785 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP
Bericht
des Justizausschusses
über die Regierungsvorlage (631 der Beilagen): Vereinbarung zwischen der Republik Österreich und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland über die Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen auf Gibraltar
Die durch die Note des Vereinigten Königreichs und die österreichische Antwortnote abgeschlossene Vereinbarung zwischen der Republik Österreich und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland ist gesetzändernd bzw. gesetzesergänzend und bedarf daher der Genehmigung durch den Nationalrat gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG. Sie hat nicht politischen Charakter. Es ist nicht erforderlich, eine allfällige unmittelbare Anwendung der Vereinbarung im innerstaatlichen Rechtsbereich durch einen Beschluss gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG, dass die Vereinbarung durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, auszuschließen. Da durch die Vereinbarung keine Angelegenheiten des selbstständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, bedarf sie keiner Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG. Das Europäische Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen, BGBl. Nr. 41/1969 (im Folgenden: „Übereinkommen“), ist für Österreich am 31. Dezember 1968 in Kraft getreten.
Das Übereinkommen findet gemäß seinem Art. 25 Abs. 1 „auf das Mutterland der Vertragsparteien“ Anwendung. Das Übereinkommen erlaubt die Ausdehnung des Anwendungsbereichs auf andere als die in Art. 25 Abs. 1, 2, 3 und 4 erwähnten Gebiete, für deren internationale Beziehungen eine dieser Vertragsparteien verantwortlich ist. Es verlangt dafür jedoch gemäß Art. 25 Abs. 5 eine unmittelbare Vereinbarung zwischen zwei oder mehreren Vertragsparteien.
Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland hat in einer Note an den Generalsekretär des Europarates vom 29. Juli 2019 vorgeschlagen, den Anwendungsbereich des Übereinkommens auf Gibraltar auszudehnen, und ersucht, die Vertragsstaaten des Übereinkommens von diesem Vorhaben zu informieren. Sollte ein Vertragsstaat innerhalb von 90 Tagen dagegen keinen Einspruch erheben, bestünde eine Vereinbarung zwischen dem Vereinigten Königreich und diesem Vertragsstaat im Sinne von Art. 25 Abs. 5 des Übereinkommens über die Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Übereinkommens auf Gibraltar.
Der Generalsekretär des Europarats entsprach diesem Ersuchen mit einer Note vom 1. August 2019 und präzisierte dabei, dass wenn Vertragsstaaten bis zum 27. Oktober 2019 keinen Einspruch erheben, zwischen dem Vereinigten Königreich und diesen Vertragsstaaten Vereinbarungen im Sinne von Art. 25 Abs. 5 des Übereinkommens über die Ausdehnung des Anwendungsbereichs auf Gibraltar bestünden.
Die Ausdehnung des Anwendungsbereichs im Wege einer unmittelbaren Vereinbarung gemäß Art. 25 Abs. 5 des Übereinkommens stellt kein vereinfachtes Vertragsänderungsverfahren gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 1 B-VG dar, welches keiner Genehmigung des Nationalrats bedürfen würde. Mit dieser Bestimmung wird seit der Novelle BGBl. I Nr. 2/2008 vielmehr auf Vertragsänderungen abgestellt, die etwa durch Beschluss eines – durch den jeweiligen Staatsvertrag geschaffenen – Organs oder durch Mehrheitsbeschluss der Vertragsparteien erfolgen. In den Fällen, in denen Österreich derartige vereinfachte Änderungen (zumindest für sich selbst) blockieren kann, ist eine solche Regelung auch nicht als Übertragung von Hoheitsrechten im Sinne des Art. 9 Abs. 2 B-VG anzusehen. (sh. 314 d. B. (XXIII 23. GP)).
Die Ausdehnung der Anwendung des Übereinkommens auf andere als die in Art. 25 Abs. 1, 2, 3 und 4 des Übereinkommens erwähnten Gebiete – Gibraltar stellt ein solches anderes Gebiet dar – ist daher eine Vertragsänderung, die in Österreich gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG der Genehmigung des Nationalrats bedarf.
Die Ausdehnung des Anwendungsbereichs desselben Übereinkommens auf die Isle of Man sowie die Ballei Guernsey erfolgte ebenfalls mit Genehmigung des Nationalrats (vgl. BGBl. III Nr. 22/2002 sowie BGBl. III Nr. 107/2004).
Da die Durchführung eines parlamentarischen Genehmigungsverfahrens bis zum 27. Oktober 2019 nicht möglich war, hat Österreich zunächst einen rechtswahrenden Einspruch erhoben.
Der gegenständliche Staatsvertrag hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Charakter und bedarf daher gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG der Genehmigung durch den Nationalrat.
Der Staatsvertrag hat nicht politischen Charakter und ist der unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Rechtsbereich zugänglich, sodass eine Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG nicht erforderlich ist.
Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.
Der Justizausschuss hat den gegenständlichen Staatsvertrag in seiner Sitzung am 13. April 2021 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich im Anschluss an ihre Ausführungen als Berichterstatterin die Abgeordnete Carina Reiter.
Bei der Abstimmung wurde einstimmig beschlossen, dem Nationalrat die Genehmigung des Abschlusses dieses Staatsvertrages zu empfehlen.
Der Justizausschuss vertritt weiters einstimmig die Auffassung, dass die Bestimmungen des Staatsvertrages zur unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Bereich ausreichend determiniert sind, sodass sich eine Beschlussfassung des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG zur Erfüllung des Staatsvertrages erübrigt.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:
Der Abschluss des Staatsvertrages: Vereinbarung zwischen der Republik Österreich und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland über die Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen auf Gibraltar (631 der Beilagen) wird gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG genehmigt.
Wien, 2021 04 13
Carina Reiter Mag. Michaela Steinacker
Berichterstatterin Obfrau