ein Scheinunternehmen nach § 8 handelt, zusätzlich zum Scheinunternehmen als Bürge und Zahler nach § 1357 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB), JGS Nr. 946/1811, für Ansprüche auf das gesetzliche, durch Verordnung festgelegte oder kollektivvertragliche Entgelt für Arbeitsleistungen im Rahmen der Beauftragung der beim Scheinunternehmen beschäftigten Arbeitnehmer. Künftig soll sichergestellt werden, dass generell in Fällen, in denen durch die Einbindung eines schließlich rechtskräftig festgestellten Scheinunternehmens Arbeitnehmern, und sei es auch bei nachfolgend beauftragten Unternehmen, ein Anspruch im vorgenannten (kollektivvertraglichen) Ausmaß erwächst, der Auftrag gebende Unternehmer dafür haftet, wenn er zum Zeitpunkt der Auftragserteilung über die Scheinunternehmenseigenschaft wusste oder wissen musste.
Zur Erreichung der verbesserten Sozialbetrugsbekämpfung sind die folgenden Maßnahmen vorgesehen:
- Klarstellung der Ausrichtung von Scheinunternehmen Belege zu verfälschen, zu verwenden, herzustellen, oder einem anderen Unternehmen zur Verfügung zu stellen, die dazu dienen, einen Geschäftsvorgang vorzutäuschen oder dessen wahren Gehalt zu verschleiern.
- In Bezug auf Scheinunternehmen Schaffung einer vorläufigen und zeitlich beschränkten Sicherung von Geldtransaktionen bei Banken und Kreditinstituten und Entzug der einmal identifizierten inkriminierten Gelder vor dem Zugriff der Tätergruppen, um schließlich Sicherungsmaßnahmen im gerichtlichen oder abgabenrechtlichen Verfahren durchzuführen.
- Im Verfahren zur Feststellung von Scheinunternehmen Schaffung von Bestimmungen, wonach auch im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens die Zustellung der Verdachtsmitteilung unmittelbar an den Rechtsträger erfolgt (und der Insolvenzverwalter informiert wird) und die Verpflichtung zur persönlichen Vorsprache eine unmittelbare Pflicht des Rechtsträgers bzw. dessen organschaftlichen Vertreters bleibt. Die Parteistellung des Insolvenzverwalters bleibt jedoch unberührt.
- Bei Verdacht auf Vorliegen eines Scheinunternehmens Informierung der Bundesgeschäftsstelle des AMS im Hinblick auf möglichen Missbrauch von Beihilfen.
- Präzisierung bzw. Ergänzung der Daten von rechtskräftig festgestellten Scheinunternehmen bei der schon bislang vorgesehenen Veröffentlichung.
- Aufnahme von Scheinunternehmen und Verdachtsfällen von Scheinunternehmen in die Sozialbetrugsdatenbank.
- Erweiterung der Sozialbetrugsdatenbank auf gerichtlich strafbaren Sozialbetrug im Sinne des § 2 durch Unternehmen.
- Vorsehen der Kennziffer des Unternehmensregisters nach § 25 Abs. 1 Z 7 Bundesstatistikgesetz bei den in der Datenbank in Frage kommenden Datenarten.
- Vorsehen des Arbeitsmarktservice (AMS) als Kooperationsstelle (bisher Informationsstelle), um die Nutzung der Sozialbetrugsdatenbank zu ermöglichen.
- Erweiterung der Ermittlungskompetenz des Amtes für Betrugsbekämpfung auf jene Tatbestände, die im unmittelbarem Zusammenhang mit der Verwirklichung von Sozialbetrug gemäß § 2 durch Unternehmen stehen.
- Erweiterung der Privatbeteiligtenstellung auf die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse.
- Erweiterung der Haftung des auftraggebenden Unternehmers für gewisse Entgeltansprüche von Arbeitnehmern, die aus der Einbindung eines rechtskräftig festgestellten Scheinunternehmens resultieren, wenn der Auftraggeber zum Zeitpunkt der Auftragserteilung um die Eigenschaft des Scheinunternehmens wusste oder wissen musste.
Im Einzelnen sind die vorgeschlagenen Maßnahmen im Besonderen Teil der Erläuterungen dargestellt.
Der Finanzausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 27. Juni 2024 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer Berichterstatter Abgeordneter Mag. Andreas Hanger die Abgeordneten MMag. DDr. Hubert Fuchs, Dr. Elisabeth Götze, Ing. Reinhold Einwallner, MMag. Dr. Karl-Arthur Arlamovsky sowie der Bundesminister für Finanzen Dr. Magnus Brunner, LL.M..
Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf einstimmig beschlossen.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Finanzausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (2599 der Beilagen) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.
Wien, 2024 06 27
Mag. Andreas Hanger Karlheinz Kopf
Berichterstattung Obmann