807 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP
Bericht
des Gesundheitsausschusses
über die Regierungsvorlage (732 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem ein neues Tierärztegesetz erlassen und das Tierärztekammergesetz geändert wird
Hauptgesichtspunkte des Entwurfes:
Das tierärztliche Berufsbild hat sich in den letzten Jahrzehnten weitgehend geändert.
Noch im ausgehenden 20. Jahrhundert war die Betreuung von Nutztieren im ländlichen Raum durch einen einzelnen freiberuflich selbständigen (männlichen) Tierarzt prägend. Heute erfolgt – auch im Zusammenhang mit dem gestiegenen Frauenanteil im Beruf – die Patientenbetreuung vermehrt durch Kooperationen von Einzelpraxen oder durch Großpraxen mit Angestellten.
Auf Grund der gestiegenen Bedeutung des Tierschutzes haben Kleintierpraxen ein erweitertes Tätigkeitsfeld erfahren, da auf Grund der geänderten Mensch-Tier-Beziehung in diesem Bereich eine gestiegene Nachfrage nach tierärztlichen Leistungen herrscht.
Durch den Fortschritt der Wissenschaft haben sich neue tierärztliche Berufsfelder ergeben (Labordiagnostik, Zoonosenbekämpfung etc.).
Eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erreichen, hat genauso stark zur Änderung des Berufsbildes beigetragen, wie der Strukturwandel in der Landwirtschaft in Folge des EU-Beitritts.
Der vorliegende Gesetzentwurf dient der Anpassung der beruflichen Rahmenbedingungen auf Grund der neuen Herausforderungen für den Berufsstand und soll auch standespolitischen Anliegen, die sich aus dem Vollzug des Tierärztegesetzes in den letzten Jahren ergeben haben, Rechnung tragen. Weiters dient der Entwurf der vollständigen Umsetzung von Bestimmungen der Dienstleistungssrichtlinie 2006/123/EG sowie des EuGH-Erkenntnisses C 209/2018.
Durch die Schaffung neuer Möglichkeiten der Zusammenarbeit, der Möglichkeit der Gründung von Tierärztegesellschaften (Fremdfinanzierung) und der Schaffung der Möglichkeit mehrerer Berufssitze, soll die tierärztliche Versorgung auch in Gebieten mit schwacher Infrastruktur sichergestellt werden.
Nachdem bereits 2012 eine Trennung des tierärztlichen Berufsrecht von den Bestimmungen über die Tierärztekammer erfolgt ist, soll nunmehr durch die Neuregelung ein klares und einheitliches Berufsrecht geschaffen werden, in welchem sich auch die bisherigen bewährten Regelungen in einer geordneten Systematik wiederfinden.
Finanzielle Auswirkungen:
Auf Ebene der Länder, Städte und Gemeinden sowie des Bundes ergeben sich keine verpflichtenden finanziellen Auswirkungen.
Kompetenzgrundlage:
Die Zuständigkeit des Bundes zur Erlassung dieses Bundesgesetzes ergibt sich aus den verfassungsrechtlichen Kompetenztatbeständen „Veterinärwesen“ (Art. 10 Abs. 1 Z 12 B-VG) und „Einrichtung beruflicher Vertretungen, soweit sie sich auf das ganze Bundesgebiet erstrecken“ (Art. 10 Abs. 1 Z 8 B-VG).
Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:
Im Hinblick auf den übertragenen Wirkungsbereich insbesondere auf die Führung der Tierärzteliste durch die Tierärztekammer, welche nur der Aufsicht des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz – ohne Weisungsbefugnis des Landeshauptmannes – unterliegt, ist vor Kundmachung des Gesetzesbeschlusses die Zustimmung der Länder gemäß Art. 102 Abs. 4 B-VG erforderlich.
Dies gilt auch für die damit im Zusammenhang stehende Ermächtigung zur Vorschreibung und Einhebung von Gebühren durch die Tierärztekammer nach § 13 TÄKamG.
Der Gesundheitsausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 15. April 2021 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Dipl.-Ing. Olga Voglauer die Abgeordneten Franz Leonhard Eßl, Alois Stöger, diplômé und Mag. Gerald Loacker und der Ausschussobmann Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak.
Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Franz Leonhard Eßl, Dipl.-Ing. Olga Voglauer, Kolleginnen und Kollegen einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:
„Um die fachliche und wirtschaftliche Unabhängigkeit der Tierärzte in Tierärztegesellschaften insbesondere hinsichtlich ihrer öffentlichen Aufgaben im Gesundheitsschutz zu wahren, ist es notwendig, den Tierärztinnen und Tierärzten in solchen Gesellschaften zumindest die Hälfte der Gesellschaftsanteile und Stimmrechte vorzubehalten. Die bloße Sperrminorität reicht für eine tatsächliche Kontrolle nicht aus.
Diese Regelung entspricht der RL 2006/123/EG (Dienstleistungsrichtlinie) sowie der Rechtsprechung des EUGH (C-209/18).
Die Dienstleistungsrichtlinie RL 2006/123/EG verpflichtet die Mitgliedsstaaten in Artikel 15 Abs. 2, gewisse nicht-diskriminierende Anforderungen an die Errichtung von Dienstleistungsgesellschaften zu prüfen, unter die auch „c) Anforderungen an die Beteiligung am Gesellschaftsvermögen“ fällt. Diese müssen jedenfalls die Abs. 3 genannten Anforderungen hinsichtlich Nicht-Diskriminierung, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit erfüllen.
Nicht-Diskriminierung: Die Neuregelung des § 18 Abs 2 hinsichtlich der anderen Tierärztegesellschaften enthält keine Regelungen hinsichtlich der Staatsbürgerschaft oder des Ortes des satzungsmäßigen Sitzes.
Erforderlichkeit: Im Allgemeininteresse, insbesondere im Sinne des Gesundheitsschutzes, ist die fachliche und wirtschaftliche Unabhängigkeit der Tierärztinnen und Tierärzte in Tierärztegesellschaften zu wahren. Die wirtschaftliche Einflussnahme muss dabei groß genug sein, um die fachlichen Notwendigkeiten auch gegen pekuniäre Interessen nichttierärztlicher Teilhaber durchsetzen zu können.
Verhältnismäßigkeit: Eine Beteiligung Berufsfremder wird soweit als möglich gestattet, ohne jedoch die Kontrolle über die Entscheidungen der Tierärztegesellschaft aus der Hand der berufsberechtigen Tierärztinnen und Tierärzte zu geben. Zur Beurteilung fachlicher Kriterien und im Sinne der Qualitätssicherung ist dabei, sofern die wirtschaftliche Kontrolle nicht mehrheitlich in Hand von Berufsberechtigten liegt, eine Kommission bestehend aus berufsberechtigten Tierärztinnen und Tierärzten einzusetzen.
Durch die Änderung des Tierärztekammergesetzes wird sichergestellt, dass tierärztliche Gesellschafter von Tierärztegesellschaften auch dann, wenn sie den Beruf nicht selbst ausüben, Kammermitglieder und damit jedenfalls der tierärztlichen Berufsordnung in Österreich verpflichtet sind.“
Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf unter Berücksichtigung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Franz Leonhard Eßl, Dipl.-Ing. Olga Voglauer, Kolleginnen und Kollegen mit Stimmenmehrheit (dafür: V,G dagegen: S, F, N) beschlossen.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Gesundheitsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.
Wien, 2021 04 15
Dipl.-Ing. Olga Voglauer Mag. Gerhard Kaniak
Berichterstatterin Obmann