930 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP

 

Bericht

des Verfassungsausschusses

über den Antrag 1278/A der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ministeranklage gemäß Art. 142 Abs. 2 lit. b B-VG wider die Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort

Die Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Antrag am 24. Februar 2021 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Bundesministerin Dr. Margarete Schramböck ist seit 7.1.2020 Bundesministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort im Kabinett Kurz II. Sie ist daher in dieser Funktion ein haushaltleitendes Organ iS. von § 6 Abs. 1 Z 3 BHG und ist daher in ihrem Handeln u.a. an die Bestimmungen des BHG gebunden.

In dieser Funktion beauftragte sie die Erstellung der Plattform ‚Kaufhaus Österreich‘. Aus der Anfragebeantwortung 4442/AB NR XXVII. GP:

‚In einer ersten Phase wurde seitens meines Ressorts neben verschiedenen anderen Maßnahmen zur Unterstützung der heimischen Wirtschaft an einem Prototyp für eine Plattform ‚Kaufhaus Österreich‘ (KHÖ) gearbeitet, um das Ziel der Stärkung des E-Commerce in Österreich für die durch den Lockdown strapazierte Wirtschaft - allen voran KMUs - zu erreichen. Durch im Jahr 2016 vom Bundesministerium für Finanzen abgeschlossene Rahmenvereinbarungen mit der BRZ GmbH und der LFRZ GmbH, welche im Sinne des BRZ-Gesetzes in Kraft sind, können im Wege einer Inhouse-Vergabe derartige IT-Entwicklungen an die BRZ GmbH vergeben werden, weswegen die Beauftragung vollumfänglich vergaberechtskonform erfolgt ist und damit gleichzeitig dem Erfordernis einer zeitnahen Projektumsetzung Rechnung getragen werden konnte. Die LFRZ GmbH verfügt über jahrzehntelange Erfahrung mit Design, Umsetzung und Betrieb von Applikationen und Schnittstellen im öffentlichen Bereich, ist Spezialist für das Bundes-CMS Magnolia und erfüllt durch ihre ISO 27001-Zertifizierung höchste Ansprüche im Bereich IT-Sicherheit. Die Beauftragung von Subunternehmern wurde vertraglich nicht ausgeschlossen, da diese aus Gründen der Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zielführend sein kann, etwa in Bezug auf unvorhersehbare Nichtverfügbarkeit von Schlüsselpersonen beim Auftragnehmer. Bei der Plattform KHÖ wurden folgende Subauftragnehmer herangezogen: Accenture GmbH, Digitalberatung GmbH und hpc DUAL Österreich GmbH. Diese Unternehmen wurden aufgrund ihrer Erfahrung und Expertise im Hinblick auf die jeweiligen Teilaufgaben sowie der vorhandenen Möglichkeit zur Bereitstellung der notwendigen Ressourcen ausgewählt.

Bis zum Launch des KHÖ sind insgesamt Technikkosten im Umfang von € 603.670,32 angefallen.

Darüber hinaus hat mein Ressort eine Reihe von E-Commerce-Aktivitäten gesetzt. Dazuzählen unter anderem markt- und unternehmensspezifische Initiativen wie KMU Umfragen, Webinare, Videoclips, Entwicklung der Markenrechte etc., wofür insgesamt Kosten in Höhe von € 243.141,80 entstanden sind.

Zahlreiche dieser Aktivitäten flossen in der Gestaltung des Portals und dessen Umwelten sowie in die inhaltliche Gestaltung des Händlerportals ein.

Die Technikkosten seit dem Launch betragen € 192.286,44; für den laufenden technischen Betrieb fallen monatlich € 2.642,50 und für die Wartung der Plattform € 2.566,00 an.‘

Ende November 2020 wurde das Projekt von BM Dr. Margarete Schramböck präsentiert und die Plattform wurde online geschaltet, wann die genaue Beauftragung erfolgte, kann der Anfragebeantwortung nicht entnommen werden. Am 9.2.2021 war das ‚Kaufhaus Österreich‘ jedoch bereits Geschichte. Ursächlich dafür waren der Umstand, dass das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort ein rechtliches Problem ortete, wonach das Bundesministerium selbst eine solche Plattform nicht betreiben darf, sowie das Verfehlen der für das Projekt definierten zentralen Ziele.

Die Gesamtkosten dieses Flop-Projektes betrugen laut Angaben des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort rund 1,26 Millionen Euro. Expert*innen, die sich öffentlich äußerten, beurteilten das Projekt mit ‚das hätten ein paar Student*innen mit ein paar Tausend Euro besser gemacht‘.

Es wurden daher öffentliche Gelder für ein Projekt verwendet, welches nach korrekter rechtlicher Prüfung nicht beauftragt hätte werden dürfen, welches durch die Nichterreichung der Ziele als gescheitert zu betrachten ist und bei welchem die Kosten mit der gelieferten Leistung offensichtlich in einem groben Missverhältnis stehen. Das Handeln von BM Dr. Margarete Schramböck hat aber auch gegen klare gesetzliche Normen und auch gegen Normen des B-VG, an die sie gebunden war und ist, verstoßen.

 

1.     Art. 51 Abs. 8 B-VG und § 2 Abs. 2 BHG regeln die Haushaltsgrundsätze, welche wie folgt lauten:

Art. 51 Abs.8: Bei der Haushaltsführung des Bundes sind die Grundsätze der Wirkungsorientierung insbesondere auch unter Berücksichtigung des Ziels der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern, der Transparenz, der Effizienz und der möglichst getreuen Darstellung der finanziellen Lage des Bundes zu beachten.

BM Dr. Margarete Schramböck hat daher sowohl bei der Planung des Vorhabens (Das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort hatte keine Rechtsgrundlage, die vergebene Plattform überhaupt selbst zu betreiben.) wie auch bei der Durchführung (Weder konnten die angestrebten Projektziele erreicht werden, noch entspricht die tatsächlich erhaltene Leistung den verrechneten Kosten.) des Projektes gegen das Ziel der Effizienz mehrfach grob verstoßen.

Da es sich bei der zitierten Bestimmung um eine Verfassungsbestimmung handelt, wiegt der Verstoß besonders schwer.

 

2.     Art. 52 B-VG regelt u.a. das Interpellationsrecht. Sein Abs. 1 lautet:

‚(1) Der Nationalrat und der Bundesrat sind befugt, die Geschäftsführung der Bundesregierung zu überprüfen, deren Mitglieder über alle Gegenstände der Vollziehung zu befragen und alle einschlägigen Auskünfte zu verlangen sowie ihren Wünschen über die Ausübung der Vollziehung in Entschließungen Ausdruck zu geben.‘

§ 91 Abs. 4 GOG-NR führt dazu aus:

‚(4) Der Befragte hat innerhalb von zwei Monaten nach Übergabe der Anfrage an den Präsidenten mündlich oder schriftlich zu antworten. Ist dem Befragten eine Erteilung der gewünschten Auskunft nicht möglich, so hat er dies in der Beantwortung zu begründen. Auf mündliche Beantwortungen finden die Bestimmungen der §§ 19 Abs. 2 und 81 sinngemäß Anwendung.‘

In der Anfragebeantwortung 4442/AB führt BM Dr. Margarete Schramböck aus:

‚Bei der Plattform KHÖ wurden folgende Subauftragnehmer herangezogen: Accenture GmbH, Digitalberatung GmbH und hpc DUAL Österreich GmbH.‘

Dazu erschien aber am 11.2.2021 ein Widerruf einer der genannten Firmen:

„Firma bestreitet Mitarbeit bei Kaufhaus Österreich“

11.02.2021

Das Wirtschaftsministerium gab an, dass hpc DUAL an der Plattform beteiligt war. Das Unternehmen will davon nichts wissen.

Das Kaufhaus Österreich ist inzwischen keine Plattform mehr, auf der man nach Online-Shops heimischer Händler suchen kann. Sie gibt nun Tipps, wie man sich gut im E-Commerce positioniert. In einer parlamentarischen Anfragebeantwortung hatte Wirtschaftsministerin Dr. Margarete Schramböck unter anderem die Firma hpc DUAL als Subauftragnehmer für die Umsetzung aufgeführt.

Einen diesbezüglichen Bericht der futurezone kommentierte das Unternehmen auf Facebook mit den Worten: ‚Wir von hpc DUAL sind- und waren nie Sub(Dienstleister) des LFRZ oder BRZ im Rahmen des Kaufhaus Österreich. Leider werden wir hier namentlich genannt: FAKE NEWS.‘

Es ist daher offensichtlich bei der Beantwortung der Anfrage betreffend allfälliger Subauftragnehmer nicht mit der, gemäß Art. 52 B-VG, verfassungsrechtlich gebotenen Sorgfalt vorgegangen worden.

3.     Es stellt sich daher die Frage nach der Motivation dieser rechtswidrigen und tatsachenwidrigen Beantwortung. Diese könnte in den Normen des Bundesvergabegesetzes 2018 liegen. Grundsätzlich wäre eine solche Leistung wie die Plattform „Kaufhaus Österreich“ mit Kosten von über 600.000 Euro auszuschreiben gewesen, da sie deutlich über den Schwellenwerten des BVergG 2018 liegt.

Laut der zitierten Anfragebeantwortung 4442/AB von BM Dr. Margarete Schramböck unterblieb eine Ausschreibung, da ein Rahmenvertrag mit der BRZ GmbH und der LFRZ GmbH über derartige Leistungen bestand. Der besagte Rahmenvertrag hat die Intention, dass diese Leistung allerdings tatsächlich von der BRZ GmbH und der LFRZ GmbH als Technologiepartner des Public Sectors erbracht wird, nur dann widersprechen solche Rahmenverträge dem BVergG 2018 nicht, dass ja – Europäisches Recht umsetzend den Wettbewerb bei öffentlichen Aufträgen fördern will und soll. Auffällig war bei der Auftragserteilung, dass auf eine Klausel betreffend das Verbot der Beauftragung von Subunternehmern bewusst verzichtet wurde, da (so die Begründung in 4442/AB) diese aus Gründen der Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zielführend sein kann, etwa in Bezug auf unvorhersehbare Nichtverfügbarkeit von Schlüsselpersonen beim Auftragnehmer.

Der Sachverhalt, dass eine bewusste Umgehung des BVergG 2018 vorliegt, verdichtet sich daher:

Wurde diese Konstruktion bewusst für die Umgehung der Bestimmungen des BVergG 2018 gewählt?

Wesentlich dafür ist der Umstand, in welcher Höhe der Gesamtsumme Subaufträge an welche Unternehmen erteilt wurden. Wesentlich dafür ist auch, warum die Leistung nicht von der BRZ GmbH und der LFRZ GmbH erbracht werden konnte, war dies durch unvorhersehbare Umstände notwendig oder unumgänglich und welche waren diese. Schließlich liegt ein Widerspruch vor, da laut Anfragebeantwortung die BRZ GmbH und die LFRZ GmbH über höchste Kompetenz in diesem Bereich verfügen, daher auch beauftragt wurden, aber das Produkt vom Beginn an grobe Mängel hatte, wie dies BM Dr. Margarete Schramböck in der Pressestunde am 14.2.2021 ausführte. Auch von Interesse ist, warum die Accenture GmbH Subaufträge erhalten hat, die bereits bei der Erstellung der Corona App und bei der Reform der Sozialversicherungsträger – beides keine wirklichen Erfolgsprojekte – öffentliche Aufträge erhalten hat und laut eigener Beschreibung auf ihrer Homepage für solche Aufträge keine besondere Kompetenz anführt?

BM Dr. Margarete Schramböck hat daher gegen die Bestimmungen des BVergG, insbesondere deren
§§ 193, 199 und 203, vorsätzlich und/oder grob fahrlässig verstoßen.

 

4.     Zur strafrechtlichen Dimension:

Bewertet man diese Sachverhalte aus dem Blickwinkel des Strafrechts, so wurde bereits durch BM Dr. Margarete Schramböck bei der Einleitung des Projektes durch Unterlassung einer ausreichenden und zwingend vorgesehenen rechtlichen Prüfung, ob das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort überhaupt eine solche Plattform betreiben kann, sowie durch die mangelnde Aufsicht über das laufende Projekt, das zur Nichterreichung der gesteckten Projektziele führte, was durch die Einstellung der Plattform offensichtlich wurde, und schließlich durch die Missachtung bestehender Gesetze in der Projektumsetzung die Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, wissentlich missbraucht, wodurch eine erhebliche Schädigung des Vermögens der Republik Österreich in der Höhe von mehr als 300.000 Euro herbeigeführt wurde.

Damit ist aber der Tatbestand der Untreue erfüllt, im konkreten samt der Qualifikation des § 153 Abs. 3 2. Fall, Schadenshöhe über 300.000 Euro. § 153 StGB lautet:

         (1) Wer seine Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch den anderen am Vermögen schädigt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.

         (2) Seine Befugnis missbraucht, wer in unvertretbarer Weise gegen solche Regeln verstößt, die dem Vermögensschutz des wirtschaftlich Berechtigten dienen.

         (3) Wer durch die Tat einen 5.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, wer einen 300.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführt, mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.“

 

BM Dr. Margarete Schramböck hat die unter Z 1 bis 4 genannten Bestimmungen in rechtswidriger Weise schuldhaft verletzt.“

 


Der Verfassungsausschuss hat den gegenständlichen Antrag in seiner Sitzung am 10. Juni 2021 in
Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter Abgeordneten Mag. Christian Drobits die Abgeordneten Mag. Georg Bürstmayr, Dr. Christian Stocker,
Dr. Helmut Brandstätter, Dr. Susanne Fürst, Sabine Schatz, Dr. Nikolaus Scherak, MA und
Andreas Minnich.

 

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Initiativantrag keine Mehrheit (für den Antrag: S, F, N, dagegen: V, G).

 

Zum Berichterstatter für den Nationalrat wurde Abgeordneter Dr. Christian Stocker gewählt.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2021 06 10

                           Dr. Christian Stocker                                                     Mag. Jörg Leichtfried

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann