Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Im Rahmen des Europarates wurde das Europäische Übereinkommen über Gewalttätigkeiten und Fehlverhalten von Zuschauern bei Sportveranstaltungen und insbesondere bei Fußballspielen (BGBl. Nr. 133/1988) erarbeitet. Das Übereinkommen wurde von Österreich am 19. August 1985 unterzeichnet und trat in Österreich am 1. April 1988 in Kraft. Hintergrund für den Abschluss des Übereinkommens war die Katastrophe im Brüsseler Heysel-Stadion 1985, bei der durch Ausschreitungen von Hooligans, mangelnde Sicherheitsvorkehrungen und eine umgestürzte Betonmauer 39 Tote zu beklagen waren. Das Übereinkommen sollte nun, 30 Jahre nach seiner Unterzeichnung, an aktuelle Erfordernisse angepasst werden.

Im Rahmen des durch das Übereinkommen geschaffenen Ständigen Komitees wurde daher ein neues Übereinkommen erarbeitet. Als Maxime zur Überarbeitung des Übereinkommens galt, Sicherheits­maßnahmen im ausreichenden Maß zu schaffen und mit dem primären Ziel umzusetzen, das Recht von Personen auf körperliche Unversehrtheit und deren berechtigte Erwartung zu wahren, Fußballspielen und anderen Sportveranstaltungen ohne Angst vor Gewalttätigkeit, Störungen der öffentlichen Ordnung oder anderen strafbaren Handlungen beiwohnen zu können; umfasst sind sowohl das örtliche und zeitliche Umfeld bei der Veranstaltung selbst als auch die An- und Abreise.

Der wesentliche Inhalt des Übereinkommens betrifft:

–      den Aufbau von nationalen Koordinierungsstrukturen (Art. 4),

–      Sicherheit, Schutz und Dienstleistungen in Sportstadien und dem öffentlichen Raum (Art. 5 und 6),

–      die Erstellung von Eventualfall- und Notfallplänen (Art. 7),

–      die Beziehungen zu den Fans und der örtlichen Bevölkerung (Art. 8),

–      Polizeistrategien und -einsätze (Art. 9),

–      die Verhinderung und Sanktionierung rechtswidrigen Verhaltens (Art. 10) sowie

–      die Einrichtung nationaler Fußballinformationsstellen (Art. 11).

Das Übereinkommen des Europarats über einen ganzheitlichen Ansatz für Sicherheit, Schutz und Dienstleistungen bei Fußballspielen und anderen Sportveranstaltungen (SEV-Nr. 218) wurde am 3. Juli 2016 zur Unterzeichnung aufgelegt. Gemäß Beschluss der Bundesregierung vom 14. Februar 2017 (vgl. Pkt. 14 des Beschl.Prot. Nr. 31) wurde eine entsprechende Unterzeichnungsvollmacht eingeholt und das Übereinkommen am 22. Februar 2017 unterzeichnet.

Die verpflichtend vorgesehenen Maßnahmen wurden in Österreich bereits weitestgehend umgesetzt und es entstehen daher keine wesentlichen finanziellen Kosten durch die Umsetzung des gegenständlichen Europaratsübereinkommens. Bei den sonstigen Verbesserungen handelt es sich vor allem um Empfehlungen, an denen bereits (unabhängig vom gegenständlichen Europaratsübereinkommen) gearbeitet wird.

Das Übereinkommen des Europarats über einen ganzheitlichen Ansatz für Sicherheit, Schutz und Dienstleistungen bei Fußballspielen und anderen Sportveranstaltungen hat gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Inhalt und bedarf daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG. Es hat nicht politischen Charakter. Es ist nicht erforderlich, eine allfällige unmittelbare Anwendung des Übereinkommens im innerstaatlichen Rechtsbereich durch einen Beschluss gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG, dass dieser Staatsvertrag durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, auszuschließen. Da durch das Übereinkommen Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, bedarf es der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.


Besonderer Teil

Zu Art. 1 (Geltungsbereich)

Art. 1 definiert Fußballspiele und -turniere, ausgetragen von professionellen Fußballvereinen und Nationalmannschaften, als primären Geltungsbereich des Übereinkommens. Die Vertragsparteien können das Übereinkommen darüber hinaus auf Amateurfußballspiele und Veranstaltungen anderer Sportarten anwenden.

Zu Art. 2 (Ziel)

Mit dem Ziel, Sportveranstaltungen in einem sicheren, geschützten und einladenden Umfeld auszutragen, wird der Fokus gemäß Art. 2 auf folgende Bereiche gelegt:

–      Verfolgung eines ganzheitlichen, stellenübergreifenden und ausgewogenen Ansatzes für Sicherheit, Schutz und Dienstleistungen

–      Entsprechende Sensibilisierung staatlicher und privater Stellen

–      Berücksichtigung entsprechend bewährter Verfahrensweisen

–      Bedeutung lokaler, nationaler und internationaler Partnerschaften

Zu Art. 3 (Begriffsbestimmungen)

In Art. 3 werden die für das Übereinkommen einschlägigen Begriffsbestimmungen vorgenommen.

Zu Art. 4 (Interne Koordinierungsstrukturen)

Diese Bestimmung regelt den Aufbau nationaler und lokaler Koordinierungsstrukturen zur Entwicklung und Umsetzung eines stellenübergreifenden ganzheitlichen Ansatzes für Sicherheit, Schutz und Dienstleistungen auf nationaler und lokaler Ebene sowie der entsprechenden Risikoermittlung und Risikobewertung. Dabei sollen alle wesentlichen zuständigen staatlichen und privaten Stellen eingebunden, die Grundsätze des Übereinkommens beachtet und die jeweiligen Aufgaben und Zuständigkeiten klar definiert werden.

Zu Art. 5 (Sicherheit, Schutz und Dienstleistungen in Sportstadien)

Art. 5 normiert die seitens der Vertragsparteien auf nationaler Ebene zu treffenden Maßnahmen, um die Sicherheit und den Schutz in Sportstadien zu gewährleisten. Die erforderlichen Vorkehrungen sind insbesondere auch auf Gesetzes- und Verordnungsebene sicherzustellen. Dabei stehen nicht nur Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit und zur Risikominimierung innerhalb der Stadien und bei der Stadionzulassung im Vordergrund, sondern auch infrastrukturelle Vorkehrungen und Maßnahmen zur Sicherung eines qualitativen Mindeststandards. Daneben verpflichten sich die Vertragsparteien auch zur Sicherstellung von operativen Vorkehrungen für eine wirksame Kommunikation von Polizei, Notdiensten und Partnerstellen sowie zur Anerkennung und Forcierung der wesentlichen Grundsätze des Sports gegenüber den sportlichen Akteuren.

Zu Art. 6 (Sicherheit, Schutz und Dienstleistungen im öffentlichen Raum)

Art. 6 regelt die seitens der Vertragsparteien zu treffenden Sicherheits- und Schutzmaßnahmen im öffentlichen Raum. So haben die Vertragsparteien, unter Ermutigung aller in die Organisation von Sportveranstaltungen im öffentlichen Raum eingebundenen Stellen und Beteiligten, eine Risikobewertung vorzunehmen und geeignete präventive Maßnahmen vorzubereiten. Bei der Evaluierung und den konkreten präventiven Maßnahmen sind insbesondere auch die Zu- und Abfahrtswege sowie generell die Hin- und Rückreise zum bzw. vom Stadion zu berücksichtigen. Ganz allgemein haben die Vertragsparteien für ein sicheres, geschütztes und einladendes Umfeld in den Bereichen des öffentlichen Raumes zu sorgen.

Zu Art. 7 (Eventualfall- und Notfallplanung)

Art. 7 sieht vor, dass die Vertragsparteien stellenübergreifende Eventualfall- und Notfallpläne entwickeln. Diesbezüglich haben in regelmäßigen Abständen auch entsprechende Übungsmaßnahmen zur Erprobung und Weiterentwicklung dieser Pläne stattzufinden, wobei der nationale gesetzliche, verordnungs- oder verwaltungsrechtliche Rahmen die erforderlichen Konkretisierungen in Hinblick auf die Durchführung der Übungen zu regeln hat.

Zu Art. 8 (Beziehungen zu den Fans und der örtlichen Bevölkerung)

Art. 8 enthält Normierungen in Bezug auf die seitens der Vertragsparteien in Hinblick auf die Kommunikation und Beziehungen zu den Fans und zur örtlichen Bevölkerung zu treffenden Maßnahmen. Mit dem Ziel einer partnerschaftlichen und konstruktiven Zusammenarbeit sollen die Vertragsparteien demgemäß alle beteiligten Stellen zu einer entsprechenden Kommunikationspolitik ermutigen. Um die grundlegenden Werte von wechselseitigem Respekt und Verständnis zu etablieren und zu fördern, sollen alle involvierten Stellen seitens der Vertragsparteien unter anderem zu gemeinschaftsorientierten Projekten motiviert werden.

Zu Art. 9 (Polizeistrategien und –einsätze)

Art. 9 sieht vor, dass die Vertragsparteien polizeiliche Strategien, bei denen insbesondere bisher bewährte Verfahrensweisen zu berücksichtigen sind, entwickeln. Diesbezüglich haben auch regelmäßige Überprüfungen zur stetigen Weiterentwicklung stattzufinden. Im Zentrum der polizeilichen Strategien soll vor allem auch eine konstruktive und partnerschaftliche Zusammenarbeit der Polizei mit allen beteiligten Stellen (Veranstalter, Fans, örtliche Bevölkerung, andere Beteiligte) stehen.

Zu Art. 10 (Verhinderung und Sanktionierung rechtswidrigen Verhaltens)

Art. 10 normiert die seitens der Vertragsparteien zu ergreifenden Maßnahmen, um ein rechtswidriges Verhalten in Form von gewalttätigen Handlungen und Störungen der öffentlichen Ordnung zu verhindern und um entsprechende Verstöße zu sanktionieren. Davon umfasst sind Vorkehrungen zur Risikominimierung und rechtskonforme Ausschlussmaßnahmen. Ferner haben die Vertragsparteien auch für eine effektive grenzüberschreitende Sanktionierung von Personen, die Straftaten begehen, und gegebenenfalls auch für personenbezogene Reisebeschränkungen in Hinblick auf auswärtige Fußballveranstaltungen Sorge zu tragen.

Zu Art. 11 (Internationale Zusammenarbeit)

Art. 11 regelt die Zusammenarbeit der Vertragsparteien. Im Zentrum der internationalen Zusammenarbeit steht die Einrichtung bzw. Benennung einer nationalen polizeilichen Fußballinformationsstelle (NFIP), welche nicht nur als Kontakt- und Koordinierungsstelle, sondern auch als Quelle für Fachwissen dienen soll. Von der Zusammenarbeit umfasst ist auch ein stetiger Informations- und Verfahrensweisen-Austausch sowie der Aufbau von Partnerschaften unter Einbeziehung sämtlicher involvierter Stellen.

Durch Art. 11 sollen jedoch im Verhältnis zu Art. 1 des Beschlusses des Rats vom 25. April 2002 über die Sicherheit bei Fußballspielen von internationaler Bedeutung (2002/348/JI), der ebenfalls die Einrichtung einer nationalen Fußballinformationsstelle regelt, keine zusätzlichen Organisationseinheiten zur Wahrnehmung der dort genannten Aufgaben eingerichtet werden.

Zu Art. 12 (Bereitstellung von Informationen)

Art. 12 sieht die Übermittlung von Informationen über die getroffenen übereinkommensspezifischen Maßnahmen, insbesondere auf Gesetzesebene, durch die Vertragsparteien an den „Ausschuss für Sicherheit und Schutz bei Sportveranstaltungen“ vor.

Zu Art. 13 (Ausschuss für Sicherheit und Schutz bei Sportveranstaltungen)

Art. 13 regelt die Einrichtung und Ausgestaltung des „Ausschusses für Sicherheit und Schutz bei Sportveranstaltungen“, bei welchem jede Vertragspartei durch einen oder mehrere Delegierte federführender staatlicher, vorzugsweise für die Sicherheit und den Schutz im Sport zuständiger Stellen, und durch die nationale Fußballinformationsstelle (NFIP) vertreten sein kann und eine Stimme hat. Neben der formellen Vorgangsweise bei der Einberufung des Ausschusses und der Voraussetzungen zur Beschlussfassung regelt diese Bestimmung auch die Möglichkeit des Beobachterstatus im Ausschuss.

Zu Art. 14 (Aufgaben des Ausschusses für Sicherheit und Schutz bei Sportveranstaltungen)

Art. 14 normiert die Aufgaben des „Ausschusses für Sicherheit und Schutz bei Sportveranstaltungen“. Im Zentrum dabei steht die Überwachung der Anwendung des Übereinkommens. Diesbezüglich kommt dem Ausschuss neben allgemeinen Prüf-/Konsultations- und Empfehlungskompetenzen auch ein Initiativrecht zur Einsetzung eines Sachverständigengremiums sowie die Möglichkeit zu, ein Besuchsprogramm auszuarbeiten.

Art. 15 (Änderungen)

Art. 15 regelt die Möglichkeit und die formelle Vorgangsweise bei beabsichtigten Änderungen des Übereinkommens.

Art. 16 (Unterzeichnung)

Art. 16 regelt die formelle Vorgangsweise in Hinblick auf die Unterzeichnung des Übereinkommens, welches der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung bedarf. Die entsprechenden Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunden sind beim Generalsekretär des Europarats zu hinterlegen.

Art. 17 (Inkrafttreten)

Art. 17 regelt den Zeitpunkt des Inkrafttretens des gegenständlichen Übereinkommens.

Art. 18 (Beitritt von Nichtmitgliedstaaten)

Art. 18 ermöglicht einen Beitritt anderer Nichtmitgliedstaaten auf entsprechende Einladung des Ministerkomitees des Europarates.

Art. 19 (Wirkungen des Übereinkommens)

Art. 19 regelt die Auswirkungen des Übereinkommens im Verhältnis zum Europäischen Übereinkommen über Gewalttätigkeit und Fehlverhalten von Zuschauern bei Sportveranstaltungen und insbesondere bei Fußballspielen (SEV-Nr. 120).

Zu Art. 20 (Räumlicher Geltungsbereich)

Durch eine Erklärung gemäß Art. 20 kann der räumliche Geltungsbereich des Übereinkommens von den Vertragsparteien auf einzelne Teile ihres Hoheitsgebietes beschränkt werden.

Zu Art. 21 (Kündigung)

Gemäß Art. 21 kann das Übereinkommen jederzeit durch eine Notifikation an den Generalsekretär des Europarats gekündigt werden.

Zu Art. 22 (Notifikationen)

Art. 22 legt die Verpflichtung des Generalsekretärs des Europarats als Depositär des Übereinkommens fest.