872 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP
Bericht
des Ausschusses für innere Angelegenheiten
über die Regierungsvorlage (854 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 und das Symbole-Gesetz geändert werden
Hauptgesichtspunkte des Entwurfs:
Terrorismus stellt eine Bedrohung für unsere Sicherheit, die Werte unserer demokratischen Gesellschaft sowie die Rechte und Freiheiten der Bürger dar und erweist sich als eine komplexe Herausforderung für den Staat. Terrorismusbekämpfung hat daher für Österreich oberste Priorität. Ziel ist es, Terrorismus und Gewalt mit allen gebotenen Mitteln konsequent zu bekämpfen und somit der Radikalisierung sowie der Anwerbung für den Terrorismus von vornherein entgegenzuwirken. Dabei ist es essenziell, terroristische Aktionen im Vorfeld zu erkennen und so weit wie möglich zu verhindern sowie konsequent gegen terroristische Vereinigungen vorzugehen.
In Umsetzung des von der Bundesregierung vereinbarten Maßnahmenpakets (Vortrag an den Ministerrat 37/27 vom 11. November 2020) aufgrund des jüngsten islamistischen Terroranschlags in Wien sollen Maßnahmen zur Prävention der Verbreitung von extremistischem Gedankengut getroffen werden (vgl. auch Vortrag an den Ministerrat 42/24 vom 16. Dezember 2020).
Zu Artikel 1 (Änderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985):
Terroristische Straftaten (§ 278c Strafgesetzbuch – StGB, BGBl. Nr. 60/1974) und die ihrer Erleichterung und Begehung dienenden Organisations- (§ 278b StGB) sowie Vorbereitungs- und Unterstützungsdelikte (§§ 278d bis 278g, 282a StGB) heben sich gegenüber sonstigen Straftaten durch ihre Eignung hervor, das öffentliche Leben oder das Wirtschaftsleben in gravierender Weise zu stören, und durch ihren Zweck, die Bevölkerung auf schwerwiegende Weise einzuschüchtern, öffentliche Stellen oder eine internationale Organisation zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen eines Staates oder einer internationalen Organisation ernsthaft zu erschüttern oder zu zerstören (vgl. den Schlussteil des § 278c Abs. 1 StGB). Vor diesem Hintergrund soll durch Änderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311/1985, die österreichischen Staatsbürgerschaft künftig entzogen werden können, wenn der Betreffende wegen Führung oder Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB), einer terroristischen Straftat (§ 278c StGB), Terrorismusfinanzierung (§ 278d StGB), Ausbildung für terroristische Zwecke (§ 278e StGB), Anleitung zur Begehung einer terroristischen Straftat (§ 278f StGB), Reisens für terroristische Zwecke (§ 278g StGB) oder Aufforderung zu terroristischen Straftaten oder Gutheißung terroristischer Straftaten (§ 282a StGB) rechtskräftig zu einer unbedingten oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe (§ 43a StGB) verurteilt worden ist, sofern er durch die Entziehung nicht staatenlos wird.
Schließlich soll durch eine terminologische Anpassung des § 44 Abs. 3 StbG eine Begleitregelung zur geplanten Einführung der Funktion Elektronischer Identitätsnachweis (E‑ID) im E-Government-Gesetz (E‑GovG), BGBl. I Nr. 10/2004, geschaffen werden.
Zu Artikel 2 (Änderung des Symbole-Gesetzes):
Zur Bekämpfung extremistischer, terroristischer oder sonstiger staatsgefährdender Strömungen finden sich bereits in verschiedenen Rechtsbereichen Maßnahmen, die auf unterschiedliche Anknüpfungspunkte abstellen. Während das StGB etwa den Zusammenschluss zu einer terroristischen Vereinigung gemäß § 278b StGB sowie sonstige Terrorstraftaten gemäß §§ 278c ff StGB unter Strafe stellt, bezweckt das Verbotsgesetz 1947, StGBl. Nr. 13/1945, eine Entnazifizierung (Verbot der NSDAP, der Betätigung im nationalsozialistischen Sinn usw.) und ist gemäß dem Abzeichengesetz 1960, BGBl. Nr. 84/1960, das öffentliche Tragen, Zurschaustellen, Darstellen oder Verbreiten von Abzeichen, Uniformen etc. einer in Österreich verbotenen Organisation (im Sinne des Verbotsgesetzes 1947, zB NSDAP) verboten. Das Symbole-Gesetz, BGBl. I Nr. 103/2014, hingegen wurde geschaffen, um die Verwendung von Symbolen und anderen Darstellungen von Gruppierungen, die terroristische, extremistische oder vergleichbare Taten begehen, die klar im Widerspruch zu den Werten einer demokratischen Gesellschaft, einem demokratischen Staat und dem Gedanken der Völkerverständigung stehen, in Österreich zu verbieten und unter Strafe zu stellen. Im Gegensatz zum Verbotsgesetz 1947 sowie zum Abzeichengesetz 1960 müssen die Gruppierungen selbst nicht verboten sein und besteht zudem auch kein direkter Zusammenhang mit terroristischen Vereinigungen sowie den Terrorstraftaten im Sinne des StGB. Nicht erforderlich ist demnach, dass gegen Mitglieder dieser Gruppierungen Strafverfahren anhängig sind bzw. diese bereits verurteilt wurden; das Symbole-Gesetz verfolgt somit einen eigenen, vom StGB losgelösten Zweck.
Das Symbole-Gesetz soll dazu dienen, die verfassungsrechtlich verankerte demokratische Werteordnung und gesellschaftliche Pluralität zu schützen und dem Einzelnen den Schutz seiner Rechte und Freiheiten sowie die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zu garantieren. Im Gesetz selbst erfolgt die Auflistung von terroristischen, extremistischen und vergleichbaren Gruppierungen; die diesen Gruppierungen zuordenbaren und konkret verbotenen Symbole werden im Anhang der Symbole-BezeichnungsV, BGBl. II Nr. 23/2015, grafisch dargestellt und beschrieben. Es werden ausschließlich solche Symbole angeführt, die (etwa internationalen Quellen zufolge) einer der im Symbole-Gesetz gelisteten Gruppierungen zuzurechnen sind und die von diesen Gruppierungen als Aufruf zur Verherrlichung oder zur Unterstützung von Gewalt oder schwersten Verbrechen verwendet werden.
Verboten ist das Darstellen, zur Schau stellen, Tragen oder
Verbreiten von den in der
Symbole-BezeichnungsV angeführten Symbolen „in der
Öffentlichkeit“. Angelehnt an das StGB (vgl. zB
§§ 115, 188, 219 StGB) ist eine Handlung dann öffentlich,
wenn sie von einem größeren Personenkreis wahrgenommen werden kann.
Dabei ist die objektive Wahrnehmbarkeit ausschlaggebend; ein Nachweis, dass ein
größerer Personenkreis die Symbole tatsächlich wahrgenommen
hat, ist nicht erforderlich. Dieses Tatbestandselement wird bei Verwendung von
Symbolen in Vereinslokalen in der Regel gegeben sein. Das Verbot schließt
auch eine vergleichbare Verwendung unter Zuhilfenahme elektronischer
Kommunikationsmittel mit ein. Demnach wird eine Darstellung oder Verbreitung in
sozialen Medien, sofern es sich um keine private Nachricht handelt, unter das Verbot
fallen. Wer ein solches Symbol etwa auf seinem eigenen Facebook-Profil postet,
macht sie für alle „Freunde“ wahrnehmbar und handelt somit
tatbildlich.
Die besondere Gefährlichkeit einer Symbole-Verwendung ergibt sich unter anderem durch den damit einhergehenden Angriff auf die elementaren Grundsätze der Verfassung, wie etwa durch die Gutheißung von Verstößen gegen Menschenrechte, Kernelemente der Rechtsstaatlichkeit oder demokratische Grundsätze. Einschlägige Symbole werden als Gutheißung sowie Aufruf zur Verherrlichung und Unterstützung von Gewalt und schwersten Verbrechen verwendet, intendieren eine Spaltung der Gesellschaft und führen oftmals zu staatsfeindlichem Extremismus und Radikalisierung. Die Verwendung stellt ein erhebliches Risiko für die verfassungsrechtlich verankerte demokratische Werteordnung und gesellschaftliche Pluralität dar und gefährdet den öffentlichen Frieden sowie die öffentliche Sicherheit.
Derzeit erfasst das Gesetz die öffentliche Verwendung von Symbolen, die der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS), der Terrororganisation „Al-Qaida“, der sunnitisch-islamistischen Bewegung der „Muslimbruderschaft“, den rechtsextremen, türkisch-nationalistischen „Grauen Wölfen“, der separatistisch-marxistisch ausgerichteten „Kurdischen Arbeiterpartei“ (PKK), der palästinensischen islamistischen „Hamas“, dem militärischen Teil der „Hisbollah“ und der faschistischen kroatischen „Ustascha-Bewegung“ zuzuordnen sind. Zudem regelt das Symbole-Gesetz das Verbot der Verwendung von Symbolen von sonstigen Gruppierungen, die in Rechtsakten der Europäischen Union als terroristische Vereinigungen, Körperschaften oder sonstige Organisationen angeführt werden sowie von Gruppierungen, die Teil- oder Nachfolgeorganisationen der ausdrücklich genannten Gruppierungen oder diesen zuzurechnen sind, wobei die Benennung der Gruppierungen, die unter das genannte Verbot fallen, gemäß § 2 Abs. 2 erster Satz Symbole-Gesetz durch Verordnung der Bundesregierung erfolgt.
Jüngste Entwicklungen haben gezeigt, dass in
Österreich weitere Gruppierungen mit sicherheitsgefährdenden und
extremistischen Bestrebungen aktiv sind und nach ihrer Intention dem
liberal-demokratischen österreichischen Rechtsstaat zuwiderlaufen. Zudem
werden einschlägige Symbole in Österreich als Aufruf zur Verherrlichung
und Unterstützung von Gewalt verwendet. In Umsetzung des von der
Bundesregierung im Ministerrat beschlossenen Anti-Terrorpakets ist
beabsichtigt, wesentliche Schritte zur Aufrechterhaltung der öffentlichen
Ruhe, Ordnung und Sicherheit zu setzen, staatsfeindlichen Extremismus und
staatsfeindliche Radikalisierung zu bekämpfen und eine Spaltung der
Gesellschaft, etwa durch Terrorismuspropaganda, zu verhindern. Somit soll der
Anwendungsbereich des
Symbole-Gesetzes auch auf andere – den Grundprinzipien eines
Rechtsstaates widersprechende – Gruppierungen ausgedehnt werden und
sollen Symbole weiterer extremistischer Gruppierungen, deren Ziele im
Widerspruch zu den Grundwerten der Republik Österreich und zum Prinzip der
gesellschaftlichen Pluralität stehen, bzw. anderer
sicherheitsgefährdender Bewegungen, deren Symbole als Aufruf zur
Verherrlichung oder zur Unterstützung von Gewalt oder schwersten
Verbrechen verwendet werden, verboten werden. Aus
Praktikabilitätsüberlegungen und im Sinne eines effizienten Vollzugs
sollen dabei jene Gruppierungen erfasst sein, die insbesondere auf Basis der
Erkenntnisse des Bundesamts für Verfassungsschutz und
Terrorismusbekämpfung (BVT) in Österreich aktiv sind und deren
Symbole in Österreich öffentlich zur Schau gestellt werden.
Dieser Intention zufolge soll zum einen der Anwendungsbereich des Verwendungsverbots auf die rechtsextrem, rassistisch, sexistisch, nationalistisch geprägte und völkisch orientierte „Identitäre Bewegung Österreich“ sowie auf die aus dieser hervorgegangene Ersatz- bzw. Parallelorganisation „Die Österreicher“ ausgedehnt werden. Zum anderen sollen auch die Symbole der sunnitisch-islamistischen Gruppierung „Hizb ut-Tahrir“, der dschihadistisch-islamistischen Gruppierung „Kaukasus-Emirat“ sowie der marxistisch-leninistischen „Revolutionären Volksbefreiungspartei/-front“ verboten werden. Zudem soll nunmehr die gesamte Gruppierung „Hisbollah“ und nicht nur wie bisher der militärische Teil vom Symbole-Verwendungsverbot umfasst sein. Dabei ist unbeachtlich, ob die jeweilige Gruppierung unter anderen Bezeichnungen öffentlich auftritt. Alias-Namen sind daher ebenfalls umfasst, wie zB die „Kurdische Arbeiterpartei“ (PKK), alias KADEK, alias KONGRA-GEL (vgl. etwa Beschluss [GASP] 2020/1132 zur Aktualisierung der Liste der Personen, Vereinigungen und Körperschaften, auf die die Artikel 2, 3 und 4 des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus Anwendung finden, und zur Aufhebung des Beschlusses [GASP] 2020/20, ABl. Nr. L 247 vom 31.7.2020 S. 18). Zudem soll die Klarstellung erfolgen, dass auch grafisch veränderte Darstellungen von im Anhang zur Symbole-BezeichnungsV abgebildeten Symbolen vom Verwendungsverbot umfasst sind, wie dies etwa bei farblichen Abweichungen der Fall ist.
Das Symbole-Verwendungsverbot richtet sich aber keineswegs gegen religiöse Symbolik (etwa Teile eines Glaubensbekenntnisses) allgemein. Es wird allein die Verwendung spezifischer Symbole, die den demokratischen Grundwerten widersprechen, verboten. Die Notwendigkeit für die Aufnahme eines Symbols in die Symbole-BezeichnungsV ergibt sich dann, wenn religiöse oder andere Symbole für gewalttätige Zwecke missbraucht werden und im aktuellen Kontext eine eindeutige Bezugnahme auf bzw. Verbindung zu extremistischen oder terroristischen Gruppen erkennen lassen.
Kompetenzgrundlage:
Die Kompetenz des Bundes zur Erlassung eines diesem Entwurf entsprechenden Bundesgesetzes gründet sich hinsichtlich des Artikels 1 auf Art. 11 Abs. 1 Z 1 B-VG („Staatsbürgerschaft“) und hinsichtlich des Artikels 2 auf Art. 10 Abs. 1 Z 7 B-VG („Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit“).
Der Ausschuss für innere Angelegenheiten hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 2. Juni 2021 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl die Abgeordneten Mag. Hannes Amesbauer, BA, Mag. Philipp Schrangl, Mag. Georg Bürstmayr, Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Dietmar Keck, Ing. Reinhold Einwallner, Dr. Christian Stocker, Dr. Dagmar Belakowitsch sowie der Bundesminister für Inneres Karl Nehammer, MSc.
Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage
enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit (dafür: V, S,
G, N, dagegen: F) beschlossen.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für innere Angelegenheiten somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (854 der Beilagen) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.
Wien, 2021 06 02
Mag. Wolfgang Gerstl Karl Mahrer
Berichterstatter Obmann