Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Hauptgesichtspunkte des Entwurfs:

Die Richtlinie 2009/12/EG über Flughafenentgelte, ABl. Nr. L 70 vom 14.03.2009 S. 11, regelt gemeinsame Grundsätze für die Erhebung von Flughafenentgelten in der Europäischen Union. Diese Richtlinie wurde in Österreich mit dem Bundesgesetz über die Festlegung von Flughafenentgelten (Flughafenentgeltegesetz – FEG), BGBl. I Nr. 41/2012, umgesetzt.

Seitdem erfolgte – abgesehen von der Änderung der Ressortbezeichnung gemäß der letzten Novelle des Bundesministeriengesetzes (BMG) – noch keine Novellierung des FEG. Dies kann damit begründet werden, dass sich dieses Bundesgesetz in der Praxis gut etabliert und sich in den Jahren nach Erlassung kein Bedarf für Neuregelungen gezeigt hat. Im Lichte dieser Erfahrungen soll daher die Grundstruktur des FEG beibehalten werden, jedoch erscheinen nunmehr einige Änderungen der Regelungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt als geboten. Die wesentlichen Punkte können wie folgt zusammengefasst werden:

-       Ausdrückliche Benennung des Standorts als zulässiges Differenzierungskriterium in § 4

-       Verpflichtung des Flughafenleitungsorgans zur Differenzierung seiner Entgeltordnung nach Lärmschutzgesichtspunkten

-       Neuregelung des Verfahrens zur Genehmigung der Flughafenentgeltordnung entsprechend den Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union

-       Einführung einer Sonderbestimmung, welche die Entwicklung der Passagierzahlen auf Grund der COVID-19-Pandemie im Hinblick auf die Price Cap-Formel in der Anlage zum FEG berücksichtigt.

Kompetenzgrundlage:

Die Zuständigkeit des Bundes zur Erlassung dieses Bundesgesetzes ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 Z 9 des Bundes‑Verfassungsgesetzes (Verkehrswesen bezüglich der Luftfahrt).

Besonderer Teil

Zu Z 1 (§ 4):

§ 4 FEG beinhaltet im Hinblick auf die Flughafenentgeltordnung ein Diskriminierungsverbot, mit welchem die wichtigste materielle Vorgabe der Richtlinie 2009/12/EG umgesetzt wurde. Das Diskriminierungsverbot gemäß § 4 FEG schränkt die Privatrechtsautonomie des Flughafenleitungsorgans dahingehend ein, dass dieses bei Erstellung der Entgeltordnung keinen Nutzer oder eine Gruppe von Nutzern diskriminieren darf. Die Bestimmung lässt jedoch im Einklang mit der umgesetzten Richtlinie eine Ungleichbehandlung im Rahmen der Flughafenentgeltordnung zur Wahrung von öffentlichen Interessen zu, wobei im geltenden Gesetz als Beispiel für ein derartiges Interesse bereits ausdrücklich der Umweltschutz genannt ist. Nunmehr sollen zusätzlich zum Umweltschutz auch die Belange des Standorts als Beispiel für ein öffentliches Interesse, welches Differenzierungen der Entgeltordnung legitimiert, explizit in § 4 genannt werden. Dies gründet sich auf Erkenntnisse der vergangenen Jahre (genannt werden kann hier etwa die von Seiten des BMK entwickelte Road Map Luftfahrt 2020 und ihre Folgeprojekte), welche die große Bedeutung einer stabilen Luftfahrtinfrastruktur für die gesamte Volkswirtschaft weiter verdeutlicht haben. Es zeigte sich, dass eine nachhaltige Entwicklung in diesem Bereich positive Effekte auf die Bruttowertschöpfung, Beschäftigung, Tourismus und regionale Entwicklung bewirken kann. Eine Differenzierung der Flughafenentgelte, welche die positive Standortentwicklung fördert, erscheint daher jedenfalls als öffentlichen Interessen im Sinne von § 4 dienlich.

Zu Z 2 (§ 4a):

Ein öffentliches Interesse von erheblicher Bedeutung stellt unzweifelhaft auch der Schutz der Bevölkerung vor Lärmimmissionen dar. Aus diesem Grund soll die bereits bestehende Berechtigung zur Differenzierung im Hinblick auf den Umweltschutz um eine Verpflichtung des Flughafenleitungsorgans zur Heranziehung von Lärmschutzgesichtspunkten bei der Erstellung der Flughafenentgeltordnung erweitert werden.

§ 4a Abs. 1 postuliert die Verpflichtung des Flughafenleitungsorgans zu einer Differenzierung der Flughafenentgeltordnung mit dem Ziel der Verminderung von Lärmimmissionen und stellt klar, dass diese nach sachlichen – konkret: geeigneten, objektiven und transparenten – Kriterien zu erfolgen hat.

In Abs. 2 und Abs. 3 werden jene Grundlagen genannt, die vom Flughafenleitungsorgan bei dieser Differenzierung herangezogen werden können beziehungsweise verwendet werden müssen.

In Abs. 2 werden Maßnahmen genannt, die verpflichtend vom Flughafenleitungsorgan als Grundlagen für die Differenzierung heranzuziehen sind, nämlich alternativ Lärmzertifikate für Luftfahrzeuge entsprechend den Vorgaben der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation ICAO (hier bestehen umfassende internationale Standards zur Bestimmung der Lärmemissionen von Luftfahrzeugen) oder Flugärmmessungen gemäß international anerkannten Standards, was auch die Verwendung von Daten auf ausländischen Flughäfen ermöglichen soll. Beide Vorgangsweisen erscheinen nämlich im besonderen Maße als geeignet, einer Differenzierung der Flughafenentgeltordnung nach Lärmgesichtspunkten zu dienen.

In Abs. 3 werden beispielhaft weitere Grundlagen genannt, welcher sich das Flughafenleitungsorgan bei der Differenzierung nach Lärmgesichtspunkten bedienen kann, nämlich technische Vorrichtungen an Luftfahrzeugen zur Lärmminderung, regionale Besonderheiten in der Umgebung des betroffenen Flughafens sowie lärmmindernde Anflugverfahren.

Zu Z 3 (§ 8 Abs. 2):

Hier sollen die materiellen Genehmigungserfordernissen um die Erfüllung der Verpflichtung des Flughafenleitungsorgans zur Differenzierung nach Lärmgesichtspunkten gemäß § 4a ergänzt werden.

Zu den Z 4 bis 6 (§ 9 Abs. 5, § 10 Abs. 3, § 10a, § 10b):

Art. 6 der Richtlinie 2009/12/EG enthält Regelungen betreffend das Verfahren bei der Festsetzung und Überprüfung von Flughafenentgeltregelungen. Österreich hat sich bei der Umsetzung dieses Bestimmung der Richtlinie im Wesentlichen auf Abs. 5 dieses Artikels gestützt. Diese Bestimmung bietet den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, ein obligatorisches Verfahren für die Bewilligung von Flughafenentgelten vorzusehen. Die Option des Art. 6 Abs. 5 wurde gewählt, weil dies den entsprechenden österreichischen Regelungen in diesem Bereich bis zur Umsetzung der Richtlinie (§ 74 LFG in Verbindung mit den §§ 16 und 20 ZFBO) am besten entsprach. Eine Parteistellung der Nutzer im Genehmigungsverfahren und damit die Beschwerdemöglichkeit an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts war – gleichfalls in Einklang mit den vor 2012 geltenden Regelungen – nicht vorgesehen.

Der Europäische Gerichtshof hat mit seiner Entscheidung im Urteil vom 21.11.2019 (ECLI:EU:C:2019:1000, Rs. C-379/18) jedoch mittlerweile klargestellt, dass den einzelnen Flughafennutzern der Weg zu einer gerichtlichen Kontrolle der behördlichen Genehmigung von Flughafenentgeltordnungen offen stehen muss. Diese Beschwerdemöglichkeit der Nutzer bei Gericht erscheint durch die geltenden Regelungen in Österreich nicht gewährleistet. Aus diesem Grund soll das Verfahren zur Genehmigung der Flughafenentgeltregelung in mehreren wesentlichen Aspekten umgestaltet werden, um die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union angemessen zu berücksichtigen. . Die Grundstruktur des Verfahren zur Genehmigung der Flughafenentgeltordnung bei der Aufsichtsbehörde BMK soll jedoch auf Grund der bisher positiven Erfahrungen in der Praxis grundsätzlich bestehen bleiben.

Mit § 10a Abs. 1 sollen nunmehr die Parteien des Verfahrens zur Genehmigung der Flughafenentgeltordnung ausdrücklich benannt werden. Diese schließen neben dem Flughafenleitungsorgan nun ausdrücklich auch die einzelnen Flughafennutzer ein. Die mit dieser Regelung eingeräumte Parteistellung bringt in Entsprechung mit der nationalen österreichischen Rechtsordnung unzweifelhaft eine Beschwerdemöglichkeit gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (Bescheidbeschwerde) an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts mit sich. . Die neue Regelung entspricht nunmehr dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache Rs. C-379/18..

Die ausdrückliche Einräumung der Parteistellung an die einzelnen Nutzer hat potenziell große praktische Erschwernisse bei der Durchführung des Verfahrens zur Folge, die den Verwaltungsaufwand sowohl für die Behörde als auch die Beteiligten des Verwaltungsverfahrens in nicht zu rechtfertigender Weise erhöhen könnten. Die Parteistellung kommt nämlich naturgemäß sämtlichen Nutzern zu, die – insbesondere im Bereich des Bedarfsfluges – kontinuierlich wechseln und häufig über keine Niederlassung oder Vertretung im Bundesgebiet verfügen. Zur Erhöhung der Rechtssicherheit für sämtliche Nutzer und das Flughafenleitungsorgan sowie zur Verminderung des Verwaltungsaufwandes soll daher bei der Durchführung des Verfahrens zur Genehmigung der Flughafenentgeltregelung auf das bereits bestehende Gremium des Nutzerausschusses (vgl. den geltenden § 7 FEG) zurückgegriffen werden.

Der Nutzerausschuss ist in Umsetzung von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2009/12/EG bereits der institutionelle Rahmen für die Durchführung von Konsultationen zwischen Flughafenleitungsorganen und Nutzern bei der Erstellung von Flughafenentgeltregelungen. Die Sitzungen des Nutzerausschusses haben demgemäß wenigstens einmal jährlich stattzufinden und beinhalten bereits jetzt die zwingende Konsultationsverpflichtung im Hinblick auf jede Entgeltregelung vor Stellung des Antrags durch das Flughafenleitungsorgan an die BMK (vgl. den geltenden § 9 FEG). Es liegt daher nahe, dass die Vertretung der Nutzerinteressen im behördlichen Genehmigungsverfahren für die Entgeltregelung auf dieses Gremium gestützt und der Vorsitzende des Nutzerausschusses zur Vertretung sämtlicher Nutzer berechtigt wird (vgl. § 10a Abs. 2). Dieser hat die Verfahrensrechte der Nutzer wahrzunehmen und dabei vor allem die im Rahmen des bereits durchgeführten Konsultationsverfahrens gemäß § 9 Abs. 3 abgegebenen Stellungnahmen der einzelnen Flughafennutzer zu berücksichtigen. Die Transparenz gegenüber sämtlichen Nutzern ist dabei jedenfalls zu wahren, was durch die Informationsverpflichtung gemäß § 10a Abs. 3 sichergestellt werden soll. Den Nutzern soll auch die Gelegenheit offenstehen, weitere Stellungnahmen während der Durchführung des behördlichen Verfahrens einzubringen.

Aus den oben genannten Erwägungen betreffend des variablen und zum Teil schwer zugänglichen Nutzerkreises sowie zur Sicherstellung der Beschwerdemöglichkeit an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts für jeden einzelnen Nutzer soll die Zustellung des Genehmigungsbescheides mittels Veröffentlichung des Genehmigungsbescheides in geeigneter Form – zum Beispiel auf der Website der Genehmigungsbehörde BMK – erfolgen.

Gemäß § 13 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes kommt Beschwerden an die Verwaltungsgerichte grundsätzlich aufschiebende Wirkung zu. Eine uneingeschränkte aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen den Bescheid der BMK zur Genehmigung einer Flughafenentgeltregelung hätte in der Praxis jedoch erhebliche negative Folgewirkungen, welche auch öffentlichen Interessen zuwiderliefen. So würde die Beschwerde eines Nutzers dazu führen, dass für die Dauer des Beschwerdeverfahrens die Entgelterhöhung für alle Nutzer nicht anwendbar wäre. Dies brächte t äußerst abträgliche betriebswirtschaftliche Folgen für das Flughafenleitungsorgan mit sich, welches auch im öffentlichen Interesse Mobilitätsinfrastruktur bereitstellt, mit sich Genau aus dieser Erwägung sehen die geltenden Bestimmungen des FEG auch regelmäßige jährliche Erhöhungen der Entgelthöhe vor. Durch eine uneingeschränkte aufschiebende Wirkung einer Beschwerde während der Dauer des Beschwerdeverfahrens würde jedoch genau dieser zentrale Normzweck des FEG unterlaufen werden.

In Anlehnung an bereits bestehende Regelungen im Infrastrukturbereich – etwa im Eisenbahngesetz – soll daher der Beschwerde gegen den Bescheid der BMK zur Genehmigung der Flughafenentgeltregelung zunächst keine aufschiebende Wirkung zukommen. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde durch das Bundesverwaltungsgericht bleibt jedoch möglich, wobei vom Gericht eine Interessenabwägung vorzunehmen ist. Die Rechtsschutzinteressen der beschwerdeführenden Nutzer bleiben dadurch gewahrt. Um eine rasche Beschlussfassung des Verwaltungsgerichtes über die Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung der Beschwerde zu ermöglichen, hat die BMK die Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgericht unverzüglich zur Beschlussfassung darüber vorzulegen, wenn der Beschwerdeführer in der Beschwerde die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt hat. Aus den gleichen Erwägungen einer nötigen Verfahrensbeschleunigung im öffentlichen Interesse (vgl. die obigen Ausführungen) ist hier eine Entscheidung des Gerichts und nicht – zunächst – der zuständigen Behörde vorgesehen.

Zu Z 7 (§ 11 Abs. 4):

Hier soll klargestellt werden, dass für Infrastruktur- und Securityentgelte die Differenzierung nach Lärmgesichtspunkten nicht zur Anwendung kommen soll, da die Tätigkeiten, auf welche sich diese Entgelte beziehen, nicht mit den Betrieb von Luftfahrzeugen verbunden sind.

Zu Z 8 (§ 17a):

Die COVID-19 Krise hat in der Flugverkehrswirtschaft dazu geführt, dass die Flugbewegungen sowie die Passagierzahlen massiv eingebrochen sind. Obwohl mittlerweile die Flugbewegungen und Passagierzahlen wieder ansteigen, ist laut Prognosen der Eurocontrol davon auszugehen, dass das Vorkrisenniveau nicht vor 2024 erreicht wird (COVID-19 impact on the European air traffic network EUROCONTROL).

In Bezug auf die Situation der Flughafenentgelte führt der massive Einbruch im Jahr 2020 dazu, dass es in den Folgejahren ein stetiges und prozentuell hohes Wachstum (immer im Vergleich zum jeweiligen Vorjahr) geben wird. Die Entgelte werden daher in den kommenden Jahren (solange das Krisenjahr 2020 in der Entgeltformel Berücksichtigung findet) um die Inflation steigen (weil nach oben gedeckelt), jedoch dann aufgrund des starken prozentuellen Wachstums jeweils im Verhältnis zum Vorjahr stark absinken. Die Beibehaltung der derzeit bestehenden Formel (Punkt 2.2. und Punkt 2.3. der Anlage) kann unter Berücksichtigung der aktuellen Verkehrsprognosen dazu führen, dass die Flughafenentgelte nominell um rund 40% gegenüber des aktuellen Wertes sinken. Diese spezielle Krisensituation war bei der Erarbeitung der Formel nicht abzusehen und keinesfalls intendiert. Im Zuge einer befristeten Anpassung der Formel aufgrund der aktuellen Krisensituation soll einem derartigen starken Verfall der Entgelte entgegengewirkt werden. Die Flughafenentgelte werden vorübergehend um die Inflation auf dem Flughafen Wien sowie um die Inflation+0,5 auf den Flughäfen Graz, Innsbruck, Klagenfurt, Linz und Salzburg angepasst. Diese Regelung soll grundsätzlich mit dem Ablauf des 31. Dezember 2026 enden. Das bedeutet, dass das Flughafenleitungsorgan im Rahmen seines Antrages für die Entgeltordnung 2027 – welcher während des Jahres 2026 zu erfolgen hat – wieder zur bestehenden Formel gemäß der Anlage zurückzukehren hat. Sollte sich die Branche jedoch rascher erholen, ist eine schnellere Rückkehr zur bestehenden Formel vorgesehen. Das ist dann der Fall, wenn ein dreijähriger Durchschnitt der Verkehrsmenge (MTOW, Treibstoffmenge, Passagierzahl) den dreijährigen Durchschnitt von 1.8.2016 bis 31.7.2019 übersteigt.

Zu Z 9 (§ 22 Abs. 5):

Mit der Übergangsbestimmung im Hinblick auf die Verpflichtung gemäß § 4a soll den Flughafenleitungsorganen Zeit eingeräumt werden, die dazu erforderlichen Maßnahmen zu entwickeln und deren Umsetzung vorzubereiten.