915 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Unterrichtsausschusses

über das Volksbegehren "Ethik für ALLE" (772 der Beilagen)

1.

Die Unterstützer dieses Volksbegehrens haben die Einleitung eines Verfahrens für ein Volksbegehren mit folgendem Wortlaut beantragt:

Volksbegehren „Ethik für ALLE“

Zur Erfüllung des Wertevermittlungsauftrages der Schule (§1(2) SchOG, Art14(5a) B-VG) fordern wir die Einführung eines vom Religionsunterricht entkoppelten Ethikunterrichtes in jeder Schule mit Öffentlichkeitsrecht als Pflichtfach für alle SchülerInnen von der 1. bis zur 12./13. Schulstufe. Ferner fordern wir:

-       Ein abgeschlossenes Ethik-Lehramtsstudium als Mindestqualifikation für EthiklehrerInnen

-       Unvereinbarkeitsregeln für Ethik-und zugleich ReligionslehrerInnen

-       Ein Ethikfachinspektorat

Begründung:

Der Ethikunterricht ist als solcher konsensfähig und eine repräsentative Umfrage belegt, dass über 70% der ÖsterreicherInnen einen Ethikunterricht für ALLE bevorzugen. Und dennoch: im Schuljahr 2021/22 soll der Ethikunterricht ausschließlich als Pflichtfach für Schülerinnen und Schüler, die keinen Religionsunterricht besuchen, eingeführt werden. Die von der Koalition beschlossene diskriminierende Einführung dieses wichtigen Fachs ist aus pädagogischer, gesellschaftlicher und demokratiepolitischer Sicht nicht vertretbar.

Nur ein gemeinsamer Ethikunterricht für ALLE Schülerinnen und Schüler – ungeachtet ihrer religiösen Zugehörigkeit und ab der ersten Klasse – würde hingegen die Vielfalt in der österreichischen Gesellschaft widerspiegeln, das Gemeinsame betonen und einen wichtigen Beitrag zur Integration in Österreich leisten. Ferner würde nur ein seitens der Republik beaufsichtigter gemeinsamer Ethikunterricht für ALLE gewährleisten, dass die Erfüllung des „Zielparagraphen“ (§2 Abs. 1 Schulorganisationsgesetz) in Österreichs Schulen sachlich und frei von ideologischer bzw. politischer Einflussnahme stattfindet.

Der Ethikunterricht ist viel zu wichtig, um den Partikularinteressen der Religionsgemeinschaften oder einer politischen Partei geopfert zu werden. In einer offenen, säkularen Gesellschaft kann – und muss – ein Ethikunterricht viel mehr bieten als einen minderwertigen Ersatz für den (nichtbesuchten) Religions-unterricht. In den Genuss eines Ethikunterrichtes sollen vielmehr in jeder Schule mit Öffentlichkeitsrecht alle SchülerInnen des intakten Klassenverbandes und unabhängig vom Besuch (oder Nichtbesuch) eines Religionsunterrichtes kommen – und zwar ab der 1. und bis zur 12./13. Schulstufe. Denn wer zum Zweck der Wertevermittlung Klassen entlang konfessioneller oder ethnischer Grenzen auseinanderdividiert, der spaltet die Gesellschaft auch außerhalb der Schule und wer mit der Wertevermittlung zu spät beginnt, der vermittelt zu wenig.

 

2.

Namhaft gemachte Bevollmächtigte gemäß § 3 Abs. 4 Z 3 des Volksbegehrengesetzes 2018:

 

 

Vor- und Familienname

Bevollmächtigte(r)

Mag. Eytan Reif

1. Stellvertreter(in)

Mag. Johannes Maria Zellinger

2. Stellvertreter(in)

Helmut Dolezal

3. Stellvertreter(in)

Mag. Heidrun Anna Andre

4. Stellvertreter(in)

Michael Franz

 

3.

Die auf der Amtstafel des Bundesministeriums für Inneres sowie im Internet am 24. Februar 2021 kundgemachte Ermittlung und Feststellung der Bundeswahlbehörde, es läge ein Volksbegehren im Sinn des Art. 41 Abs. 2 B-VG vor, wurde gemäß § 16 Abs. 1 des Volksbegehrengesetzes innerhalb der vorgesehenen Frist von vier Wochen nach dem Tag der Verlautbarung von dem in Betracht kommenden Personenkreis nicht angefochten.

 

Bundeswahlbehörde

Zl. 2021-0.118.709

Volksbegehren „Ethik für ALLE“

Gemäß § 14 des Volksbegehrengesetzes 2018 – VoBeG, BGBl. I Nr. 106/2016, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz, BGBl. I Nr. 24/2020, hat die Bundeswahlbehörde in ihrer Sitzung vom 24. Februar 2021 aufgrund der für dieses Volksbegehren gebildeten Datenverarbeitung folgendes Ergebnis der Eintragungen für das Volksbegehren „Ethik für ALLE“ festgestellt:

 

Gebiet

Stimmberechtigte

Anzahl der gültigen Eintragungen (inkl. Unterstützungserklärungen)

Stimm-beteiligung in %

Burgenland

233.221

3.883

1,66

Kärnten

435.414

8.747

2,01

Niederösterreich

1.293.104

32.688

2,53

Oberösterreich

1.102.133

29.470

2,67

Salzburg

394.039

10.172

2,58

Steiermark

960.240

19.989

2,08

Tirol

541.591

9.385

1,73

Vorarlberg

274.577

4.997

1,82

Wien

1.145.462

40.647

3,55

Österreich

6.379.781

159.978

2,51

 

Da somit mehr als 100 000 gültige Eintragungen von Stimmberechtigten ermittelt worden sind, hat die Bundeswahlbehörde festgestellt, dass ein Volksbegehren im Sinne des Art. 41 Abs. 2 B-VG vorliegt.

 

                                                               Der Stellvertreter des Bundeswahlleiters:

                                                                               SC Mag. Dr. Mathias Vogl

Ergebnis inklusive Unterstützungserklärungen

 

Gebiet

Stimm-berechtigte

Unterstützungs-erklärungen

+ Eintragungen

Stimmbeteiligung inklusive Unterstützungs-erklärungen

Unterstützungs-erklärungen

Eintragungen

Burgenland

233.221

3.883

1,66 %

1.451

2.432

Kärnten

435.414

8.747

2,01 %

2.517

6.230

Niederösterreich

1.293.104

32.688

2,53 %

11.637

21.051

Oberösterreich

1.102.133

29.470

2,67 %

7.618

21.852

Salzburg

394.039

10.172

2,58 %

2.570

7.602

Steiermark

960.240

19.989

2,08 %

7.767

12.222

Tirol

541.591

9.385

1,73 %

3.019

6.366

Vorarlberg

274.577

4.997

1,82 %

1.483

3.514

Wien

1.145.462

40.647

3,55 %

23.705

16.942

Österreich

6.379.781

159.978

2,51 %

61.767

98.211

 

Der Unterrichtsausschuss hat das gegenständliche Volksbegehren in seiner Sitzung am 9. Juni 2021 in Verhandlung genommen. Außer der Berichterstatterin Abgeordneter Mag. Sibylle Hamann ergriffen in der Debatte der Zustellungsbevollmächtigte des Volksbegehrens, Mag. Eytan Reif sowie die Abgeordneten MMMag. Gertraud Salzmann, Petra Vorderwinkler, Katharina Kucharowits, Klaus Köchl, Mag. Hannes Amesbauer, BA, Mag. Martina Künsberg Sarre, Fiona Fiedler, BEd und Eva Maria Holzleitner, BSc sowie der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung Dr. Heinz Faßmann und der Ausschussobmann Abgeordneter Mag. Dr. Rudolf Taschner das Wort.

 

Es wurde weiters einstimmig beschlossen den Beratungen des Ausschusses in öffentlicher Anhörung im Sinne des § 37 Abs. 9 GOG Univ. Prof. Dr. Anton Bucher, Assoz. Prof. Dr. Bettina Bussmann, Prof. Dr David Engels, Nina Mathies, Univ. Prof. Dr. Andreas Schnider und Univ. Prof. Dr. Anne Siegetsleitner als Sachverständige beizuziehen.

 

Ein von den Abgeordneten  Petra Vorderwinkler, Kolleginnen und Kollegen im Zuge der Debatte gem. § 27 Abs. 3 GOG-NR eingebrachter selbständiger Antrag auf Beschlussfassung einer Entschließung betreffend „Ethikunterricht für alle“ fand nicht die Zustimmung der Ausschussmehrheit (dafür: S, N, dagegen: V, F, G).

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Mag. Dr. Rudolf Taschner, Mag. Sibylle Hamann, Kolleginnen und Kollegen einen selbständigen Entschließungsantrag gem. § 27 Abs. 3 GOG-NR betreffend „Sicherstellung einer hochwertigen Qualifizierung von Ethiklehrkräften, Einführung eines vollwertigen Lehramtsstudiums für das Fach Ethik sowie Qualitätssicherung des Ethikunterrichts“ eingebracht, der mit Stimmenmehrheit (dafür: V, F, G, dagegen: S, N) beschlossen wurde.

 

Dieser selbständige Entschließungsantrag war wie folgt begründet:

„Ausbildung der Lehrkräfte

Mit der Ausrollung des Ethikunterrichts in der Sekundarstufe II in AHS und BMHS wird Ethik von den bisher 233 Schulversuchsstandorten auf nunmehr knapp 780 Standorte ausgeweitet. Die Bandbreite der Verteilung zwischen den Teilnehmenden am Religionsunterricht und jenen am Ethikunterricht bewegt sich zwischen 80:20 über 50:50 hin zu 30:70, je nach Standortumfeld der jeweiligen Schule. Durch die Einführung des Ethikunterrichts wird es hier zu Verschiebungen kommen. Zudem enthält das Schulorganisationsgesetz eine Passage, dass der Ethikunterricht möglichst parallel zum zustande kommenden Religionsunterricht stattfinden soll. Da ab dem Wintersemester 2021/22 voraussichtlich etliche neue Ethiklehrkräfte erforderlich sein werden und die Ausweitung des Ethikunterrichts auf weitere Schulstufen geplant ist, muss sichergestellt werden, dass für genügend Lehrkräfte eine qualitativ hochwertige Ausbildung gewährleistet ist.

Die erforderlichen Lehrkräfte werden derzeit an den Pädagogischen Hochschulen gemeinsam mit den Universitäten im Rahmen von Hochschul- und Universitätslehrgängen (60 ETCS) ausgebildet. In den Entwicklungsverbünden West, Mitte, Nord-Ost und Süd-Ost, die für die Pädagog/inn/enbildung in der Sekundarstufe Allgemeinbildung verantwortlich sind, wurden alle Vorbereitungen getroffen, um im Rahmen des Lehramtsstudiums Sekundarstufe Allgemeinbildung das Studienfach Ethik ab Studienjahr 2021/22 anbieten zu können. Bei der Gestaltung des neuen Angebots war zu berücksichtigen, dass absolvierte Lehrveranstaltungen der Hochschullehrgänge sowie der Masterstudiengänge zu einem großen Teil angerechnet werden können. Das Ziel besteht darin, das Lehramtsstudium über die Verbünde im ganzen Bundesgebiet soweit auszurollen, um damit mittel- und langfristig den Bedarf an Ethiklehrkräften decken zu können.

Sicherstellung der Qualitätskontrolle des Ethikunterrichts

Neben der qualitativ hochwertigen Ausbildung von Lehrkräften muss garantiert sein, dass auch der Unterricht entsprechenden Qualitätskontrollen unterliegt. Die Schulbehörden sollen hier analog zu anderen Unterrichtsfächern entsprechende Kontrollmechanismen etablieren, etwa über den Bereich Pädagogischer Dienst, den Bildungsdirektionen und dem Schulqualitätsmanagement (SQM) sowie durch die Miteinbeziehung von externen FachexpertInnen. Ferner soll am Ende der Ausrollung des Ethikunterrichts in der Sekundarstufe II 2025/26 eine Evaluierung stattfinden, um aus den Ergebnissen entsprechende Schlüsse ziehen zu können.

Lehrpläne und Schulbücher

Die Lehrplanentwürfe für alle genannten Schularten und Schulstufen sind begutachtet, daraufhin adaptiert und verordnungsreif.

Auf Basis der Entwürfe sind vorab 17 Schulbuchmanuskripte für die 9. Schulstufe eingereicht worden, die sich derzeit im Begutachtungsprozess des Approbationsverfahrens befinden. Die Manuskripte werden entsprechend der Lehrpläne finalisiert, sodass rechtzeitig für die Ausrollung Schulbücher verfügbar sein werden. Aufgrund der stufenweisen Ausrollung erfolgt die Einreichung von Manuskripten ebenfalls in zeitlicher Abfolge. Für die Schulbücher sind im Rahmen des FLAF aktuell rund € 5 Mio. budgetiert und diese können im Rahmen der Schulbuch-Limit-Verordnung abgerufen werden.“

 

Der Bevollmächtigte des Volksbegehrens im Sinne des § 3 Abs. 4 lit. b des Volksbegehrengesetzes 1973, Mag. Eytan Reif, legte eine abweichende persönliche Stellungnahme gemäß § 42 Abs. 1 GOG-NR vor. Diese ist dem Ausschussbericht als Anlage 1 angeschlossen.

 

Die Veröffentlichung der Auszugsweisen Darstellung der Sitzung des Unterrichtsausschusses vom 9. Juni 2021 wurde einstimmig beschlossen; diese ist in Anlage 2 enthalten.

 

 

 


 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Unterrichtsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle

1.     diesen Bericht zur Kenntnis nehmen;

2.     die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2021 06 09

                           Mag. Sibylle Hamann                                                 Mag. Dr. Rudolf Taschner

                                  Berichterstatterin                                                                          Obmann