836 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Ausschusses für Arbeit und Soziales

über den Antrag 1506/A(E) der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform der aktiven Arbeitsmarktpolitik und Umsetzung der OECD Empfehlungen "Going for Growth"

Die Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 21. April 2021 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Die Arbeitswelt hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert und die COVID-19-Krise beschleunigt den Strukturwandel am Arbeitsmarkt zusätzlich. Daher brauchen wir Maßnahmen und Lösungen, die sowohl den Bedürfnissen der Arbeitnehmer_innen, als auch jenen der Betriebe entsprechen. Außerdem besteht Bedarf an sinnvollen Qualifizierungs- und Umschulungsmaßnahmen für Menschen, deren Branche aufgrund der COVID-19-Pandemie einen dauerhaften oder jedenfalls nachhaltigen Einbruch erlitten haben. Zudem hat die Wirtschaftskrise 2008 bereits gezeigt, dass solche Krisen die Digitalisierung vorantreiben, wodurch Berufsqualifizierung immer wichtiger wird. Aktive Arbeitsmarktpolitik ist unumstritten von besonderer Bedeutung, um langfristige Erwerbschancen zu steigern und nachhaltig zu sichern. Gerade vor dem Hintergrund einer alternden Erwerbsbevölkerung ist auf das Arbeitskräftepotenzial älterer Arbeitnehmer_innen und auf die Weiterbildungschancen dieser Gruppe ein Hauptaugenmerk zu legen. Der Länderbericht der Europäischen Union hält fest, dass besonders ältere Arbeitnehmer_innen und schlecht qualifizierte Personen in Österreich unverhältnismäßig oft von Arbeitslosigkeit und Langzeitarbeitslosigkeit betroffen sind[1]: Mehr als 44 Prozent (in 2019) aller Arbeitslosen haben lediglich die Pflichtschule abgeschlossen[2].

Diese Entwicklungen haben sich durch die Covid Pandemie noch verstärkt, die Arbeitslosigkeit unter schlecht qualifizierten Personen ist im Vergleich zu 2019 um 35 Prozent, gestiegen. Diese Personen sind auch am häufigsten von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen. Im Jahr 2020 waren annähernd 50 Prozent der Personen mit höchstens einem Pflichtschulabschluss von Langzeitarbeitslosigkeit (länger als ein Jahr) betroffen. Zu diesem Entschluss kommt auch die OECD in ihrer neusten Länderempfehlung für Österreich: Target government support at the low-skilled and elderly workers would help to address their relatively low participation in further education and training[3]. Doch dieses Problem ist kein neues, auch die Europäische Union hat Österreich schon des Öfteren empfohlen, aktive Arbeitsmarktpolitik in Österreich weiterzuentwickeln.

Neben den negativen Auswirkungen auf die Langzeitarbeitslosigkeit wirkt sich die Ausgestaltung der Arbeitsmarktpolitik auch auf den Fachkräftemangel aus. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, kommen zahlreiche Studien zu der Empfehlung, Weiterbildungen und Qualifizierungsmaßnahmen zu fördern. Das gilt insbesondere für die Weiterbildung von Geringqualifizierten und die Förderung von Mehrfachqualifikationen. Eine Studie des Industriewissenschaftlichen Instituts (IWI) schätzt den Fachkräftemangel in Österreich auf 24.000 Personen, was mit einem Wertschöpfungsverlust von rund 3,8 Mrd. EUR pro Jahr für den österreichischen Wirtschaftsstandort verbunden ist. Diese Studie geht daher davon aus, dass durchschnittlich nur 77 Prozent der internen IT-Stellen besetzt werden können[4] [5].

Betrachtet man jedoch die Ausgaben für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen im Verhältnis zum BIP nach Art der Maßnahme im europäischen Vergleich, zeigt sich für Österreich ein interessantes Bild. Österreich gehört zu jenen Ländern, die gemessen am BIP am meisten für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen ausgeben. Dies ist den hohen Ausgaben für passive Leistungen geschuldet, die bei fast 63 Prozent der Gesamtausgaben für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen liegen. 28 Prozent der Gesamtausgaben für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen werden für aktivierende Maßnahmen ausgegeben. Vorzeigeländer, wie Dänemark, mit einer geringeren Langzeitarbeitslosigkeit und mit flexibleren passiven Leistungen, zeigen im Vergleich zu Österreich eine geringere Ausgabenquote für passive Leistungen (35 Prozent der Gesamtausgaben für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen).

Österreichs Antwort auf die Krise ist die Corona-Joboffensive. Gebetsmühlenartig wird bei jeder Gelegenheit erwähnt, das größte Arbeitsmarktpaket in der zweiten Republik auf den Weg gebracht zu haben. Doch zeigt sich, dass nur bestehende Maßnahmen aufgestockt wurden. Die Aufstockung alter Strukturen wird dem Wandel am Arbeitsmarkt nicht entgegenwirken. Zu diesem Schluss kommt auch die OECD in ihrer aktuellen Empfehlung. So vollziehe sich die Anpassung an die Digitalisierung hierzulande langsamer als in vergleichbaren anderen Ländern. Um aufzuholen müsse das lebenslange Lernen rund um digitale Technologien in allen Bevölkerungsgruppen, speziell aber bei den Älteren und geringer Qualifizierten ausgebaut werden (OECD). Die Digitalisierung hat Leistungen so wie Notwendigkeiten von Betrieben stark verändert. Die aktuelle Krise hat den ohnehin starken Digitalisierungsschub dazu noch wesentlich verstärkt. Um von dieser Entwicklung profitieren zu können, bedarf es einer entsprechenden Neuausrichtung der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Nicht nur die OECD und die EU, sondern auch der Branchenausblick des Fachverbands Unternehmensberatung, Buchhaltung und IT (UBIT) der Wirtschaftskammer, der am 14.1.2021 präsentiert wurde, hat dringenden Handlungsbedarf aufgezeigt. Es bedarf daher dringender Maßnahmen, um den österreichischen Arbeitsmarkt noch viel mehr auf die Digitalisierung auszurichten und damit auch den österreichischen Standort nachhaltig zu stärken. Die Regierung darf sich nicht auf ehemalige Initiativen ausruhen, sondern muss gerade in diesem wichtigen Bereich die Weichen stellen, um den bisherigen Rückstand wiedergutzumachen.“

 

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 11. Mai 2021 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Mag. Gerald Loacker die Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Mag. Markus Koza, Rebecca Kirchbaumer, Bettina Zopf, Dr. Dagmar Belakowitsch, Fiona Fiedler, Bed, Tanja Graf, Mag. Michael Hammer sowie der Bundesminister für Arbeit Mag. Dr. Martin Kocher und der Ausschussobmann Abgeordneter Josef Muchitsch.

 

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag keine Stimmenmehrheit
(für den Antrag: S, F, N, dagegen: V, G).

 

Zum Berichterstatter für den Nationalrat wurde Abgeordneter Mag. Markus Koza gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für Arbeit und Soziales somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2021 05 11

                             Mag. Markus Koza                                                             Josef Muchitsch

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann



[1] https://ec.europa.eu/info/business-economy-euro/economic-and-fiscal-policy-coordination/eu-economic-

governance-monitoring-prevention-correction/european-semester/european-semester-timeline/spring-package_de

[2] http://www.arbeitsmarktpolitik.at/bali/Query.aspx

[3] https://www.oecd.org/economy/austria-economic-snapshot/

[4] https://www.derstandard.at/story/2000123289576/knapp-ein-viertel-der-it-jobs-kann-nicht-besetzt-werden

[5] https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20210114_OTS0098/fachkraeftemangel-handelsverband-fordert-

schaffung-eines-neuen-aufbaulehrgangs-ecommerce-fachwirtin-in-oesterreich

6 https://ibw.at/bibliothek/id/523/