921 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Unterrichtsausschusses

über den Antrag 1634/A(E) der Abgeordneten Kira Grünberg, Heike Grebien, Fiona Fiedler, BEd, Mag. Verena Nussbaum, Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Entwicklung eines kompetenzorientierten Lehrplans zur Österreichischen Gebärdensprache sowie

über den Antrag 1422/A(E) der Abgeordneten Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend Lehrplan Österreichische Gebärdensprache

Antrag 1634/A(E)

Die Abgeordneten Kira Grünberg, Heike Grebien, Fiona Fiedler, BEd, Mag. Verena Nussbaum, Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 19. Mai 2021 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„ÖGS (Österreichische Gebärdensprache) wird seit 2005 durch Artikel 8, Abs. 3, erster Satz B-VG, als „eigenständige Sprache anerkannt“. Da Sprache an Schulen das Mittel zur Kommunikation im Unterricht ist, bedeutet die Regelung die Anerkennung von ÖGS als Unterrichtssprache unmittelbar durch die Verfassung. Seit 2005 besteht daher von unterschiedlicher Seite die Forderung, einen Lehrplan für ÖGS zu erlassen.

2016 wurde seitens des Bildungsministeriums ein Lehrplan für ÖGS an Primar-, Sekundarstufe I und II als Fremdsprache und ÖGS als Erstsprache beauftragt.

Dieser nun vorliegende Lehrplan, der 12 Lernjahre, von der Volksschule bis zur Matura, umfasst, adressiert jedoch erstens nur Schülerinnen und Schüler, die ausschließlich Gebärdensprache lernen – also gehörlose Schülerinnen und Schüler mit ÖGS als Erstsprache. Lautsprachbegleitende Gebärden für Schülerinnen und Schüler mit Hörbeeinträchtigung werden nicht berücksichtigt. Die Konsequenz ist, dass der Lehrplan unter dem Gesichtspunkt eines reinen Sprachenlehrplanes auf Basis von GERS (Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen) zu betrachten ist und in Bezug auf die Förderung von Schülerinnen und Schülern mit einer Hörbeeinträchtigung, neben einer Förderung im Förderschwerpunkt Hören, als Nachteilsausgleich anzusehen ist.

Zweitens differenziert der vorliegende Lehrplan nicht nach dem jeweiligen Hörstatus, sondern nach Lernjahren. Und drittens ist der vorliegende Lehrplan nach Inhalten aufgebaut und nicht – wie im Rahmen des Pädagogikpakets vorgesehen – kompetenzorientiert.

Um eine qualitätsvolle und inklusive Ausbildung aller Kinder gewährleisten zu können, ist im ÖGS-Lehrplan bedarfsgerecht Rücksicht zu nehmen: Dies umfasst zum einen gehörlose Schülerinnen und Schüler, Schülerinnen und Schüler mit Hörbeeinträchtigung und auch Schülerinnen und Schüler mit gehörlosen Eltern. Zum anderen gilt es, den ÖGS-Lehrplan ebenso kompetenzorientiert zu entwickeln.“

 

Antrag 1422/A(E)

Die Abgeordneten Fiona Fiedler, BEd, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 24. März 2021 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Die Österreichische Gebärdensprache ist eine seit 1. September 2005 in der Bundesverfassung (siehe Artikel 8 Abs 3 BVG) anerkannte Minderheitensprache. Österreichische Gebärdensprache (ÖGS) ist eine autochthone Sprache, die seit Jahrhunderten in diesem Land verwendet wird, schon 1779 wurde in Wien eine staatliche Gehörlosenschule eröffnet.

Trotz der nun 15 Jahre zurückliegenden rechtlichen Anerkennung gibt es noch immer keinen Lehrplan für den Unterrichtsgegenstand ÖGS. Die 2017 im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung entwickelten Lehrpläne ermöglichen eine Eingliederung der ÖGS in die anderen an österreichischen Schulen angebotenen Sprachen. Die Lehrpläne ÖGS von der 1.-12. Schulstufe wurden bereits 2018 fertigstellt. Seit damals ist de facto nichts mehr passiert.

Ablauf der Entwicklung des Lehrplans ÖGS:

•              2017: Auftrag des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung

•              Mai 2017 – Juli 2018: Lehrpläne ÖGS von 1. – 12. Schulstufe gemeinsam mit 10 gehörlosen und 3 hörenden Expert_innen erarbeitet.

•              Juli 2018: Lehrpläne ÖGS von 1. – 12. Schulstufe termingerecht abgegeben.

•              Oktober 2018: Änderungswünsche des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung eingearbeitet und abgegeben.

•              Jänner 2019: Bei einem persönlichen Termin im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung wurde auf den dringenden Bedarf an konkreten Schulen deutlich hingewiesen.

•              Februar 2020: Erneuter Termin im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung. Conclusio des Termins: „Alle Lehrpläne werden überarbeitet, die Lehrpläne ÖGS sollten ab Sommer 2020 daran angepasst werden.

•              Seit September 2020 wiederholte (schriftliche) Nachfrage im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung. Es folgten Vertröstungen „Wir haben wirklich Pech, zuerst Ibiza, jetzt das“) oder Nichtbeantwortungen der Anfragen.

•              Seit Februar 2021 hat Österreichischer Gehörlosenbund(ÖGLB), vertreten durch die Präsidentin Mag.a Helene Jarmer, bisher an zwei Runden Tisch-Sitzungen zur Vorbereitung des NAP Behinderung 2022-2030 in den Bereichen Bildung, Wissenschaft und Forschung teilgenommen. Kein Signal vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung, dass Lehrplan ÖGS erlassen wird, nur, dass angeblich Schulen „keinen Bedarf“ an Lehrplan ÖGS hätten.

•              März 2021 startet der Österreichische Gehörlosenbund eine Briefaktion, welche von Eltern, Direktor_innen und Lehrpersonal unterstützt wird, an Bundesminister Faßmann. Ausweichende Antwort vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung auf den ersten Brief („Die Arbeit an neuen, kompetenzorientierten Lehrplänen für die Primar- und Sekundarstufe I ist derzeit noch nicht zur Gänze abgeschlossen, da auch diese Arbeit von den Pandemie-Maßnahmen betroffen war. Sobald die neuen Lehrpläne für VS, MS und AHS-Unterstufe vorliegen, kann die Überarbeitung weiterer bestehender Lehrpläne aufgenommen werden.“)

An mindestens einem Dutzend Schulen in Österreich wird ÖGS bereits angeboten, allerdings (bis auf 2) ohne entsprechende Lehrplan-Basis. Das bedeutet: - keine Leitlinie für Lehrende; - keinen Platz in der Stundentafel; - keine Einheitlichkeit, Vergleichbarkeit, ... – keine Benotbarkeit; - keine Rechtssicherheit. In Artikel 24 der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ist das Recht auf Bildung verankert und dieses sieht die Gewährleistung eines inklusiven Schulsystems vor. Für die Umsetzung eines solchen ist die Implementierung eines „Lehrplan Österreichische Gebärdensprache“ unabdingbar. Es sollte ein Anliegen sein, gehörlose Menschen auf ihr Leben als mehrsprachige Bürgerinnen und Bürger vorzubereiten, um im Wettbewerb bestehen und Herausforderungen als Folge der Globalisierung bewältigen zu können. Der bilingual- bimodale „Lehrplan ÖGS“ kann hierfür neue Räume schaffen.“

 

Der Unterrichtsausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 09. Juni 2021 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Heike Grebien die Abgeordneten Katharina Kucharowits, Fiona Fiedler, BEd und MMag. Dr  Agnes Totter, BEd.

 

Bei der Abstimmung wurde der gegenständliche Entschließungsantrag der Abgeordneten Kira Grünberg, Heike Grebien, Fiona Fiedler, BEd, Mag. Verena Nussbaum, Mag. Christian Ragger, Kolleginnen und Kollegen einstimmig beschlossen.

 

Der Entschließungsantrag 1422/A(E) gilt als miterledigt.

 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Unterrichtsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2021 06 09

                                  Heike Grebien                                                       Mag. Dr. Rudolf Taschner

                                  Berichterstatterin                                                                          Obmann