925 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Verfassungsausschusses

über die Regierungsvorlage (850 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften und das Islamgesetz 2015 geändert werden

Allgemeines

Um den effektiven Vollzug des Bundesgesetzes über die äußeren Rechtsverhältnisse islamischer Religionsgesellschaften sicherzustellen, werden rechtliche Anpassungen im Gesetz vorgenommen.

In einigen Bereichen hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass die bisherigen Rechtsgrundlagen einen effektiven Vollzug nicht immer hinreichend ermöglicht haben. Bestimmungen, die die äußeren Rechtsverhältnisse von Kirchen und Religionsgesellschaften betreffen, werden nicht nur durch die Religionsfreiheit nach Art. 9 EMRK, sondern ebenso durch das Recht der Kirchen und Religionsgesellschaften auf selbstständige Ordnung und Verwaltung ihrer inneren Angelegenheiten nach Art. 15 StGG begrenzt. Die inneren Angelegenheiten der Kirchen und Religionsgesellschaften sind nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes nur unter Bedachtnahme auf das Wesen der Religionsgesellschaften nach deren Selbstverständnis erfassbar und können nicht abschließend aufgezählt werden (VfSlg. 11.574/1987, 16.395/2001). Es zählen solche Fragen nicht zu den inneren Angelegenheiten, mit denen eine staatliche Wirkung nach außen verbunden ist (zB die Frage der staatlichen Mitgliedschaft, VfSlg. 11.300/1987). Die vorliegenden Änderungen betreffen keine reinen inneren Angelegenheiten der islamischen Religionsgesellschaften, sondern knüpfen an den jeweiligen Status als Körperschaft öffentlichen Rechts an. Mit diesem Status sind nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten verbunden.

Die vorliegenden Änderungen finden keine ausdrückliche Entsprechung in anderen Gesetzen über die äußeren Angelegenheiten von Kirchen und Religionsgesellschaften. Jedoch sind anderen Gesetzen dieselben Pflichten von Kirchen und Religionsgesellschaften zu entnehmen. Der gesicherte Bestand und die wirtschaftliche Selbsterhaltungsfähigkeit der Religionsgesellschaft sowie deren Einrichtungen sind als Prinzipien auch ausdrücklich anderen Gesetzen zu entnehmen (vgl. dazu zB § 5 AnerkennungsG; §§ 3, 4 BekGG; § 2 OrthodoxenG; § 5 IsraelitenG). Dadurch wird im Gegenzug der Status als Körperschaft öffentlichen Rechts gewährt. Generell kann von Körperschaften öffentlichen Rechts im Kooperationsverhältnis des Art. 15 StGG zwischen Religionsgesellschaften und Staat Transparenz vorausgesetzt werden.

Zur Selbsterhaltungsfähigkeit einer Kirche oder Religionsgesellschaft hat der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 20.321/2019 festgehalten: „Das vorliegende Verbot der Mittelaufbringung durch eine laufende Finanzierung aus dem Ausland – dh das Erfordernis der Sicherstellung hinreichender Mittel im Inland – sichert die Autonomie der islamischen Religionsgesellschaften bzw. Kultusgemeinden gegenüber Einwirkungen anderer Staaten und deren Einrichtungen und erweist sich in diesem Sinne als eine sachliche Regelung, die keinen Verstoß gegen Art. 7 B-VG bildet. Dies gilt im Übrigen auch im Hinblick auf das sogenannte Paritätsprinzip des Art. 15 StGG als besondere Ausprägung des Gleichheitsgrundsatzes.“

Die nunmehrigen Änderungen schaffen konkrete Rechtsgrundlagen, um die Überprüfung der Bestimmung des § 6 Abs. 2 IslamG sicherzustellen. Die Vorlage der Unterlagen sowie die Bekanntgabe von Funktionsträger/innen erfolgte bisher nach den allgemeinen Meldepflichten des § 25 IslamG. Die Bekanntgabe der außenvertretungsbefugten Organe sowie der Religionsdiener/innen ist zudem nach der lex specialis des § 23 Abs. 2 IslamG geregelt. Ähnliche Bestimmungen über die Bekanntgabe der „zur Seelsorge berechtigten“ (§ 11 AnerkennungsG) sowie der außenvertretungsbefugten Organe (§ 4 Abs. 2 ProtestantenG; § 9 OrthodoxenG; § 5 OrientKG; § 15 Abs. 2 IsraelitenG) finden sich auch in anderen Gesetzen über die äußeren Angelegenheiten von Kirchen und Religionsgesellschaften.

 

Hauptgesichtspunkte

In einigen Bereichen hat die Erfahrung aus den letzten Jahren gezeigt, dass im islamischen Bereich die bisherigen Rechtsgrundlagen einen effektiven Vollzug der Bestimmungen nicht immer hinreichend ermöglicht haben. Der Entzug der staatlichen Rechtspersönlichkeit einer innerreligiösen Einrichtung, die beim Kultusamt hinterlegt wurde und dadurch den Status als öffentlich-rechtliche Rechtsperson erlangt hat, ist nach den geltenden Bestimmungen auch bei Vorliegen eines Versagungsgrundes (§§ 4, 5 IslamG) nicht möglich. Auch diese Einrichtungen müssen aber die Grundvoraussetzungen im Sinn des Islamgesetzes gewährleisten. Bei Einrichtungen und Funktionsträger/innen war nicht immer hinreichend klar, ob diese Teil einer islamischen Religionsgesellschaft waren oder davon unabhängige Rechtspersonen. Ebenso war die Überprüfung des Inlandsfinanzierungsgebots (§ 6 Abs. 2 Gebot zur Aufbringung der Mittel für die gewöhnliche Tätigkeit zur Befriedigung religiöser Bedürfnisse – sog. „Auslandsfinanzierungsverbot“) bisher nur anhand der allgemeinen Kooperationsbestimmung des § 25 IslamG möglich. Um eine klare gesetzliche Grundlage zu schaffen, werden die Bestimmungen dahingehend konkretisiert.

Kompetenzgrundlage

Der vorliegende Entwurf stützt sich auf Art. 10 Abs. 1 Z 13 B-VG (Angelegenheiten des Kultus).

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens

Keine.

Verhältnis zu den Rechtsvorschriften der Europäischen Union

Die vorgesehenen Regelungen fallen – abgesehen von den datenschutzrechtlichen Regelungen – nicht in den Anwendungsbereich des Rechts der Europäischen Union.

 

Der Verfassungsausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 10. Juni 2021 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordneten Mag. Corinna Scharzenberger die Abgeordneten Mag. Georg Bürstmayr, Dr. Susanne Fürst, Dr. Nikolaus Scherak, MA, Mag. Wolfgang Gerstl und Mag. Harald Stefan sowie die Bundesministerin für Frauen, Familie, Jugend und Integration MMag. Dr. Susanne Raab.

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf mit Stimmenmehrheit (dafür: V, S, G, N, dagegen: F) beschlossen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (850 der Beilagen) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2021 06 10

                  Mag. Corinna Scharzenberger                                            Mag. Jörg Leichtfried

                                  Berichterstatterin                                                                          Obmann