Anlage 1

 

Anlage zum Bericht 915 d.B. XXVII. GP

Abweichende persönliche Stellungnahme des Bevollmächtigten des Volksbegehrens „ETHIK für alle“ Mag. Eytan Reif gemäß § 42 Abs. 1 GOG-NR

 

Vorweg bedankt sich der Bevollmächtigte des Volksbegehrens „Ethik für ALLE“ herzlich bei der Parlamentsdirektion für die zuvorkommende Unterstützung und Betreuung.

In Anbetracht der langjährigen politischen und öffentlichen Debatte, die den Ethikunterricht in Österreich begleitet hat, erübrigt sich eine neuerliche Auflistung der Argumente, die für die flächendeckende und nichtdiskriminierende Einführung eines Ethikunterrichtes für alle Schülerinnen und Schüler sprechen. Der Umstand, dass während der gesamten Sitzung des Unterrichtsausschusses kein einziges nennenswertes Argument gegen diese zentrale Forderung des Volksbegehens vorgebracht wurde, veranschaulicht zusätzlich, wie überflüssig eine neuerliche Begründung des Volksbegehrens wäre.

Vielmehr scheint es im Rahmen vorliegender Stellungnahme angebracht zu sein, auf die unbegründete und offensichtlich parteipolitisch motivierte Nichtbehandlung des Volksbegehrens im Rahmen der Ausschusssitzung einzugehen.

Es muss daran erinnert werden, dass die zentrale Forderung des Volksbegehrens dem, was im Vorjahr vom Nationalrat beschlossen wurde, nämlich der teilweisen Einführung eines Ethikunterrichtes ausschließlich als Zwangsersatz für den nicht besuchten Religionsunterricht, diametral entgegensteht und mit diesem verfassungsrechtlich bedenklichen Modell nicht vereinbar ist. Ferner belegt eine umfangreiche repräsentative Umfrage, die vom renommierten Gallup-Instituts durchgeführt wurde, dass mehr als 70% der wahlberechtigten Österreicherinnen und Österreicher das vom Volksbegehren geforderte Ethik-für-ALLE-Modell favorisieren. Magere 16% der Befragten befürworteten hingegen das diskriminierende Ethikunterrichtsmodell, das letztlich von den Koalitionsparteien und der FPÖ beschlossen wurde - ein Modell, das allerdings auch eine gesellschaftlich nicht legitimierte Änderung des Kirche-Staat-Verhältnisses mit sich bringt und Religion erstmals als (Wahl-)Pflichtfach im österreichischen Schulwesen etabliert (!).

Die unsachliche Nichtbehandlung der zentralen Forderung des erfolgreichen Volksbegehrens „Ethik für ALLE“ seitens des Bildungsausschusses stellt somit eine demokratiepolitische Zumutung sowie eine Verhöhnung der knapp 160.000 Österreicherinnen und Österreicher, die das Volksbegehren unterzeichnet haben, dar. Sie lässt zudem erkennen, dass gerade jene Abgeordnete, dessen Parteien sich jahrelang für das Modell „Ethik für ALLE“ (Grüne) oder grundsätzlich gegen ein Pflichtfach „Ethik“ (FPÖ) ausgesprochen haben, gemeinsam mit den Abgeordneten der ÖVP jedoch eine Verrechtlichung eines Ethikunterrichtes für alle im Sinne des erfolgreichen Volksbegehrens verhindert haben, wohl eher als Parteivertreter – und nicht als Volksvertreter – zu betrachten sind.

Das Begraben des Volksbegehrens „Ethik für ALLE“ im Unterrichtsausschuss ist daher nicht nur als ein bildungspolitischer, sondern auch als ein demokratiepolitischer Kahlschlag zu bewerten.

 

Mag. Eytan Reif

24. Juni 2021