516 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Justizausschusses

über die Regierungsvorlage (481 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem Maßnahmen zur Bekämpfung von Hass im Netz getroffen werden (Hass-im-Netz-Bekämpfungs-Gesetz – HiNBG)

Hass und Hetze in sozialen Medien und im Internet sind ein globales gesellschaftspolitisches Phänomen, dessen Relevanz aufgrund des technologischen Wandels der Kommunikationsformen in den letzten Jahrzehnten massiv zugenommen hat. Der Hass richtet sich dabei aber nicht nur gegen Gruppen, die von den Tätern als anders oder fremd wahrgenommen werden, sondern trifft in vielen Fällen auch Einzelpersonen. Ein wesentlicher Teil der Angriffe beruht auf rassistischen, ausländerfeindlichen, frauenfeindlichen oder homophoben Motiven und reicht von Beleidigungen und Beschimpfungen bis hin zu gefährlichen Drohungen, Verhetzung oder Cybermobbing. Im Rahmen einer österreichischen Studie zu Gewalt im Netz des Forschungszentrums Menschenrechte der Universität Wien, des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Menschenrechte und der WEISSER RING Verbrechensopferhilfe aus dem Jahr 2018 wurde aufgezeigt, dass ein Drittel der befragten Frauen und Mädchen innerhalb eines Jahres mindestens einmal eine Form von Gewalt im Netz wie beispielsweise Beschimpfungen aufgrund der politischen Weltanschauung, Cyber-Mobbing oder sexuell anzügliche Mitteilungen erfahren hat; in der Altersgruppe der 15 bis 18-jährigen waren sogar fast zwei Drittel betroffen. Auch im ZARA Rassismus Report 2018 wurde ein Anstieg von rassistischen und verletzenden Inhalten im Internet um 22,6 % im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet. Besonders belastend stellt sich die Situation für die Betroffenen aufgrund der breiten Öffentlichkeit im digitalen Raum dar, was durch die Tatsache verstärkt wird, dass rechtswidrige Inhalte oftmals nicht oder sehr spät gelöscht werden und so für lange Zeit online sichtbar bleiben. Obwohl man sich sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene bereits mit großen Kommunikationsplattformbetreibern wie beispielsweise Twitter oder Facebook auf einen Verhaltenskodex und entsprechende Vereinbarungen zur raschen Löschung von Hasspostings verständigt hat, wird den Löschungsersuchen einzelner Benutzer durch die Anbieter*innen sozialer Medien oftmals nicht in zufriedenstellender Weise nachgekommen.

Dass sich der Hass aber nicht „nur“ auf das Internet oder bloße Worte beschränkt, sondern diesen in den schlimmsten Fällen auch entsprechende Gewalttaten folgen können, hat sich in den vergangenen Jahren durch zahlreiche ideologisch motivierte Attentate bzw. körperliche Übergriffe auf besonders tragische Weise gezeigt. Viele der späteren Täter haben sich im Vorfeld in einschlägigen Internetforen ausgetauscht oder auf den Plattformen sozialer Medien ihre Gesinnung durch das Verfassen entsprechender Hasskommentare zum Ausdruck gebracht. Die verübten Übergriffe führten ihrerseits wiederum zu Beifallsbekundungen im Internet und ausdrücklicher Befürwortung der dahinterstehenden Motive.

Dabei sind die möglichen gesundheitlichen Folgen bei von Hassrede, Beleidigungen und vergleichbaren Straftaten betroffenen Einzelpersonen gravierend: So kann Hass im Netz zu psychischen, emotionalen und psychosomatischen Auswirkungen bis hin zum Selbstmord wegen Cybermobbings führen. Die Opfer können sich den Attacken nur schwer entziehen, weil diese im digitalen Raum rund um die Uhr stattfinden können und Täter sich durch die vermeintliche Anonymität des Internets geschützt fühlen. Zu berücksichtigen sind in diesem Zusammenhang nicht nur die massiven negativen Auswirkungen auf den einzelnen Betroffenen, sondern auf die gesamte Gesellschaft. So kann die Angst vor möglichen Angriffen sogar ganze Teile der Bevölkerung von einer Teilnahme am öffentlichen Leben abhalten und damit zu sogenannten „chilling“-Effekten führen.

Der Schutz vor Gewalt und Hass im Netz stellt daher einen zentralen Punkt im Kapitel „Justiz & Konsumentenschutz“ des Regierungsprogrammes 2020-2024 der österreichischen Bundesregierung dar (S. 30/31). Unter diesem Aspekt sollen insbesondere die Möglichkeiten der Verfolgung von Hass im Netz und die Opferunterstützung verbessert werden, darüber hinaus ist die Einsetzung einer ressortübergreifenden Task Force zur effizienten Bekämpfung von Hass im Netz und anderer digitaler Kriminalitätsformen vorgesehen. Zur Erarbeitung eines entsprechenden Maßnahmenpakets gegen Hass im Netz, das sämtliche straf-, medien- und zivilrechtlichen Aspekte der Thematik behandelt, wurde von der Bundesministerin für Justiz Anfang des Jahres 2020 eine Expert*innengruppe bestehend aus Vertreter*innen aus Lehre und Praxis sowie den zuständigen Fachabteilungen des Ministeriums eingerichtet. Die Überlegungen innerhalb der Expert*innengruppe konzentrierten sich dabei sowohl auf legistische als auch auf praktische Lösungen, um Opfern von Hass im Netz rasch und kostengünstig Zugang zum Recht zu verschaffen und rechtliche Instrumente und Möglichkeiten für Betroffene zu entwickeln, um sich effektiv gegen Hass im Netz zur Wehr setzen zu können.

Mit gemeinsamem Vortrag an den Ministerrat (Zirkulationsbeschluss vom 9. Juli 2020) der Bundesministerin für Justiz, der Bundesministerin für EU und Verfassung sowie der Bundesministerin für Frauen und Integration wurden die entsprechenden Vorhaben zur effizienten Bekämpfung von Hass im Netz und anderer digitaler Kriminalitätsformen dargelegt und die Einsetzung einer ressortübergreifenden Task Force beschlossen. Die vorgesehenen Maßnahmen beinhalten dabei in strafrechtlicher Hinsicht unter anderem die Einführung eines Upskirting-Verbots sowie Nachschärfungen im Bereich des materiellen Strafrechts (insbesondere bei Verletzungen des Bildnisschutzes, Hasspostings und Cyber-Mobbing), Maßnahmen im Strafprozessrecht zur effektiven Strafverfolgung von Hasskriminalität und zum Opferschutz und Anpassungen im Bereich des Medienrechts.

Mit dem vorliegenden Entwurf sollen die erforderlichen legistischen Maßnahmen umgesetzt werden.

 

Der Justizausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 26. November 2020 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Sigrid Maurer, BA die Abgeordneten Mag. Selma Yildirim, Dr. Johannes Margreiter, Katharina Kucharowits, Mag. Agnes Sirkka Prammer, Dr. Susanne Fürst, Mag. Harald Stefan, Dr. Nikolaus Scherak, MA, Mag. Johanna Jachs und Mag. Ulrike Fischer sowie die Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M. und die Ausschussobfrau Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker.

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf in getrennter Abstimmung mit wechselnden Mehrheiten (dafür: V, S, G, dagegen: F, N bzw. dafür: V, S, G, N, dagegen: F) beschlossen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (481 der Beilagen) die verfassungs­mäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2020 11 26

                             Sigrid Maurer, BA                                                    Mag. Michaela Steinacker

                                  Berichterstatterin                                                                           Obfrau