729 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Außenpolitischen Ausschusses

über den Antrag 1272/A(E) der Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Situation in Myanmar

und über den Antrag 1284/A(E) der Abgeordneten Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen betreffend aktuelle Situation in Myanmar

Die Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag 1272/A(E) am 04. Februar 2021 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„In den frühen Morgenstunden des 1. Februars 2021 hat in Myanmar ein Militärcoup stattgefunden. Die Zivilregierung in Myanmar wurde entmachtet und Staatsrätin Aung San Suu Kyi, Staatspräsident U Win Myint und weitere hohe Regierungsvertreter*innen und Parlamentarier*innen sowie Vertreter*innen der Zivilgesellschaft wurden festgenommen. Kurz danach verlautbarte die Militärführung einen einjährigen Ausnahmezustand. Kommunikationskanäle wurden unterbrochen, der Flugverkehr weitgehend eingestellt und Banken vorübergehend geschlossen. Zudem wird von Einschränkungen bei den Medien und der Zivilgesellschaft berichtet. Es kam zu weitreichenden Entlassungen bei staatlichen Schlüsselpositionen und Amtsenthebungen. Gegen Staatsrätin Aung San Suu Kyi und Präsident U Win Myint wurde mittlerweile Anklage erhoben.

Dieser Coup macht eine zehnjährige Periode des demokratischen Übergangs in Myanmar nach 50 Jahren Militärherrschaft vorerst rückgängig und verhinderte am 1. Februar 2021 das Zusammentreten des neu gewählten Parlaments. Der demokratische Wille der myanmarischen Bevölkerung und das Ergebnis der Wahlen vom 8. November 2020, bei denen die National League for Democracy 80 Prozent der Parlamentssitze erhielt, wurden missachtet und die Rechtsstaatlichkeit untergraben. Das myanmarische Militär begründete seine Entscheidung mit Berichten über Wahlbetrug und Irregularitäten bei den Wahlen vom vergangenen November.

Diese Machtergreifung des Militärs über eine demokratisch gewählte Regierung wirft erneut einen dunklen Schatten auf das Land. Die Ereignisse rücken auch das Schicksal der muslimischen Minderheit der Rohingya wieder in den Mittelpunkt, welche brutalen Angriffen von Seiten des Militärs ausgesetzt waren. Ca. 850.000 Rohingya sind seit 2017 nach Bangladesch und in andere benachbarte Länder geflohen. Die Lage der Rohingya-Flüchtlinge ist prekär; die Möglichkeit einer sicheren Rückkehr könnte nun aufgrund der aktuellen Entwicklungen noch schwieriger werden. Die österreichische Bundesregierung hat für die Rohingya in Bangladesch bereits seit 2017 insgesamt 850.000 EUR an humanitärer Hilfe aus dem Auslandskatastrophenfonds zur Verfügung gestellt.“

 

Die Abgeordneten Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag 1284/A(E) am 24. Februar 2021 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Nach einem halben Jahrhundert Militärdiktatur hatten die Menschen in Myanmar etwa ein Jahrzehnt lang die Gelegenheit, in einem Land zu leben, das einen Demokratisierungsprozess durchlaufen hat und sie haben die Vorzüge der zarten Pflanze Demokratie zu schätzen gelernt. Die bundesweiten Wahlen im November 2020 zeichneten sich nicht nur durch eine sehr hohe Wahlbeteiligung aus, sondern brachten auch einen klaren Sieg von etwa 83% für die Nationale Liga für Demokratie (NLD) mit sich. Internationale Wahlbeobachter*innen bescheinigten, dass die Bevölkerung die Möglichkeit hatte, ihren Wählerwillen zum Ausdruck zu bringen, auch wenn kritisch anzumerken ist, dass die Volksgruppe der Rohingya nach wie vor kein Wahlrecht besitzt. Die staatliche Wahlkommission ging den eingelangten Beschwerden nach und versuchte, diese nach demokratischen Spielregeln zu klären. Am 1. Februar 2021, dem Tag, an dem das neu gewählte Parlament zu seiner konstituierenden Sitzung zusammentreten sollte, hat in aller Früh das Militär durch einen Putsch abermals die Macht übernommen, De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi inhaftiert und stoppte damit den Demokratisierungsprozess schlagartig. Es folgten friedliche Demonstrationen der Bevölkerung, welche die Anerkennung des Wahlergebnisses und die Freilassung der inhaftierten Politiker*innen, allen voran Aung San Suu Kyi, forderten . Das Militär reagierte mit weiteren Festnahmen von mittlerweile vielen hunderten friedlichen Demonstrant*innen und dem Abschalten aller Technologien zur Kommunikation, welches einen groben Verstoß gegen die Meinungsfreiheit der Bewohner*innen Myanmars darstellt. Zivilgesellschaftliche Proteste in vielen Orten Europas haben klare Solidarität mit den Burmes*innen zum Ausdruck gebracht. Politische Statements westlicher Länder, nicht zuletzt die EU-Außenminister*innen verurteilen die illegitime Machtergreifung durch das Militär. Drei Wochen nach dem Putsch dauern die Proteste weiterhin an. Der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen, Tom Andrews, warnte unterdessen vor einer weiteren Zuspitzung der Lage. "Ich befürchte eine weitere Zunahme der Gewalt in Myanmar, in einem größeren Ausmaß, als wir es seit der illegalen Machtergreifung am 1. Februar gesehen haben", erklärte Andrews. Er habe "Informationen erhalten, wonach Soldaten aus den umliegenden Regionen nach Rangun geschickt wurden". "Die fortgesetzte Unterdrückung der Grundfreiheiten und Menschenrechte des Volkes in Myanmar muss sofort beendet werden," forderte er (Myanmar: Regierungspartei ruft zu Widerstand auf - news.ORF.at; Stand: 18.02.2021 ). Mittlerweile forderten die andauernden Proteste bereits drei Todesopfer. Zuletzt gingen im Rahmen eines Generalstreiks in allen Landesteilen Zehntausende Menschen auf die Straßen.“

 

Der Außenpolitische Ausschuss hat die gegenständlichen Entschließungsanträge in seiner Sitzung am 16. März 2021 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic und Henrike Brandstötter.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Petra Bayr, MA MLS, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

„Seit dem Militärcoup am 1. Februar 2021 und der Entmachtung der Zivilregierung hat sich die Lage in Myanmar dramatisch zugespitzt. Der anfänglich zivile Ungehorsam von öffentlichen Bediensteten, welche aus Protest gegen den Coup und die nun herrschende Militärjunta ihre Arbeit niederlegten, hat sich mittlerweile zu einer weitreichenden Protestwelle ausgeweitet. In klarer Verletzung der Verfassung hat das Militär seit Beginn mit unrechtmäßigen Festnahmen und Hausarrest von führenden Mitgliedern der Regierung, darunter den Präsidenten Win Myint und die De facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi, neugewählten Abgeordneten der Nationalen Liga für Demokratie (NLD), Mönchen, Vertreterinnen und Vertretern der Zivilgesellschaft, sowie mit Massenentlassungen bei staatlichen Schlüsselpositionen und Amtsenthebungen reagiert. Das Militär hat nicht nur die Macht über Legislative, Exekutive und Judikative an sich gerissen, sondern auch die Abschaltung von Kommunikationstechnologien angeordnet, was einen groben Verstoß gegen die Meinungsfreiheit der Bewohnerinnen und Bewohner Myanmars darstellt. Der Raum für die Zivilgesellschaft bleibt bis auf weiteres stark eingeschränkt und die Medien sowie Social Media-Plattformen sind strengen Restriktionen unterworfen. Angehörige des Militärregimes gehen seither immer brutaler gegen friedlich auf den Straßen Protestierende vor, schätzungsweise sind bereits mehr als 138 Menschen ums Leben gekommen. U.a. Amnesty International berichtet von massiven MR-Verletzungen, außergerichtlichen, teils wahllosen Tötungen.

Die NLD ging aus den Parlamentswahlen vom 8. November 2020, bei welcher sie 396 von 476 Sitzen (etwa 83% aller verfügbaren Sitze) erringen konnte, klar als Sieger hervor. Es ist davon auszugehen, dass der Militärcoup seit der Wahlniederlage des Militärs und seiner verbündeten Partei USDP (Union Solidarity and Development Party) aufgrund des zu befürchtenden künftigen Einflussverlusts strategisch geplant und vorbereitet wurde. Der Vorwurf der Wahlmanipulation ohne Beweise und die darauffolgende gewaltsame Verhinderung der für den 1. Februar 2021 anberaumten konstituierenden Sitzung des NLD-dominierten Parlaments, aus dem sich eine, den neuen Kräfteverhältnissen entsprechende Regierung herausgebildet hätte, ist schockierend. Mit diesem Putsch wurde eine zehnjährige Periode eines aufkeimenden demokratischen Übergangs in Myanmar nach einer langen Geschichte des demokratischen Kampfes und Unterdrückung durch das Militär schlagartig zunichtegemacht.

Der Militärcoup wurde bereits von zahlreichen internationalen Akteuren, Staaten und Staatengemeinschaften verurteilt. Es gibt ein breites Ausmaß der Einigkeit innerhalb der internationalen Gemeinschaft hinsichtlich Myanmar: So hat der VN-Sicherheitsrat in seiner Stellungnahme vom 10. März 2021 einstimmig die Gewalt der Militärjunta auf das Schärfste verurteilt und die Unterstützung für den demokratischen Übergang in Myanmar zum Ausdruck gebracht. Im Rahmen der EU wurde mit der Annahme von Schlussfolgerungen des Rates der Außenminister*innen vom 22. Februar 2021 und der politischen Einigung u.a. zur möglichen Anwendung restriktiver Maßnahmen gegen direkt Verantwortliche des Militärcoups und deren wirtschaftliche Interessen bereits ein deutliches Zeichen gegen den Militärputsch gesetzt. Nicht zuletzt haben zivilgesellschaftliche Proteste in vielen Teilen Europas und international die klare Solidarität mit den Myanmarinnen und Myanmaren zum Ausdruck gebracht.

Trotz der Vielzahl internationaler Appelle ist derzeit keine Verbesserung der Situation in Myanmar erkennbar. Das Militär hat seinen Verbleib an der Macht angekündigt, bevor es zu Neuwahlen kommen wird. Weiterhin geht das Militär mit voller Härte gegen Mitglieder der bei den Wahlen im November 2020 siegreichen NLD und protestierende Zivilistinnen und Zivilisten vor. Bislang sind zwei Mitglieder der NLD nach ihrer Festnahme verstorben. Abgeordnete des Komitees Pyidaungsu Hluttaw, das Anspruch auf die rechtmäßige Regierung von Myanmar stellt, werden bedroht. Aung San Suu Kyi steht bis auf weiteres unter Hausarrest. Ihr wird von der Militärjunta Korruption vorgeworfen.

Diese illegale Machtergreifung des Militärs über eine demokratisch gewählte Regierung wirft erneut einen dunklen Schatten auf das Land. Die Ereignisse rücken auch das Schicksal der muslimischen Minderheit der Rohingya wieder in den Mittelpunkt, welche brutalen Angriffen von Seiten des Militärs ausgesetzt waren. Ca. 850.000 Rohingya sind seit 2017 nach Bangladesch und in andere benachbarte Länder geflohen. Die Lage der Rohingya-Flüchtlinge ist prekär; die Möglichkeit einer sicheren Rückkehr wird aufgrund der derzeitigen Situation noch schwieriger werden. Die österreichische Bundesregierung hat für die Rohingya in Bangladesch bereits seit 2017 insgesamt 850.000 EUR an humanitärer Hilfe aus dem Auslandskatastrophenfonds zur Verfügung gestellt.

 

Der den Verhandlungen zu Grunde liegende Entschließungsantrag 1272/A(E) der Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen wurde in der Fassung des vorerwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Petra Bayr, MA MLS, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen einstimmig angenommen. Der Entschließungsantrag 1284/A(E) der Abgeordneten Petra Bayr, MA MLS, Kolleginnen und Kollegen ist damit miterledigt.

 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Außenpolitische Ausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2021 03 16

                          Dr. Reinhold Lopatka                                           Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc

                                   Berichterstatter                                                                            Obfrau