931 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXVII. GP
Bericht
des Verfassungsausschusses
über den Antrag 1581/A der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Herbert Kickl, Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ministeranklage gemäß Art. 142 Abs. 2 lit. b B-VG wider den Bundesminister für Finanzen
Die Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Herbert Kickl, Dr. Nikolaus Scherak, MA, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Antrag am 17. Mai 2021 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:
„Bundesminister Mag. Gernot Blümel wurde am 7.1.2020 auf Vorschlag von Bundeskanzler Kurz als Bundesminister für Finanzen angelobt.
Er gelobte und bekräftigte mit Handschlag und seiner Unterschrift:
‚Ich gelobe, dass ich die Verfassung und alle Gesetze der Republik getreulich beobachten und meine Pflicht nach bestem Wissen und Gewissen erfüllen werde.‘
Am 22. Jänner 2020 setzte der Nationalrat den Untersuchungsausschuss betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss) ein. Mit grundsätzlichem Beweisbeschluss vom selben Tag wurde der Bundesminister für Finanzen aufgefordert, dem Untersuchungsausschuss alle seine Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstandes vorzulegen.
Infolge des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 3. März 2020, UA1/2020, fasste der Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrates am 9. März 2020 einen ergänzenden grundsätzlichen Beweisbeschluss, mit der der Bundesminister für Finanzen erneut zur Vorlage aller seiner Akten und Unterlagen – nunmehr im vollen Umfang des Untersuchungsgegenstandes – verpflichtet wurde.
‚Alle Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper haben einem Untersuchungsausschuss auf Verlangen im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung ihre Akten und Unterlagen vorzulegen (…)‘
Der Bundesminister für Finanzen legte dem Ibiza-Untersuchungsausschuss zunächst eine Vielzahl von Akten und Unterlagen vor, deren Vollständigkeit vom Untersuchungsausschuss jedoch bezweifelt wurde.
So forderte der Untersuchungsausschuss den Bundesminister für Finanzen u.a. am 30. September 2020 sowie am 11. November 2020 mittels ergänzender Beweisanforderung auf, ihm weitere Akten und Unterlagen vorzulegen.
Der Bundesminister für Finanzen verweigerte in beiden Fällen die Vorlage.
Am 13. Jänner 2021 setzte der Untersuchungsausschuss dem Bundesminister für Finanzen eine zweiwöchige Frist, um seinen verfassungsgesetzlichen Verpflichtungen gegenüber dem Untersuchungsausschuss nachzukommen.
Auch diese Nachfrist ließ der Bundesminister für Finanzen verstreichen, ohne weitere Akten und Unterlagen vorzulegen.
Am 11. Februar 2021 stellte ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses beim Verfassungsgerichtshof den Antrag, dass dieser aussprechen möge, dass der Bundesminister für Finanzen zur Vorlage der vom Untersuchungsausschuss begehrten Akten und Unterlagen verpflichtet ist.
Am selben Tag fand eine von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft angeordnete und gerichtlich genehmigte Hausdurchsuchung bei Mag. Gernot Blümel statt, da dieser als Beschuldigter im sogenannten Casinos-Verfahren im Verdacht steht, zur Bestechung von Amtsträgern – im Konkreten des damaligen Bundesministers Kurz – durch Vertreter der Novomatic AG beigetragen zu haben.
Am 3. März 2021 entschied der Verfassungsgerichtshof:
‚Der Bundesminister für Finanzen ist verpflichtet, dem Ibiza-Untersuchungsausschuss die E-Mail-Postfächer sowie lokal oder serverseitig gespeicherten Dateien der Bediensteten der Abteilung I/5 E.G., A.M. und G.B. sowie von Bediensteten des Bundesministeriums für Finanzen empfangene E-Mails von T.S., E.H.-S., M.K., B.P. und M.L. aus dem Untersuchungszeitraum vorzulegen.‘
Der Bundesminister für Finanzen kam diesem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nicht nach.
Auf Grund der fortgesetzten Weigerung des Bundesministers für Finanzen, dem Untersuchungsausschuss die ihm zustehenden Akten und Unterlagen vorzulegen, regte ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses am 22. März 2021 beim Verfassungsgerichtshof die Exekution des genannten Erkenntnisses durch den Bundespräsidenten gemäß Art. 146 Abs. 2 B-VG an.
Am 5. Mai 2021 beantragte der Verfassungsgerichtshof beim Bundespräsidenten schlussendlich gemäß Art. 146 Abs. 2 B-VG die Exekution seines Erkenntnisses. Dies stellt eine historisch bislang einzigartige Situation dar.
Der Bundesminister für Finanzen hat durch seine fortgesetzte Weigerung, dem Ibiza-Untersuchungsausschuss die ihm zustehenden Akten und Unterlagen vorzulegen, gegen seine Verpflichtung gemäß Art. 53 Abs. 3 B-VG in rechtswidriger Weise und schuldhaft verstoßen. Da es sich bei der zitierten Bestimmung um eine Verfassungsbestimmung handelt, wiegt der Verstoß besonders schwer.
Der Bundesminister für Finanzen wird vom Nationalrat außerdem verdächtigt, seine Befugnisse wissentlich missbraucht zu haben, um den Nationalrat in seinem konkreten Recht auf richtige und vollständige Information sowie Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit gesetzter Behördenakte zu schädigen. Auf Grund der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist die Verletzung dieses Rechts des Nationalrates geeignet, bei Vorliegen auch der sonstigen Voraussetzungen den Straftatbestand des Amtsmissbrauchs zu erfüllen. Eine entsprechende Sachverhaltsdarstellung wurde am 26. März 2021 an die Staatsanwaltschaft Wien übermittelt.“
Der Verfassungsausschuss hat den gegenständlichen
Antrag in seiner Sitzung am 10. Juni 2021 in
Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer dem Berichterstatter
Abgeordneten
Mag. Christian Drobits die Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, MA,
Dr. Susanne Fürst und
Mag. Wolfgang Gerstl.
Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Initiativantrag keine Mehrheit (für den Antrag: S, F, N, dagegen: V, G).
Zum Berichterstatter für den Nationalrat wurde Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl gewählt.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Verfassungsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.
Wien, 2021 06 10
Mag. Wolfgang Gerstl Mag. Jörg Leichtfried
Berichterstatter Obmann