Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Die gegenständliche Novellierung des Ziviltechnikergesetzes wird aufgrund des Urteils C-209/18 des Europäischen Gerichtshofes (im Folgenden: EuGH) vom 29. Juli 2019 vorgenommen. In diesem wurde die Nichtumsetzung von Teilen der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt (im Folgenden: Dienstleistungsrichtlinie), ABl. Nr. L 376 vom 27.12.2006 S. 36, durch die Republik Österreich festgestellt. Durch die vorliegende Novelle des ZTG 2019 soll der europarechtskonformen Zustand hergestellt werden.

Durch die Novelle werden insbesondere weitreichende Änderungen hinsichtlich Ziviltechnikergesellschaften vorgenommen. Als zentraler Punkt wird die Höhe der Beteiligung von Ziviltechnikern an Ziviltechnikergesellschaften adaptiert; statt der bisherigen Mehrheit an Gesellschaftsanteilen müssen künftig nur mehr 50 Prozent von Gesellschaftsanteilen und Stimmrechten von Ziviltechnikern gehalten werden.

Im neuen 5. Abschnitt im 1. Hauptstück des ZTG 2019 finden sich darüber hinaus Regelungen zu interdisziplinären Gesellschaften mit Ziviltechnikern, durch die unter bestimmten Voraussetzungen der Zusammenschluss von Ziviltechnikern mit Angehörigen anderer Berufe ermöglicht wird.

Besonderer Teil

Zu Z 2 (§ 6 Abs. 5):

Vor Zulassung zur Ziviltechnikerprüfung müssen insgesamt 3 Jahre Berufspraxis erbracht werden; Ziel der Norm ist es sicherzustellen, dass angehende ZiviltechnikerInnen ausreichend praktische Erfahrung gesammelt haben. Die Situation im Jahr 2020 hat gezeigt, dass Kurzarbeit auch über einen längeren Zeitraum angeordnet werden kann und es daher notwendig ist, eine dauerhafte Regelung bezüglich der Anrechnung als Praxiszeit zu schaffen. Praxiszeiten, die in Kurzarbeit erbracht wurden, sollen auch dann angerechnet werden können, wenn diese die tägliche oder wöchentliche Normalarbeitszeit zur Hälfte unterschritten haben.

Zu Z 3 (§ 10):

Durch die Änderungen wird klargestellt, dass der Kanzleisitz eines Ziviltechnikers bzw. einer Ziviltechnikergesellschaft oder einer interdisziplinären Gesellschaft mit Ziviltechnikern nicht ausschließlich in Österreich zu sein hat, sondern auch in einem Mitgliedstaat der EU oder einem Vertragsstaat des EWR oder der Schweizer Eidgenossenschaft angesiedelt sein kann. Wird kein Sitz in Österreich angestrebt, so kann der Antragsteller frei wählen bei welcher Landeskammer für ZiviltechnikerInnen er den Antrag stellen möchte.

Zu Z 4 (§ 19):

Die Adaptierungen resultieren aus dem Umstand, dass auch Lichtbildausweise ohne Beurkundungs- oder Ziviltechnikersignatur nicht mehr in Papierform ausgestellt werden. Derzeit werden sämtliche Ausweise in Kartenform ausgestellt.

Zu Z 5 (§ 21 Abs. 4):

Die Änderungen in Abs. 4 erfolgen zur Korrektur eines Redaktionsversehens.

Zu Z 6 (§ 22 Abs. 1):

Die Bestellung eines Substituten soll zeitnah nach dem Tod des Ziviltechnikers erfolgen. Zu diesem Zeitpunkt steht meist noch nicht fest, wer erbberechtigt ist. Daher soll einerseits auf erbrechtlich bindende letztwillige Anordnungen des Verstorbenen und andererseits Äußerungen von legitimierten Vertretern der Verlassenschaft gemäß § 810 ABGB Rücksicht genommen werden.

Zu Z 7 (§ 24 Abs. 4):

Der neue Abs. 4 normiert, dass Änderungen in Gesellschaftsverträgen von Ziviltechnikergesellschaften sowie von interdisziplinären Gesellschaften mit Ziviltechnikern dem Bundesminister für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort zur Kenntnis zu bringen sind. Nach der bisherigen Rechtslage wurde der Gesellschaftsvertrag nur einmalig im Zuge der Befugniserteilung begutachtet; künftig sollen auch nachträgliche Änderungen auf ihre Vereinbarkeit mit dem ZTG 2019 überprüft werden.

Entspricht der Gesellschaftsvertrag nicht mehr den Bestimmungen des ZTG 2019 kann ein Erlöschen der Befugnis durch den Bundesminister für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort mittels Bescheid festgestellt werden.

Aus einer Änderung des Gesellschaftsvertrags könnte sich auch etwa der Wechsel von einer Ziviltechnikergesellschaft zu einer interdisziplinären Gesellschaft mit Ziviltechnikern ergeben.

Zu Z 8 (§ 26 Abs. 2):

Der bisherige § 26 Abs. 2 beinhaltete die Pflicht, alle geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Gesellschafter anzuführen. Durch die Möglichkeit der Beteiligung von interdisziplinären Gesellschaften mit Ziviltechnikern an Ziviltechnikergesellschaften erscheint es sinnvoll diese Offenlegungspflicht auf sämtliche an der Gesellschaft beteiligte Gesellschafter zu erweitern. Dies dient dazu sicherzustellen, dass Personen die Leistungen der Ziviltechnikergesellschaft in Anspruch nehmen, sich auf einfachem Weg ein Bild über die Beteiligungsverhältnisse machen können.

Zu Z 9 (§ 27 Abs. 1):

Die Neuformulierung des § 27 Abs. 1 erfolgt zur Klarstellung, wer Gesellschafter einer Ziviltechnikergesellschaft sein darf. Neben natürlichen Personen und Ziviltechnikergesellschaften ist es auch interdisziplinären Gesellschaften mit Ziviltechnikern erlaubt, Gesellschafter einer Ziviltechnikergesellschaft zu sein.

Zu Z 10 (§ 29 Abs. 1 und 2):

Die Änderung im Abs. 1 führt dazu, dass die Geschäftsführer einer Ziviltechnikergesellschaft künftig keine Mehrheit mehr an den Gesellschaftsanteilen halten müssen. Gesellschafter mit aufrechter Ziviltechnikerbefugnis müssen künftig mindestens 50 Prozent an den Gesellschaftsanteilen und Stimmrechten einer Ziviltechnikergesellschaft halten. Darunter fallen natürliche Personen mit Ziviltechnikerbefugnis, berufsbefugte Ziviltechnikergesellschaften sowie interdisziplinäre Gesellschaften mit Ziviltechnikern.

Die 50 Prozent-Grenze ist aufgrund von zwingenden Gründen des Allgemeininteresses erforderlich. Der EuGH hat in seinem Urteil (C-209/18) vom 29.7.2019 abermals die Ziele des Schutzes von Dienstleistungsempfängern und der Sicherstellung der Dienstleistungsqualität als zwingende Gründe des Allgemeininteresses anerkannt, die eine Beschränkung der unionsrechtlich verbürgten Freiheiten rechtfertigen können. Der EuGH räumt auch ein, dass die Gewährleistung der Objektivität und Unabhängigkeit des Berufsstandes sowie die Sicherstellung von Rechtssicherheit in Zusammenhang mit den genannten Zielen stehen (Urteil vom 29.7.2019, C-209/18, Europäische Kommission/Republik Österreich, Rz. 87). Im Fall der Ziviltechnikertätigkeiten sind auch weitere zwingende Gründe des Allgemeininteresses berührt, allen voran Sicherheit, Leben und Gesundheit von Menschen, aber auch die Erhaltung des kulturellen und historischen Erbes und des Umweltschutzes (Urteil des EuGH vom 4.7.2019, C-377/17, Europäische Kommission/Bundesrepublik Deutschland, ECLI:EU:C:2019:562, Rz. 71).

Die Dienstleistungen von ZiviltechnikerInnen müssen im Sinne des Konsumentenschutzes und der allgemeinen Sicherheit unabhängig von den Interessen von Herstellern, Konzernen und Investoren erbracht werden. ZiviltechnikerInnen sind in höchst verantwortungsvollen Gebieten tätig: Hochbau, Tiefbau, Kulturtechnik und Wasserwirtschaft, Tragwerksplanung usw. Es sind Bereiche, in denen eine korrekte Planung über die Sicherheit von Leib und Leben entscheidet. ZiviltechnikerInnen sind durch ihre Berufsregeln dazu angehalten – das gesamte Berufsbild beruht auf den Prinzipien Verantwortung, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit – ausschließlich die für das Projekt und die Allgemeinheit beste Lösung im Blick zu haben. Wäre der Berufsstand von wirtschaftlichen Einmischungen und Zwängen abhängig, würde dies die Qualität seiner Leistungen gefährden.

Die von Ziviltechnikern im Rahmen ihrer Befugnis ausgestellten öffentlichen Urkunden werden von Verwaltungsbehörden in derselben Weise angesehen, als wenn diese Urkunden von Behörden ausgefertigt wären. Das macht Ziviltechniker im Rahmen ihrer Befugnis zu „technischen Notaren“, die als gesetzliche Parteienvertreter zu Verschwiegenheit und objektiver Berufsausübung verpflichtet sind. Darüber hinaus haben Ziviltechniker gemäß § 18 ein Siegel mit dem Bundeswappen der Republik Österreich zu führen und das Bundeswappen in ihren Geschäftspapieren zu verwenden. Aus der Zusammenschau dieser Rechte und Pflichten ergibt sich der Sonderstatus der Ziviltechnikerberufe, deren Kern die unabhängige Ausübung ihrer Befugnisse ist.

Eignung der Regelung zur Erreichung des Schutzzieles

Um die angeführten Schutzziele zu erreichen, ist das grundlegendste Erfordernis, dass die unabhängige Entscheidungsmöglichkeit und die Unparteilichkeit von ZiviltechnikerInnen unter allen Umständen erhalten bleiben. Das gesamte Berufsbild beruht auf diesen Prinzipien. Die Beteiligungsbeschränkung dient zur Erhaltung dieser Grundsätze.

Eine Beteiligung von berufsfremden Personen oder Gesellschaften an Ziviltechnikergesellschaften im Ausmaß von über 50% würde die Objektivität und Unabhängigkeit des Berufsstandes aus den folgenden Gründen untergraben:

Ziviltechniker haben als „technische Notare“ eine besondere Vertrauensfunktion gegenüber Ihren Klienten (Erstellung von öffentlichen Urkunden, Behördenverfahren, Kontrollfunktionen, etc.) und sie haben verantwortungsvolle, oft im öffentlichen Interesse liegende Tätigkeiten zu erfüllen. Sie haben u.a. für die Sicherheit von Gebäuden und Infrastruktur zu sorgen und sind somit für das Leben und die Gesundheit von Menschen verantwortlich.

An diesem Punkt ist zudem die Besonderheit der Ziviltechnikergesellschaft hervorzuheben. Die Gesellschafter können nicht den Ziviltechnikerberuf ausschließlich durch einen bestellten Geschäftsführer ausüben lassen, so wie das etwa in der Gewerbeordnung durch den gewerberechtlichen Geschäftsführer möglich ist. Die Ausübung des Ziviltechnikerberufs durch die Gesellschaft ist jedenfalls auch an die Befugnis von Gesellschaftern gekoppelt.

Wenn in einer Gesellschaft mehr als die Hälfte der Gesellschaftsanteile und Stimmrechte von Nicht-Ziviltechnikern gehalten wird, handelt es sich nicht mehr um eine Ziviltechnikergesellschaft, weil die Ziele der Gesellschaft und der Weg zur Erreichung dieser Ziele nicht mehr ausschließlich durch Ziviltechniker bestimmt werden können, sondern die Interessen der Kapitalgeber befriedigt werden müssen. Ziviltechniker haben ausschließlich die Interessen ihrer Auftraggeber zu vertreten und tun dies auch in ihrem eigenen Interesse, um weitere Aufträge zu erhalten. Investoren hingegen haben per se vorrangig zum Ziel, hohe Renditen von der Gesellschaft zu lukrieren. Dieses Ziel steht den Interessen der Klienten und Konsumenten, die diese Renditen letztlich mitfinanzieren, häufig entgegen. Auch wenn ZiviltechnikerInnen ebenfalls das Ziel verfolgen, Gewinne zu erzielen, ist davon auszugehen, dass sie nicht nur aus rein wirtschaftlichen Zwecken tätig werden. Die Ausführungen des EuGH zu Beteiligungsbeschränkungen bei Apotheken (Urteil vom 19. Mai 2009, verb. Rs. C- 171/07 und C-172/07, DocMorris, Rz. 37 f) lassen sich auch auf Ziviltechnikergesellschaften anwenden: Durch ihr Berufsrecht und ihre standesrechtlichen Verpflichtungen steht die Gewinnerzielungsabsicht nicht im Vordergrund. Zudem kann ein Verstoß gegen einschlägige Rechtsnormen zu einer Aberkennung der Befugnis und einem Verlust der beruflichen Existenz führen. Für berufsfremde Personen besteht hingegen nur das Risiko eines Investitionsverlusts. Vor diesem Hintergrund ist die Gefahr der Nichteinhaltung berufsrechtlicher Vorschriften (und damit verbunden eine Gefährdung von Sicherheit, Leben und Gesundheit der Bevölkerung) durch Nicht-Ziviltechniker ungleich höher.

Wenn Berufsfremde die Mehrheit an anderen ZT-Gesellschaftern halten könnten, wäre der mäßigende Einfluss der ZiviltechnikerInnen nicht mehr ausreichend sichergestellt. ZT-Gesellschaften, hinter denen kaum mehr ZiviltechnikerInnen stehen, könnten hohe Gewinne ohne Gefährdung ihrer beruflichen Zukunft und daher unter Vernachlässigung der Dienstleistungsqualität erzielen. Aufgrund der sensiblen Materie, mit der ZiviltechnikerInnen betraut sind, sollte eine solche Kommerzialisierung vermieden werden.

Um die Unabhängigkeit und Objektivität der Berufsausübung zu erhalten ist es unumgänglich, dass befugte Ziviltechniker, Ziviltechnikergesellschaften oder interdisziplinäre Gesellschaften mit Ziviltechnikern mindestens die Hälfte des der Gesellschaftsanteile und Stimmrechte innehaben. Nur durch Beteiligungsbeschränkungen wird die Gefahr einer Fremdbestimmung wirksam bekämpft. Sofern befugte Ziviltechniker, Ziviltechnikergesellschaften oder interdisziplinäre Gesellschaften mit Ziviltechnikern nicht wenigstens die Hälfte der Anteile an einer Ziviltechnikergesellschaft halten, kann die Unabhängigkeit und Objektivität des Berufsstandes nicht gewährleistet werden. Die gesetzliche Regelung, wonach über fachliche Fragen der Berufsausübung ausschließlich Gesellschafter mit entsprechender Befugnis entscheiden, bietet für sich alleine keine gleichwertige Garantie. Verstoßen die Gesellschafter gegen diese Bestimmung, ist ein Beschluss nicht unwirksam, sondern muss vor Gericht angefochten werden. Diese Anfechtungsverfahren nehmen immer längere Zeit in Anspruch und sind zudem mit erheblichen Kosten verbunden, die von der Gegenseite auch nicht vollkommen ersetzt werden. Daraus ergibt sich, dass Anfechtungsverfahren des Öfteren nicht geführt werden, weil es die Kostenbelastung nicht zulässt. Von Kapitalinteressen gesteuerte Entscheidungen werden nicht verhindert, sondern können allenfalls nachträglich angefochten werden. Auch gesellschaftsvertragliche Beschränkungen bieten keinen ausreichenden Schutz, da ihre Einhaltung gerichtlich erzwungen werden muss bzw. Gesellschafterbeschlüsse bei Nichteinhaltung angefochten werden können. Die Rechtsdurchsetzung ist dadurch zeitaufwändig und kann hohe Prozesskosten zur Folge haben.

Schließlich besteht die Gefahr, dass Geschäftsführer von Investoren durch gesetzwidrige Weisungen oder die Androhung der Abberufung unter Druck gesetzt werden und daher zu sachwidrigen Entscheidungen gezwungen werden. Gesetzliche oder gesellschaftsrechtliche Verhaltensregeln bieten keinen wirksamen Umgehungsschutz.

Auch im Sinne der Transparenz für KlientInnen und KonsumentInnen, die davon ausgehen, dass in ZT-Gesellschaften die Grundsätze und Berufsregeln der Ziviltechniker gelten, muss sichergestellt werden, dass die Entscheidungen nicht gegen den Willen der ZiviltechnikerInnen getroffen werden. Es muss vollkommen transparent bleiben, wer in einer Ziviltechnikergesellschaft tatsächlich die Verantwortung trägt und die grundlegende Richtung vorgibt. Eine Anonymität der Berufsausübenden würde das Vertrauen der Bevölkerung in den Berufsstand erheblich schwächen, da die Fachqualifikation und die persönliche Verantwortung nicht mehr nachvollziehbar wären.

Verhältnismäßigkeit der Regelung:

Die Regelungen des ZTG schließen eine Beteiligung von Nicht-Ziviltechnikern nicht absolut aus. Ihnen wird die Möglichkeit eingeräumt, bis zur Hälfte der Anteile einer Ziviltechnikergesellschaft zu halten.

Die Beteiligungsbeschränkungen dienen nur der Erreichung der Schutzziele, da die Regelungen des § 29 Abs. 2 und 3 oder § 37c Abs. 3 alleine nicht weitreichend genug sind. Die genannten Bestimmungen stellen lediglich eine Bekräftigung dieses wichtigen Grundsatzes dar, dass die Entscheidungen der Berufsbefugten objektiv und unabhängig zu erfolgen haben.

Ohne eine Beschränkung der Mehrheitsbeteiligung ist die Entscheidung von Berufsberechtigten in fachlichen Fragen und damit die Unabhängigkeit und Objektivität der Berufsausübung de facto nicht gewährleistet. Bei den oben angeführten „gelinderen Mitteln“ muss zur Erreichung der Schutzziele der Zivilrechtsweg beschritten werden, was mit hohem Zeit- und Kostenaufwand verbunden ist.

Auch besondere Versicherungs- oder Gewährleistungsregeln können die Erreichung der Schutzziele nicht sicherstellen: Versicherungs- und Gewährleistungspflichten greifen erst, nachdem „etwas passiert“ ist, während angesichts der sensiblen Materien, mit denen Ziviltechniker betraut sind, eine präventive Kontrolle zwingend erforderlich erscheint: Die beste Versicherung ist ein schwacher Trost, wenn das Haus eingestürzt ist. Der EuGH hat daher bereits ausgesprochen, dass die Gefahren für die berufliche Unabhängigkeit durch eine Versicherungspflicht nicht beseitigt werden können (Urteil vom 19. Mai 2009, verb. Rs. C- 171/07 und C-172/07, DocMorris, Rz. 56).

Eine Mehrheit an Gesellschaftsanteilen und Stimmrechten im Besitz von Berufsfremden schafft also ein Machtverhältnis, das die Unabhängigkeit der Ziviltechniker als Urkundsperson, Gutachter und Treuhänder ebenso beeinträchtigen kann wie die berufsrechtliche Verschwiegenheitspflicht.

Auch zur vertraglichen Verpflichtung der Berufsfremden, die Standesregeln einzuhalten, ist festzuhalten, dass Berufsfremde nicht Mitglieder der Berufskammern sind und somit gegen diese bei Verstoß gegen die Standesregeln auch kein Disziplinarverfahren durchgeführt werden kann. Die Einhaltung der Standesregeln könnte somit allenfalls von der Geschäftsführung auf Basis des Gesellschaftsvertrages zivilrechtlich durchgesetzt werden. Die über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile und Stimmrechte verfügenden Berufsfremden werden der etwaigen Einleitung eines zivilgerichtlichen Verfahrens gegen die eigenen Interessen aber kaum zustimmen.

Beispiel: Ein Produkthersteller (Ziegel-, Fensterproduzent) hält die Mehrheit an einer ZT-Gesellschaft. Dieser gibt die strategisch-wirtschaftliche Ausrichtung vor und bestimmt, dass seine Produkte in der Planung zu verwenden sind. Der Ziviltechniker kann das Projekt somit nicht mehr im Sinne der Auftraggeberinteressen und der Dienstleistungsqualität optimieren, weil er z.B. für das zu planende Hochhaus nicht Beton, sondern Ziegel oder statt Kunststofffenstern Aluminiumfenster vorsehen muss.

Beispiel: Die berufsfremden Mehrheitseigentümer möchten den Markt in einem bestimmten Bereich erobern und daher Projekte zu Dumpingpreisen anbieten. Die Ziviltechniker wären gezwungen, sich dieser Ausrichtung zu beugen. Die hohe Dienstleistungsqualität könnte unter diesen Umständen nicht mehr gewährleistet werden.

Es gibt daher kein gelinderes Mittel, das auch nur annähernd gleich geeignet wäre, die Schutzziele zu erreichen. Die Einschränkung der Mehrheitsbeteiligung ist bereits das gelindeste Mittel.

In diesem Zusammenhang darf erneut an die Rechtsprechung des EuGH zum Ausschluss des Fremdbesitzes von Apotheken (Urteil vom 19. Mai 2009, verb. Rs. C- 171/07 und C-172/07, DocMorris, Rz. 35 ff, 54 ff) erinnert werden: Darin erkennt der EuGH das Recht der Mitgliedstaaten an, im nationalen Recht den Ausschluss von Fremdgesellschaftern oder Fremdbesitz für Apotheken vorzusehen. Dass nur Apotheker Eigentümer und Betreiber von Apotheken sein dürfen, stellt eine zulässige Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar. Die Maßnahme dient dem Schutz der Gesundheit der Bevölkerung, weil die berufsrechtliche Unabhängigkeit einen Ausgleich zur bloßen Gewinnerzielungsabsicht darstellt. Der EuGH bejaht auch die Verhältnismäßigkeit der Niederlassungsbeschränkungen, da sich die Gefahren für die Unabhängigkeit des Apothekerberufs durch den Abschluss einer Versicherung nicht wirksam beseitigen lassen.

Die Wertungen, die dieser Entscheidung zugrunde liegen, können auch auf die Beteiligungsbeschränkungen des ZTG übertragen werden. Wenn der gänzliche Ausschluss von Berufsfremden mit der Niederlassungsfreiheit vereinbart werden kann, müssen Beteiligungsbeschränkungen erst recht zulässig sein.

Die Ausführungen zeigen deutlich, dass in Bezug auf die von der Dienstleistungsrichtlinie ermöglichte Einschränkung von multidisziplinären Tätigkeiten die Anforderungen sowohl von Artikel 25 Abs. 1a als auch 1b jedenfalls erfüllt sind.

Die Ergänzung im Abs. 2 dient der Sicherstellung, dass Tätigkeiten, die Ziviltechnikern vorbehalten sind, innerhalb einer Ziviltechnikergesellschaft, auschließlich von fachlich befugten Ziviltechnikern ausgeübt werden dürfen. Ziel der Norm ist jedoch nicht die Einschränkung des Ausübungsumfangs von an der Ziviltechnikergesellschaft beteiligten Gesellschaftern.

Zu Z 11 (§ 29 Abs. 6):

Durch den neuen Abs. 6 wird normiert, dass es künftig nicht mehr möglich sein wird, in einer Ziviltechnikergesellschaft Prokura oder Handlungsvollmacht zu erteilen. Diese Bestimmung ist auch auf interdisziplinäre Gesellschaften mit Ziviltechnikern anwendbar.

Die Vertretungsbefugnis des Prokuristen ist gesetzlich festgelegt und Dritten gegenüber nicht beschränkbar. Nach § 49 UGB ist ein Prokurist zu sämtlichen Geschäften und Rechtshandlungen bevollmächtigt, die der Betrieb eines Unternehmens mit sich bringt.

Die Ausübung des Ziviltechnikerberufs durch einen Prokuristen ist nicht mit der Befugnisausübung eines Ziviltechnikers im Rahmen einer Ziviltechnikergesellschaft vereinbar, die darauf abzielt, dass dieser im Bereich seines eigenen Fachgebiets tätig wird. Ähnliche Regelungen finden sich in den Gesetzen anderer freier Berufe, wie etwa bei den Patentanwälten und Apothekern.

Zu Z 12 (§ 35 Abs. 2a):

Durch den neuen Abs. 2a wird klargestellt, dass auch interdisziplinäre Gesellschaften mit Ziviltechnikern dazu berechtigt sind, die verschiedenen Berufsbezeichnungen im Firmennamen anzuführen.

Zu Z 14 (5. Hauptstück):

Im Urteil C-209/18 des EuGH wurde festgestellt, dass die bisherigen Regelungen, dass Ziviltechnikergesellschaften ausschließlich den Beruf des Ziviltechnikers ausüben dürfen und als Gesellschafter nur natürliche Personen oder berufsbefugte Ziviltechnikergesellschaften sein dürfen, europarechtswidrig sind.

Aufgrund dieses Urteils wird der neue 5. Abschnitt im 1. Hauptstück des ZTG 2019 erlassen, durch den es Ziviltechnikern künftig ermöglicht wird, sich mit Berufsfremden zu einer Gesellschaft zusammenzuschließen.

Zu § 37a:

Abs. 1 legt fest, dass es Ziviltechnikern erlaubt sein soll, interdisziplinäre Gesellschaften mit Angehörigen anderer Berufe zu bilden. Voraussetzung dafür ist, dass diese Gesellschaften zusätzlich zu den Tätigkeiten des Ziviltechnikers auch andere Tätigkeiten ausüben.

Abs. 3 stellt klar, dass der Gesellschaftsanteil und die Stimmrechte von Ziviltechnikern, Ziviltechnikergesellschaften oder interdisziplinärer Gesellschaften mit Ziviltechnikern jeweils mit aufrechter Befugnis mindestens 50 Prozent zu betragen hat. Hintergrund dieser Regelung ist, dass Ziviltechniker gemäß § 3 Abs. 3 mit öffentlichem Glauben versehene Personen sind. Siehe dazu außerdem die Erläuterungen zu § 29 Abs. 1.

Abs. 4 regelt die Geschäftsführung der interdisziplinären Gesellschaft mit Ziviltechnikern und stellt klar, dass die Geschäftsführung für den Bereich der Ziviltechnikertätigkeiten nur von einem Gesellschafter mit aufrechter Ziviltechnikerbefugnis ausgeübt werden darf.

Zu § 37b:

Der § 37b ist an die Regelungen für Ziviltechnikergesellschaften nach dem 2. Abschnitt des 1. Hauptstücks angelehnt.

Gesellschaften, die Ziviltechniker mit Berufsfremden bilden, haben ihrer Firma die Wortfolge „interdisziplinäre Gesellschaft mit Ziviltechnikern“ im Firmennamen beizufügen und in ihren Geschäftspapieren die Namen und Befugnisse aller beteiligten Gesellschafter anzuführen.

Zu § 37c:

§ 37c legt fest, wer Gesellschafter einer interdisziplinären Gesellschaft mit Ziviltechnikern sein darf.

Die Beteiligung an Ziviltechnikergesellschaften ist natürlichen Personen, berufsberechtigten natürlichen Personen nach den Regelungen des ZTG 2019 und natürlichen Personen, die eine andere berufliche Tätigkeit befugt ausüben, gestattet. Darüber hinaus können sich Gesellschaften beteiligen, die entweder Berufsberechtigte eines Ziviltechnikerberufs oder eines anderen Berufs sind. Dies eröffnet die Möglichkeit des Zusammenschlusses mit Angehörigen jedes anderen Berufs.

Der Abs. 3 ist angelehnt an die Regelungen des § 29 Abs. 2 und stellt klar, dass fachliche Fragen von jenen Gesellschaftern entschieden werden sollen, die die entsprechende Berufsbefugnis innehaben. Zudem dürfen fachspezifische, Ziviltechnikern vorbehaltene Tätigkeiten, ausschließlich von Ziviltechnikern ausgeführt werden.

Zu § 37d:

Der Bundesminister für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort hat mittels Bescheid über die Verleihung der Befugnis zu entscheiden. Da § 10 auch auf interdisziplinäre Gesellschaften mit Ziviltechnikern anzuwenden ist, muss der Antrag auf Erteilung der Befugnis über die jeweils zuständige Ziviltechnikerkammer eingebracht werden.

Wie bisher Ziviltechnikergesellschaften sind auch interdisziplinäre Gesellschaften mit Ziviltechnikern im elektronischen Verzeichnis der Länderkammer zu führen, in deren örtlichen Wirkungsbereich die Gesellschaft ihren Sitz hat. Hat eine interdisziplinäre Gesellschaft mit Ziviltechnikern keinen Sitz in Österreich, so kann sie frei wählen, bei welcher Länderkammer sie Mitglied sein möchte. Die Gesellschaft ist dann in deren elektronischem Verzeichnis zu führen.

Zu § 37e:

In § 37e Z 1 und 2 wird klargestellt, dass interdisziplinäre Gesellschaften mit Ziviltechnikern, abhängig davon, welche Berufe sie ausüben, den diesbezüglichen Berufsgesetzen unterliegen und Mitglied in den jeweils zuständigen Interessenvertretungen zu sein haben, etwa bei der Wirtschaftskammer Österreich oder der Kammer der Wirtschaftstreuhänder, sofern eine derartige Interessenvertretung existiert. Jedenfalls sind interdisziplinäre Gesellschaften mit Ziviltechnikern Mitglieder der zuständigen Kammer der ZiviltechnikerInnen.

Die Ziffer 3 bringt zum Ausdruck, dass Gesellschaften keine Aufträge von Mandanten annehmen dürfen, wenn dies zu einer Kollision der Interessen der Gesellschafter untereinander führen würde.

Zu Z 15 (§ 39 Abs. 2 Z 7):

In der Ziffer 7 wurden die interdisziplinären Gesellschaften mit Ziviltechnikern hinzugefügt. Diese sind ebenso wie Ziviltechniker und Ziviltechnikergesellschaften im elektronischen Verzeichnis der Länderkammern zu führen.

Zu Z 16 (§ 42 Abs. 2):

Durch den neu eingefügten Nebensatz im Abs. 2 wird normiert, dass Ziviltechniker mit einem Kanzleisitz im Ausland Mitglied bei einer Länderkammer ihrer Wahl zu sein haben.

Zu Z 17 (§ 43 Abs. 2):

Es wird klargestellt, dass die a.o. Mitgliedschaft auch dann endet, wenn das a.o. Mitglied seinen Austritt gegenüber der Landeskammer erklärt. Darüber hinaus wird die zuständige Landeskammer ermächtigt, die a.o. Mitgliedschaft zu beenden, wenn ein a.o. Mitglied seine Pflichten gegenüber der Kammer vernachlässigt (z.B. die Umlage nicht bezahlt) oder die a.o. Mitgliedschaft missbräuchlich ausübt (z.B. den Beruf des Ziviltechnikers nicht tatsächlich anstrebt, sondern ausschließlich Informationen erhalten möchte).

Zu Z 18 (§ 47 Abs. 4):

Im Hinblick auf zukünftige digitale Entwicklungen wird geregelt, dass eine elektronische Unterfertigung durch den Präsidenten oder Vizepräsidenten zulässig ist. So soll unter anderem ermöglicht werden, dass der Präsident als Außenvertretungsorgan der Bundeskammer der ZiviltechnikerInnen mit deren Amtssignatur elektronisch signieren darf.

Zu Z 19 (§ 57 Abs. 2 Z 9):

In der Ziffer 9 wurden die interdisziplinären Gesellschaften mit Ziviltechnikern hinzugefügt.

Zu Z 20 (§ 57 Abs. 3 bis 6):

Die neu eingefügten Abs. 3 bis 6 dienen zur Präzisierung welche Aufgaben die Bundeskammer der ZiviltechnikerInnen im übertragenen Wirkungsbereich durchführt.

Die Bundeskammer der Ziviltechniker ist im Rahmen des übertragenen Wirkungsbereichs Behörde und hat daher das AVG anzuwenden. Zuständiges Organ zur Vollziehung des übertragenen Wirkungsbereiches ist der Präsident. Dieser ist bei Besorgung von Aufgaben, die in den übertragenen Wirkungsbereiches fallen, an die Weisungen des Bundesministers für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort gebunden und bei weisungswidrigem Handeln seines Amtes zu entheben.

Zu Z 21 (§ 60 Abs. 4):

Siehe Erläuterungen zu § 47 Abs. 4.

Zu Z 22 (§ 66 Abs. 2):

Durch die Änderung des Stichtages können Wahlen der außerordentlichen Mitglieder zum selben Zeitpunkt wie jene der ordentlichen Mitglieder stattfinden.

Zu Z 23 (§ 72 Abs. 3):

Es wird klargestellt, dass die Bundes- und Länderkammern sowohl Ziviltechnikern als auch außerordentlichen Mitgliedern Informationen unter anderem elektronisch übermitteln dürfen (z.B. Newsletter), ohne dafür eine Zustimmung gemäß § 107 TKG zu benötigen.

Zu Z 24 (§ 73):

Die Änderungen erfolgen zur Korrektur eines Redaktionsversehens. Die veraltete Bezeichnung „Architekten- und Ingenieurkonsulentenkammern“ wird durch das Wort „Kammern“ ersetzt; gemeint sind die Bundes- und die Länderkammern.

Zu Z 25 (§ 91 Abs. 2):

Im Abs. 2 wurden die interdisziplinären Gesellschaften mit Ziviltechnikern ergänzt.

Zu Z 26 (§ 98 Abs. 1):

Im Zuge der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 wurde die Zuständigkeit der Bundeskammer der Ziviltechniker als Berufungsinstanz in Disziplinarangelegenheiten aufgehoben. Der Vorstand der Bundeskammer der Ziviltechniker hat seitdem keinen Disziplinaranwalt mehr zu bestellen.