776 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP
Bericht
des Ausschusses für Forschung, Innovation und Digitalisierung
über die Regierungsvorlage (643 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Patentanwaltsgesetz geändert wird
1. Mit Klage vom 23. März 2018 beantragte die Europäische Kommission beim EuGH die Feststellung, dass die Republik Österreich im Bereich des Patentanwaltsrechts gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 14 Nr. 1, Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. b und c und Abs. 3 sowie Art. 25 der Richtlinie 2006/123/EG über Dienstleistungen im Binnenmarkt (im Folgenden „Dienstleistungsrichtlinie“) ABl. Nr. L 376 vom 12.12.2006 S. 36, und aus den Art. 49 und 56 AEUV verstoßen habe.
Laut EuGH-Urteil vom 29.07.2019, Rs. C-209/18, Europäische Kommission/Republik Österreich, liegen folgende drei Verstöße gegen die Richtlinie 2006/123/EG vor:
- unzulässige Anforderungen an den Ort des Sitzes für Patentanwalts-Gesellschaften
- unzulässige Anforderungen an die Rechtsform und die Beteiligung am Gesellschaftsvermögen für Patentanwalts-Gesellschaften
- Beschränkung multidisziplinärer Tätigkeiten für Patentanwalts-Gesellschaften.
Der EuGH ist in seinem Urteil in wesentlichen Teilen der Ansicht der Kommission gefolgt.
Das Patentanwaltsgesetz wurde zuletzt durch die Novelle BGBl. I Nr. 39/2019 (im Folgenden „Novelle“) novelliert. Die Prüfung und das Urteil des EuGH erfolgte auf Basis des Patentanwaltsgesetzes in der Fassung vor der jüngsten Novelle, da das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Lage zu beurteilen ist, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist befand, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt wurde, und dass später etwa eingetretene Veränderungen vom Gerichtshof nicht berücksichtigt werden können.
Aus der Analyse und Evaluierung des EuGH-Urteils ergibt sich, dass das Patentanwaltsgesetz auch in der seit der Novelle BGBl. I Nr. 39/2019 geltenden Fassung zu novellieren ist. Insbesondere sind im Lichte des Urteils des EuGH jene Regelungen, die Beschränkungen in Bezug auf den Sitz, die Rechtsform und die Beteiligung am Gesellschaftsvermögen von Patentanwaltsgesellschaften vorsehen, richtlinienkonform zu gestalten. Daneben ist auch die Möglichkeit multidisziplinärer Tätigkeiten für Patentanwaltsgesellschaften vorzusehen.
2. Nach der Richtlinie (EU) 2018/958 über eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsreglementierungen, ABl. Nr. L 173 vom 9.7.2018, S. 25, sind die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, vor der Einführung neuer oder der Änderung bestehender Rechts- und Verwaltungsvorschriften, mit denen der Zugang zu reglementierten Berufen oder deren Ausübung beschränkt wird, eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen. Dabei bedarf es einer Beurteilung, ob solche in Aussicht genommene Regelungen durch Ziele des Allgemeininteresses gerechtfertigt und für die Verwirklichung des angestrebten Ziels geeignet sind; zu prüfen ist ferner das Nichtvorliegen einer direkten oder indirekten Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder des Wohnsitzes.
Diese Richtlinie soll durch ein Bundesgesetz über eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlassung neuer Berufsreglementierungen (Verhältnismäßigkeitsprüfungs-Gesetz – VPG), das derzeit als Ministerialentwurf (47/ME) vorliegt, umgesetzt werden. Dieses Gesetz soll auch für die durch die Organe der Patentanwaltskammer zu erlassenden einschlägigen Normen gelten, weshalb von einer sektoralen Umsetzung im Patentanwaltsgesetz abgesehen wird. In der gegenständlichen Novelle sollen lediglich ergänzende Bestimmungen in Bezug auf die Zuständigkeit für die durchzuführende Verhältnismäßigkeitsprüfung sowie zum erforderlichen Begutachtungsverfahren aufgenommen werden.
3. Zur Ermöglichung von Beratungen und der Herstellung der Beschlussfähigkeit von Organen der Patentanwaltskammer in Fällen, in denen nicht alle oder einzelne Teilnehmer physisch anwesend sein können, sollen Sitzungen auch ohne physische Anwesenheit der Teilnehmer durchgeführt und Beschlüsse mittels Videokonferenz gefasst werden können. Darüber hinaus soll dem Vorstand in einfacheren Angelegenheiten die Beschlussfassung auch im Umlaufweg ermöglicht werden. Ferner soll die Pauschalvergütung für die Beiordnung von Patentanwälten inflationsangepasst erhöht werden.
Der Ausschuss für Forschung, Innovation und Digitalisierung hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 7. April 2021 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Mag. Eva Blimlinger die Abgeordneten Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Dr. Helmut Brandstätter, Mag. Dr. Sonja Hammerschmid und Mag. Dr. Maria Theresia Niss, MBA sowie die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA.
Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit (dafür: V, S, F, G, dagegen: N) beschlossen.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Forschung, Innovation und Digitalisierung somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (643 der Beilagen) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.
Wien, 2021 04 07
Mag. Eva Blimlinger Christian Hafenecker, MA
Berichterstatterin Obmann