843 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Budgetausschusses

über die Regierungsvorlage (752 der Beilagen): Übereinkommen zur Änderung des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus

Das Übereinkommen zur Änderung des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Inhalt und bedarf der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG. Das Übereinkommen zur Änderung des Vertrags hat keinen politischen Charakter. Es ist nicht erforderlich, eine allfällige unmittelbare Anwendung des Vertrags im innerstaatlichen Rechtsbereich durch einen Beschluss gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG, dass dieser Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, auszuschließen. Da durch die Änderungen des Vertrags keine Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, bedarf es keiner Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.

Am 18. Dezember 2013 verständigten sich die Finanzministerinnen und Finanzminister der Euro-Gruppe und des ECOFIN-Rates im Zusammenhang mit den Verhandlungen zur Bankenunion darauf, dass für den Einheitlichen Abwicklungsfonds (Single Resolution Fund – SRF) bis Ende 2023 eine gemeinsame Letztsicherung („Common Backstop“) entwickelt werden soll. Diese soll dazu dienen, der Einheitlichen Abwicklungsbehörde (Single Resolution Board – SRB) in jenen Fällen Finanzierungen zur Verfügung zu stellen, in denen der SRF nicht mit ausreichenden Mitteln ausgestattet ist.

Der Euro-Gipfel vereinbarte bei seiner Tagung am 29. Juni 2018, dass die gemeinsame Letztsicherung für den SRF durch den ESM bereitgestellt und dieser durch eine Reform gestärkt werden soll.

Am 4. Dezember 2018 hielt die Euro-Gruppe unter Einbindung der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, deren Währung nicht der Euro ist, die wesentlichen Eckpunkte der gemeinsamen Letztsicherung sowie einer Reform des ESM in einem Bericht an die Staats- und Regierungschefs fest. Alle Elemente des Berichts wurden bei der Tagung des Euro-Gipfels am 14. Dezember 2018 gebilligt, darunter auch die Modalitäten für die Reform des ESM.

Österreich ist Mitglied des ESM. Für die Umsetzung der oben genannten Vorhaben ist eine Änderung des 2012 in Kraft getretenen Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (BGBl. III Nr. 138/2012 idF BGBl. III Nr. 27/2015, kurz: ESM-Vertrag) erforderlich. Die Euro-Gruppe wurde vom Euro-Gipfel am 14. Dezember 2018 ersucht, bis Juni 2019 die erforderlichen Änderungen des ESM- Vertrags vorzulegen.

Gemäß den Beschlüssen der Bundesregierung vom 13. März 2019 (sh. Pkt. 6, Beschl.Prot. Nr. 49) und vom 12. Juni 2019 (sh. Punkt 10, Beschl.Prot. Nr. 2) und der entsprechenden Ermächtigungen durch den Bundespräsidenten wurden Verhandlungen über die Änderung des ESM-Vertrags aufgenommen.

Am 14. Juni 2019 erzielte die Euro-Gruppe wie folgt Einvernehmen:

-       Der ESM soll spätestens mit dem Ende der Aufbauphase des SRF ab dem Jahr 2024 als dessen gemeinsame Letztsicherung (Common Backstop) fungieren. Eine vorzeitige Einführung der gemeinsamen Letztsicherung für den SRF wird in Betracht gezogen, sofern ausreichende Erfolge beim Abbau von Banken-Risiken in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, deren Währung der Euro ist, erzielt werden konnten.

-       Die Rolle des ESM in und außerhalb von Finanzhilfeprogrammen sowie die Arbeitsteilung mit der Europäischen Kommission sollen neu geregelt werden. Der ESM soll die Europäische Kommission bei der Vorbereitung, Durchführung und Überwachung von Stabilitätshilfe-Programmen an Mitgliedstaaten der Europäischen Union, deren Währung der Euro ist, unterstützen.

-       Zur Verbesserung der Schuldentragfähigkeit der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, deren Währung der Euro ist, soll der ESM in Zukunft auf freiwilliger Basis und auf Antrag eines Mitgliedstaates als Mittler und Berater zwischen dem betroffenen Euroland und dessen Gläubigern auftreten können. Ferner sollen alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union, deren Währung der Euro ist, ab dem Jahr 2022 Umschuldungsklauseln mit einstufiger Aggregation, sogenannte Single-Limb Collective Action Clauses, in ihre Staatsanleihen aufnehmen, mittels derer in Ausnahmefällen Umschuldungen einfacher umsetzbar sein werden.

-       Die Bedingungen für die Gewährung vorsorglicher Finanzhilfen durch den ESM werden näher spezifiziert. Solche Kreditlinien sollen als Absicherung für Mitgliedstaaten der Europäischen Union, deren Währung der Euro ist, mit grundsätzlich stabilen Staatsfinanzen zur Verfügung stehen, die einem wirtschaftlichen Schock ausgesetzt sind.

Aufgrund der Covid-19-Pandemie wurden die Entscheidungen zur Reform des ESM und zur vorzeitigen Einführung der gemeinsamen Letztsicherung für den SRF vom Frühjahr 2020 auf einen geeigneteren Zeitpunkt verschoben. Am 30. November 2020 verständigte sich die Euro-Gruppe sodann auf den Zeitplan für die Ratifikation des Übereinkommens zur Änderung des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus.

Gemäß Beschluss der Bundesregierung vom 13. Jänner 2021 (siehe Pkt. 19 des Beschl. Prot. Nr. 44) und der entsprechenden Bevollmächtigung durch den Herrn Bundespräsidenten wurde das Übereinkommen zur Änderung des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM-V- Änderungsübereinkommen) am 27. Jänner 2021 von Österreich gemeinsam mit den anderen Mitgliedern des ESM unterzeichnet. Gemäß der Erklärung der Euro-Gruppe vom 30. November 2020 ist es das gemeinsame Ziel, dass das ESM-V-Änderungsübereinkommen mit Beginn 2022 in Kraft tritt.

 

Der gegenständliche Staatsvertrag hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Charakter und bedarf daher gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG der Genehmigung durch den Nationalrat.

Der Staatsvertrag hat nicht politischen Charakter und ist der unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Rechtsbereich zugänglich, sodass eine Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG nicht erforderlich ist.

Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.

 

Der Budgetausschuss hat den gegenständlichen Staatsvertrag in seiner Sitzung am 11. Mai 2021 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Christoph Zarits die Abgeordneten Mag. Dr. Jakob Schwarz, BA, Mag. Dr. Rudolf Taschner und Dr. Christoph Matznetter.

Bei der Abstimmung wurde mit Stimmenmehrheit (dafür: V, S, G, N, dagegen: F) beschlossen, dem Nationalrat die Genehmigung des Abschlusses dieses Staatsvertrages zu empfehlen.

Ferner beschloss der Budgetausschuss mit Stimmenmehrheit (dafür: V, S, G, N, dagegen: F) folgende Feststellung:

Der Budgetausschuss hält fest, dass sich an der durch den ESM bereitgestellten gemeinsamen Letztsicherung für den Einheitlichen Abwicklungsfonds auch Mitgliedstaaten der Bankenunion beteiligen, welche nicht Mitglieder des ESM sind. Es gilt jedoch weiterhin, dass nur ESM-Mitglieder um ESM-Stabilitätshilfen ersuchen können. Dies betrifft auch die vorsorglichen Finanzhilfen des ESM, deren Zugangskriterien im Rahmen der Reform präzisiert werden (Art. 1 Z 22 ESMV-Änderungsübereinkommen). Des Weiteren werden nur Mitgliedstaaten der Europäischen Union, deren Währung der Euro ist, verpflichtet, ab 2022 Umschuldungsklauseln mit einstufiger Aggregation in ihre neuen Staatsschuldtitel aufzunehmen (Art. 1 Z 20 ESMV-Änderungsübereinkommen). Die Höhe des genehmigten Stammkapitals und somit die Haftungsbeschränkung Österreichs werden durch das ESMV-Änderungsübereinkommen nicht geändert.


Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Budgetausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:

Der Abschluss des Staatsvertrages: Übereinkommen zur Änderung des Vertrags zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus (752 der Beilagen) wird gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG genehmigt.

Wien, 2021 05 11

                               Christoph Zarits                                                          Gabriel Obernosterer

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann