777 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Forschung, Innovation und Digitalisierung

über die Regierungsvorlage (632 der Beilagen): Erklärung europäischer Regierungen über die Phase des Einsatzes der Träger Ariane, Vega und Sojus vom Raumfahrtzentrum Guayana aus

Die „Erklärung europäischer Regierungen über die Phase des Einsatzes der Träger Ariane, Vega und Sojus vom Raumfahrtzentrum Guayana aus“ (im Folgenden als „Erklärung über die Träger- Einsatzpha-se“ bzw. „Erklärung 2017“ bezeichnet) hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Inhalt und bedarf daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG. Sie hat nicht politischen Charakter. Es ist nicht erforderlich, eine allfällige unmittelbare Anwendung der Erklärung im innerstaatlichen Rechtsbereich durch einen Beschluss gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG, dass dieser Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, auszuschließen. Da durch die Erklärung keine Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, bedarf es keiner Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.

Seit 1980 gibt es eine multilaterale, zwischenstaatliche Vereinbarung (Erklärung europäischer Regierungen über die Produktionsphase der Ariane-Träger) der Mitgliedsstaaten der Europäischen Weltraumorganisation (ESA), die die Beziehungen zwischen den Teilnehmern am Ariane-Entwicklungsprogramm, der ESA und der französischen privatrechtlichen Aktiengesellschaft Arianespace regelt. Dieser Gesellschaft ist die Produktion, Abwicklung von Starttätigkeiten und Vermarktung der von der ESA entwickelten Trägerrakete Ariane übertragen.

Österreich ist Mitglied der ESA und hat am Entwicklungsprogramm Ariane 5 teilgenommen und war somit Vertragspartei der bis Ende 2008 gültigen Erklärung europäischer Regierungen über die Produkti-onsphase der Ariane-Träger (BGBl. Nr. 91/1994 idF BGBl. III Nr. 249/2002 idF BGBl. III Nr. 15/2008).

2007 folgte die Erklärung europäischer Regierungen über die Phase des Einsatzes der Träger Ariane, Vega und Sojus vom Raumfahrtzentrum Guayana aus (sogenannte „Erklärung 2007“), die eine Erweiterung der Erklärung über die Ariane-Produktions-Phase um die Träger Vega und Sojus enthält.

Österreich hat die Annahme der Erklärung 2007 am 15. Mai 2009 dem Generaldirektor der ESA notifi-ziert; die Erklärung ist gemäß ihrem Art. V Abs. 1 für Österreich mit 26. November 2009 in Kraft getreten und ist – wie in der Erklärung vorgesehen – bis Ende 2020 gültig.

Seit Anfang 2010 hat sich der Markt für Startsysteme weltweit erheblich verändert, insbesondere bzgl. der Kosten. Dadurch wurde die bis dahin starke europäische Position deutlich geschwächt. Vor diesem Hintergrund hat der ESA-Ministerrat 2008 und 2012 eine Weiterentwicklung von Ariane-5 und Vega sowie eine neue Ariane-Version (Ariane-6) beschlossen. Beim ESA-Ministerrat 2014 wurde eine neue Strategie für die Zukunft der europäischen Trägerprogramme festgelegt, um weiterhin einen unabhängigen europäischen Zugang zum Weltraum sicherzustellen. Die betroffenen Staaten haben beschlossen, die neuen Trägerraketen Ariane-6 (im Wesentlichen eine Neu-Industrialisierung von Ariane-5) und Vega-C (eine Weiterentwicklung von Vega) zu entwickeln und vor allem dem Privatsektor eine größere Rolle und Verantwortung zu übertragen (neue Governance). Weiters wurde zugesagt, diese beiden Trägerraketen in Zukunft bevorzugt einzusetzen (europäische Präferenz), um damit einen europäischen institutionellen Basis-Markt zu schaffen. Die Verantwortung für den zusätzlichen kommerziellen Markt sollte vollständig, insbesondere auch finanziell, auf den Privatsektor (Arianespace, ArianeGroup, Avio) übertragen werden. Darüber hinaus erhielt die ArianeGroup durch den Kauf der Arianespace-Aktien von CNES die Kontrolle über Arianespace.

Diese grundlegende Änderung der Governance sowie die Kontrolle von ArianeGroup über Arianespace machten eine Revision der Erklärung 2007 notwendig.

Die Regierungsvertreter der ESA-Mitgliedsstaaten, einschließlich der nicht am Ariane- oder Vega-Entwicklungsprogramm teilnehmenden neuen ESA-Mitgliedsstaaten, führten ab März 2016 Verhandlungen zur Festlegung der gegenständlichen neuen Erklärung und nahmen einvernehmlich am 4. Dezember 2017 den Wortlaut des Schlussdokuments an (sogenannte „Erklärung 2017“). Diese Erklärung soll jene aus 2007 ersetzen.

Diese neue Erklärung basiert auf der Erklärung 2007, wurde wo erforderlich bzgl. der betreffenden Träger – die bisherigen Ariane-5 und Vega-Träger werden um Ariane-6 und Vega-C ergänzt – sowie hinsichtlich der Governance leicht angepasst, und soll bis 2035 gelten. Sie übernimmt die Struktur der Erklärung 2007 und erläutert die Rechte und Pflichten der Vertragsstaaten, der ESA und des Startdienstbetreibers Arianespace. Sie ist somit im Wesentlichen eine Fortschreibung der Erklärung 2007 und bildet den Rahmen für den Einsatz der Träger für weitere 15 Jahre (bis Ende 2035).

Die Änderungen gegenüber der Erklärung 2007 verursachen keine zusätzlichen finanziellen Verpflichtungen für Österreich. Die Kosten für die Beteiligung an der Entwicklung und dem Betrieb von Ariane-6 und Vega-C werden bereits im Rahmen der Zeichnung der entsprechenden Programme bei ESA-Ministerkonferenzen berücksichtigt. Die bestehende Verpflichtung, bevorzugt europäische Träger einzusetzen, sofern dies nicht unzumutbar ist, wird präzisiert und bestätigt (Art. 8 und 9). Weiters berücksichtigt die Erklärung 2017, dass Arianespace für die Trägerraketen Ariane-6 und Vega-C von der Ariane-Group beherrscht wird.

Die Struktur der Erklärung 2017 ist identisch mit jener aus 2007.

Teil I der Erklärung umfasst den Zweck und die Verpflichtung der Teilnehmerstaaten.

Teil II der Erklärung umfasst die von den Teilnehmerstaaten an die ESA vergebenen Aufträge.

Teil III der Erklärung umfasst die Verpflichtungen von Arianespace (und den Hauptauftragnehmern Ari-aneGroup und Avio), die diese von der ESA übernimmt.

Teil IV der Erklärung umfasst die Haftung für die durch einen Start verursachten Schäden.

Teil V der Erklärung umfasst das Inkrafttreten, die Dauer, die Revisionen und die Gültigkeit.

Teil VI der Erklärung umfasst die Beilegung von Streitigkeiten.

In sinngemäßer Anwendung des Absatzes V.1 ist die Annahme der gegenständlichen Erklärung dem Generaldirektor der ESA schriftlich zu notifizieren. Nach dem Inkrafttreten ist der Beitritt für weitere ESA-Mitgliedstaaten weiterhin offen.

Österreich ist wie bei der derzeitigen Erklärung 2007 nicht finanziell betroffen. Die Kosten werden – wie gehabt – im Rahmen der Zeichnung der entsprechenden Programme bei ESA-Ministerkonferenzen berücksichtigt. Die neue Träger-Governance für Ariane-6 und Vega-C entlastet Österreich, da kommerzielle Risiken von Arianespace und den Hauptauftragnehmern ArianeGroup und Avio getragen werden sollen.

Diese Erklärung enthält keine spezifisch definierten finanziellen Verpflichtungen der Staaten, außer Haftungen bei Startschäden. Österreich nimmt zurzeit an Ariane-5, Ariane-6, Vega-C und Vega-E (hier nicht abgedeckt) teil. Folgende Regelungen sind vorgesehen:

                 • Bei Ariane-5 und -6 wird die Haftung bei Startschäden, wie bisher, von Frankreich über-nommen.

                 • Bei Vega und Vega-C haften bei Startschäden zu zwei Drittel die Staaten, die an den jewei-ligen Trägern teilnehmen (betrifft Vega-C bei Österreich), und ein Drittel übernimmt Frank-reich.

                 • Bei Sojus haftet, wie bisher, lediglich Frankreich.

Neben den österreichischen Beiträgen zum ESA-Pflichtprogramm betreffend das Raumfahrtzentrum Guayana (CSG) und den Ariane-5, Ariane-6 und Vega-C Unterstützungsprogrammen, verursacht diese Erklärung somit keine weiteren finanziellen Verpflichtungen.

Das österreichische Interesse an der Annahme der Erklärung besteht darin, bei der weltweiten Vermarktung der Trägerraketen Ariane-5 und -6, Vega und Vega-C sowie Sojus weiter mitzuwirken und vor allem Aufträge an österreichische Zulieferfirmen für Ariane-5, Ariane-6 und Vega-C zu lukrieren. Österreich profitiert als Teilnehmer an der Erklärung sowohl von dem Bekenntnis zur europäischen Solidarität auf dem Raumfahrtsektor als auch von den gleichen individuellen und kollektiven Rechten (z.B. Kontrollrechte über Arianespace und Schutz vor dem Austausch österreichischer Zulieferfirmen) wie alle übrigen Vertragsparteien.

Die mit der Durchführung dieser Erklärung verbundenen Kosten finden ihre Bedeckung in dem Budget des zuständigen Ressorts.

 

Der Ausschuss für Forschung, Innovation und Digitalisierung hat den gegenständlichen Staatsvertrag in seiner Sitzung am 7. April 2021 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Michel Reimon, MBA die Abgeordneten Peter Weidinger, Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff und Mag. Dr. Petra Oberrauner sowie die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA und der Ausschussobmann Abgeordneter Christian Hafenecker, MA.

 

Bei der Abstimmung wurde einstimmig beschlossen, dem Nationalrat die Genehmigung des Abschlusses dieses Staatsvertrages zu empfehlen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Forschung, Innovation und Digitalisierung somit den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:

Der Abschluss des Staatsvertrages: Erklärung europäischer Regierungen über die Phase des Einsatzes der Träger Ariane, Vega und Sojus vom Raumfahrtzentrum Guayana aus (632 der Beilagen) wird gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG genehmigt.

Wien, 2021 04 07

                           Michel Reimon, MBA                                                Christian Hafenecker, MA

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann