576 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Unterrichtsausschusses

über den Antrag 1074/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen betreffend Corona Maßnahmenpaket für die Zukunft unserer Kinder

 

Die Abgeordneten Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 20. November 2020 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Seit März 2020 gibt es keine ‚normale‘ Schule mehr. Die Wochen der Schulschließungen im Frühjahr, der gestaffelte Unterricht danach und das neuerliche Distance Learning im November haben viele an ihre Grenzen gebracht. Daher können wir im Unterricht und im Bildungssystem nicht einfach so weiter tun, wie zuvor. Wir müssen uns eingestehen: Die Corona-Krise hat unser Bildungssystem und unsere Kinder besonders hart getroffen. Daher braucht es neue Wege und Mittel, um unseren Kindern eine gute Zukunft zu ermöglichen. Wenn wir die Herausforderungen im Schulsystem bewältigen wollen, führt kein Weg an umfassenden Maßnahmen hin zu mehr Bildungsgerechtigkeit vorbei.

Das zeigen uns auch zahlreiche Studien aus dem Frühjahr und den letzten Wochen: 21% der SchülerInnen erhielten laut einer Studie der Uni Wien[1] keine Unterstützung beim Lernen durch die Familie, 7% gaben an, gröbere Probleme bei der Bewältigung der schulischen Anforderungen im Home-Learning zu haben. 12% waren nach einer Studie des IHS[2] kaum oder nicht erreichbar und 75% PädagogInnen sind besorgt, dass sich das Kompetenzniveau von schwachen SchülerInnen durch das Home-Schooling verschlechtert.

Unser Bildungssystem ist im internationalen Vergleich ohnehin von starken Bildungsungleichheiten geprägt. Die Bildungsschere droht jetzt noch weiter aufzugehen, sollten nicht Maßnahmen umgesetzt werden, um dem entgegenzuwirken. Wenn nichts unternommen wird, und die Schule weiter so wie vor Corona funktioniert, droht laut OECD[3] das Lebenseinkommen der Corona Generation um 3% zu sinken.

Allein ein Monat Schullockdown, so hat das IHS errechnet, bringen spätere jährliche Einkommensverluste der betroffenen Schülerinnen und Schüler, von 100 bis 200 Euro mit sich[4] und die vorgelegten Maßnahmen werden nicht ausreichen, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Es braucht daher dringend ein umfassendes Schulpaket:

Unterstützung für alle, die sie brauchen

Nach dem ersten Lockdown, gab es keinen strukturierten Förderunterricht für SchülerInnen, die durch das Home-Schooling zurückgefallen sind. Die Sommerschulen, die es nur für Deutsch und nur für einen kleinen Teil an SchülerInnen gab, konnten die Verluste nicht wettmachen. Daher braucht es zwei in Kleingruppen organisierte Fördereinheiten/Nachhilfestunden in jedem Hauptgegenstand pro Jahrgang, pro Woche, (max. 5 SchülerInnen). Schulautonom können je nach Bedarf auch Nachhilfestunden für alle anderen Fächer eingeführt werden.

Zusätzliche 100 SchulpsychologInnen und SchulsozialarbeiterInnen

SchülerInnen müssen derzeit nicht nur eine Gesundheits-, sondern auch eine soziale Krise bewältigen. Viele Familien sind von Stress, Arbeitslosigkeit und Einkommenseinbußen betroffen. Während viele mit der Situation besser umgehen konnten, haben sich bei einigen in den eigenen vier Wänden belastende Situationen abgespielt. Schule ist nicht nur Lern-, sondern auch Sozialraum, der Kinder unterstützen soll.

Faire Abschlüsse

Es braucht nun rasch einen Plan, wie Abschlussprüfungen sowie die Matura 2021 ablaufen sollen. Es müssen faire Bedingungen geschaffen werden, die das besondere Schuljahr berücksichtigen und den SchülerInnen und Schülern frühzeitig die notwendige Planungssicherheit gibt.

Ein Chancenindex, der allen Chancen gibt

Ein Pop-up Chancenindex (100-Schulen-Projekt) wurde als Forschungsprojekt für wenige Schulstandorte ab 2021 angekündigt – und das nur für 1 Jahr. Bildungsgerechtigkeit, die allen Kindern dieselben Chancen eröffnet, bedarf jedoch einem flächendeckenden und langfristigen Chancenindex.

Keine halben Sachen

Die Mittel für den Ausbau von ganztägigen Schulen wurden gestreckt und der weitere Ausbau somit verlangsamt. Solange wir nicht von der Hausübungs- und Halbtagsschule wegkommen, wird der Erfolg unserer Kinder weiterhin von den Unterstützungsmöglichkeiten der Eltern abhängen. Daher ist es dringend notwendig, die Mittel für den Ausbau von ganztäglichen Schulformen zu erhöhen, sodass alle 6- bis 14-Jährigen die Möglichkeit haben, in ihrem Bezirk eine ganztägige Schule zu besuchen.

Bildung, die bei den Jüngsten beginnt

Die Elementarpädagogik wurde in der Krise oft vergessen. Es benötigt daher dringend eine Aufwertung der Elementarpädagogik sowie einen bundesweiten Qualitätsrahmen und ein zweites Gratis-Kindergartenjahr und einen Rechtsanspruch ab dem 1. Geburtstag.

Inklusion

Jedes Kind soll die Chance auf ein Miteinander haben. Inklusive Schulen müssen der Regelfall im österreichischen Schulwesen werden. Dies ist Basis für eine vorurteils- und barrierefreie Gesellschaft.

Aus der Krise lernen: Schule könnte auch ganz anders sein

Das Schulsystem wurde in den letzten Wochen in seinen Grundfesten ziemlich durcheinander gewürfelt. Bisher hat sich die Debatte primär darum gedreht, wie wir wieder zurück zum „Normal“ an den Schulen kommen. Aber man muss ehrlich sein: Das „Normal“ an Österreichs Schulen ist im besten Fall „Mittelmaß“ und weit weg von „spitze“. Zudem ist das System nicht robust genug, um solche Herausforderungen gut zu bewältigen. Jetzt ist Zeit neu nachzudenken!“

 

Der Unterrichtsausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 02. Dezember 2020 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Petra Vorderwinkler die Abgeordneten Mag. Sibylle Hamann, Eva Maria Holzleitner, BSc, Petra Bayr, MA MLS, Hermann Brückl, MA, Mag. Martina Künsberg Sarre, Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Katharina Kucharowits, Claudia Plakolm, Barbara Neßler, Fiona Fiedler, BEd, Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA und Mag. Gerald Hauser sowie der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann.

 

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Dr. Sonja Hammerschmid, Kolleginnen und Kollegen nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit (für den Antrag: S, N, dagegen: V, F, G).

 

Zur Berichterstatterin für den Nationalrat wurde Abgeordnete Barbara Neßler gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Unterrichtsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2020 12 02

                                Barbara Neßler                                                      Mag. Dr. Rudolf Taschner

                                  Berichterstatterin                                                                          Obmann



[1] Schober, Barbara/ Lüftenegger, Marko/ Spiel, Christiane (2020): Lernen unter COVID-19-Bedingungen: https://lernencovid19.univie.ac.at/fileadmin/user_upload/p_lernencovid19/Zwischenergebnisse_Schueler_innen.pdf

[2] https://www.ihs.ac.at/de/ueber-uns/pr/news/detail/webinar-covid-19-und-home-schooling/

[3] http://www.oecd.org/education/the-economic-impacts-of-learning-losses-21908d74-en.htm

[4] https://irihs.ihs.ac.at/id/eprint/5529/1/ihs-policy-brief-2020-kocher-steiner-corona-schulen.pdf