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JAHRESVORSCHAU 2022
DES BUNDESMINISTERIUMS FÜR LANDESVERTEIDIGUNG
AUF GRUNDLAGE DES
LEGISLATIV- UND ARBEITSPROGRAMMES DER EUROPÄISCHEN KOMMISSION FÜR 2022
UND
DES PROGRAMMES DES RATES
(FRANKREICH, TSCHECHISCHE REPUBLIK, SCHWEDEN)
Zum Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2022 – Europa gemeinsam stärker machen
Die Schwerpunkte des Arbeitsprogrammes der Europäischen Kommission für 2022 liegen vor allem darin die Pandemie zu bekämpfen sowie im Einklang mit der Agenda 2030 der Vereinten Nationen und dem Übereinkommen von Paris den grünen und digitalen Wandel zu beschleunigen und eine gerechtere, resilientere und kohäsivere Gesellschaft zu schaffen.
Unter den „Neuen Initiativen“ (Anhang I des Arbeitsprogrammes der Europäischen Kommission für 2022) findet sich unter dem Kapitel „Ein Europa für das digitale Zeitalter“ das Vorhaben Nr. 8 „Fahrplan für Sicherheits- und Verteidigungstechnologien“. Dazu erläutert die Europäische Kommission auf Seite 8 des Arbeitsprogrammes näher:
„Die Kommission wird ein Verteidigungspaket ausarbeiten, das unter anderem einen Fahrplan für Sicherheits- und Verteidigungstechnologien umfassen wird, mit dem Forschung, technologische Entwicklung und Innovation gefördert und die strategischen Abhängigkeiten der EU bei kritischen Technologien und Wertschöpfungsketten im Sicherheits- und Verteidigungssektor verringert werden sollen.“
Dieses nicht legislative Vorhaben berührt thematisch indirekt den Europäischen Verteidigungsfonds (EDF). Um eine gesamtstaatliche Koordination und Abstimmung des Themengebietes EDF sicherzustellen, wurde ein informeller, interministerieller Beirat gegründet, der alle relevanten nationalen Stakeholder beinhaltet. Dementsprechend kommentiert das BMLV das Vorhaben Nr. 8 wie folgt:
1. Grundlagen
Das Ziel des EDF ist der Aufbau und die Stärkung der europäischen verteidigungsindustriellen Basis durch grenzübergreifende Kooperation.
Der EDF wird als eine wichtige Ergänzung zu den bestehenden Verteidigungsinitiativen Europas gesehen. Mit dem Fokus auf grenzüberschreitende Kooperation und dem Leitmotiv des konstruktiven Wettbewerbes wird der EDF zur technologischen Souveränität Europas im Sinne einer strategischen Autonomie beitragen. Es liegt jedoch an jedem Mitgliedstaat, die Chancen des EDF zu erkennen und entsprechend zu nutzen. Österreich als exportorientiertes Land mit über 90% KMU-Anteil muss den EDF nutzen und den heimischen Entitäten die Teilnahme daran ermöglichen. In EDF werden maßgeblich die Technologien zur militärischen Fähigkeitenentwicklung der Zukunft gestaltet. Dementsprechend sieht das BMLV den EDF als von gesamtstaatlichem Interesse und verfolgt einen „Whole-of-Government“-Ansatz.
Bei der Auswahl der Prioritäten wurde, im Hinblick auf die Weiterentwicklung des Bundesheeres der Fokus auf die Digitalisierung der Streitkräfte gelegt. Damit soll langfristig die Fähigkeit zur Integration von modernen, digitalisierten Systemen und Plattformen geschaffen und der notwendige Aufbau der Cyber- und Informationskräfte unterstützt werden. Damit werden insgesamt auch die Ziele des grünen und digitalen Wandels im Bundesheer unterstützt.
Neben der offensichtlich politisch-militärischen Relevanz dieser Thematik[1] bieten die Themengebiete zahlreiche Anknüpfungspunkte zu bereits bestehenden nationalen Forschungs- und Entwicklungsprojekten (KIRAS/FORTE) als auch zu internationalen Projekten der Europäischen Verteidigungsagentur (EDA). Abgesehen von diesen Schwerpunkten werden etablierte österreichische Fähigkeitsbereiche, wie die ABC-Abwehr, weiter gestärkt. Das BMLV hat in Vorbereitung auf den EDF die Teilnahme an Projekten nach klaren Fähigkeitsanforderungen des Bundesheeres sowie der wirtschaftlichen Kompetenz Österreichs beurteilt.
2. Verbindung zum Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2022
Die zunehmende Bedeutung der Verteidigungsforschung und – Entwicklung auf europäischer Ebene wir durch die Schaffung einer neuen Generaldirektion für Verteidigungsindustrie und Weltraum (DG DEFIS) verdeutlicht. Die DG DEFIS ist federführend für die Umsetzung des EDF zuständig, welcher maßgeblich zur strategischen Autonomie Europas im Verteidigungsbereich beitragen wird. Denn erstmals in der Geschichte der EU stehen beträchtliche Steuermittel für den Verteidigungsbereich im Rahmen kompetitiver Ausschreibungen zur Verfügung. Österreich erarbeitet gemeinsam mit den europäischen Partnerländern und der Europäischen Kommission jährliche Arbeitsprogramme entlang konkreter Fähigkeitsinteressen. Konsortien aus mindestens drei Entitäten aus mindestens drei Ländern können sich auf diese Ausschreibungen bewerben. Die grenzübergreifende Kooperation und der Wettbewerb zwischen Konsortien steht also im Fokus. Das soll dazu beitragen, die starren Verhaltensmuster in der Beschaffungspolitik der Mitgliedsstaaten aufzubrechen und gleichzeitig wettbewerbsfähige Produkte für den Weltmarkt zu fördern. Der EDF bietet in seiner Struktur jedoch auch Platz für sogenannte disruptive und emergente Forschungsthemen, welche für einzelne Mitgliedstaaten nicht alleine tragbar wären.
Besonders die Innovationsfähigkeit Europas muss im Verteidigungsbereich gestärkt werden. Instrumente wie die Foreign-Direct-Investment-Regulierung können verhindern, dass europäisches Know-How abfließt, sowie innovative Start-Ups an US-amerikanische und chinesische Investoren verkauft werden. Neuen Ideen und innovativen Lösungen im Verteidigungsbereich muss jedoch besser der Boden bereitet werden.
Dementsprechend wird das Vorhaben der Europäischen Kommission positiv gesehen und begrüßt. Grundsätzlich wird es aber notwendig sein, die Rolle der Europäischen Kommission in Hinblick auf Verteidigungsforschung und Zuständigkeiten im Verteidigungsbereich zu diskutieren, vor allem da in diesem Bereich die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten berührt wird.
3. Verbindung zum Trioprogramm des Rates
Auch das Trioprogramm des Rates beinhaltet einen direkten Bezug auf den EDF. Ziel der kommenden drei Präsidentschaften wird es sein, eine bessere Kohärenz zwischen den aktuellen EU-Verteidigungsinitiativen zu fördern: der Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (PESCO), der koordinierten jährlichen Überprüfung der Verteidigung (CARD) und dem EDF. Diese Initiativen sollten auch mit dem Ziel umgesetzt werden, kritische Kapazitätsengpässe und strategische Abhängigkeiten zu reduzieren, insbesondere im Hinblick auf emergente und disruptive Technologien und kritische Wertschöpfungsketten.
Der Vielzahl an verschiedenen europäischen Initiativen fehlt eine koordinierende Zusammenschau, welche die unterschiedlichen Perspektiven, Ausrichtungen und Zielvorstellungen der Initiativen besser abstimmt und lenkt. Im Hinblick auf das „single set of forces“ ist es von zentraler Bedeutung Kapazitäten und Ressourcen zielgerichtet einzusetzen. Dementsprechend sind Kohärenzbemühungen von großer Bedeutung und liegen im Interesse des BMLV.
4. Wichtige Termine 2022
12./13. Jänner 2022: Informelles Treffen der Verteidigungsminister
21. März 2022: Rat Auswärtige Angelegenheiten (Verteidigung)
24./25. März 2022: Europäischer Rat
17. Mai 2022: Rat Auswärtige Angelegenheiten (Verteidigung)
[1] Vgl. Fiott, Daniel (2020): Digitalising Defence – Protectiong Europe in the age of quantum computing and the cloud, EUISS/ Münchner Sicherheitskonferenz, et. al. (2017): More European, More Connected and More Capable / EPSC (2019): Rethinking Strategic Autonomy in the Digital Age.