898 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP
Bericht
des Gleichbehandlungsausschusses
über den Antrag 1600/A(E) der Abgeordneten Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen betreffend Konversionstherapien stoppen – einstimmigen Entschließungsantrag aus 2019 endlich umsetzen
Die Abgeordneten Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 19. Mai 2021 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:
„Bereits im Juli 2019 hat der Nationalrat auf Initiative des Abg. Mario Lindner (SPÖ) eine einstimmige Entschließung gefasst (82/E), die dezidiert die unverzügliche Ausarbeitung einer Regierungsvorlage gefordert hat, die die Ausübung von sogenannten Konversions- und vergleichbaren ‚reparativen Therapieformen‘ an Minderjährigen verbietet. Diese Regierungsvorlage wäre dem Nationalrat zur Beschlussfassung vorzulegen gewesen.
Was ist in der Zwischenzeit passiert? Obwohl es sich hierbei um eine einstimmige Entschließung aller damals im Parlament vertretenen Parteien (2019 exklusive Grüne) gehandelt hat, wurden bis heute in dieser Hinsicht keine weiteren Schritte gesetzt. Lediglich ein informatives Rundschreiben ohne unmittelbar rechtsverbindliche Wirkung erging am 29. Oktober 2019 an Behörden, Kammern und Berufsverbände, in dem der Sachverhalt noch einmal erläutert und als bereits gesetzlich ausreichend geregelt beschrieben wurde.
Was ist anderswo passiert? In Deutschland bspw. wurde am 7. Mai 2020 im Deutschen Bundestag ein weitreichendes Verbot von sogenannten Konversionstherapien als ‚wichtiges gesellschaftliches Zeichen an alle, die mit ihrer Homosexualtität hadern‘ - so deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn – beschlossen und bereits am 12. Juni 2020 wurde das Gesetz zum Schutz von Konversionsbehandlungen in Deutschland erlassen!
Dieses Gesetz stellt die Durchführung von
Konversionstherapien an Minderjährigen bis 18 Jahren und
Volljährigen, die nicht wirksam eingewilligt haben, unter Strafe. Es
verbietet zudem das öffentliche Werben für sowie das öffentliche
Anbieten und Vermitteln von Konversionstherapien. Das Vermitteln einer
Konversionsbehandlung an einen Minderjährigen ist grundsätzlich sogar
als Beihilfe zur Durchführung der Behandlung strafbar, wenn die
vermittelte Konversionsbehandlung durchgeführt wurde.
Verstöße gegen das Verbot von Konversionsbehandlungen werden
mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr bestraft. Verstöße
gegen das Verbot der Werbung, des Anbietens und Vermittelns werden mit einem
Bußgeld von bis zu 30.000 Euro geahndet.
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/konversionstherapienverbot.html
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat erklärt, dass Homosexualität und Transgeschlechtlichkeit keine Krankheit sind und keine Indikation für eine ‚Therapie‘ besteht. Seit 1991 wird in der WHO-Klassifikation Homosexualität nicht mehr als psychische Störung aufgeführt, Transsexualität wurde im Mai 2019 von der Liste der psychischen Erkrankungen gestrichen. Der Weltärztebund hat 2013 sog. Konversionstherapien als Menschenrechtsverletzung und als mit der Ethik ärztlichen Handelns unvereinbar verurteilt.
Was also hindert Österreich daran, hier endlich tätig zu werden und zumindest die seit 2019 bestehende einstimmige Entschließung umzusetzen? Die Situation für homosexuelle Menschen hat sich diesbezüglich nicht verbessert. Noch immer gibt es Gruppen und Organisationen, die die Überzeugung vertreten und verbreiten, nicht heterosexuelle Orientierungen (z.B. Homo- oder Bisexualität) oder abweichende Geschlechtsidentitäten (z.B. Transgeschlechtlichkeit) seien eine ‚Krankheit‘ und behandlungsbedürftig. Sie bieten sog. Konversionstherapien an, die darauf abzielen, die sexuelle Orientierung oder die selbstempfundene geschlechtliche Identität einer Person gezielt zu verändern oder zu unterdrücken. Wo sie durchgeführt werden, entsteht oft schweres körperliches und seelisches Leid. Wissenschaftlich nachgewiesen sind schwerwiegende gesundheitliche Schäden durch solche ‚Therapien‘ wie Depressionen, Angsterkrankungen, Verlust sexueller Gefühle und ein erhöhtes Suizidrisiko. Nachgewiesen sind zudem auch Stigmatisierungs- und Diskriminierungseffekte auf Dritte in Form von Minderheitenstress.
Es gilt daher nach wie vor, zumindest die einstimmige Entschließung des Nationalrats vom 02. Juli 2019 umzusetzen, um unverzüglich den notwendigen, angemessenen und vollständigen Schutz von Minderjährigen vor solchen sog. Konversions- und vergleichbaren ‚reparativen Therapieformen‘ zu garantieren. Es ist unabdingbare Aufgabe der Politik, für den Schutz der Betroffenen zu sorgen.“
Der Gleichbehandlungsausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 9. Juni 2021 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Mag. Yannick Shetty die Abgeordneten Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Mario Lindner, Nico Marchetti und Rosa Ecker, MBA.
Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Nico Marchetti, Mario Lindner, Rosa Ecker, MBA, Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen einen selbständigen Entschließungsantrag gem. § 27 Abs. 3 GOG-NR betreffend Verbot von Behandlungen bei Minderjährigen, sowie Volljährigen, deren Einwilligung auf Willensmangel beruht, die auf eine Veränderung der sexuellen Orientierung abzielen eingebracht, der einstimmig beschlossen wurde.
Dieser selbständige Entschließungsantrag war wie folgt begründet:
„Bereits im Juli 2019 beschloss der Nationalrat einen Antrag, in dem das zuständige Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz aufgefordert wird, eine Regierungsvorlage zu erarbeiten und dem Nationalrat zuzuleiten, mit der die Ausübung von Konversionstherapien und vergleichbarer ‚reparativer Therapieformen‘ an Minderjährigen verboten wird. Der Beirat für psychische Gesundheit des Gesundheitsministeriums hielt daraufhin in seiner 39. Sitzung am 10.09.2019 einstimmig fest:
‚a) Sexuelle Orientierungen und Genderidentität sind keine Erkrankungen, daher ist auch keine Legitimation einer therapeutischen Intervention bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen gegeben (vgl. ICD-10 bzw. ICD-11, DSM-5). Konversionsverfahren bzw. sog. ‚Konversionstherapien‘ werden von allen im Beirat vertretenen Fachexpertinnen und Fachexperten und Betroffenenvertretern als unethisch und nach vorliegender Evidenz als schädlich eingestuft.
b) Die Anwendung von sog. ‚Konversionstherapien‘ stellt eine Menschenrechtsverletzung und Diskriminierung gegen LGBTI —Personen (Lesbian, Gay, Bisexual, Transsexual/Transgender and Intersexual) dar.‘[1]
c) Ebenso stellt der Beirat klar, dass es rückblickend auf 25 Jahre keinen bekannten Fall von ‚Konversionstherapie‘ gegeben hat und auch keine derartigen Angebote bekannt sind. Die geltende Rechtslage bietet aus fachlicher Sicht ausreichend Maßnahmen und Instrumente, um der Ausübung derartiger Verfahren entgegen zu wirken.[2]
Der Beirat für psychische Gesundheit geht davon aus, dass es sich bei der Ausübung von Konversionstherapien und vergleichbaren ‚reparativen Therapieformen‘ an Minderjährigen um einen Verstoß gegen Art 8. MRK (Recht auf Achtung des Privat-und Familienlebens) handelt.
Der Weltärztebund hat im Jahre 2013 sogenannte Konversionstherapien als Menschenrechtsverletzung und als mit der Ethik ärztliches Handelns nicht vereinbar verurteilt und der Deutsche Ärztetag hat im Jahr 2014 vor den negativen Auswirkungen derartiger ‚Therapien‘ auf die Gesundheit gewarnt.
In Österreich sind sich Fachexperrinnen darüber einig, dass diese als ‚Konversionstherapien‘ oder ‚reparative Verfahren‘ bekannten Pseudobehandlungen unethisch, schädlich und gefährlich sind. Bereits im April 2018 sprachen sich die Österreichische Gesellschaft für Public Health (ÖGPP) und die Bundesfachgruppe Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin (BFG) in einer gemeinsamen Stellungnahme „entschieden gegen Sichtweisen aus, die beinhalten, dass Homosexualität eine sexuelle Fehlentwicklung bzw. Erkrankung sei, die durch Interventionen korrigiert werden könnte bzw. sollte. Die ÖGPP und die BFG lehnen daher auch jegliche Art von Verfahren ab, die das Ziel verfolgen, die sexuelle Orientierung von Menschen ‚korrigierend‘ zu beeinflussen.“
Der den Verhandlungen zu Grunde liegende Entschließungsantrag 1600/A(E) der Abgeordneten Mag. Yannick Shetty, Kolleginnen und Kollegen fand nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit (für den Antrag: S, F, N, dagegen: V, G).
Zum Berichterstatter für den Nationalrat wurde Abgeordneter Nico Marchetti gewählt.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Gleichbehandlungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle
1. diesen Bericht hinsichtlich des Entschließungsantrags 1600/A(E) zur Kenntnis nehmen und
2. die angeschlossene Entschließung annehmen.
Wien, 2021 06 09
Nico Marchetti Gabriele Heinisch-Hosek
Berichterstatter Obfrau