419 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Verkehrsausschusses

über den Antrag 758/A(E) der Abgeordneten Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausbau der Fahrradinfrastruktur als Konjunkturmotor

Die Abgeordneten Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 7. Juli 2020 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Die Republik Österreich befindet sich inmitten zweier Krisen: Einerseits droht kurz- und mittelfristig eine durch die COVID-19 Pandemie verursachte Wirtschaftskrise, welche sich bereits durch einen Konjunktureinbruch und einen massiven Anstieg der Arbeitslosigkeit manifestiert. Andererseits drohen der Klimawandel und seine Folgen langfristig katastrophale globale Konsequenzen mit sich zu ziehen. Auch hier sind durch messbare Temperaturanstiege, Trockenheit und extreme Wetterereignisse erste Auswirkungen zu spüren, welche je nach Temperaturanstieg mehr oder weniger drastisch zunehmen werden.

Während auf europäischer Ebene die klimapolitischen Zielsetzungen sowie das als ,Green Deal‘ bekannte Maßnahmenpaket im Kontext der COVID-19 Wirtschaftskrise bereits als eine Art nachhaltiges Konjunkturpaket interpretiert wird, fehlt noch ein klares Bekenntnis der Österreichischen Bundesregierung, die jetzt notwendigen Konjunkturbelebungsmaßnahmen mit klimapolitischen Zielsetzungen und der notwendigen Neuorientierung der Wirtschaft und politischen Rahmenbedingungen zu verbinden.

In Österreich besteht bei der Klimapolitik gerade im Verkehrsbereich der mit Ab-stand größte Handlungsbedarf: Während in den anderen Bereichen die Emissionen im langjährigen Schnitt entweder stagnieren oder sogar leicht zurückgehen, sind laut Umweltbundesamt seit 1990 die Emissionen im Verkehrsbereich um 74% gestiegen. Hauptursache sind hier Versäumnisse in der Verkehrspolitik und Infrastrukturplanung, aber auch die europaweit problematische Zersiedelung.

Die COVID-19 Krise hat sowohl in Österreich aber auch in ganz Europa zu einem regelrechten Fahrradboom geführt. In vielen europäischen Metropolen, aber auch in Wien, hat der Fahrradverkehr sowie der Absatz bei Händlern massiv zugenommen, was in Städten wie Paris und London zu einer grundsätzlichen Neuausrichtung der Stadtplanung geführt hat. Denn abgesehen von den wissenschaftlich zweifelsfrei belegten positiven Auswirkungen auf die Gesundheit, hat ein erhöhter Anteil von Fahrradverkehr auch zahlreiche kurz- und langfristige Effekte für die Volkswirtschaft sowie das Gesundheitssystem:

•       Geringere Luftverschmutzung, welche europaweit für 100.000 Tote, Milliardenkosten in Gesundheitssystemen verantwortlich ist, sowie wahrscheinlich auch ein signifikanter Faktor in COVID-19 Erkrankungen

•       Laut Metauntersuchungen in mehreren Staaten wirkt Pendeln mit dem Fahrrad sowohl lebensverlängernd als auch präventiv bzgl. jener Volkskrankheiten, welche die größten Kosten für das Gesundheitssystem verursachen

•       Verschiedene Studien, unter anderem Untersuchungen des britischen Department for Transport, haben ergeben, dass Investitionen in Fahrradinfrastrukur jene Infrastrukturinvestitionen sind, welche die beste Kosten-Nutzen-Rechnung vorweisen. Dies umfasst neben drastischen Ersparnissen im Gesundheitssystem eine gesteigerte lokale Wertschöpfung, viele neu geschaffene Arbeitsplätze sowie reduzierte fossile Importe.

Investitionen in die Fahrradinfrastrukur haben dementsprechend das Potential, nicht nur bei der kurzfristigen Krisenbekämpfung eine große Rolle zu spielen, sondern auch langfristig Kosten zu sparen, Arbeitsplätze zu schaffen und einen Schritt hin zu lebenswerteren, gesünderen Städten zu setzen. Allerdings zeigen Untersuchungen auch, dass es nicht reicht, einfach nur Fahrspuren an den Fahrbahnrand aufzumalen oder Fahrradwege in Umwegen um Autostraßen herumzuschlängeln. Die deutlichste Zunahme an Fahrradverkehr sowie der damit verbundenen positiven Effekte zeigen im internationalen Vergleich jene Städte und Länder, welche eine Priorisierung des Fahrradverkehrs gegenüber dem motorisierten Individualverkehr in der Verkehrsplanung forcieren.

In Österreich gibt es gerade bei der Schaffung einer über Gemeindegrenzen hinweg konzipierten Fahrradinfrastruktur ein großes Potential. Aufgrund der fehlenden überregionalen Gesamtverkehrsplanung sowie der Praxis nicht durchgängiger, um den Autoverkehr herum geplanter Fahrradwege, sowie der mangelnden Anbindung von Ortschaften untereinander, wird die Erledigung von Alltagswegen mit dem Fahrrad sowie die Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel erschwert. Sowohl die Pendlerstatistiken als auch die Statistiken zur Autonutzung bei Alltagswegen bestätigen aber, dass ein substanzieller Teil der Wege in Österreich bequem und ohne größeren Zeitaufwand mit dem Fahrrad erledigt werden könnte. Gleichzeitig dominiert in der Planungspraxis vieler Länder und Gemeinden noch das Bild des Fahrradverkehrs als Freizeit- oder Tourismusaktivität, was zur Folge hat, dass Radwege indirekt und nach touristischen Gesichtspunkten konzipiert werden und nicht als Teil der Alltagsmobilität.

Um die bereits angeführten Vorzüge des gesteigerten Fahrradverkehrs für Österreich zu ermöglichen, sind dementsprechend nicht nur Investitionen in die Infrastruktur notwendig, sondern eine bundesweit koordinierte Gesamtstrategie für den Fahrradverkehr und ein grundlegender Wandel in der Planungspraxis und Infrastrukturpolitik.“

 

Der Verkehrsausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 22. Oktober 2020 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Dr. Johannes Margreiter die Abgeordneten Julia Elisabeth Herr, Hermann Weratschnig, MBA MSc, Joachim Schnabel, Lukas Hammer und Mag. Gerald Hauser sowie die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Hermann Weratschnig, MBA MSc, Andreas Ottenschläger, Kolleginnen und Kollegen einen selbständigen Entschließungsantrag gem. § 27 Abs. 3 GOG-NR betreffend Weiterführung der Maßnahmen aus dem Regierungsprogramm für die Erhöhung des Anteils aktiver Mobilität am österreichischen Mobilitätsmix eingebracht, der mit Stimmenmehrheit (für den Antrag: V, S, G, N, dagegen: F) beschlossen wurde.

 

Dieser selbständige Entschließungsantrag war wie folgt begründet:

„Der Ausbau und die Förderung von Radinfrastruktur ist ein zentrales Anliegen der österreichischen Bundesregierung und ist als solches im Regierungsprogramm im Unterkapitel Radpaket und Zufußgehen- Offensive für aktive, sanfte Mobilität im Detail festgeschrieben. So hat sich die Bundesregierung dazu bekannt, geeignete Maßnahmen in Kraft zu setzen um den Radverkehrsanteil von 7% auf 13% bis 2025 zu erhöhen. Dazu gehört laut Regierungsprogramm die Schaffung von Finanzierungsmitteln insbesondere für den Ausbau von Infrastruktur, die Berücksichtigung des Radverkehrs bei Infrastrukturinvestitionen und in der Raumplanung, die Abschaffung finanzieller Barrieren, wie zum Beispiel beim Kilometergeld für dienstliche Radfahrten, oder die Attraktivierung von Radwegen im ländlichen Raum. Die Basis dafür bildet der Masterplan Fahrrad 2015 - 2025, der im Zuge der neu-gesetzten Akzente aktualisiert werden soll.

Seitens der Bundesregierung und insbesondere des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie wurden schon zentrale Maßnahmen zur Erreichung der genannten Ziele gesetzt. So wurden die Mittel im Bundesbudget für den Ausbau von Radinfrastruktur im Mai 2020 im Rahmen des ‚klimaaktiv mobil‘- Programms nicht nur verdoppelt, sondern mit nun 40 Millionen Euro sogar verzehnfacht. Kombiniert mit dem seit 1. Juli 2020 auch für den Radverkehr gültigen Kommunalen Investitionsprogramm, können Radprojekte sogar bis zu 100% durch den Bund gefördert werden. Der Zusammenarbeit mit den Ländern und Gemeinden als Basis für die Etablierung von aktiver und sauberer Mobilität wird damit ambitioniert nachgekommen und soll auch weiterhin forciert werden.

Zur Offensive für aktive und saubere Mobilität gehört zudem die Attraktivierung des Fußgängerverkehrs, die durch die Weiterentwicklung und Umsetzung des ‚Masterplans Gehen‘, sowie verstärkter Berücksichtigung im ‚klimaaktiv mobil‘- Programm erreicht werden sollen.“

 

Der den Verhandlungen zu Grunde liegende Entschließungsantrag 758/A(E) der Abgeordneten Dr. Johannes Margreiter, Kolleginnen und Kollegen fand nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit (für den Antrag: N, dagegen: V, S, F, G).

 

Zum Berichterstatter für den Nationalrat wurde Abgeordneter Hermann Weratschnig, MBA MSc. gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verkehrsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle

1.     diesen Bericht hinsichtlich des Entschließungsantrags 758/A(E) zur Kenntnis nehmen und

2.     die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2020 10 22

              Hermann Weratschnig, MBA MSc                                         Alois Stöger, diplômé

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann