329 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Ausschusses für innere Angelegenheiten

über den Antrag 285/A(E) der Abgeordneten Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen betreffend Datenerhebung und Forschung im Bereich häusliche Gewalt und Gewalt gegen Frauen

Die Abgeordneten Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 22. Jänner 2020 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Österreich gilt als Vorreiter im Bereich des Gewaltschutzes in puncto häusliche Gewalt und Gewalt gegen Frauen. Damit das so bleibt und der bestmögliche Schutz vor Gewalt möglich ist, ist eine kontinuierliche Weiterentwicklung notwendig. Besondere Relevanz kommt entsprechendem Datenmaterial zu, auf dem Forschung und daraus abzuleitende Maßnahmen beruhen. Der aktuelle Mangel an der Erhebung von Daten zu geschlechtsspezifischer Gewalt in Österreich stellt ein großes Hindernis für die Kontrolle, Beurteilung und Weiterentwicklung politischer Maßnahmen dar.

Österreich wurde als einer der ersten Staaten einer Evaluierung hinsichtlich der Istanbul-Konvention unterzogen. Durchgeführt wurde diese durch GREVIO - Group of Experts on Action against Violence against Women and Domestic Violence. Der Österreichische NGO­Schattenbericht zu GREVIO wurde von fast 30 zivilgesellschaftlichen Organisationen, die über viel Fachwissen verfügen, erstellt. Darin werden einige Bereiche aufgezeigt, in denen es Verbesserungen braucht. So wird das Ausmaß der Erfassung relevanter Verwaltungsdaten in Österreich als unzureichend kritisiert:

‚In den meisten Bereichen werden selbst Minimalanforderungen nicht erfüllt. Dies stellt ein ernsthaftes Hindernis in der Kontrolle und Evaluierung politischer Maßnahmen dar. Österreich hat einige bewährte Verfahren in der Prävention von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt entwickelt, aber ohne entsprechende Datensammlung und fortlaufende, gründliche Evaluierung lässt sich nicht feststellen, in welchem Ausmaß (falls überhaupt) Maßnahmen umgesetzt wurden und welche Auswirkungen diese hatten. Dies behindert wiederum die Entwicklung evidenzbasierter, koordinierter und umfassender zukünftiger Maßnahmen.‘[1]

Das betrifft zahlreiche Behörden und Institutionen von der Polizei über zivilrechtliche Schutzverfügungen, Kriminalstatistik, Arbeitsmarktservice, Opferschutzeinrichtungen bis zur Prozessbegleitung. Der NGO-Schattenbericht zu GREVIO listet sie auf den Seiten 26-41 detailliert auf.  Dem Expertinnenwissen dieser zivilgesellschaftlichen Organisationen ist entsprechend Rechnung zu tragen.“

 

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 03. Juni 2020 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Mag. Selma Yildirim die Abgeordneten Mag. Johanna Jachs,
Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Dr. Dagmar Belakowitsch, Sabine Schatz sowie der Bundesminister für Inneres Karl Nehammer, MSc und der Ausschussobmann Abgeordneter Karl Mahrer. Die Verhandlungen wurden vertagt.

 

Der Ausschuss für innere Angelegenheiten hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 06. Juli 2020 erneut in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Mag. Johanna Jachs, Ing. Reinhold Einwallner, Mag. Philipp Schrangl und der Ausschussobmann Abgeordneter Karl Mahrer.

 

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag der Abgeordneten
Mag. Selma Yildirim, Kolleginnen und Kollegen keine Stimmenmehrheit (für den Antrag: S, F, N, dagegen: V, G).

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Karl Mahrer, Mag. Georg Bürstmayr,
Mag. Johanna Jachs, Kolleginnen und Kollegen einen selbständigen Entschließungsantrag gem. § 27 Abs. 3 GOG-NR betreffend Studie zu Auswirkungen der COVID-19 Krise auf Gewalt in der Privatsphäre eingebracht, der einstimmig beschlossen wurde.

 

Dieser selbständige Entschließungsantrag war wie folgt begründet:

„Österreich hat seit der Implementierung des Gewaltschutzgesetzes im Jahr 1997 eine ständige Weiterentwicklung des für ein geordnetes Gemeinwohl so wichtigen Handlungsfeldes der Gewaltprävention betrieben. Dabei war von Beginn an klar, dass sämtliche Institutionen der Anwendung von Gewalt in der privaten Sphäre entschieden entgegenzutreten haben.

Im Regierungsprogramm 2020-2024 ist das Ziel festgelegt, dass Frauen frei von Gewalt leben. Dies ist ein wichtiges und drängendes Problem, denn in Österreich wird jede fünfte Frau im Laufe ihres Lebens Opfer von körperlicher oder sexueller Gewalt.

Wie aktuelle Erhebungen zeigen, stieg die Zahl der Betretungs- und Annäherungsverbote während der COVID-19 Krise und der deshalb erteilten Ausgangsbeschränkungen an. Der Anstieg der Zahlen kam nicht komplett unvorhersehbar. Häusliche Gewalt steigt oftmals in Zeiten an, in denen Familien mehr Zeit miteinander verbringen. Zusätzlich zu dem engen Kontakt, könnten während der Ausgangsbeschränkungen möglicherweise auch die Einschränkung sozialer Kontakte, mögliche Arbeitslosigkeit und die Schließung der Gaststätten als erschwerende Faktoren hinzu gekommen sein[2]. Eine besonders wirksame, im Regierungsprogramm festgehaltene Präventivmaßnahme gegen häusliche Gewalt stellt nunmehr die gesetzlich geregelte sicherheitspolizeiliche Fallkonferenz dar, die multiprofessionell einberufen werden kann. Die Initiative der Einberufung einer solchen Fallkonferenz kann auch von den Opferschutzeinrichtungen ausgehen.

Aufbauend auf den bisherigen Erfahrungen im Gewaltschutzbereich soll daher im Rahmen einer zu beauftragenden Studie untersucht werden, aufgrund welcher maßgeblichen Faktoren es im Rahmen der Covid-19-Krise zu einem Anstieg von Fällen der Gewalt in der Privatsphäre gekommen ist und mit welchen (gesetzlichen) Maßnahmen eine entsprechende Verbesserung im Präventionsbereich – auch bzw. vor allem in Krisenzeiten - erreicht werden könnte.“

 

Zur Berichterstatterin für den Nationalrat wurde Abgeordnete Mag. Johanna Jachs gewählt.

 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für innere Angelegenheiten somit den Antrag, der Nationalrat wolle

1.      diesen Bericht hinsichtlich des Entschließungsantrags 285/A(E) zur Kenntnis nehmen und

2.      die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2020 07 06

                             Mag. Johanna Jachs                                                            Karl Mahrer, BA

                                 Berichterstatterin                                                                          Obmann



[1] Österreichischer NGO-Schattenbericht für GREVIO, Seite 26

[2] https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/welt/2056904-Der-Frust-wird-an-Frauen-und-Kindern-ausgelassen.html