Inhaltsverzeichnis

1. Europa und Europäische Union. 5

1.1 Europäische Union. 5

1.1.1 Österreich in den Institutionen der Europäischen Union und Ständige Vertretung Österreichs bei der Europäischen Union. 5

1.1.2 Die Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union. 9

1.1.2.1 Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) 9

1.1.2.2 Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP). 10

1.1.2.3 Die Erweiterung der Europäischen Union. 11

1.1.2.4 Maßnahmen gegen Extremismus und Terrorismus. 17

1.1.2.5 Cyber-Sicherheit und hybride Bedrohungen. 18

1.1.3 Rechtsstaatlichkeit in den EU-Mitgliedstaaten. 19

1.1.4 EU- und Europa-Kommunikation. 20

1.1.5 Die Konferenz zur Zukunft Europas. 21

1.2 Österreichs Nachbarschaft und regionale Schwerpunkte. 22

1.2.1 Nachbarstaaten Österreichs. 22

1.2.2. Südtirol 41

1.3 Südosteuropa bzw. Westbalkanstaaten. 43

1.4 Die östliche Nachbarschaft der Europäischen Union und Türkei 51

1.4.1 Russland. 51

1.4.2 Östliche Partnerstaaten. 54

1.4.3. Türkei 63

1.4.4 Zentralasien. 66

1.5 Die südliche Nachbarschaft der Europäischen Union. 70

1.5.1 Nordafrika. 70

1.5.2 Naher Osten. 73

2. Entwicklungen auf anderen Kontinenten. 76

2.1 Mittlerer Osten und Arabische Halbinsel 76

2.2 Afrika südlich der Sahara und Afrikanische Union. 79

2.3 Amerika. 89

2.3.1 Vereinigte Staaten von Amerika (USA). 89

2.3.2 Kanada. 94

2.3.3 Lateinamerika und Karibik. 96

2.4 Asien. 100

2.4.1 Volksrepublik China. 101

2.4.2 Nordostasien. 102

2.4.3 Süd- und Südostasien. 104

2.5 Australien und Ozeanien. 108

3. Multilaterales Engagement Österreichs. 110

3.1 Vereinte Nationen und ihre Sonderorganisationen. 110

3.1.1 Generalversammlung. 110

3.1.2 Sicherheitsrat. 117

3.1.3 Internationaler Gerichtshof. 123

3.1.4 Sonderorganisationen der Vereinten Nationen. 124

3.2 Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). 129

3.2.1 Regionalfragen und Feldaktivitäten. 130

3.2.2 Wahlbeobachtung. 132

3.2.3 Die Sicherheitspolitische Dimension. 133

3.2.4 Die Wirtschafts- und Umweltdimension. 134

3.2.5 Die Menschliche Dimension - Menschenrechte. 135

3.2.6 Regionale Partnerschaften. 136

3.3 Europarat. 136

3.3.1 Politische Themen. 136

3.3.2 Überprüfung der Einhaltung von Verpflichtungen der Mitgliedstaaten. 138

3.3.3 Österreich und der Europarat. 140

3.4. Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). 141

3.5 Österreich als Sitz internationaler Organisationen. 150

3.5.1 Bedeutung des Amtssitzes. 150

3.5.2 Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO). 152

3.5.3 Vorbereitende Kommission der Organisation des Vertrages über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (CTBTO) 153

3.5.4 Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (UNIDO). 154

3.5.5 Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) 154

3.5.6. Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC). 156

3.6. Menschenrechte. 157

3.6.1 Schwerpunkte. 158

3.6.2 Menschenrechte in den Vereinten Nationen. 168

3.6.2.1 Mitgliedschaft im VN-Menschenrechtsrat. 168

3.6.3 Menschenrechte in der Europäischen Union. 175

3.6.4. Menschenrechte im Europarat. 177

3.6.5 Internationaler Strafgerichtshof. 179

3.7 Klimaschutz, Umwelt und Energiefragen. 179

3.7.1 Klimawandel und Klimapolitik. 180

3.7.2. Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) 181

3.7.3. Globale Umweltschutzabkommen und –initiativen. 181

3.7.4. Nachhaltige Energie. 184

3.7.5. Nukleare Sicherheit. 185

3.8 Internationale Abrüstung und Rüstungskontrolle. 187

3.8.1 Risiken von Massenvernichtungswaffen. 187

3.8.2          Umgang mit konventionellen Waffen. 192

3.8.3 Multilaterale Exportkontrolle. 195

3.9 North Atlantic Treaty Organisation (NATO). 197

4. Österreichische Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Angelegenheiten. 198

4.1 Schwerpunkte. 202

4.2 Bilaterale Entwicklungszusammenarbeit. 204

4.3 Multilaterale Entwicklungszusammenarbeit. 209

4.4 Humanitäre Hilfe und Katastrophenhilfe. 210

4.4.1 Bilaterale humanitäre Hilfe. 211

4.4.2 Multilaterale humanitäre Hilfe und Europäische Union. 213

4.5. Humanitäres Völkerrecht. 215

5. Außenwirtschaft. 216

5.1 Außenwirtschaftsstrategie. 218

5.2 Bilaterale Außenwirtschaftspolitik. 218

5.3 Multilaterale Außenwirtschaftspolitik. 219

5.4. Unternehmensservice. 222

5.4.1. Die Initiative ReFocus Austria. 223

6. Konsularisches. 224

6.1 Arbeitsfelder der Konsularsektion. 224

6.2 Bürgerservice und operatives Krisenmanagement im Ausland. 224

6.3 Allgemeine Konsular- und Rechtsfragen. 225

6.4 Die Auslandsösterreicherinnen und Auslandsösterreicher. 226

6.5. Visa und Aufenthaltsangelegenheiten. 231

6.6. Asylfragen und externe Aspekte der Migration. 232

6.7. Grenzangelegenheiten im Zeichen der COVID-19-Pandemie. 236

7. Internationale Kulturangelegenheiten. 236

7.1 Schwerpunkte und Projekte. 237

7.2 Wissenschaft, Bildung und Sprache. 241

7.3 Interkultureller und Interreligiöser Dialog. 244

7.4 Bilaterale Abkommen in den Bereichen Kultur, Bildung und Wissenschaft. 245

7.5 Auslandskulturarbeit im Rahmen der Europäischen Union und der UNESCO.. 246

7.6 Multilaterale wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit. 249

7.7 Österreich-Bibliotheken. 250

7.8 Der historische Dienst im Außenministerium.. 252

7.9 International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA), Fragen der NS-Vergangenheit und Zukunftsfonds  253

8. Österreichischer Auswärtiger Dienst. 255

8.1 Arbeitgeber Außenministerium.. 255

8.2 Budget des Außenministeriums. 258

8.3 Weltweite Infrastruktur und Digitalisierung. 260

8.4 Vertretungsbehörden und Honorarkonsulate. 261

8.5 Organigramm.. 262

8.6 Österreichische Dienststellen (Berufsvertretungen) und deren Leiterinnen und Leiter. 262

8.7 Exkurs: Diplomatische Akademie Wien. 269

 


1. Europa und Europäische Union

 

1.1 Europäische Union

 

1.1.1 Österreich in den Institutionen der Europäischen Union und Ständige Vertretung Österreichs bei der Europäischen Union

 

Inhaltliche Fragen der Europäischen Union (EU), insbesondere auch grundsätzlicher und institutioneller Natur, werden in gemeinsamer Zuständigkeit vom Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten (BMEIA) und dem Bundeskanzleramt (BKA) betreut.

 

Die Ständige Vertretung Österreichs bei der Europäischen Union

 

Die Ständige Vertretung Österreichs bei der EU, eine nachgeordnete Dienststelle des BMEIA, ist die zentrale Kontaktstelle Österreichs zu den Institutionen der Union und zur Ratspräsidentschaft. Die Ständige Vertretung umfasst Expertinnen und Experten aller Bundesministerien, der Verbindungsstelle der Bundesländer, der Nationalbank, sowie der Sozialpartner und Interessenvertretungen (Wirtschaftskammer, Bundesarbeitskammer, Landwirtschaftskammer, Gewerkschaftsbund, Gemeindebund, Städtebund,- und Industriellenvereinigung).

 

Die wichtigste Aufgabe der Ständigen Vertretung ist es, Österreich bei der Vorbereitung der politischen und legislativen Entscheidungen der EU zu vertreten und die österreichische Bundesregierung, die zuständigen Behörden und das österreichische Parlament über die Vorhaben auf europäischer Ebene entsprechend den rechtlichen Grundlagen zu informieren. Die Verhandlungen der politischen und legislativen Entscheidungen der EU erfolgen in den zuständigen Ratsarbeitsgruppen und Ausschüssen, die insgesamt ca. 4.500 Mal pro Jahr tagen und an denen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ständigen Vertretung oder der Bundesministerien teilnehmen. Anschließend müssen Verhandlungsergebnisse in der Regel noch die Botschafterebene, gegebenenfalls das Politische und Sicherheitspolitische Komitee (PSK) sowie den Ausschuss der Ständigen Vertreter (ASTV) passieren, bevor sie auf Ministerebene formell beschlossen werden können. Aufgrund der Einschränkungen der Personenkontakte im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie wurden viele Arbeiten des Rates in Form von informellen Videokonferenzen und die Beschlussfassung im Wege von schriftlichen Verfahren organisiert.

 

Zu den Aufgaben der Ständigen Vertretung gehört auch, interessierten Bürgerinnen und Bürgern Einblick in die Arbeit der Ständigen Vertretung und den EU-Institutionen zu ermöglichen und das Verständnis der Öffentlichkeit für die Funktionsweise und die Bedeutung der EU zu erhöhen. Aufgrund der besonderen Situation in Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie waren die physischen Besuche weiterhin eingeschränkt. Insgesamt wurden 74 Besuchergruppen (3.326 Personen) vom Besuchs- und Informationsdienst der Ständigen Vertretung betreut. Die Ständige Vertretung unterstützt auch österreichische Interessentinnen und Interessenten bei ihren Bewerbungen in Brüssel, u.a. durch Bekanntmachung der von der Europäischen Kommission ausgeschriebenen Stellen für nationale Expertinnen und Experten, Praktikumsmöglichkeiten in Ministerien, Länderbüros oder Universitäten.

 

Das Europäische Parlament

 

Österreich ist mit 19 Abgeordneten im Europäischen Parlament vertreten. Die Abgeordneten verteilen sich wie folgt: ÖVP 7, SPÖ 5, FPÖ 3, GRÜNE 3 und NEOS 1. Im Europäischen Parlament sind 144 Österreicherinnen und Österreicher tätig, das entspricht 1,4 % des Gesamtpersonalstandes.

 

Der Europäische Rat

 

Im Europäischen Rat wurde Österreich von den Bundeskanzlern Sebastian Kurz, Alexander Schallenberg und Karl Nehammer vertreten. Es fanden insgesamt acht Tagungen des Europäischen Rates, sowohl physisch als auch virtuell, statt. Videokonferenzen der Mitglieder des Europäischen Rates fanden am 21. Jänner, 25. und 26. Februar, 25. März und 20. Oktober statt. Eine außerordentliche Sitzung fand am 24. und 25. Mai statt. Reguläre Sitzungen wurden am 24. und 25. Juni, 21. und 22. Oktober und 16. Dezember abgehalten. Darüber hinaus fand ein informelles Treffen am 7. und 8. Mai statt.

 

Der Rat

 

Im Rat der EU wird Österreich durch die jeweils fachlich zuständigen Mitglieder der Bundesregierung vertreten. Im ersten Halbjahr 2021 hatte Portugal und im zweiten Halbjahr Slowenien den turnusmäßigen Ratsvorsitz inne.

 

Ein zu Beginn des neuen europäischen Legislativzyklus gestarteter Reflexionsprozess auf AStV-Ebene über die Arbeitsmethoden des Rates wurde im Februar zu Ende geführt. Mit dem Ziel, seine Rolle gemäß den Verträgen bestmöglich zu erfüllen, führte der Rat technische Analysen und ausführliche Konsultationen zu seinen Vorbereitungsgremien durch und beschloss eine seit 1. Juli geltende Anpassung der Liste bzw. der Mandate der Ratsarbeitsgruppen.

 

Im Rat für Auswärtige Angelegenheiten (RAB), in dem die Außenministerinnen und Außenminister der Mitgliedstaaten zusammenkommen, wurde Österreich durch die Bundesminister Alexander Schallenberg und Michael Linhart vertreten. In dieser Ratsformation führt der Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, der auch einer der sechs Vizepräsidentinnen und Vizepräsidenten der Europäischen Kommission ist (HV/VP), den Vorsitz. Insgesamt fanden 14 Sitzungen bzw. Videokonferenzen (einschließlich des informellen Treffens, auch Gymnich-Format genannt) der Außenministerinnen und Außenminister statt. Zusätzlich fanden jeweils drei Tagungen bzw. Videokonferenzen in den Formaten Entwicklungszusammenarbeit und Handel sowie fünf Tagungen bzw. Videokonferenzen im Format Verteidigung statt. Im Generalsekretariat des Rates sind 29 Österreicherinnen und Österreicher tätig, das entspricht 0,9 % der Gesamtbeschäftigten.

 

Die Europäische Kommission

 

Der seit 10. Februar 2010 amtierende österreichische EU-Kommissar, Bundesminister a.D. Johannes Hahn, ist seit 1. Dezember 2019 EU-Kommissar für Haushalt und Verwaltung in der Kommission von Präsidentin Ursula von der Leyen.

 

In der Europäischen Kommission sind 481 Österreicherinnen und Österreicher beschäftigt, was einem Anteil von 1,5 % am gesamten Personal entspricht.

 

Der Europäische Auswärtige Dienst

 

Der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) wurde Ende 2010 durch Zusammenlegung der Kommissions- und Ratsdienststellen für Außenpolitik und Einbindung von Diplomatinnen und Diplomaten der nationalen diplomatischen Dienste gebildet. Mit 1. Dezember sind 394 Angehörige der diplomatischen Dienste der EU-Mitgliedstaaten im EAD tätig, davon 210 in der Zentrale und 184 in den Delegationen. Der EAD verfügt über einen Personalstand von 2.740 Personen, davon 66,4 % in der Zentrale in Brüssel und 33,6 %, im weltweiten Netz der 140 Delegationen und Büros der Union. Unter Berücksichtigung aller Verwendungsgruppen, die unter das EAD-Budget fallen (Planstellen, Vertragsbedienstete und sekundierte nationale Expertinnen und Experten) sind derzeit 54 Österreicherinnen und Österreicher im EAD tätig. Durchschnittlich entspricht dies einer Quote von 2 % in den genannten Kategorien.

 

Der Gerichtshof der Europäischen Union

 

Seit März 2019 ist Andreas Kumin österreichischer Richter am Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Nach der Erhöhung der Anzahl der Richterinnen und Richter beim Gericht der EU (EuG) auf insgesamt 54 sind Viktor Kreuschitz (seit September 2013) und Gerhard Hesse (seit September 2019) die beiden österreichischen Richter.

 

Die Vertretung der Republik Österreich vor dem Gerichtshof der EU, bestehend aus dem EuGH und EuG, wird von Prozessbevollmächtigten des Verfassungsdienstes des BKA wahrgenommen. Von österreichischen Gerichten wurden 29 neue Vorabentscheidungsverfahren (das heißt Befassungen des EuGHs durch ein nationales Gericht zum Zweck der Auslegung von Unionsrecht) gestellt.

 

Gegen die Republik Österreich war ein Vertragsverletzungsverfahren wegen behaupteter Verstöße gegen das Unionsrecht gerichtsanhängig. Dieses betraf Verstöße gegen Verpflichtungen, die sich aus Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit und aus Verordnung (EU) Nr. 492/2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union ergeben. Mit Urteil im Vertragsverletzungsverfahren zur Richtlinie 2006/112/EG zu besonderen Mehrwertsteuervorschriften für Reisebüros entschied der EuGH, dass Österreich seine Verpflichtungen aus der Mehrwertsteuer-Richtlinie verletzt hatte. Der EuGH hat die von der Europäischen Kommission eingebrachte Vertragsverletzungsklage wegen Errichtung eines Bürogebäudes ohne Durchführung eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens (Wiener Wohnen) abgewiesen. In einem Verfahren zur österreichischen Nichtigkeitsklage gegen den Beihilfenbeschluss der Europäischen Kommission in Bezug auf das ungarische KKW Paks II steht eine Entscheidung des EuGHs noch aus.

 

Der Ausschuss der Regionen

 

Der Ausschuss der Regionen (AdR) nimmt als beratendes Gremium und Forum für die Vertretung regionaler und lokaler Interessen im Zusammenhang mit der europäischen Integration an der Diskussion über Europa und dessen Mitgestaltung teil. Österreich ist mit zwölf Mitgliedern vertreten, wobei auf jedes Bundesland ein Sitz und auf die Städte und Gemeinden insgesamt drei Sitze entfallen.

 

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss

 

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (WSA) ist ein beratendes Gremium. Er bindet die Interessensvertretungen des wirtschaftlichen und sozialen Lebens in den Rechtsetzungsprozess der EU ein. Die Mitglieder sind organisatorisch in die Gruppen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und „Verschiedene Interessen“ sowie inhaltlich in sechs Arbeitsgruppen gegliedert. Österreich ist mit zwölf Mitgliedern vertreten, bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern der Sozialpartner und des Vereins für Konsumentenschutz.

 

1.1.2 Die Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union

 

1.1.2.1 Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP)

 

Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) ist der Rahmen für die Behandlung von relevanten außenpolitischen Themen und Entwicklungen durch die EU Mitgliedstaaten. Entscheidungen in der GASP fallen in der Regel einstimmig (mit der Möglichkeit einer konstruktiven Stimmenthaltung) im monatlich tagenden RAB. Der Europäische Rat gibt die strategischen Leitlinien vor. Ein sehr wichtiger Teil der GASP ist auch die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP).

 

Das Gremium für die laufenden Beratungen über die internationalen außen- und sicherheitspolitischen Entwicklungen ist das PSK. Dieses trifft sich in der Regel zweimal in der Woche in Brüssel und ist aus Vertreterinnen und Vertretern der Mitgliedstaaten zusammengesetzt. Es überwacht auch die Durchführung der vereinbarten Politiken und hat die strategische Leitung bei GSVP-Missionen und Operationen inne.

 

Der Spanier Josep Borrell i Fontelles (in der Folge Josep Borrell) ist HV/VP. Er sitzt dem RAB vor und kann für die EU-Mitgliedstaaten Erklärungen zu tagespolitischen Ereignissen abgeben.

 

Auf Vorschlag des HV/VP kann der Rat für besondere politische Fragen Sonderbeauftragte der EU (EUSB) ernennen. 2021 bestanden Mandate für insgesamt neun EUSB: Für die Sahelregion, das Horn von Afrika, Zentralasien, Kosovo, den Südkaukasus und den Konflikt in Georgien, den Nahostfriedensprozess, sowie für Menschenrechte. Sonderbeauftragter für Bosnien und Herzegowina ist der Österreicher Johann Sattler. Im Mai wurde der Niederländer Sven Koopmans mit der Funktion des Sonderbeauftragten für den Nahostfriedensprozess betraut. Weiters wurden mit 1. Juli die finnische Diplomatin Terhi Hakala zur Sonderbeauftragten für Zentralasien und die deutsche Wissenschaftlerin Annette Weber zur Sonderbeauftragten für das Horn von Afrika ernannt. Die italienische Politikerin Emanuela Del Re fungiert seit 1. Juli als Sonderbeauftragte für die Sahelregion.

 

1.1.2.2 Die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP)

 

Die mit dem Vertrag von Lissabon umgestaltete und gestärkte GSVP ist integraler Bestandteil der GASP. Die Globale Strategie für die Außen- und Sicherheitspolitik der EU (EU-Globalstrategie, EUGS) von 2016 führte unter anderem zur Definition eines neuen EU-Ambitionsniveaus im Bereich Sicherheit und Verteidigung mit den drei strategischen Prioritäten: (I) Reaktion auf externe Konflikte und Krisen, (II) Kapazitätenaufbau für von Fragilität/Instabilität betroffene Partnerländer und (III) Schutz der Union und ihrer Bürgerinnen und Bürger. Österreich setzt sich für die Weiterentwicklung und Stärkung der GSVP auf Grundlage der EUGS ein und verfolgt dabei einen umfassenden Sicherheitsansatz mit Fokus auf Prävention und Resilienz sowie die Verknüpfung von inneren und äußeren sowie von zivilen und militärischen Sicherheitsaspekten.

 

Im März wurde mit der Europäischen Friedensfazilität (EFF) ein neues außerbudgetäres EU-Finanzierungsinstrument geschaffen, das den früheren Athena-Mechanismus (Mechanismus zur Finanzierung gemeinsamer Militäroperationen der EU-Mitgliedstaaten im Bereich der GSVP) und die Afrikanische Friedensfazilität ersetzt. Im Mai wurden Ratsschlussfolgerungen zu Sicherheit und Verteidigung angenommen. Darin bekräftigt der Rat seine Entschlossenheit, die Umsetzung der Sicherheits- und Verteidigungsagenda der EU voranzubringen, damit die EU mehr Verantwortung für ihre Sicherheit übernehmen kann. In Umsetzung der Ratsschlussfolgerungen zu Sicherheit und Verteidigung vom Juni 2020 legte HV/VP Josep Borrell im November den Erstentwurf des Strategischen Kompasses für Sicherheit und Verteidigung vor. Dieses Grundsatzdokument soll der Umsetzung des in der EUGS festgelegten Ambitionsniveaus dienen und klare Ziele und Umsetzungsfristen definieren. Im Mittelpunkt stehen dabei das Krisenmanagement, die Entwicklung ziviler und militärischer Fähigkeiten, die Stärkung der Resilienz und der Ausbau der EU-Partnerschaften mit anderen internationalen Organisationen und Drittstaaten.

 

Im Rahmen der 2017 eingerichteten Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit (SZZ) beteiligt sich Österreich gegenwärtig als Projektkoordinator an einem Projekt im Bereich ABC-Schutz und -Abwehr sowie an sechs Projekten als Teilnehmer und an zwei Projekten als Beobachter.

 

Im November fand die dritte Überprüfungskonferenz zum EU-Pakt für die zivile GSVP statt. Zu diesem Thema nahm der RAB im Dezember erneut Schlussfolgerungen an, in denen Anleitungen für die weitere Arbeit des EAD, der Europäischen Kommission und der Mitgliedstaaten gegeben werden. Österreich (BMEIA in Verbindung mit dem Austrian Institute of Technology) leitet seit Februar den Umsetzungs-Cluster „Forschung, Technologie, Innovation (FTI) und zivile GSVP“. Ziel des Clusters, an dem 17 Mitgliedstaaten sowie der EAD und die Europäische Kommission mitwirken, ist die Zusammenarbeit zwischen GSVP- und FTI-Akteurinnen und Akteuren, um technologische Innovationen verstärkt in zivilen GSVP Missionen zu nutzen.

 

Es gab folgende Missionen/Operationen im Rahmen der GSVP:

 

Zivile GSVP-Missionen:

 

·      EUAM Ukraine (mit österreichischer Beteiligung)

·      EUBAM Libyen (mit österreichischer Beteiligung)

·      EULEX Kosovo (mit österreichischer Beteiligung)

·      EUMM Georgien (mit österreichischer Beteiligung)

·      EUAM Irak

·      EUAM RCA (Zentralafrikanische Republik)

·      EUBAM Rafah (Palästinensische Gebiete)

·      EUCAP Sahel Mali

·      EUCAP Sahel Niger

·      EUCAP Somalia

·      EUPOL COPPS (Palästinensische Gebiete)

 

Militärische GSVP-Operationen und Missionen:

 

·      EUFOR Althea, Bosnien und Herzegowina (mit österreichischer Beteiligung)

·      EUNAVFOR MED Irini, südliches Mittelmeer (mit österreichischer Beteiligung)

·      EUTM Mali (mit österreichischer Beteiligung)

·      EUTM Mozambique (mit österreichischer Beteiligung)

·      EUNAVFOR Somalia Operation Atalanta, Horn von Afrika

·      EUTM RCA, Zentralafrikanische Republik

·      EUTM Somalia

 

1.1.2.3 Die Erweiterung der Europäischen Union

 

Der Europäische Rat kam 2003 in Thessaloniki überein, die europäische Ausrichtung der Länder Südosteuropas – des sogenannten Westbalkans – vorbehaltlos zu unterstützen. Auf dieser grundsätzlichen Zusage aufbauend bekräftigte der Europäische Rat im Dezember 2006, dass die Zukunft des Westbalkans in der EU liegt und billigte den „erneuerten Konsens über die Erweiterung“, der bis heute die EU-Erweiterungspolitik definiert. Diese vom Europäischen Rat festgehaltenen Prinzipien gründen auf der Prämisse der Berücksichtigung der Aufnahmefähigkeit der Union und betonen neben der Konsolidierung eingegangener Verpflichtungen auch die Einhaltung einer ebenso fairen wie strikten Konditionalität. Das bedeutet, dass Fortschritte im Erweiterungsprozess, wie etwa die Gewährung des Kandidatenstatus oder die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen an die Erfüllung klar definierter Vorgaben geknüpft sind. In den Beitrittsverhandlungen wird den als „fundamentals“ bezeichneten Bereichen Rechtsstaatlichkeit, Grundrechte, Verbesserung der wirtschaftspolitischen Steuerung und Reform der öffentlichen Verwaltung Priorität eingeräumt (Grundsatz „Wesentliches zuerst“). Für den Westbalkan besteht in Form der sogenannten Stabilisierungs- und Assoziationsabkommen, die die EU mit jedem der sechs Staaten der Region abgeschlossen hat, schon vor einem Beitritt eine breite vertragliche Grundlage für die Regelung und Weiterentwicklung der Beziehung der EU zu diesen Ländern.

 

Die im Vorjahr eingeführte neue Methodik für den Erweiterungsprozess für die Westbalkanstaaten wurde weiter in die Praxis umgesetzt. Obwohl sie in erster Linie für zukünftige Beitrittsländer bzw. Kandidatenländer, mit denen noch keine Beitrittsverhandlungen begonnen wurden, vorgesehen war, wird die neue Methodik in weiten Teilen bereits für Montenegro und Serbien angewendet. Kernelemente sind die Verstärkung der Glaubwürdigkeit durch vertrauensbildende Maßnahmen, eine stärkere politische Steuerung, ein dynamischerer Prozess durch die Zusammenfassung von Kapiteln in sechs thematische Cluster („fundamentals“; Binnenmarkt; Wettbewerb und inklusives Wachstum; Grüne Agenda und nachhaltige Konnektivität; Ressourcen, Landwirtschaft und Kohäsion; Auswärtige Beziehungen) und bessere Vorhersehbarkeit durch eine stärkere Konditionalität im Positiven wie im Negativen. Der Fokus wird noch stärker auf die “fundamentals“ gelegt, deren Umsetzung nun auch die Geschwindigkeit des Fortschritts in den anderen Bereichen bestimmt. Im Falle von Stagnation oder Rückschritten kann die EU nunmehr auf eine breitere Palette von Sanktionen zurückgreifen. Gleichzeitig sollen durch die Möglichkeit beschleunigter Integration bei entsprechenden Fortschritten neue Anreize geschaffen werden.

 

Das jährliche Erweiterungspaket mit den Länderberichten zu den sechs südosteuropäischen Beitrittswerbern sowie der Türkei wurde am 19. Oktober vorgelegt. Die Berichte zeigen ein gemischtes Bild: Zu Albanien und Nordmazedonien fielen sie positiv aus, da beide Staaten ihren Reformkurs fortsetzten und weiterhin die Bedingungen für die Eröffnung der Beitrittsverhandlungen erfüllen. Bei Serbien wurden moderate Fortschritte festgestellt, da sich das Reformtempo sichtbar erhöht hat, auch wenn die entsprechenden Maßnahmen in vielen Bereichen gerade erst initiiert wurden und daher noch begrenzte Resultate zeigen. In Montenegro, wo der Regierungswechsel 2020 und die darauffolgenden Entwicklungen auch spürbare Auswirkungen auf Parlament und Verwaltung haben, konnte ein mäßiger Reformfortschritt konstatiert werden. Betreffend Kosovo zeichnet der aktuelle Bericht im Vergleich zu dem sehr kritischen Vorjahresbericht ein positiveres Bild. In fast allen Bereichen sind unter der neuen Regierung zumindest gewisse Fortschritte zu verzeichnen. In Bosnien und Herzegowina schlugen sich die Bekenntnisse aller Regierungsebenen zum Ziel der EU-Mitgliedschaft noch nicht in Reformfortschritten nieder. Die Europäische Kommission empfahl wiederholt die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien. Aufgrund offener bilateraler Fragen zwischen Bulgarien und Nordmazedonien gelang es trotz intensiver Bemühungen der portugiesischen und slowenischen EU-Vorsitze nicht, einen Konsens über den Start der Beitrittsverhandlungen zu erzielen. Da die meisten der EU-Mitgliedstaaten nach wie vor dafür plädieren, die Verhandlungen mit beiden Ländern gleichzeitig zu starten, konnten auch mit Albanien die Verhandlungen nicht aufgenommen werden. Die europäische Einigung bliebe ohne den Westbalkan unvollständig. Die Heranführung der Staaten dieser Region an die EU bleibt eine zentrale Priorität der österreichischen Außenpolitik. Österreich setzt sich daher mit Nachdruck dafür ein, dass der Westbalkan kein weißer Fleck auf der Landkarte der EU bleibt.

 

Das vom slowenischen EU-Vorsitz organisierte Gipfeltreffen am 6. Oktober in Brdo (Slowenien) hatte zum Ziel, die Kooperation zwischen der EU und den Westbalkanstaaten in einem breiten, über den Beitrittsprozess hinausgehenden Themenspektrum – etwa in den Bereichen COVID-19-Bekämpfung, Außen- und Sicherheitspolitik, Migration sowie bei der Umsetzung des Wirtschafts- und Investitionsplans – zu fördern. Im Rahmen der Gipfelerklärung bekräftigten die EU-Mitgliedstaaten ihre Unterstützung für den Erweiterungsprozess.

 

Auch im Rahmen des RAB wurde eine neue Initiative zur Intensivierung der Zusammenarbeit mit den Westbalkanstaaten gesetzt. Die EU-Mitgliedstaaten wurden eingeladen, Vorschläge für den Ausbau von Kooperationsmöglichkeiten zu unterbreiten. Österreich erarbeitete gemeinsam mit seinen Partnern Tschechien und der Slowakei im Rahmen des Slavkov/Austerlitz- Formates einen umfassenden Katalog mit Schwerpunkt auf den Bereichen Jugend/Bildung/Forschung, Verbesserung der EU-Kommunikation und Sicherheit. Diese und die Vorschläge anderer Mitgliedstaaten sowie deren Umsetzung sind nun in weiterer Folge in den entsprechenden Ratsgremien zu diskutieren.

 

Österreich ist sich der zentralen Bedeutung und der Unverzichtbarkeit einer klaren EU-Perspektive für die friedliche und stabile Entwicklung des Westbalkans bewusst und setzt sich innerhalb der EU intensiv für Fortschritte im EU-Beitrittsprozess der sechs Staaten des Westbalkans ein. Um die notwendige Glaubwürdigkeit des EU-Beitrittsprozesses zu gewährleisten, müssen seitens der EU die Leistungen der Beitrittskandidaten durch konkrete Fortschritte im Beitrittsprozess gewürdigt werden. 

 

Österreich setzte sich nachdrücklich für die überfällige und rasche Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien ein und bedauert, dass keine entsprechende Entscheidung vom Rat der EU getroffen werden konnte. Diese erneute Verzögerung stellt aus österreichischer Sicht ein Versäumnis dar, welches das Vertrauen auf die Verlässlichkeit der EU in den Staaten Südosteuropas beschädigt und zu erheblicher Verunsicherung in der Region geführt hat. Der Wiener Westbalkan-Gipfel am 18. Juni, zu dem Bundeskanzler Sebastian Kurz eingeladen hatte, war ein wichtiges Zeichen für die österreichische Unterstützung der europäischen Perspektive dieser Region.

 

Österreich setzte sich auch für die Einbeziehung der Westbalkanstaaten in die Konferenz zur Zukunft Europas ein und konnte gemeinsam mit einigen EU-Partnern erreichen, dass Vertreterinnen und Vertreter aus dieser Region zur zweiten Plenarsitzung im Oktober eingeladen wurden. Ein weiterer wichtiger Beitrag in diesem Rahmen war eine vom österreichischen Parlament initiierte Konferenzreihe „Die Zukunft Europas aus der Sicht der Jugend des Westbalkans“. Der Ständige EU-Unterausschuss des Nationalrates lud gemeinsam mit dem EU-Ausschuss der französischen Nationalversammlung zu Treffen in Wien und Paris ein, um eine gemeinsam Debatte mit Jugendlichen aus den Westbalkanstaaten zu ermöglichen.

 

Konkrete Unterstützung im Heranführungsprozess leistete Österreich auch durch EU-finanzierte Verwaltungspartnerschaften (Twinnings) sowie kurzfristige Entsendungen von Expertinnen und Experten und Online-Veranstaltungen zur Stärkung der öffentlichen Verwaltung im Rahmen des Technical Assistance and Information Exchange Instrument (TAIEX). Österreich unterstützte durch Twinnings u.a. Montenegro beim Aufbau einer EU-kompatiblen Inventur der Schadstoffemissionen, Albanien im Bereich des Schutzes personenbezogener Daten und der Stärkung der Zollverwaltung, Bosnien und Herzegowina beim Aufbau des Veterinärsektors nach EU-Standards und bei Steuerthemen. Nordmazedonien wurde im Projekt EU 4 Fight Against Cybercrime, bei Fragen der Steuer- und Zollpolitik und Serbien bei der Einführung eines klimagerechten Forstmanagements und bei der Bekämpfung der High-Tech-Kriminalität unterstützt. Im Rahmen von TAIEX stellten Expertinnen und Experten österreichischer Behörden den Ländern der Region Fachwissen in den Bereichen Umwelt, Justiz und Inneres, Finanzen, Gesundheit sowie Steuer- und Zollwesen zur Verfügung.

 

Das EU-Instrument für Heranführungshilfe (IPA) ist das Finanzierungsinstrument, um die Kandidatenländer sowie die potentiellen Beitrittskandidaten auf die künftige Mitgliedschaft in der EU vorzubereiten und ihren Beitrittsprozess zu unterstützen. Die für den Zeitraum 2021–2027 geltende IPA III-Verordnung trat am 15. September in Kraft und sieht 14,2 Milliarden Euro vor. Ein Großteil der IPA-Mittel (bis zu 9 Milliarden Euro) soll für die Finanzierung des Wirtschafts- und Investitionsplans für den Westbalkan bereitgestellt werden. Im Rahmen dieses Plans sollen nachhaltige Investitionen in den Bereichen Transportnetzwerke, Energie, Klima, Umwelt, Digitalisierung, Förderung des Privatsektors und Humankapital zu einem langfristigen Wirtschaftswachstum in den Westbalkanstaaten beitragen. Der Plan stellt auch Garantien für Darlehen in Höhe von bis zu 20 Milliarden Euro in Aussicht. Die Zuweisung der IPA-Mittel hängt von den Reformfortschritten der Empfängerländer und ihren in den Evaluierungen und jährlichen Länderberichten der Europäischen Kommission erhobenen Bedürfnissen ab. Thematisch wird ein Fokus auf die Umsetzung der Grünen Agenda und des Wirtschafts- und Investitionsplans, aber auch auf dringende Reformen im Bereich der „fundamentals“ gelegt.

 

Laufende Beitrittsverhandlungen

 

Die Beitrittsverhandlungen mit Montenegro wurden im Juni 2012 mit besonderer Beachtung der Bereiche Rechtsstaatlichkeit, Justiz, Menschenrechte sowie Kampf gegen Korruption und organisierte Kriminalität begonnen. Bis Juni 2020 wurden alle 33 Verhandlungskapitel eröffnet, drei Kapitel wurden bisher provisorisch geschlossen. Entsprechend der neuen Methodik beeinflussen Fortschritte im Rechtsstaatlichkeitsbereich maßgeblich die Verhandlungsgeschwindigkeit auch in den anderen Bereichen. Montenegro muss nun prioritär die Zwischenkriterien in den Rechtsstaatlichkeitskapiteln 23 und 24 erfüllen, bevor ein weiterer Kapitelabschluss in Betracht gezogen werden kann.

 

Mit Serbien wurden Beitrittsverhandlungen im Jänner 2014 formell aufgenommen. Im Dezember gelang es, ein sogenanntes Cluster, das heißt einen thematischen Block von vier Verhandlungskapiteln im Bereich Grüne Agenda und nachhaltige Konnektivität (Cluster 4, das die Kapitel Verkehr, Energie, transeuropäische Netze sowie Umwelt und Klimawandel umfasst) zu öffnen. Insgesamt sind somit 22 von 35 Verhandlungskapiteln eröffnet, zwei Kapitel wurden bereits provisorisch geschlossen. Der Verhandlungsfortgang hängt, wie bei Montenegro, besonders stark von Fortschritten im Rechtsstaatlichkeitsbereich ab, darüber hinaus stellt auch die Normalisierung der Beziehungen zu Kosovo ein wichtiges Kriterium dar.

 

Die Beziehungen EU-Türkei

 

Nach dem Beitrittsgesuch im Jahr 1987 wurden die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei am 3. Oktober 2005 eröffnet. Seither wurden 16 Verhandlungskapitel (zuletzt Finanz- und Haushaltsbestimmungen 2016) eröffnet und ein Kapitel vorläufig geschlossen. Bei der seit 1995 bestehenden Zollunion zwischen der Türkei und der EU machten die EU-Erweiterungsrunden von 2004 und 2007 eine Einbeziehung der neuen EU-Mitgliedstaaten notwendig. Dafür wurde im Juli 2005 ein Zusatzprotokoll („Ankara-Protokoll“) zum Assoziationsabkommen aus dem Jahr 1963, bekannt als Abkommen von Ankara, unterzeichnet. In einer Erklärung betonte die Türkei, dass ihre Nicht-Anerkennung der Republik Zypern fortbestehe und sich die Zollunion nicht auf Zypern beziehe. Der Rat der EU hat diese Vertragsverletzung wiederholt kritisiert und im Dezember 2006 die teilweise Aussetzung der Beitrittsverhandlungen beschlossen. Bis zur vollen Umsetzung des Ankara-Protokolls durch die Türkei bleiben acht damit in Zusammenhang stehende Verhandlungskapitel ungeöffnet und es können keine Verhandlungskapitel geschlossen werden.

 

Der Länderbericht fällt erneut sehr kritisch aus und stellt fest, dass sich die Türkei weiterhin kontinuierlich von der EU entfernt. In den Bereichen Rechtsstaatlichkeit und demokratische Institutionen, Grundrechte, Zivilgesellschaft und Medienfreiheit waren weitere Verschlechterungen zu verzeichnen. Gleichzeitig wird festgehalten, dass die Türkei ein wichtiger Partner in wesentlichen Bereichen wie Migration, Terrorismusbekämpfung, Wirtschaft, Handel, Energie und Verkehr bleibt. Die Ratsschlussfolgerungen von Dezember halten erneut fest, dass die Beitrittsverhandlungen praktisch zum Stillstand gekommen sind und dass keine weiteren Kapitel eröffnet oder geschlossen werden können. Ein offener und ehrlicher Dialog in wichtigen Bereichen gemeinsamen Interesses soll jedoch aufrecht bleiben.

 

Österreich tritt für einen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ein, da sich die Türkei in den vergangenen Jahren immer weiter von der EU entfernt hat, u.a. was die demokratischen Mindeststandards betrifft.  Österreich schlägt in Anbetracht der zentralen Rolle der Türkei – unter anderem in den Bereichen Wirtschaft, regionale Entwicklung, Sicherheit und Migration – die Ausarbeitung eines Europäisch-Türkischen Nachbarschaftskonzepts vor.

1.1.2.4 Maßnahmen gegen Extremismus und Terrorismus

 

Der Terroranschlag vom 2. November 2020 in Wien führte in der ersten Jahreshälfte zu Gesetzesinitiativen auf innerstaatlicher Ebene zum sogenannten Anti-Terrorpaket mit Änderungen im Strafgesetzbuch, dem Strafvollzugsgesetz, dem Polizeilichen Staatsschutzgesetz und dem Sicherheitspolizeigesetz. Diese Maßnahmen wurden auf außenpolitischer Ebene durch einen intensivierten internationalen Informationsaustausch flankiert. Der Anschlag hat deutlich gemacht, wie wichtig die Vernetzung mit europäischen und internationalen Partnern im Kampf gegen extremistische Strömungen und Terrorismus ist. Im Rahmen des Slavkov/Austerlitz- Formates mit den Partnern Tschechien und der Slowakei sowie mit Belgien, Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und der Schweiz wurde die Zusammenarbeit in diesem Bereich ausgebaut.

 

Obwohl die Zahl von terroristischen Anschlägen in Europa im Vergleich zu 2020 gesunken ist, blieb die Bedrohung durch die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und andere terroristische Gruppierungen bestehen. Problemfelder wie die Radikalisierung in Gefängnissen, die Radikalisierung von Einzeltätern, die Verflechtungen zwischen organisiertem Verbrechen und Terrornetzwerken oder die Terrorismusfinanzierung stellen weiterhin eine Herausforderung dar. Die COVID-19-Pandemie erhöhte einerseits das Radikalisierungspotenzial und führte andererseits zu einer gewissen Verdrängung der Gefahr von extremistischen Anschlägen. Die zweite Jahreshälfte war im Bereich der Terrorismusbekämpfung maßgeblich von der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan geprägt. Anschläge des afghanischen Ablegers der Terrormiliz IS (IS-Khorasan-Provinz, ISKP) wirkten dort zusätzlich destabilisierend. Es gilt nun zu verhindern, dass sich Afghanistan – wie schon in den Jahren der ersten Taliban-Regierung von 1996 bis 2001 – zu einem neuen Epizentrum des internationalen Terrorismus und der organisierten Kriminalität entwickelt. Die Terrormiliz IS hat seit der Zerschlagung des Kalifats im Jahr 2019 ihre Aktivitäten in anderen Regionen wie der Sahelzone und Ostafrika intensiviert. Wirtschaftliche Probleme und Armut sowie schwache staatliche Strukturen, Korruption und Konflikte zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen begünstigen diesen Trend mit entsprechend negativen Folgewirkungen für Europa.

 

Österreich leistet als Mitglied der 84 Staaten und internationale Organisationen zählenden Globalen Koalition gegen den IS Unterstützung beim Aufbau staatlicher Strukturen in Syrien und Irak und bringt sich vor allem in den Bereichen „Stabilisierung“ und „ausländische Kämpferinnen und Kämpfer“ ein. Bei der Ministerkonferenz der Globalen Koalition am 28. Juni in Rom wurden die Zentralafrikanische Republik, die Demokratische Republik Kongo, Mauretanien und Jemen als neue Mitglieder aufgenommen. Der Fokus zukünftiger Aktivitäten soll sich verstärkt auf Gefahren in Afrika, insbesondere in Mosambik und Zentralafrika, richten.

 

Der Amtssitz Wien ist ein wichtiger Partner bei der Förderung von Frieden und Sicherheit sowie bei der Unterstützung in der Verbrechens- und Terrorismusbekämpfung. Das Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Wien, aber auch das Büro der Vereinten Nationen für Terrorismusbekämpfung (UNOCT) in New York haben dabei besondere Relevanz. Vom 28. bis 30. Juni fand in New York die zweite Konferenz der nationalen Terrorismusbekämpfungsbehörden statt, bei der die Kooperation in der Prävention betont wurde. Gleichfalls wurde die Resolution zur siebten Überprüfung der Umsetzung der Anti-Terrorismusstrategie der Vereinten Nationen (Global Counter-Terrorism Strategy, GCTS) im Konsens angenommen. Für Österreich waren dabei die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und Gender sowie die Rolle der Zivilgesellschaft in der Terrorismusbekämpfung wichtige Anliegen.

 

1.1.2.5 Cyber-Sicherheit und hybride Bedrohungen

 

Geopolitische Spannungen finden häufiger als zuvor auch im Cyberraum ihren Niederschlag. Cyberattacken werden meist als Teil von unterschwelligen Angriffen eingesetzt, da sie kostengünstig sind und ihre Urheberschaft oft nur schwer zu ermitteln ist. Die Cyber Diplomacy Toolbox der EU sieht diplomatische Maßnahmen vor, wie auf Völkerrechtsverletzungen im Cyberraum reagiert werden kann. Sie kam zum Einsatz, indem staatliche Akteure hinter schwerwiegenden Cyberangriffen öffentlich benannt wurden. 2020 waren erstmals restriktive Maßnahmen gegen Einzelpersonen und Unternehmen/Organisationen im Rahmen des Cybersanktionenregimes verhängt worden. In Umsetzung der EU-Cybersicherheitsstrategie vom Dezember 2020 wird an der Verbesserung der Cyberlagebilderfassung und der Netzwerk- und Informationssicherheit gearbeitet.

 

Die missbräuchliche Verwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien stellt eine Gefahr für die internationale Sicherheit dar. Die Normensetzungsprozesse zur Konfliktverhütung im Cyberraum auf Ebene der Vereinten Nationen (VN) wurden in der für alle offenen Open Ended Working Group (OEWG) zu Cybersicherheit sowie in der Gruppe von Regierungsexpertinnen und Regierungsexperten (GGE) mit 25 Mitgliedern weiterverfolgt. Ihre im März und Juli vorgelegten Empfehlungen tragen zur Vertiefung des gemeinsamen Verständnisses der Normen für verantwortungsvolles Staatenverhalten im Cyberraum bei und dienen als Grundlage für die von 2021­ bis 2025 eingesetzte neue OEWG. Im Mai konnte eine Einigung über die Modalitäten für die Ausarbeitung einer VN-Cybercrime Konvention erzielt werden, die seit Jänner 2022 abwechselnd in New York und Wien verhandelt wird. Die EU-Mitgliedstaaten wollen dabei einen offenen, sicheren und freien Cyberraum sicherstellen, in dem das Völkerrecht, Menschenrechte und Grundfreiheiten gelten. In der OSZE gehen die Arbeiten zur Umsetzung der 16 vertrauensbildenden Maßnahmen (CBM) zu Cybersicherheit, mit denen der OSZE international eine Vorbildfunktion zukommt, weiter. Österreich arbeitet im Rahmen der „Adopt a CBM“ Initiative an der Zusammenarbeit zwischen dem öffentlichen und privaten Sektor und stellte im November die österreichische Cybersicherheitsplattform als ein Modell dafür vor.

 

Zur Stärkung der internationalen Zusammenarbeit Österreichs in Angelegenheiten der Cyberdiplomatie hat das BMEIA einen Sonderbeauftragten für Cyber-Außenpolitik und Cyber-Sicherheit eingesetzt, der seine Tätigkeit im Mai aufgenommen hat. Zu seinen Aufgaben zählen die Delegationsleitung in multilateralen Verhandlungen und die Durchführung bilateraler Cyber-Dialoge sowie die Mitwirkung am EU-Netzwerk der Cyberbotschafter.

 

Konflikte werden immer stärker als hybride Aktivitäten staatlicher und nichtstaatlicher Akteure ausgetragen. Hybride Bedrohungen wirken destabilisierend, indem sie unterschiedliche Methoden der illegitimen Einflussnahme kombinieren und dabei meist unter der Schwelle eines bewaffneten Angriffs bleiben. Beispiele sind die Beeinflussung von Wahlen und öffentlicher Meinung durch Desinformationskampagnen, die Radikalisierung von Teilen der Gesellschaft, die Instrumentalisierung von Migration oder die gezielte Schaffung wirtschaftlicher Abhängigkeiten durch Investitionen. Die EU setzt bei der Bewältigung hybrider Bedrohungen auf Bewusstseinsbildung, die Stärkung der Resilienz, Prävention und Krisenreaktion sowie auf internationale Zusammenarbeit. Neben der Hybrid Fusion Cell als Teil des EU Intelligence and Situation Centre (INTCEN) im EAD hat dabei das Europäische Kompetenzzentrum zu hybriden Bedrohungen in Helsinki, dem Österreich 2018 beigetreten ist, eine wichtige Rolle. Aktuelle Bemühungen zielen auf eine Verbesserung der Reaktionsfähigkeit der EU auf hybride Bedrohungen ab.

 

Die Folgen von Desinformation durch ausländische Informationsmanipulation und Einflussnahme haben sich 2021 auch in Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie verstärkt manifestiert. Der Aktionsplan der EU gegen Desinformation von 2018 enthält Maßnahmen zur Sensibilisierung der Gesellschaft und Stärkung der Medienkompetenz und betont die weitere Stärkung der drei EAD-Task Forces für Strategische Kommunikation. Österreich beteiligt sich aktiv am EU-Frühwarnsystem zu Desinformation (RAS).

 

1.1.3 Rechtsstaatlichkeit in den EU-Mitgliedstaaten

 

Am 20. Juli legte die Europäische Kommission im Rahmen des seit 2020 angewandten Rechtsstaatsmechanismus ihren zweiten Jahresbericht zur Lage der Rechtsstaatlichkeit in der EU samt 27 Länderberichten vor. Mit den Jahresberichten hat die EU ihre Rechtsstaatlichkeits-Toolbox um ein wichtiges präventives Instrument erweitert. Darin legt die Europäische Kommission eine Gesamtbewertung der Lage der Rechtsstaatlichkeit in der EU vor und es werden alle Mitgliedstaaten in vier Bereichen bewertet: Justizsystem, Antikorruption, Medienpluralismus und institutionelle Fragen. Im RAA am 13. Oktober fand ein Austausch zum horizontalen Bericht der Europäischen Kommission statt und am 23. November wurden turnusgemäß die Länderberichte zu Italien, Kroatien, Lettland, Litauen und Zypern behandelt.

 

Die Verfahren nach Artikel 7 des Vertrages über die EU (Art. 7-Verfahren) gegen Ungarn und Polen wurden im Berichtsjahr fortgesetzt. Bei den Räten Allgemeine Angelegenheiten am 22. Juni, 21. September und 16. Dezember standen diese Verfahren auf der Tagesordnung.

 

1.1.4 EU- und Europa-Kommunikation

 

Das Ziel einer aktiven EU- und Europa-Kommunikation ist im österreichischen Regierungsprogramm verankert. Das BMEIA leistet hierzu in enger Kooperation mit dem BKA einen wichtigen Beitrag, indem es die Öffentlichkeit zu aktuellen europäischen und EU-Themen und den entsprechenden österreichischen Positionen informiert. Das Themenspektrum der EU- und Europa-Kommunikation des BMEIA umfasst insbesondere aktuelle Entwicklungen im Rahmen der GASP, der bilateralen und regionalen außenpolitischen Initiativen und Aktivitäten des Bundesministers und des BMEIA sowie serviceorientierte Auskünfte. Um diesen Auftrag zu erfüllen, hat das BMEIA zahlreiche eigene Initiativen, Veranstaltungen, Aussendungen und Medienkooperationen ins Leben gerufen und arbeitet mit Partnerinstitutionen wie der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik zusammen.

 

Neben zahlreichen anlassbezogenen Informationsinitiativen sind insbesondere der Europatag am 9. Mai, der Nationalfeiertag am 26. Oktober, der Beginn von Ratspräsidentschaften oder wichtige Tagungen und Konferenzen wesentliche Anlässe, um über die Bedeutung und Funktionsweise der europäischen Organisationen und Institutionen zu informieren. Der Fokus liegt auf aktuellen zentralen Vorhaben der EU, darunter die Strategische Agenda oder die Konferenz zur Zukunft Europas. Daneben sind zentrale österreichische außen- und europapolitische Anliegen, wie etwa die österreichische Nachbarschafts- und Erweiterungspolitik wesentliche Themen. Ein wichtiger Bestandteil der EU- und Europa-Kommunikation ist nach wie vor die Initiative „Europa fängt in der Gemeinde an“ (Europagemeinderäte-Initiative). Sie wurde im Jahr 2010 vom BMEIA und der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich in Kooperation mit dem Österreichischen Gemeindebund und dem Europäischen Parlament ins Leben gerufen. Diese Initiative wird nunmehr unter der Federführung des BKA weitergeführt. Das BMEIA trägt im Rahmen seines Themen- und Wirkungsbereichs die Initiative aktiv mit, u.a. durch die Beteiligung an Webinaren und der Erstellung von regelmäßigen Informationsbeiträgen über aktuelle Entwicklungen für den BKA-Newsletter und für das vom BKA geschaffene Magazin der Initiative „Unser Europa. Unsere Gemeinde“. Das BKA richtete eine eigene Website für die Initiative ein, die einen internen Bereich für die Europa-Gemeinderätinnen und Europa-Gemeinderäte bietet. Die in Kooperation mit der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik erarbeitete Wanderausstellung „EUROPA #wasistjetzt“ konnte trotz COVID-19-bedingten Beschränkungen an 32 österreichischen Schulen gezeigt werden.

 

Auf Grund der Pandemie fanden nur vereinzelt Präsenzveranstaltungen statt. Das BMEIA konnte dennoch 87 Veranstaltungen mit insgesamt über 13.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern – großteils online – organisieren oder bei Events von Partnerinstitutionen mitwirken. Über 40 BMEIA-Veröffentlichungen mit Informationen über aktuelle europapolitische Entwicklungen und Service-Leistungen des BMEIA für Bürgerinnen und Bürger erreichten ca. 405.000 Leserinnen und Leser österreichweit.

 

1.1.5 Die Konferenz zur Zukunft Europas

 

Auf Initiative der Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen hat die EU   ein groß angelegtes Dialogprojekt mit der Zivilgesellschaft ins Leben gerufen – die Konferenz zur Zukunft Europas. Alle Bürgerinnen und Bürger sowie zivilgesellschaftliche Akteure aus allen Mitgliedstaaten sind zur Beteiligung aufgerufen.

 

Die drei gesetzgebenden Organe der EU – Rat der EU, Europäisches Parlament und Europäische Kommission – haben sich in einer am 10. März unterzeichneten „Gemeinsamen Erklärung“ auf den institutionellen Rahmen der Konferenz zur Zukunft Europas geeinigt. Zentrale Elemente sind neben dem Exekutivausschuss die vier Europäischen Bürgerforen, die mehrsprachige digitale Plattform futureu.europa.eu sowie die Plenarversammlung.

 

In ganz Europa erfolgte am 9. Mai der offizielle Startschuss. Das Plenum tagte zwei Mal – am 19. Juni und am 23. Oktober. Die Ergebnisse werden in einem Abschlussbericht zusammengefasst, der durch die EU-Institutionen umgesetzt werden soll.

 

Das BKA startete bereits im Juni 2020 mit einer Veranstaltungsreihe im Kontext der „Konferenz zur Zukunft Europas“, wo zahlreiche Expertinnen und Experten sowie Bürgerinnen und Bürger zu den Vorschlägen Stellung nehmen konnten. Ab dem offiziellen Start richtete das BKA eine eigene Website mit Hinweisen zu Veranstaltungen ein.

 

Ein wichtiger Themenbereich der Konferenz ist die Debatte über die künftige internationale Rolle der EU. Das BKA in Zusammenarbeit mit dem BMEIA legt ein besonderes Augenmerk auf die Ideen und Vorschläge der Bürgerinnen und Bürger zur Weiterentwicklung der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und ist in den Reflexionsprozess eng eingebunden.

 

1.2 Österreichs Nachbarschaft und regionale Schwerpunkte

 

1.2.1 Nachbarstaaten Österreichs

 

Deutschland

 

Die Bekämpfung der COVID-19-Pandemie und die Abfederung ihrer ökonomischen und sozialen Folgen dominierten auch 2021 die deutsche Politik. Zur Stabilisierung der Wirtschaft schnürte die deutsche Bundesregierung das größte Hilfspaket in ihrer Geschichte und mobilisierte massive Finanzmittel in der Höhe von 130 Milliarden Euro. Mit Stand November belief sich die Gesamtsumme der Bewilligungen/Auszahlungen auf 126,06 Milliarden Euro.

 

Nachdem es zu Jahresbeginn zu einem erneuten Rückgang der deutschen Wirtschaftsleistung kam, bedingt durch Lieferengpässe von Rohstoffen und Vorprodukten, die die industrielle Produktion in Deutschland bremsten, konnte im zweiten und dritten Quartal eine Erholung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) verzeichnet werden, die stark von einem höheren privaten Konsum getragen wurde. Gleichzeitig führte die Teuerung von Rohstoffen und Energiepreisen zu einem Anstieg der Inflation, die im November 2021 mit 5,2 % den höchsten Stand seit 28 Jahren erreichte.

 

Mit den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz im März, die die Amtsinhaber, Winfried Kretschmann und Malu Dreyer und deren Regierungskoalitionen, Grün-CDU bzw. SPD-FDP-Grüne, bestätigten, startete Deutschland in das Superwahljahr: Im Juni wählte Sachsen-Anhalt einen neuen Landtag, im September Berlin und Mecklenburg-Vorpommern. In Magdeburg und in Schwerin konnten die amtierenden Regierungschefs, Reiner Haseloff und Manuela Schwesig, hohen Zuspruch verbuchen und gingen neue Bündnisse CDU-SPD-FDP bzw. SPD-Linke ein. In Berlin konnte Franziska Giffey das Amt der Regierenden Bürgermeisterin knapp für die SPD verteidigen, hier soll die Zusammenarbeit mit den Grünen und der Linken fortgesetzt werden.

 

In den Parteien kam es im Vorfeld der Wahlen zum 20. Deutschen Bundestag zu personellen Veränderungen: Die SPD hatte bereits im August 2020 Olaf Scholz zum Spitzenkandidaten nominiert, die Union klärte die Kanzlerkandidatenfrage zwischen Markus Söder und Armin Laschet zugunsten Laschets erst im April 2021. Für die FDP ging Christian Lindner ins Rennen, für die Grünen Co-Vorsitzende Annalena Baerbock. Spitzenkandidaten der Linken waren Dietmar Bartsch und Jeanine Wissler, für die AfD Tino Chrupalla und Alice Weidel. Klimawandel und die Hochwasserkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen im Juli, die Folgen der COVID-19-Pandemie und der unvorbereitete Rückzug aus Afghanistan dominierten den Bundestagswahlkampf.

 

Nach der Bundestagswahl am 26. September stellt die SPD mit Olaf Scholz erstmals seit 1998 den Bundeskanzler. Sie erhielt 25,7 %, während die Union mit 24,1 % ihr schlechtestes Ergebnis seit 1949 erzielte. Die Grünen konnten ihr Ergebnis von 2017 fast verdoppeln (14,8 %), auch die FDP gewann dazu (11,5 %). Die AfD verlor zwar auf Bundesebene (10,3 %), wurde aber in Sachsen und Thüringen stärkste Kraft. Die Linke schaffte mit 4,9 % nur knapp den Wiedereinzug. Die Minderheitenpartei Südschleswigscher Wählerverband zog erstmals seit 1949 mit einem Abgeordneten in den Bundestag ein.

 

Angesichts der Rekordzahl von 735 Abgeordneten gewann die Reform des komplexen Wahlsystems an Bedeutung. Knapp 40 % der Abgeordneten zogen erstmals ins Parlament ein, der Frauenanteil beträgt 35 %, 26 % der Abgeordneten ist unter 40 Jahre alt. Bundestagspräsidentin wurde die SPD-Politikerin Bärbel Bas.

 

Erstmals kam es in Deutschland zu einem Dreier-Bündnis auf Bundesebene. Der Koalitionsvertrag der „Ampel“-Regierung aus SPD, Grünen und FDP sieht den Kampf gegen die Pandemie als vordringlichste Aufgabe an, weitere Schwerpunkte der künftigen Regierungszusammenarbeit sind die Verwirklichung der Klimaschutzziele von Paris, die Transformation hin zu einer ökosozialen Marktwirtschaft, der Ausbau der Digitalisierung und die Schaffung von guten und gleichwertigen Lebensbedingungen in ganz Deutschland. Am 8. Dezember wurde Olaf Scholz vom Bundestag zum Bundeskanzler gewählt und seine „Ampel“-Regierung aus SPD, Grünen und FDP vereidigt. Damit ging nach 16 Jahren die Ära Merkel zu Ende.

 

Die deutsche Außenpolitik soll einer funktionierenden, multilateralen regelbasierten Weltordnung verpflichtet sein. Dem Einsatz für Frieden, Freiheit, Menschenrechte, Rüstungskontrolle und Abrüstung sowie Nachhaltigkeit und Klimaneutralität weltweit soll unter Außenministerin Annalena Baerbock besondere Bedeutung zukommen. Ziel der neuen Bundesregierung ist es, langfristig drei Prozent des BIP in internationales Handeln zu investieren.

 

Auch in den Pandemiejahren 2020 und 2021 hatte Deutschland seine Ausgaben für Außenpolitik und Entwicklungszusammenarbeit erhöht. Der Großteil dieser Ausgaben floss in humanitäre Hilfe und bilaterale Entwicklungszusammenarbeit. In der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit (Official Development Assistance, ODA-Ausgaben) ist Deutschland die zweitgrößte Gebernation nach den USA. Mit der Mitarbeit an der Impfstoffplattform COVID-19 Vaccines Global Access (COVAX) verfolgte Deutschland das Ziel, Impfstoffe gegen COVID-19 als globale öffentliche Güter für alle Länder zugänglich und bezahlbar zu machen.

 

Schwerpunktmäßig setzte sich Deutschland für die Umsetzung des Klimaübereinkommens von Paris, Digitalisierung, Schutz der Menschenrechte, eine regelbasierte Handelsordnung sowie die Stärkung von Frauenrechten ein. Der humanitären Schutzverantwortung soll im Rahmen der Restrukturierung der Verfahren zu Flucht und Migration neue Bedeutung zukommen.

 

Herausforderungen der deutschen Außenpolitik sind die Beziehungen zu Russland, zur Türkei und zum Nahen Osten. Die Zusammenarbeit mit Afrika, insbesondere im Sahel, gewinnt im Rahmen der Migrationsthematik weiterhin an Bedeutung. Die USA bleiben der mit Abstand wichtigste Partner Deutschlands außerhalb Europas. Die North Atlantic Treaty Organisation (NATO) bleibt ein unverzichtbarer Teil des deutschen Sicherheitskonzepts, wobei der europäische Pfeiler in der NATO gestärkt und die Zusammenarbeit zwischen NATO und EU intensiviert werden soll.

 

Im Bereich der Europapolitik setzte sich die neue „Ampel“-Regierung in ihrem Koalitionsvertrag teilweise sehr ambitionierte Ziele im Hinblick auf die Zukunft der EU. Vorgesehen sind unter anderem die Weiterentwicklung Europas zu einem föderalen Bundesstaat, die Umsetzung eines einheitlichen europäischen Wahlrechts mit teils transnationalen Listen und einem verbindlichen Spitzenkandidatensystem, die Ausweitung der Abstimmungsmöglichkeiten im Rat mit qualifizierter Mehrheit sowie die Forderung einer „echten“ gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik, wobei die Bundeswehr als Parlamentsarmee weiterhin einer parlamentarischen Kontrolle unterliegen soll.

 

Im politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereich erfolgte ein regelmäßiger bilateraler Austausch mit zahlreichen Kontakten auf allen Ebenen. Die bilateralen Beziehungen waren pandemiebedingt von Themen wie Grenzkontrollen und Einreisebeschränkungen dominiert. Es fand ein intensiver Besuchsaustausch statt: Anfang Juni kam Bundespräsident Alexander Van der Bellen zu einem bilateralen Arbeitsbesuch nach Berlin, Ende Juni zum Treffen der deutschsprachigen Staatsoberhäupter nach Potsdam. Bundeskanzler Sebastian Kurz reiste im März, im Juni und im August zu Gesprächen nach Berlin. Bundesministerin Karoline Edtstadler, Bundesminister Karl Nehammer, Bundesministerin Margarete Schramböck, Bundesministerin Elisabeth Köstinger Bundesminister Martin Kocher sowie Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka trafen ihre deutschen Amtskolleginnen und Amtskollegen.

 

Deutschland blieb für Österreich der mit Abstand wichtigste Außenhandelspartner. Zwischen Jänner und Juni beliefen sich die österreichischen Exporte nach Deutschland auf 24,9 Milliarden Euro, die Importe aus Deutschland auf 28,7 Milliarden Euro. Die wichtigsten Positionen bei den Bezügen aus Deutschland waren Maschinenbauerzeugnisse und Fahrzeuge.

 

Tschechien

 

Die Parlamentswahlen am 8. und 9. Oktober brachten einen Machtwechsel. Stärkste politische Kraft wurde mit 27,8 % das Wahlbündnis SPOLU („Gemeinsam“), bestehend aus den Bürgerdemokraten (ODS/EKR), Christdemokraten (KDU-ČSL (EVP) und TOP09 (EVP). ANO (Aktion unzufriedener Bürger, RENEW) mit dem bisherigen Ministerpräsidenten Andrej Babiš erreichte 27,1 %, die Allianz aus Bürgermeistern und Unabhängigen (STAN/EVP) sowie Piraten (Grüne/EFA) kamen auf 15,6 % und die Partei Freiheit und direkte Demokratie (SPD/ID) auf 9,6 %. Unter der 5 %-Hürde blieben die Tschechische Sozialdemokratische Partei (ČSSD) mit 4,7 % und die Kommunistische Partei Böhmens und Mährens (KSČM) mit 3,6 %; beide Parteien verfehlten zum ersten Mal den Wiedereinzug in das Parlament. SPOLU und die Allianz aus STAN und Piraten vereinbarten die Bildung einer Koalitionsregierung und unterzeichneten am 8. November einen Koalitionsvertrag. Staatspräsident Miloš Zeman ernannte schließlich am 28. November den ODS-Parteivorsitzenden und Spitzenkandidaten von SPOLU Petr Fiala zum Ministerpräsidenten und führte danach Einzelgespräche mit allen für Ministerämter vorgeschlagenen Persönlichkeiten.

Innenpolitisches Hauptthema blieb die COVID-19-Pandemie. Tschechien war von der Welle zu Jahresbeginn besonders stark betroffen. Der im Oktober 2020 verhängte Ausnahmezustand währte bis 11. April und ging mit einem umfassenden Lockdown einher. Anders als 2020 wurde eine Schließung der Grenzen vermieden. Ab Mitte Oktober war neuerlich ein stark ansteigendes Infektionsgeschehen festzustellen.

Am 12. April trat Außenminister Tomáš Petříček (ČSSD) wegen innerparteilicher Differenzen zurück. Als sein Nachfolger wurde am 21. April Jakub Kulhánek bestimmt. Adam Vojtěch (parteilos, von ANO nominiert) übernahm am 26. Mai erneut den Posten des Gesundheitsministers, den er in der laufenden Regierungsperiode bereits bis 21. September 2020 innehatte.

 

Die Rolle von Ministerpräsident Andrej Babiš beim Mischkonzern Agrofert, den er 2017 an eine Treuhandgesellschaft übertragen hatte, blieb innenpolitisch weiter Thema. Die Europäische Kommission veröffentlichte am 23. April den Abschlussbericht über die Verwendung von Strukturmitteln in Tschechien. Darin wurde festgestellt, dass Babiš weiterhin bestimmenden Einfluss auf den Agrofert-Konzern ausübe, womit ein Interessenskonflikt bestehe. Agrofert müsse zu Unrecht bezogene Leistungen rückerstatten, widrigenfalls EU-Mittel für Tschechien gekürzt würden.

 

In der Außen- und Europapolitik bewertete das tschechische Außenministerium weiterhin den strategischen Dialog mit Deutschland, die Kooperation innerhalb der Visegrád-4-Gruppe sowie die Zusammenarbeit mit der Slowakei und Österreich im Slavkov/Austerlitz- Format, in dem Tschechien seit 1. Juli für ein Jahr den Vorsitz führt, als wichtige Plattformen der regionalen Kooperation. Das von Österreich initiierte Format der Central Five, welchem neben Tschechien auch die Slowakei, Slowenien und Ungarn angehören, gewann weiter an Bedeutung. Es kam zu gemeinsamen Initiativen in der Westbalkanregion, so reisten zum Beispiel die beiden Außenminister zusammen mit dem slowenischen Amtskollegen gemeinsam nach Tirana und Skopje wo Gespräche mit albanischen und nordmazedonischen Regierungsvertreterinnen und -vertretern stattfanden, um die beiden Länder bei ihrem EU-Beitrittsprozess zu unterstützen. Darüber hinaus lag der Schwerpunkt der Außenpolitik wie bisher auf der Mitgliedschaft in der EU und der NATO sowie auf Südosteuropa und der Östlichen Partnerschaft der EU. Die Regierung setzte sich zum Ziel, Tschechien in der EU eine stärkere Stimme zu verleihen. Tschechien sieht in der EU Reformbedarf; diese solle weniger Aufgaben übernehmen und gleichzeitig effektiver arbeiten.

 

Im Bereich Asyl und Migration sollte nach tschechischer Vorstellung die Kompetenz für die Aufnahme bei den Mitgliedstaaten bleiben. An einem verbesserten Außengrenzschutz und der Unterstützung von Herkunfts- und Transitländern außerhalb der EU will man sich weiterhin aktiv beteiligen.

 

Der seit 2014 intensivierte bilaterale Besuchsaustausch setzte sich mit Besuchen von Staatspräsident Miloš Zeman am 9.-10. Juni, Ministerpräsident Andrej Babiš am 16. März, Außenminister Jakub Kulhánek am 30. Juni sowie weiteren Fachministerinnen und Fachministern nach Österreich fort. Aus Österreich fanden Besuche von Bundeskanzler Sebastian Kurz am 7. September, Bundesminister Alexander Schallenberg am 6. Mai, am 20. Juli und 30. Dezember (Antrittsbesuch beim neuen tschechischen Außenminister Jan Lipavsk‎‎ý) sowie Bundesminister Karl Nehammer vom 23.-24. Juni statt. Aufgrund der COVID-19-Pandemie war der Besuchsaustausch stark eingeschränkt, sodass bis Mai vermehrt virtuelle Gespräche durchgeführt wurden. 

 

Der Dialog in Nuklearfragen wurde am 25. November mit dem jährlich – dieses Jahr virtuell – stattfindenden Nukleartreffen auf Expertenebene sowie mit laufendem Informationsaustausch fortgesetzt. Wichtige Themen sind der von Tschechien geplante Ausbau des Atomkraftwerks Dukovaný sowie die Standortsuche für ein Atommüll-Tiefenendlager in Tschechien. Dabei wurde wiederholt die österreichische Ablehnung der Nutzung von Atomkraft aufgrund deren Risiken unterstrichen.

 

Das von der 2009 eingerichteten Ständigen Konferenz Österreichischer und Tschechischer Historiker erarbeitete und von beiden Staaten finanzierte gemeinsame Geschichtsbuch, das 2019 auf Deutsch und 2020 auf Tschechisch erschien und durch die Versachlichung des Umgangs mit der gemeinsamen Geschichte einen Meilenstein in der Vergangenheitspolitik darstellt, leistet weiterhin einen wichtigen positiven Beitrag in den bilateralen Beziehungen.

 

Tschechien ist der bedeutendste Handelspartner Österreichs in Zentral- und Osteuropa sowie drittwichtigster Handelspartner nach Deutschland und Italien in der EU. Tschechien ist weiterhin eines der wichtigsten Investitionszielländer für österreichische Unternehmen (derzeit Platz drei weltweit), ebenso wie Österreich umgekehrt für Tschechien zu den wichtigsten Investitionsherkunftsländern zählt. Tschechien ist auch viertwichtigster Herkunftsmarkt für den internationalen Tourismus in Österreich.

 

Slowakei

 

Nach einer schweren Regierungskrise im Frühjahr – hervorgerufen durch unterschiedliche Zugänge im Umgang mit der COVID-19-Pandemie – erfolgte am 1. April eine Personalrochade innerhalb der Regierung: Der bisherige Finanzminister Eduard Heger (OĽaNO, Gewöhnliche Leute und unabhängige Persönlichkeiten) löste OĽaNO-Parteichef Igor Matovič als Premierminister ab, dieser übernahm das Amt des Finanzministers. Die großen innenpolitischen Problembereiche – Korruptionsbekämpfung, Durchsetzung des Rechts, Bildung und Gesundheit, blieben unveränderte Prioritäten der Vier-Parteien-Koalition. Große Erwartungen gibt es hinsichtlich der Nutzung der EU-Gelder aus dem Wiederaufbaupaket „Next Generation EU“ – für die Modernisierung der Krankenhäuser ist beispielsweise eine Milliarde Euro vorgesehen. Im Rahmen der Korruptionsbekämpfung erfolgten zahlreiche Verhaftungen, erste Verfahren und auch Verurteilungen fanden statt. Die Opposition, insbesondere die Partei Smer-Sozialdemokratie von Ex-Premierminister Robert Fico, sieht darin politisch motivierte Ermittlungen.

 

Auch in der Slowakei stand das zweite Jahr in Folge im Zeichen der COVID-19-Pandemie. In den ersten Monaten des Jahres hatte das Land vorübergehend die höchsten Todeszahlen der Welt zu beklagen. Es zeigte sich bald, dass in der Slowakei im EU-Vergleich weit unterdurchschnittliches Interesse an den Impfungen bestand. In der Folge baute sich im Herbst eine neuerliche schwere Infektionswelle auf, welche das Gesundheitssystem ein weiteres Mal an und über die Grenzen seiner Belastbarkeit führte und Ende November einen neuen Lockdown nötig machte.

 

Im Gegensatz zu den häufig wechselnden und regional unterschiedlichen innerstaatlichen Maßnahmen blieben die das pandemiebedingte Grenzregime betreffenden Maßnahmen weitgehend unverändert. Dazu trug neben dem ab Jahresmitte verfügbaren „Grünen Pass“ der EU sowohl die enge Abstimmung zwischen Österreich und der Slowakei als auch jene in regionalen Formaten mit weiteren Nachbarstaaten bei. In Berücksichtigung der wichtigen wirtschaftlichen und sozialen Rolle des regelmäßigen Pendlerverkehrs blieben für diese Personengruppe während des ganzen Jahres erleichterte Bestimmungen in Kraft.

 

Die Außen- und Europapolitik der Slowakei blieb unverändert proeuropäisch und proatlantisch ausgerichtet, wobei sich die Regierung etwa angesichts der Ereignisse in Belarus oder im Verhältnis zu Russland deutlicher „prowestlich“ positionierte als ihre Vorgängerregierungen. Auch das Parlament verabschiedete Anfang Dezember eine Resolution zur Verurteilung der Migrationspolitik von Belarus als politisches Werkzeug gegenüber der EU. Die USA werden als traditioneller Partner und Schlüsselverbündeter gesehen. Unverändert ist auch das klare Bekenntnis zu einem aktiven Multilateralismus und das Bestreben, eine engagierte Rolle in internationalen Organisationen einzunehmen. Mit Österreich arbeitet die Slowakei gemeinsam mit Tschechien im trilateralen Slavkov/Austerlitz- Format und seit 2020 zusätzlich im Rahmen der Central Five zusammen.

 

Der bilaterale Besuchsaustausch musste sich auf die von niedrigeren Infektionszahlen gekennzeichneten Monate beschränken. So absolvierte Premierminister Eduard Heger am 4. Mai seinen Antrittsbesuch in Wien bei Bundeskanzler Sebastian Kurz und traf auch mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen zusammen. Am 13. Mai nahm Bundesminister Alexander Schallenberg an einem Central Five Treffen in Bratislava teil. Am 15. Juni erfolgte der Gegenbesuch von Bundeskanzler Sebastian Kurz bei Premierminister Eduard Heger, verbunden mit der Teilnahme am GLOBSEC Bratislava Forum. Auch Bundesminister Alexander Schallenberg nahm am 16. Juni im Rahmen dieses Forums an einer Paneldiskussion teil. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka absolvierte am 25. Juni bei Parlamentspräsident Boris Kollár in Bratislava einen Besuch, bei dem eine gemeinsame Absichtserklärung zur Entwicklung von Demokratiewerkstätten in der Slowakei nach österreichischem Vorbild unterzeichnet wurde. Am 29. Juni traf Innenminister Roman Mikulec mit Bundesminister Karl Nehammer in Wien zu Konsultationen zusammen. Anlässlich der Übergabe des Slavkov/Austerlitz- Vorsitzes von Österreich an Tschechien nahm Außenminister Ivan Korčok am 30. Juni an einem Slavkov/Austerlitz- Außenministertreffen und einer Konferenz zum Thema “Digitaler Humanismus“ in Poysdorf/Niederösterreich teil. Am 25. Juli besuchte Präsidentin Zuzana Čaputová auf Einladung von Bundespräsident Alexander Van der Bellen die Salzburger Festspiele. Am 26. Juli reiste Verteidigungsminister Jaroslav Naď zu Konsultationen mit Bundesministerin Klaudia Tanner nach Wien. Parlamentspräsident Boris Kollár nahm am 27. August an einem informellen Slavkov/Austerlitz-Arbeitstreffen in Grafenegg teil. Außenminister Ivan Korčok war am 16. September Gast bei einer Gedenkveranstaltung zum 100. Geburtstag von Alexander Dubček im Wiener Rathaus. Am 11. Oktober besuchte Bundesminister Karl Nehammer Innenminister Roman Mikulec in Bratislava, wobei sie eine Intensivierung der bilateralen Polizei-Kooperation vereinbarten. Am 22. Oktober nahm Außenminister Ivan Korčok auf Einladung von Bundesminister Michael Linhart an einem weiteren Central Five Treffen in Wien teil. Der für 23. November angesetzte Antrittsbesuch von Bundeskanzler Alexander Schallenberg bei Premierminister Eduard Heger musste aufgrund des Lockdowns in Österreich kurzfristig in eine Videokonferenz umgewandelt werden.

 

Die Slowakei ist eine sehr offene Wirtschaft und ihre Industrie ist mit den Lieferketten ihrer Nachbarstaaten eng verflochten. Die Exportquote von rund 90 % des BIP spricht für eine starke Abhängigkeit vom Ausland, vor allem der dominierenden Automobilindustrie. Nach einem Einbruch von etwa 4,8 % im Jahr 2020 wird für 2021 wieder eine Steigerung des slowakischen Wirtschaftswachstums um 4,4 % erwartet.

 

Nachdem der grundsätzlich sehr intensive bilaterale Handelsaustausch 2020 COVID-19-bedingt gesunken war, wuchsen im ersten Halbjahr 2021 die österreichischen Exporte mit 1,6 Milliarden Euro wieder um 13,9 %, die Importe stiegen im gleichen Zeitraum mit 1,7 Milliarden Euro sogar um 20,9 %. Im Ranking der österreichischen Handelspartner blieb die Slowakei unverändert auf Platz 11. Österreich zählt neben Deutschland und den Niederlanden unverändert zu den größten ausländischen Investoren im Land. Vor allem kleine und mittlere österreichische Unternehmen finden am Markt wegen ihres Know-how-Vorsprungs eine gute Ausgangslage vor.

 

Im Zusammenhang mit der Nutzung von Atomkraft durch die Slowakei, insbesondere dem Bau der Reaktorblöcke drei und vier im Kernkraftwerk Mochovce, bekräftigt Österreich regelmäßig seine Sicherheitsbedenken und die strikte Ablehnung von Atomkraft sowie die Wichtigkeit eines raschen und transparenten Informationsaustauschs. Am 13. Mai erteilte die slowakische Nuklearaufsichtsbehörde die erstinstanzliche Betriebsgenehmigung für Block 3, die Entscheidung über den Einspruch von Global 2000 ist jedoch noch nicht gefallen. Die Beladung mit Kernbrennstoff hängt vom Abschluss zahlreicher von der Aufsichtsbehörde noch freizugebender Nachbesserungen und Reparaturen ab.

 

Ungarn

 

Erstmals in der Geschichte Ungarns haben im Herbst Vorwahlen der Opposition im Vorfeld der Parlamentswahlen 2022 stattgefunden. Dabei wurde der parteilose Péter Márki-Zay zum Spitzenkandidat der sechs verbündeten Oppositionsparteien gekürt, sowie 106 Kandidatinnen und Kandidaten für die Einzelwahlkreise gewählt.

 

Die Innenpolitik wurde durch Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie und den beginnenden Wahlkampf im Vorfeld der im Frühjahr 2022 bevorstehenden Parlamentswahlen dominiert. Nachdem das im Jahr 2020 verabschiedete Notstandsgesetz und dessen Verlängerung außer Kraft getreten waren, verabschiedete das Parlament am 22. Februar ein „Gesetz über die Abwehr der COVID-19-Pandemie“, das der Regierung nach wie vor die Möglichkeit gibt, im Hinblick auf die Gefahrenlage Sonderdekrete zu erlassen bzw. aufrecht zu erhalten. Die ursprünglich für 90 Tage vorgesehene Gültigkeit des Gesetzes wurde bis 31. Mai 2022 verlängert. In Hinblick auf die Immunisierung gegen COVID-19 konnte in Ungarn durch den Ankauf von russischen und chinesischen Impfstoffen verhältnismäßig schnell eine Durchimpfungsrate von 50 % erreicht werden. In weiterer Folge verlangsamte sich der Prozess jedoch.

 

Neben der Pandemiebekämpfung setzte Ministerpräsident Viktor Orbán weitere thematische Schwerpunkte in den Bereichen Sicherheit, Einwanderung und Erhöhung der ungarischen staatlichen Beteiligung in als „strategisch“ definierten Wirtschaftsbereichen (Energie, Banken, Medien, Infokommunikation, Baustoffindustrie und Herstellung von Eisenbahnfahrzeugen). Auf teilweise heftige Kritik stieß die Aufnahme von Passagen betreffend LGBTQI in das sogenannte Kinderschutzgesetz im Juni. Die Europäische Kommission leitete ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn mit der Begründung ein, das Gesetz verletze Grundrechte wie die Achtung der Menschenwürde, freie Meinungsäußerung, Informationssicherheit sowie die Achtung des Privatlebens. Auch in Reaktion auf diese Kritik stellte die Regierung ein umstrittenes Kinderschutzreferendum gleichzeitig zu den Parlamentswahlen 2022 in Aussicht.

 

Im Zentrum des Wirtschaftsprogramms der Regierung standen der Schutz von Arbeitsplätzen und der Neustart der Wirtschaft bei einer gleichzeitigen Beibehaltung der wichtigsten Elemente der Regierungspolitik wie dem Schutz von Familien sowie der Schaffung von Eigenheimen und einer arbeitsbasierten Gesellschaft. Zur Erreichung dieser Ziele wurde ein Wirtschaftsschutzfonds in Höhe von 2.550 Milliarden Forint (ca. 7,1 Milliarden Euro) bereitgestellt und ein „Aktionsplan für den Neustart der Wirtschaft“ festgelegt, der unter anderem steuerliche Vorteile für Familien, finanzielle Unterstützung von Kleinunternehmen, Investitionen im Hochschulwesen sowie Projekte im Bereich der grünen Energie, Kreislaufwirtschaft und Digitalisierung umfasst.

 

Auf europapolitischer Ebene betonte Ungarn sein Recht auf nationale Souveränität in Bezug auf gesellschaftspolitische Themen wie Familie sowie in der Migrationspolitik und löste mit seinem Kurs wiederholt Debatten aus. Der jährliche Rechtsstaatlichkeitsbericht der Europäischen Kommission bescheinigte Ungarn Defizite bei der Korruptionsbekämpfung, sah den Medienpluralismus und die Unabhängigkeit der Justiz weiterhin gefährdet und zeigte sich zum System von Kontrolle und Gegenkontrolle besorgt. Das Art. 7-Verfahren gegen Ungarn betreffend die Verletzung von Werten der EU wurde fortgesetzt, da die Bedenken weiterhin bestanden. Die Eskalation der Debatte über die Rechtsstaatlichkeit führte zu einer Verzögerung der Auszahlung der für Ungarn vorgesehenen Gelder aus dem europäischen Wiederaufbaufonds.

 

Die Schwerpunkte des ungarischen Vorsitzes des Europarats von Mai bis November waren nationale Minderheiten, Glaubensgemeinschaften sowie der Schutz von Kindern und Familien. Für die Ausübung der Präsidentschaft der Visegrad-4-Gruppe von Juli 2021 bis Juni 2022 setzte sich Ungarn das Ziel, die Zusammenarbeit beim wirtschaftlichen Wiederaufbau, der Investitionsförderung, der Niedrigsteuerpolitik, der Infrastrukturentwicklung sowie im Bereich Migration und Westbalkan-Erweiterung zu intensivieren.

 

Die Beziehungen mit Österreich gestalteten sich intensiv und hatten die Zusammenarbeit in der COVID-19-Pandemie zum Schwerpunkt, insbesondere die Aufrechterhaltung der grenzüberschreitenden Wirtschaftsbeziehungen trotz Reiseeinschränkungen. Bundesminister Alexander Schallenberg traf am 22. April in Nickelsdorf mit Ungarns Außenminister Péter Szijjártó zusammen. Am 31. Mai und 1. Juni hielt sich Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka für Gespräche mit Staatspräsident János Áder, Ministerpräsident Viktor Orbán und Parlamentspräsident László Kövér in Budapest auf. Außenminister Szijjártó war am 19. Oktober zu Besuch in Wien, wo er für bilaterale Gespräche von Bundesminister Michael Linhart und Bundesministerin Margarete Schramböck empfangen wurde. Im Sicherheitsbereich und bei der EU-Außengrenzsicherung wurde die enge Zusammenarbeit mit regelmäßigen Kontakten der Innen- und Verteidigungsministerinnen und -minister fortgeführt. Die Kontakte zwischen den Fachministerien sowie mit den Bundesländern konnten weiter vertieft werden, zum Teil in Form von Videokonferenzen.

 

Eine wesentliche Rolle im bilateralen Verhältnis spielen die Wirtschaftsbeziehungen sowie der Tourismus. Österreich ist Ungarns zweitwichtigster Handelspartner und drittgrößter Investor. Etwa 1.500 österreichische Unternehmen beschäftigen ca. 60.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Gerade während der COVID-19-Pandemie zeigte sich die Bedeutung der Kooperation im regionalen Kontext und der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Österreich und Ungarn engagierten sich gemeinsam im Rahmen regionaler Kooperationsprogramme wie dem Programm INTERREG V-A Österreich-Ungarn 2014–2020, dessen Programmbudget Projekte in Höhe von insgesamt rund 95 Millionen Euro betrug.

 

Slowenien

 

Premierminister Janez Janša von der rechtskonservativen SDS ist seit 13. März 2020 im Amt und führt eine Vier-Parteien-Regierung an. Nach einem Wechsel von zwei Abgeordneten aus einer der Koalitionsparteien zur Opposition verfügt die Regierung nur über eine knappe Mehrheit von 48 der 90 Abgeordneten. Landwirtschaftsministerin Aleksandra Pivec trat am 5. Oktober von ihrem Regierungsamt sowie als Parteivorsitzende zurück. Neuer Landwirtschaftsminister wurde Jože Podgoršek. Nach dem Rücktritt von Justizministerin Lilijana Koslovic im Mai folgte ihr Marjan Dikaučič im Juni nach.

 

Im Zuge der Legislaturperiode erfolgten zahlreiche Misstrauensanträge gegen Premierminister Janša (zuletzt am 27. Mai) bzw. einzelne Regierungsmitglieder, begründet mit Versagen im Kampf gegen die COVID-19-Pandemie, die alle knapp scheiterten.

 

Die Pandemie blieb auch in Slowenien innenpolitisch ein dominierendes Thema. Das Jahr begann im landesweiten Notstand und Lockdown, der nur langsam beendet wurde und das Leben in allen Bereichen bis Mitte Juni einschränkte. Im Herbst und Winter sah sich Slowenien mit konstant hohen Ansteckungszahlen konfrontiert. Bis Dezember wurden rund 5.200 Todesfälle durch COVID-19 gemeldet, die Impfquote der vollständig Immunisierten lag bei rund 55 %. Die flächendeckende Einführung der 3-G-Pflicht in Geschäften, öffentlichen Verkehrsmitteln, Sportzentren und vielen anderen Orten im September führte zwar zu erheblichen Protesten, ließ jedoch die Infektionszahlen (wenngleich auf hohem Niveau) stagnieren und erlaubte zumindest eine eingeschränkte Aufrechterhaltung des öffentlichen Lebens.

 

Slowenien nahm aktiv an der engen regionalen Zusammenarbeit der fünf zentraleuropäischen Nachbarstaaten (Österreich, Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn) im Rahmen der Central Five-Treffen der Außenminister teil. Mit Blick auf Fragen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie war Slowenien bestrebt, restriktive Grenzmaßnahmen erst als letztes Mittel anzuwenden. Ziel war die Aufrechterhaltung des Pendler- und Güterverkehrs sowie die Ermöglichung von Grenzübertritten für gewerblich reisende Dienstleister.

 

Im zweiten Halbjahr ist Slowenien durch seinen Vorsitz im Rat der EU in den Fokus gerückt. Gemeinsam mit Deutschland und Portugal bildete Slowenien ein Präsidentschaftstrio für 18 Monate. Für das Halbjahr der eigenen Präsidentschaft wählte Slowenien das Motto „Gemeinsam. Widerstandsfähig. Europa“ und legte den Schwerpunkt auf die wirtschaftliche Erholung, die Konferenz zur Zukunft Europas sowie auf den EU-Erweiterungsprozess auf dem Westbalkan. Ein Höhepunkt der Ratspräsidentschaft war neben der Abhaltung der informellen Ministertreffen die Organisation des Westbalkangipfels im Format eines Europäischen Rates am 5. und 6. Oktober.

 

Die ungelöste Grenzfrage zwischen Slowenien und Kroatien in der Bucht von Piran trat etwas in den Hintergrund. In Abänderung der bisherigen Politik der Blockade von Kroatiens OECD- und Schengen-Beitrittsaspirationen befürwortet die Regierung unter Janša nunmehr bei Erfüllung aller Voraussetzungen einen Beitritt Kroatiens zu Schengen, da sie diesen insbesondere als Beitrag zur Stärkung der EU-Außengrenzen gegen illegale Migration sieht.

 

Die sehr engen und intensiven bilateralen Beziehungen sollten mit dem Jahr des Nachbarschaftsdialogs Österreich-Slowenien 2019/2020 eine weitere Stärkung erhalten. Die COVID-19-Pandemie nahm dem Jahr des Nachbarschaftsdialogs jedoch seinen Schwung, weshalb eine Verlängerung der Initiative vereinbart wurde. Das Flagship-Projekt des Nachbarschaftsdialogs, die Ausstellung „when gesture becomes event“ mit dem Leitthema der Solidarität, die sowohl in Wien als auch in Laibach gezeigt wurde, begeisterte ein breites Publikum.

 

Ein Höhepunkt der bilateralen Beziehungen war die Teilnahme von Bundeskanzler Sebastian Kurz an den Feierlichkeiten zu 30 Jahren Unabhängigkeit und EU-Ratsvorsitzbeginn Sloweniens in Laibach am 25. Juni. Die Beziehungen zwischen Österreich und Slowenien wurden zudem durch zahlreiche weitere bilaterale Besuche gefördert. So hielt sich Premierminister Janša am 16. März zu einem Arbeitsgespräch mit Bundeskanzler Kurz in Wien auf, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka traf am 22. Juni Parlamentspräsident Igor Zorčič in Laibach. Abgerundet wurden die Besuche durch einen Austausch der Fachressorts, durch Besuche von Landeshauptleuten, von Gemeindevertreterinnen und Gemeindevertretern sowie durch Besuche fast aller Mitglieder der Bundesregierung im Zuge der slowenischen EU-Ratspräsidentschaft. Die regionale Zusammenarbeit im Rahmen des Central Five Formats wurde fortgesetzt. Treffen der Central Five Außenminister fanden unter anderem im slowenischen Brdo am 1. März und in Wien am 22. Oktober statt. Die Trilaterale auf Ebene der Staatsoberhäupter zwischen Österreich, Slowenien und Kroatien fand dieses Jahr in Slowenien statt, Bundespräsident Alexander Van der Bellen nahm daran teil.

 

Die slowenische Volksgruppe in Kärnten und der Steiermark fungiert als Brücke zwischen Österreich und Slowenien. Österreich unterstützte weiterhin nachdrücklich die Forderung der deutschsprachigen Volksgruppe in Slowenien (Untersteirer, Gottscheer) nach verfassungsrechtlicher Anerkennung sowie nach Maßnahmen zum Erhalt ihrer sprachlichen und kulturellen Identität. Österreich leistete sowohl Projekt- als auch Basisförderung. Slowenien lehnt eine Anerkennung nach wie vor ab; die Fördermittel von slowenischer Seite blieben gering. Hoffnung auf Fortschritte besteht durch eine neu eingerichtete Dialoggruppe.

 

Österreich brachte die über 80 Denationalisierungsfälle österreichischer Staatsbürgerinnen und Staatsbürger vor slowenischen Behörden und Gerichten vor, die seit mehr als 26 Jahren noch nicht zum Abschluss gebracht werden konnten. In Einzelfällen brachten Urteile des slowenischen Verfassungsgerichtes und des Obersten Gerichtshofs von Slowenien etwas Bewegung in festgefahrene Fälle.

 

Die Entwicklungen rund um das Kernkraftwerk Krško wurden von Österreich weiterhin kritisch verfolgt. Am 20. August besuchten Bundesminister Alexander Schallenberg und Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer gemeinsam Laibach, um erneut für maximale Sicherheit einzutreten.

 

In außen- und europapolitischen Fragen ist die Zusammenarbeit zwischen Österreich und Slowenien vor allem mit Blick auf die von beiden Ländern mit Nachdruck unterstützte EU-Erweiterung um die Länder des Westbalkans und insbesondere die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien besonders eng. Es kam zu gemeinsamen Initiativen, zum Beispiel beim Westbalkangipfel der slowenischen Ratspräsidentschaft. Im Mai reisten die beiden Außenminister zusammen mit dem tschechischen Amtskollegen gemeinsam nach Tirana und Skopje wo Gespräche mit albanischen und nordmazedonischen Regierungsvertreterinnen und -vertretern stattfanden, um die beiden Länder bei ihrem EU-Beitrittsprozess zu unterstützen.

 

Etwa Tausend in Slowenien tätige österreichische Unternehmen und beinahe 30.000 slowenische Grenzgängerinnen und Grenzgänger, die vor allem in den grenznahen Industrie- und Tourismusbetrieben arbeiten, sind Ausdruck der engen wirtschaftlichen Beziehungen. Österreich ist seit Jahren der größte ausländische Investor in Slowenien, während slowenische Konsumentinnen und Konsumenten weiterhin die wichtigsten Pro-Kopf-Abnehmer österreichischer Waren sind. Das bilaterale Handelsvolumen, zuletzt von der Pandemie beeinträchtigt, konnte sich wieder erholen und lag bei 5,4 Milliarden Euro.

 

Italien

 

Die Vier-Parteien-Koalitionsregierung Conte II zerbrach im Jänner. Staatspräsident Sergio Mattarella lehnte die Forderung der Rechtsparteien nach Neuwahlen ab und begründete dies mit der COVID-19-Pandemie und der Dringlichkeit, den italienischen Wiederaufbauplan zu finalisieren. Er beauftragte Mario Draghi mit der Regierungsbildung. Ihm gelang es, alle Parteien mit Ausnahme von Giorgia Melonis Rechtsaußenpartei Fratelli d’Italia in einer Regierung der nationalen Einheit zu vereinen. Diese wurde am 13. Februar angelobt. Die Regierung Draghi verfolgt seither eine pro-europäisch und transatlantisch ausgerichtete Linie mit einem Schwerpunkt auf der Bekämpfung der Pandemie und dem wirtschaftlichen Wiederaufbau.

 

Italien war 2020 eines der am schwersten von der COVID-19-Pandemie betroffenen Länder Europas. Mit strengen Maßnahmen, die von der Bevölkerung diszipliniert umgesetzt wurden, verlief die Pandemie 2021 relativ gemäßigt. Die Infektionslage blieb im EU-Vergleich auf niedrigem Niveau. Am 15. Oktober führte Italien als erstes Land in Europa die 3-G-Pflicht im öffentlichen und im privaten Arbeitssektor ein.

 

Die außen-und europapolitischen Schwerpunkte Italiens bleiben – neben der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie und der dadurch verursachten Wirtschaftskrise – weiterhin Libyen, der Nahe Osten und die europäische Integration der Westbalkanstaaten. Italien verfolgt einen dialogbereiten Ansatz gegenüber Russland, China ist ein strategischer Wirtschaftspartner. Chinesische Ambitionen beim 5G-Netz-Ausbau in Italien wies Außenminister Luigi Di Maio aber entschieden zurück. Die USA sind für Italien nach wie vor ein strategischer Partner. Premierminister Mario Draghi hat die transatlantische Partnerschaft neben einer weiter zu integrierenden EU als zentralen Pfeiler der italienischen Außenpolitik deklariert.

 

Als EU-Außengrenze und Hauptankunftsland der zentralen Mittelmeerroute steht Italien unter besonderem Migrationsdruck. In absoluten Zahlen stand Italien EU-weit an vierter Stelle bei den Asylanträgen; im Verhältnis zur Bevölkerung hat Österreich fast fünfmal so viele Anträge verzeichnet. Die Zahl der Aufgriffe im Zusammenhang mit illegalen Grenzübertritten ging in der zweiten Jahreshälfte – nach einer COVID-19-bedingten Beruhigung – wieder rasant nach oben. Die italienische Regierung ergriff Maßnahmen um Rückführungen zu beschleunigen (z.B. bilaterale Abkommen mit Herkunftsstaaten) und die Ankunft von Migrantinnen und Migranten sowie das Schlepperwesen einzudämmen. Italien setzt auf die Verstärkung der Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Transitländern.

 

Gegenüber dem neuen Migrations- und Asylpaket, welches am 23. September 2020 von der Europäischen Kommission präsentiert wurde, zeigt sich Italien als klassisches Erstankunftsland abwartend-skeptisch und tritt für einen verpflichtenden Verteilungsschlüssel innerhalb der EU ein.

 

Italien gehört zu den Ländern mit der höchsten Staatsverschuldung in der EU. Innerhalb der letzten zehn Jahre stieg die Staatsverschuldung um über 40 % an. 2021 wird mit einem Anstieg auf 159,7 % des BIP gerechnet. Die italienische Wirtschaft stagniert seit etwa zehn Jahren. Der EU-Wiederaufbauplan soll – ergänzt durch einen nationalen Komplementärfonds – mit über 200 Milliarden Euro für Investitionen in Ökologisierung, Digitalisierung und Modernisierung des Landes sorgen. Es wird mit einem BIP-Wachstum von 6 % gerechnet. Die Regierung hat sich vorgenommen, Reformen in der öffentlichen Verwaltung und Justiz im Eiltempo umzusetzen und hat zentrale Gesetzgebungsprozesse in Gang gesetzt.

 

Die bereits zuvor niedrige italienische Beschäftigungsquote wurde durch COVID-19 weiter nach unten gedrückt: Aktuell befinden sich nur knapp über 55 % der erwerbsfähigen Bevölkerung in Beschäftigung. Steigende Arbeitslosigkeit zieht sich quer durch alle Bevölkerungsgruppen, wobei junge Menschen, Frauen, die Bevölkerung Süditaliens und schlecht Ausgebildete die Hauptbetroffenen sind.

 

Die ausgezeichneten bilateralen Beziehungen zwischen Österreich und Italien waren von einem intensiven Besuchsaustausch geprägt:

 

Am 17. und 18. März besuchte Bundesministerin Karoline Edtstadler den Staatssekretär für europäische Angelegenheiten, Vincenzo Amendola sowie die Minister Vittorio Colao (Technologische Innovation und Digitalisierung) und Massimo Garavaglia (Tourismus). Vom 6.-8. Juni stattete Bundespräsident Alexander Van der Bellen Italien einen offiziellen Besuch ab und traf u.a. Staatspräsident Sergio Mattarella, Premierminister Mario Draghi und Verkehrsminister Enrico Giovannini. Gleichzeitig führten die begleitenden Bundesministerinnen Karoline Edtstadler und Leonore Gewessler Arbeitsgespräche mit Innenministerin Luciana Lamorgese sowie mit Verkehrsminister Enrico Giovannini. Am 28. Juni nahm Bundesminister Alexander Schallenberg am Ministertreffen der Global Coalition to Defeat Daesh/ISIS in Rom teil und traf seinen Amtskollegen, Außenminister Luigi Di Maio. Am 7. und 8. Oktober besuchte Bundesministerin Margarete Schramböck Rom und Mailand und traf u.a. Wirtschaftsminister Giancarlo Giorgetti und Digitalisierungsminister Vittorio Colao.

 

Auf Parlamentsebene besuchte das Bundesratspräsidium (Präsident Christian Buchmann, Vizepräsidentin Doris Hahn und Vizepräsident Peter Raggl) vom 8.-10. Juni Rom und führte Gespräche u.a. mit Senatspräsidentin Maria Elisabetta Alberti Casellati und dem Präsidenten der Abgeordnetenkammer Roberto Fico.

 

Trotz COVID-19-Pandemie blieb Italien zweitgrößter Handelspartner Österreichs. Bei österreichischen Touristen ist Italien nach wie vor das beliebteste Urlaubsland.

 

Schweiz

 

Zwischen Österreich und der Schweiz bestehen traditionell enge und vertrauensvolle Beziehungen, die 2021 weiter intensiviert werden konnten: Am 11. Juni wurde von Bundesminister Alexander Schallenberg und Außenminister Ignazio Cassis eine „Absichtserklärung betreffend die Strategische Kooperation“ unterzeichnet. Damit wird in ausgewählten Bereichen wie Bürgerservice, Friedensförderung, Nachhaltigkeit/Umwelt, Wissenschaft und Forschung sowie Kultur und Jugendaustausch eine noch engere Zusammenarbeit angestrebt. Zu den Beziehungen EU-Schweiz setzte sich Österreich nach dem Schweizer Abbruch der Verhandlungen zum Institutionellen Rahmenabkommen in der EU für die Aufrechterhaltung des Dialoges und eine pragmatische Lösungsfindung ein.

 

Ausdruck des starken wechselseitigen Interesses war ein anhaltend intensiver Besuchsaustausch, der nach einer Phase der Unterbrechung aufgrund der Pandemiesituation im Frühjahr wiederaufgenommen wurde. Der Schweizer Bundespräsident Guy Parmelin besuchte am 2. März Wien und führte Arbeitsgespräche mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Bundeskanzler Sebastian Kurz, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, Bundesministerin Margarete Schramböck und Bundesministerin Karoline Edtstadler. Bundesminister Alexander Schallenberg traf am 16. April mit Bundesrat Ignazio Cassis sowie den Außenministern aus Liechtenstein, Luxemburg und Deutschland in Lugano anlässlich des Treffens der deutschsprachigen Außenminister zusammen. Am 30. April absolvierte Bundesministerin Klaudia Tanner einen offiziellen Arbeitsbesuch in Bern und tauschte sich unter anderem mit Bundesrätin Viola Amherd aus. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka kam auf Einladung von Nationalratspräsident Andreas Aebi am 5. und 6. Mai nach Bern, im Sommer folgten Besuche von Bundesministerin Margarete Schramböck und Bundesminister Karl Nehammer in Basel, Genf und Bern. Bundesrat Ignazio Cassis nahm am 11. und 12. Juni am Europaforum Wachau teil. Ebenso fanden zahlreiche Treffen auf Länder-, Kantons- und Kommunalebene sowie zwischen parlamentarischen Freundschaftsgruppen statt.

 

Die Schweiz ist viertgrößter Handelspartner Österreichs, viertwichtigste Abnehmerin österreichischer Waren und zweitwichtigste Abnehmerin von Dienstleistungen. Sie zählt zu den wichtigsten Investoren in Österreichs. In Schweizer Betrieben in Österreich sind über 28.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt, in österreichischen Unternehmen in der Schweiz rund 14.000.

 

Die Schweizer Stimmberechtigten entscheiden in Sachfragen auf allen Ebenen des Staates. Diese intensiv genutzte Form der direkten Demokratie ist ein zentrales Element der Eidgenossenschaft und wichtiges Merkmal für das Selbstverständnis seiner Bürgerinnen und Bürger. Das Stimmvolk wurde vier Mal zu Abstimmungen über insgesamt dreizehn Initiativen aufgerufen. Höhere Aufmerksamkeit erhielt die am 7. März mit 51,2 % knapp angenommene Volksinitiative zur Einführung eines „Gesichtverhüllungsverbotes“, wodurch – ähnlich dem österreichischen Vermummungsverbot – das Tragen von Vollverschleierung im öffentlichen Raum verboten werden soll. Überraschend wurde in der am 13. Juni erfolgten Abstimmung das „CO2-Gesetz“ des Bundesrates mit 51,6 % Nein-Stimmen abgelehnt. Damit wurde unter anderem der Entwurf einer nationalen CO2-Steuer aber auch von Steuerbegünstigungen für nachhaltig investierende Unternehmen abgelehnt, weswegen sich der Bundesrat in der Folge mit neuen, kleineren Umsetzungsmaßnahmen im Klimaschutz beschäftigte. Die größte Kontroverse brachte die am 28. November von der Gruppe der Schweizer Impf- und Pandemiemaßnahmengegner eingebrachte Abstimmung gegen das COVID-19-Gesetz. Damit sollte vor allem das COVID-Zertifikat zu Fall gebracht werden. Die sonst eher stille Mehrheit der Befürworter der Pandemiepolitik des Bundesrates setzte sich aber klar durch, das COVID-19-Gesetz wurde von 65,72 % des Stimmvolkes gutgeheißen.

 

Die jahrelang andauernden Verhandlungen zum Institutionellen Rahmenabkommen zwischen der EU und der Schweiz kamen im Frühsommer zu einem abrupten Ende als diese von der Schweizer Bundesregierung unilateral am 26. Mai abgebrochen wurden. Als Grund nannte der Bundesrat unüberbrückbare Differenzen bei der Personenfreizügigkeit sowie beim Lohnschutz. Das Institutionellen Rahmenabkommen hätte Regeln für die bestehenden und künftigen Abkommen schaffen sollen, die die umfassende Beteiligung der Schweiz am EU-Binnenmarkt zum Gegenstand haben. Auch Fragen der dynamischen Rechtsanpassung an den Besitzstand der EU (Acquis communautaire) sowie ein Streitbeilegungsmechanismus hätten damit gewährleistet werden sollen. Die Zukunft der bilateralen Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU ist derzeit unklar. Die Schweizer Regierung schlug der EU einen „politischen Dialog" vor, um eine positive Agenda mit breiteren Themenfeldern als nur jenen des Marktzuganges zu erarbeiten. Die Europäische Kommission stellte klar, dass der Status quo auf Dauer unhaltbar ist, da ein privilegierter Binnenmarktzugang, wie ihn die Schweiz genießt, die Einhaltung der gleichen Regeln und Verpflichtungen bedingt. Bis Ende des Jahres wurde die Situation auf Seiten der Europäischen Union ausführlich analysiert, um gemeinsam Konsequenzen und nächste Schritte festlegen zu können.

 

Auch die Schweiz ist weiterhin mit der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie konfrontiert. Der Bundesrat verlängerte die im Dezember 2020 beschlossenen COVID-Maßnahmen bis in den Frühling. Dadurch konnten die Neuinfektionszahlen deutlich gesenkt werden. Über den Sommer blieb die COVID-19-Lage entspannt. Ende Oktober hingegen beschleunigte sich der Anstieg der täglich bestätigten Neuinfektionen wieder rasant, sodass neue Maßnahmen getroffen werden mussten. Die Impfquote in der Schweiz lag im November bei rund 65,68 %. Trotz niedriger Impfquote versuchte die Schweiz in der Pandemiebekämpfung bewusst einen lockeren Weg zu gehen und setzte in hohem Maße auf die Eigenverantwortung der Bevölkerung.

 

Um den negativen Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft entgegenzuwirken, stellte der Bund seit letztem Jahr rund 100 Milliarden Schweizer Franken zur Verfügung. Die Schweizer Wirtschaft konnte die COVID-19-Pandemie verhältnismäßig gut meistern. Die Bruttoschuldenquote der Schweiz ist mit rund 110 Milliarden Schweizer Franken, das sind ca. 28 % des BIP, im europäischen Vergleich nicht alarmierend. Durch die umfangreichen Auffangmaßnahmen (Kurzarbeit, Lohnzuschüsse) gelang es, großflächige Entlassungen und Betriebsschließungen zu vermeiden. Die Schweiz war auf politischer und Beamtenebene bei praktisch allen Formaten des EU-COVID-19 Krisenmanagements eingebunden.

 

Liechtenstein

 

Die bilateralen Beziehungen zu Liechtenstein sind durch die enge Verbundenheit des Fürstenhauses zu Österreich, durch eine wertschätzende und vertrauensvolle Zusammenarbeit in den verschiedensten lokalen, regionalen und gesamtstaatlichen Formaten sowie durch einen regen Austausch auf allen gesellschaftlichen Ebenen geprägt. Rund 2.300 österreichische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger leben im Fürstentum, täglich pendeln rund 8.700 Personen aus Österreich zur Arbeit nach Liechtenstein.

 

Das Staatsoberhaupt der konstitutionellen Erbmonarchie ist Fürst Hans-Adam II., die Amtsgeschäfte werden seit 2004 von seinem Sohn Erbprinz Alois ausgeübt. Am 7. Februar fanden Parlamentswahlen zur Neuwahl der 25 Mitglieder des Landtages statt, die die Vaterländische Union (VU) knapp vor der Fortschrittlichen Bürgerpartei (FB) gewann und mit dieser die bisherige „Große Koalition“ fortsetzte. Am 25. März wurde die neue Regierung unter dem Vorsitz von Daniel Risch (VU) vereidigt. Das am 5. Oktober präsentierte Regierungsprogramm (2021–2025) orientiert sich an den Leitlinien von sozialer, ökonomischer, ökologischer sowie finanzieller Nachhaltigkeit und staatlicher Verlässlichkeit.

 

Die Schwerpunkte der Außenpolitik Liechtensteins liegen auf der Sicherung seiner Souveränität – nicht zuletzt durch eine aktive und thematisch fokussierte Mitgliedschaft in internationalen Organisationen –, auf dem freien Zugang zu den globalen Märkten, der Vertiefung der Beziehungen zu seinen Nachbarstaaten sowie einem prononcierten multilateralen Einsatz für Rechtsstaatlichkeit, den Schutz der Menschen-, Frauen- und Kinderrechte sowie der Abschaffung der Todesstrafe und der Bekämpfung von Folter und Straflosigkeit.

 

Sowohl im bilateralen, wie auch im multilateralen Bereich, als Mitglied der VN, der OSZE, des Europarats der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA), des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) und in der Welthandelsorganisation (WTO), erweist sich Liechtenstein als verlässlicher und engagierter Partner.

 

Seit Amtsantritt der neuen liechtensteinischen Regierung am 25. März fanden Antrittsbesuche aller Regierungsmitglieder bei ihren österreichischen Kollegen in Wien statt, auch Regierungschef Daniel Risch traf am 29. April zu seinem Antrittsbesuch mit Bundeskanzler Sebastian Kurz zusammen. Am 6. Oktober absolvierte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka einen Arbeitsbesuch beim Präsidenten des liechtensteinischen Landtags Albert Frick sowie einen Höflichkeitsbesuch bei Regierungschef Risch. Bundeskanzler Alexander Schallenberg stattete am 11. November Regierungschef Risch einen Arbeitsbesuch in Vaduz ab. Bundesministerin Karoline Edtstadler traf am 29. November in Vaduz mit Regierungschef Risch, Regierungsrätin Dominique Hasler (Ministerin für Äußeres, Bildung und Sport) sowie Regierungsrätin Graziella Marok-Wachter (Ministerin für Infrastruktur und Justiz) zu Arbeitsgesprächen zusammen.

 

Regionale Zusammenarbeit

 

Der Austausch und die Kooperation mit den Nachbarstaaten spielt eine sehr wichtige Rolle in der österreichischen Außenpolitik. Die COVID-19-Pandemie rückte die Bedeutung von guten nachbarschaftlichen Beziehungen noch stärker in den Vordergrund da viele der grenzüberschreitenden Herausforderungen nur gemeinsam mit den Nachbarn gelöst werden können. Österreich nimmt an mehreren regionalen Formaten teil, die eine Intensivierung der Zusammenarbeit zum Ziel haben.

 

Bis 30. Juni hatte Österreich den einjährigen Vorsitz im Slavkov/Austerlitz- Format mit der Slowakei und Tschechien inne. Zum Austausch von Maßnahmen zur Bewältigung der COVID-19-Pandemie, aber auch zu aktuellen Themen der EU und der internationalen Agenda wurden zahlreiche Treffen auf hochrangiger politischer Ebene sowie von Expertinnen und Experten durchgeführt. Im Zuge der Slavkov/Austerlitz-Konferenz zum „Digitalen Humanismus“ in Poysdorf übergab Bundesminister Alexander Schallenberg den Vorsitz an Tschechien. Das auf Initiative von Bundesminister Alexander Schallenberg gegründete Format der regionalen Zusammenarbeit mit Tschechien, Ungarn, Slowenien und der Slowakei, die Central Five, wurde intensiv fortgeführt. Am 22. Oktober lud Bundesminister Michael Linhart seine Amtskollegen nach Wien ein, um die wirtschaftliche Zusammenarbeit in Mitteleuropa zu stärken und Maßnahmen gegen die COVID-19-Pandemie zu besprechen. Weitere Treffen der Außenminister fanden in Tschechien, Slowenien und der Slowakei statt.

 

Weiter leistete die Zusammenarbeit der deutschsprachigen Länder durch regelmäßige Treffen der Staatsoberhäupter, Außenministerinnen und Außenminister, Fachministerinnen und Fachminister sowie von Expertinnen und Experten einen wertvollen Beitrag zur Vertiefung der regionalen Kooperation.

 

Österreich arbeitete außerdem im Rahmen der Quadrilateralen Kooperation auf Ebene der Staats- bzw. Generalsekretärinnen und Generalsekretäre der Außenministerien eng mit der Schweiz, Liechtenstein und Slowenien zusammen, ebenso wie im Rahmen der Trilateralen Zusammenarbeit mit Kroatien und Slowenien auf Ebene der Staatspräsidenten.

 

1.2.2. Südtirol

 

In der österreichischen Außenpolitik hat Südtirol einen besonderen Stellenwert. Die auf dem Gruber-De Gasperi-Abkommen von 1946 (Pariser Vertrag) beruhende Schutzfunktion Österreichs für Südtirol wird von der Bundesregierung mit Sorgfalt wahrgenommen. Sie manifestiert sich in einem großen Interesse für die allgemeine und autonomiepolitische Entwicklung in Südtirol sowie einer Vielzahl von Arbeitsbesuchen und Kontakten. Auf europäischer Ebene hat die Autonomie Südtirols Modellfunktion für die Lösung von Minderheitenkonflikten. Die Autonomie ist inzwischen gemeinsames Gut aller drei in Südtirol lebenden Sprachgruppen (deutsch, italienisch, ladinisch). Gleichzeitig besteht für Österreich kein Zweifel, dass die Autonomie Südtirols völkerrechtlich auch auf dem Selbstbestimmungsrecht beruht, das als fortbestehendes Recht von Südtirol in Form weitgehender Autonomie ausgeübt wird. Durch die Mitgliedschaft Österreichs und Italiens in der EU sind zusätzliche Bindungen entstanden, die auch Südtirol zu Gute kommen. Im Regierungsprogramm 2020–2024 wird die gemeinsame Verantwortung Österreichs und Italiens für die Weiterentwicklung der Autonomie Südtirols festgehalten.

 

Die Initiativen der seit 2011 bestehenden Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino (Euregio), in welchen Tirol bis Herbst den Vorsitz innehatte, sind ein gutes Beispiel für die Anwendung europäischer Instrumentarien für regionale Zusammenarbeit und zur Überwindung von Grenzen. Die Euregio feierte im Rahmen des Europäischen Forums Alpbach 2021 ihr 10-jähriges Bestehen. Dabei wurde von den drei Landeshauptleuten die 2020 beschlossene Änderung der Übereinkunft zum derzeitigen Europäischen Verbund für territoriale Zusammenarbeit der Euregio unterzeichnet. Sowohl zum Transitverkehr über den Brenner als auch zu anderen Themen hat sich die regionale Zusammenarbeit deutlich verstärkt. Zur Entwicklung eines emissionsarmen „grünen“ Brennerkorridors hat die Euregio eine Strategie für einen Wasserstoffkorridor über den Brenner beschlossen.

 

Auch während der COVID-19-Pandemie hat Südtirol in der nachbarschaftlichen Zusammenarbeit Österreichs einen besonderen Platz eingenommen. Grenzübertritte von Familienmitgliedern, Studierenden und Pendlerinnen und Pendler wurden unbürokratisch ermöglicht. Bei der Versorgung von Patientinnen und Patienten und medizinischen Lieferungen konnte Österreich Hilfe leisten.

 

Auf Landesebene regiert die Südtiroler Volkspartei (SVP) mit Landeshauptmann Arno Kompatscher in Koalition mit der „Lega Salvini Alto Adige Südtirol“. Zur Problematik des Transitverkehrs über den Brenner bestehen in Südtirol unterschiedliche Auffassungen der Wirtschaft, der Politik und der Bevölkerung.

 

Südtirols Wirtschaft war ebenso von COVID-19 hart getroffen, besonders Tourismusbetriebe hatten Rückgänge von 35-40 % zu verzeichnen. Vor COVID-19 war Österreich mit 10 % der Exporte der zweitwichtigste Exportmarkt Südtirols. Umgekehrt entfielen knapp über 10 % der österreichischen Exporte nach Italien auf Südtirol.

 

1.3 Südosteuropa bzw. Westbalkanstaaten

 

Die sechs südosteuropäischen Länder Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro und Serbien, die geografisch zur Gänze von EU-Staaten umgeben sind, werden auch unter dem Begriff „Westbalkan“ zusammengefasst. Diese Region – der Innenhof Europas – bildet traditionell einen Schwerpunkt der österreichischen Außen- und Europapolitik.

 

Die bilateralen Beziehungen Österreichs mit den Westbalkan-Staaten sind ausgesprochen eng und freundschaftlich, insbesondere Österreichs Engagement für die EU-Erweiterung wird in der Region sehr geschätzt. Besondere Erwähnung verdienen in diesem Zusammenhang auch die großen Diaspora-Gemeinden von den rund 500.000 in Österreich lebenden Menschen, die in der Region ihre Wurzeln haben und ein starkes und dynamisches Bindeglied zwischen Österreich und ihren Herkunftsländern darstellen.

 

Ein besonders wichtiges Ereignis in den Beziehungen zwischen Österreich und der Region war der am 18. Juni in Wien abgehaltene Österreich-Westbalkan Gipfel, zu dem Bundeskanzler Sebastian Kurz seine Amtskolleginnen und Amtskollegen aus den sechs Staaten begrüßte. Parallel zum Treffen der Regierungschefs fand auch eine Konferenz der für EU-Angelegenheiten zuständigen Ministerinnen und Minister statt. Hauptgesprächsthemen waren EU-Erweiterung bzw. die Zukunft Europas, Pandemiebekämpfung und die Kooperation im Migrationsmanagement.

 

Die Zusammenarbeit zwischen Österreich und den Westbalkanländern bei der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie war stark auf den Aspekt der Versorgung mit Impfstoffen fokussiert. Im Frühjahr agierte Österreich auf Ersuchen der Europäischen Kommission als Koordinator dabei, Impfstoffe aus dem COVAX in die Westbalkanstaaten zu liefern. Im Zeitraum von Mai bis Oktober konnte auf diesem Weg insgesamt ca. 651.000 Dosen Impfstoff von Pfizer/Biontech geliefert werden, die vor allem für die Durchimpfung von Schlüsselpersonal bzw. besonders exponierten Bevölkerungsgruppen wie etwa im Gesundheitssektor bestimmt waren.

 

Im Juni gab darüber hinaus Bundeskanzler Sebastian Kurz am Rande des bereits erwähnten Wiener Gipfeltreffens Österreichs Bereitschaft bekannt, bis zu einer Million an Impfdosen aus österreichischen Beständen für die Impfkampagnen auf dem Westbalkan zur Verfügung zu stellen. 500.000 Dosen des Impfstoffs von AstraZeneca wurden in der Folge noch im August nach Bosnien und Herzegowina geliefert.

 

Österreich blieb auch in der Förderung der regionalen Zusammenarbeit vor allem im Rahmen des Berlin-Prozesses engagiert. Pandemiebedingt fand der Großteil der Veranstaltungen nur virtuell statt, dennoch konnte in diesem Rahmen Anfang Juli ein beachtlicher Erfolg verzeichnet werden, als endgültig alle Roaming-Gebühren innerhalb der Region abgeschafft wurden. Als schwieriger erwiesen sich die Bemühungen um die Umsetzung des Aktionsplans für die Schaffung eines Gemeinsamen Regionalen Marktes: Die Arbeiten an Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Berufsberechtigungen und akademischen Qualifikationen sowie das visafreie Reisen innerhalb der Region konnten nicht zum Abschluss gebracht werden.

 

Deutschland hat angekündigt, die Struktur des Prozesses im Lichte der Erfahrungen der letzten Jahre zu modifizieren, konkrete Vorschläge dafür blieben vorerst allerdings ausständig. Österreich und viele andere Teilnehmerstaaten des Berlin-Prozesses traten jedenfalls mit Nachdruck für die Fortsetzung dieser erfolgreichen Initiative ein.

 

Nach wie vor bleibt die Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und Kosovo ein Schlüsselfaktor bei der dauerhaften Stabilisierung der Region. Nach längerer Unterbrechung war der von der EU vermittelte Dialog zwischen Belgrad und Pristina 2020 wiederaufgenommen worden. Dem EU-Sonderbeauftragten für diesen Dialog und andere regionale Fragen, Miroslav Lajčák, kommt dabei als Vermittler eine Schlüsselrolle zu. Er setzte seine Bemühungen mit Nachdruck fort. Der Dialog wurde auf Ebene der Chefverhandler beständig weitergeführt, zwei direkte Zusammentreffen zwischen Serbiens Präsident Aleksandar Vučić und dem neuen kosovarischen Regierungschef Albin Kurti brachten vorerst jedoch keine greifbaren Fortschritte.

 

Seit April unterstützt Österreich das Team des Sonderbeauftragten durch die Sekundierung eines österreichischen Diplomaten, der als Rechtsberater fungiert.

 

Albanien

 

Bei den Parlamentswahlen vom 25. April konnte die Sozialistische Partei (SP) von Premierminister Edi Rama mit über 48 % der Stimmen 74 von 140 Mandaten erringen und somit ihre absolute Mehrheit verteidigen. Nach einem lang anhaltenden Boykott des Parlaments durch die Opposition während der vorangegangenen Legislaturperiode nahmen nunmehr erfreulicherweise die gewählten Vertreterinnen und Vertretern der Oppositionsparteien ihre Sitze wieder ein.

 

Die neue Regierung wurde nach Zustimmung durch das Parlament am 18. September von Staatspräsident Meta angelobt. Es handelt sich dabei um die erste demokratisch legitimierte Regierung des Landes, in der die Mehrheit von Kabinettspositionen (12 von insgesamt 17) von Frauen eingenommen wird.

 

Albanien setzte nach dem OSZE-Vorsitz 2020 sein intensives Engagement in den internationalen Organisationen fort und wurde im Juni erstmals als nicht-ständiges Mitglied in den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen für die Zeit 2022/2023 gewählt.

 

Trotz der Enttäuschung über die Verzögerung des Beginns der EU-Beitrittsverhandlungen setzte Albanien seinen Reformweg weiter fort, wie auch der jährliche Länderbericht der Europäischen Kommission im Oktober feststellte. Besondere Bedeutung kommt der Justizreform und der Überprüfung („Vetting“) von Richterinnen und Richtern sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälten auf die Plausibilität ihrer Eigentumsverhältnisse zu. Die Sozialistische Partei schlug vor, den „Vetting“-Prozess bis Ende 2024 zu verlängern, um genügend Zeit für die Prüfung aller Fälle zu haben.

 

Die Austrian Development Agency (ADA) setzt seit Februar 2020 die zweite Phase des EU-Projektes International Monitoring Operation um, welche mit internationaler Expertise den „Vetting“-Prozess unterstützt. Neben Projekten im Justizsektor ist ein weiterer Schwerpunkt der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit (OEZA) der Wasser- und Abwasserbereich und die Unterstützung Albaniens bei der Anpassung der Umweltgesetze an den Besitzstand der EU (Acquis communautaire). Die Agentur für Bildung und Internationalisierung (OeAD) begann die Umsetzung eines von der Stadt Wien finanzierten Projektes zur Ausbildung von Jugendlichen und setzt damit ihr langjähriges Engagement in diesem Sektor fort.

 

Bundesministerin Karoline Edtstadler besuchte am 5./6. Mai Tirana und führte Gespräche mit dem albanischen Staatspräsidenten Ilir Meta, Europa- und Außenministerin Olta Xhaçka, EU-Chefverhandler, Staatsminister Zef Mazi und mit der Ministerin für parlamentarische Angelegenheiten, Elisa Spirobali. Am 22./23. Mai traf Außenminister Alexander Schallenberg zusammen mit den Außenministern aus Tschechien und Slowenien in Tirana auf Staatspräsidenten Ilir Meta, Premierminister Edi Rama, Europa- und Außenministerin Olta Xhaçka und EU-Chefverhandler, Staatsminister Zef Mazi. Premierminister Edi Rama besuchte Wien am 20. Juli und führte Gespräche mit Bundesministerin Elisabeth Köstinger. Innenminister Karl Nehammer traf im Rahmen seiner Reise nach Tirana und Durres am 28./29. September auf den albanischen Innenminister Bledi Çuçi. Außenminister Michael Linhart besuchte von 18. bis 20. November Tirana und führte Gespräche mit dem albanischen Staatspräsidenten Ilir Meta, Premierminister Edi Rama, Europa- und Außenministerin Olta Xhaçka sowie der Vorsitzenden des europäischen Integrationsausschusses im albanischen Parlament, Jorida Tabaku.

 

Bosnien und Herzegowina

 

Die Situation in Bosnien und Herzegowina blieb 2021 weiterhin von einem anhaltenden Reformstau, politischen Blockaden sowie ethnonationalistischer und sezessionistischer Rhetorik geprägt. Mit 1. August übernahm der Deutsche Christian Schmidt das Amt des Hohen Vertreters der internationalen Gemeinschaft für Bosnien und Herzegowina von seinem österreichischen Vorgänger Valentin Inzko. Seine Ernennung erfolgte gegen die Stimme Russlands auf Basis einer Mehrheitsentscheidung des Lenkungsausschusses des Peace Implementation Council (PIC) und wird von Russland, China sowie den bosnischen Serbinnen und Serben nicht als legitim anerkannt, da keine Indossierung der Ernennung durch den VN-Sicherheitsrat erfolgte.

 

Zuvor hatte Valentin Inzko im Juli unter Anwendung seiner Bonner Vollmachten eine Änderung des Strafgesetzbuches verfügt, wodurch unter anderem die Leugnung von Genozid sowie die Verherrlichung von Kriegsverbrecherinnen und Kriegsverbrechern unter Strafe gestellt wurde. Die Vertreterinnen und Vertreter der serbischen Volksgruppe reagierten darauf mit einer weitgehenden Blockade der politischen Entscheidungsprozesse auf gesamtstaatlicher Ebene. Zudem sprach sich die zentrale Führungsfigur der serbischen Volksgruppe, Milorad Dodik, weiter für die Abspaltung der Republika Srpska aus und arbeitete zunehmend darauf hin, durch einseitige Schritte Kompetenzen vom Staat auf die Repubika Srpska zu übertragen.

 

Das Ziel eines EU-Beitritts – Bosnien und Herzegowina hat 2016 einen Beitrittsantrag gestellt – bleibt weiter der stärkste Faktor, der alle Volksgruppen im Land einen könnte. Dennoch wird seitens einiger politischer Führungskräfte zunehmend offen bezweifelt, ob dieses Ziel realistisch ist. Der jährliche Länderbericht der Europäischen Kommission hielt jedenfalls fest, dass aufgrund der innenpolitischen Lage das abgelaufene Jahr für Reformen weitgehend ungenützt blieb.

 

Von besonderer Dringlichkeit ist angesichts der im Herbst 2022 abzuhaltenden Wahlen eine Wahlrechtsreform, die nicht zuletzt die Gleichheit des Wahlrechts aller Bürgerinnen und Bürger unabhängig von ihrer Volksgruppenzugehörigkeit sicherstellen soll, um so die geltenden Regelungen in Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) zu bringen. Die Bemühungen der internationalen Gemeinschaft, vor allem der EU und der USA, einen Kompromiss über eine solche Reform zu vermitteln, blieben aber weitestgehend erfolglos. Ausständig sind auch neue Gesetze zum Vergaberecht, zu Interessenskonflikten und zum Hohen Rat für Justiz und Staatsanwaltschaft.

 

Der österreichische Diplomat Johann Sattler ist seit 2019 als EU-Sonderbeauftragter und Leiter der EU-Delegation in Sarajewo tätig. Österreich ist seit Beginn 2004 an der militärischen EU-Operation zur sicherheitspolitischen Stabilisierung des Landes, EUFOR Althea, beteiligt und stellt den Truppenkommandanten, Generalmajor Alexander Platzer.

 

Außenministerin Bisera Turković führte am 8. März ein Gespräch mit Außenminister Alexander Schallenberg in Wien. Innenminister Karl Nehammer traf im Rahmen eines Arbeitsbesuchs am 28. April mit Sicherheitsminister Selmo Cikotić in Sarajewo zusammen. Am 4. Mai übergab Außenminister Alexander Schallenberg die ersten von Österreich koordinierten EU4Health-Impfstoffe in Sarajewo und führte Gespräche mit Außenministerin Bisera Turković sowie mit Ministerratsvorsitzendem Zoran Tegeltija. Am 22./23. Juni besuchte Verteidigungsministerin Klaudia Tanner die EUFOR-Truppen in Sarajewo und traf mit Verteidigungsminister Sifet Podžić zusammen. Die erste Auslandsreise führte den neuen Außenminister Michael Linhart am 14./15. Oktober nach Sarajewo, wo er mit Außenministerin Bisera Turković und dem Staatspräsidium unter Vorsitz von Željko Komšić (gemeinsam mit Šefik Džaferović und Milorad Dodik) zusammentraf. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka hielt sich am 17./18. Oktober in Sarajewo auf und führte Gespräche mit beiden Kammern des Parlaments, mit Ministerratsvorsitzendem Zoran Tegeltija und Außenministerin Bisera Turković.

 

Kosovo

 

Angesichts der Herausforderungen durch die COVID-19-Pandemie und der turbulenten Entwicklungen in der kosovarischen Innenpolitik konnte das Land zuletzt nur punktuelle Fortschritte in seinen auf die EU-Annäherung ausgerichteten Reformbemühungen verzeichnen.

 

Am 14. Februar fanden vorgezogene Parlamentswahlen statt, die von Vetëvendosje unter Albin Kurti, die mit Vjosa Osmani in einer gemeinsamen Liste angetreten war, klar gewonnen wurden. Die neue Regierung unter Albin Kurti wird im Parlament von einer soliden Mehrheit von 67 Stimmen (bei insgesamt 120 Parlamentssitzen) gestützt. Am 4. April wurde Vjosa Osmani durch das Parlament zur neuen Staatspräsidentin gewählt.

 

Bei Lokalwahlen im Herbst konnte Vetëvendosje nicht an den Erfolg bei den Parlamentswahlen anknüpfen und nur in vier von 38 Gemeinden das Bürgermeisteramt erringen. Die Lokalwahlen bilden den Abschluss eines Wahl-Zyklus, von dem zu hoffen ist, dass er die Basis für größere institutionelle Stabilität in den nächsten Jahren gelegt hat.

 

Abgesehen von Kosovos Bemühungen um einen EU-Beitritt war zuletzt in den Beziehungen zwischen Kosovo und der EU das Thema Visaliberalisierung von besonderer Bedeutung. Schon im Juli 2018 hatte die Europäische Kommission bestätigt, dass Kosovo alle Bedingungen für die Liberalisierung erfülle, dennoch konnte bislang im Rat der Europäischen Union keine ausreichende Mehrheit für diesen Schritt gefunden werden, was in Kosovo als ungerechtfertigte Diskriminierung des Landes gegenüber den anderen fünf Staaten der Region empfunden wird. Österreich unterstützt die Visaliberalisierung für Kosovo, das ist im Regierungsprogramm festgeschrieben.

 

Kosovo ist ein Schwerpunktland der OEZA. Schwerpunktsektoren sind dabei der Bildungssektor, die wirtschaftliche Entwicklung sowie die Beschäftigungspolitik mit Fokus auf den ländlichen Raum. Österreich ist größter Geber im Bereich höhere Bildung, sowie für das Jugendprogramm des Kinderhilfswerks der VN (UNICEF).

 

Österreich ist an der NATO-geführten Operation KFOR beteiligt und dabei weiterhin größter Nicht-NATO-Truppensteller. Des Weiteren stellt Österreich mehrere Exekutivbeamtinnen und Exekutivbeamte im Rahmen der EU-Rechtsstaatlichkeitsmission EULEX Kosovo und entsendet auch eine österreichische Exekutivbeamtin zu UNMIK.

 

Am Rande des Prespa-Forums am 1./2. Juli fand ein bilaterales Gespräch zwischen Außenminister Alexander Schallenberg und Außenministerin Donika Gërvalla-Schwarz statt. Bundespräsident Alexander Van der Bellen empfing Präsidentin Vjosa Osmani Sadriu am 22. Juni zu einem offiziellen Arbeitsbesuch in Wien. Bundesminister Heinz Faßmann traf Bildungsministerin Arberie Nagavci am 23. September in Wien. Innenminister Karl Nehammer wurde am 28. September zu einem offiziellen Arbeitsbesuch bei Innenminister Xhelal Svecla empfangen. Bundesministerin Margarete Schramböck traf Handelsministerin Rozeta Hajdari am 10. November in Wien. Außenminister Michael Linhart traf Außenministerin Donika Gërvalla-Schwarz am 15. November am Rande des RAB in Brüssel. Bundeskanzler Alexander Schallenberg traf Premierminister Albin Kurti am 23. November in Wien.

 

Montenegro

 

Die nach den Wahlen vom August 2020 im Dezember 2020 gebildete Expertenregierung konnte sich von Beginn an nur auf eine äußerst knappe Mehrheit (41 von 80 Abgeordneten) stützen. Da diese Mehrheit überdies sehr heterogen zusammengesetzt ist, kam es schon gegen Jahresmitte zu einer zunehmenden Lähmung der Regierungsarbeit, verbunden mit einer immer stärkeren Polarisierung in der Gesellschaft zwischen der Anhängerschaft von Regierung und Opposition.

 

Bestimmende Ereignisse waren in diesem Zusammenhang die parlamentarische Genehmigung der Absetzung von Justizminister Vladimir Leposavić am 17. Juni nach dessen umstrittenen Aussagen über den Massenmord von Srebrenica sowie die Entschließung des Parlaments, in der der Genozid und seine Verharmlosung bzw. Relativierung verurteilt wurden. Beide Beschlüsse wurden nur von einem Teil der Regierungsmehrheit mitgetragen und fanden nur durch die Stimmen der Opposition eine Mehrheit.

 

Der weitgehende Stillstand der Regierungsarbeit hemmte auch den Fortgang der Reformen, die für Fortschritte im EU-Beitrittsprozess des Landes essentiell sind, vor allem betreffend Justiz und Rechtsstaatlichkeit. Anfang Dezember hatte sich im Parlament bereits ein Rückstau von über 90 unbehandelten Gesetzesvorlagen ergeben.

 

Innenminister Karl Nehammer stattete Innenminister Sergej Sekulović am 29. September einen Besuch ab. Dabei wurde eine technische und personelle Unterstützung Österreichs bei der Grenzkontrolle in Montenegro vereinbart.

 

Nordmazedonien

 

Die von Zoran Zaev geführte Koalitionsregierung seiner sozialdemokratischen Partei SDSM mit der stärksten Partei der albanischen Volksgruppe (DUI) setzte ihre Reformbemühungen fort, um weitere Fortschritte bei der Annäherung an die EU zu erzielen. Die parlamentarische Arbeit war allerdings dadurch erschwert, dass es die knappe Regierungsmehrheit von nur zwei Abgeordneten der Opposition ermöglicht, wiederholt durch Abwesenheit ein Präsenzquorum zu verhindern.  

 

Mit fast zehn Jahren Verspätung fand im September eine Volkszählung statt. Laut vorläufigem Ergebnis ist die Bevölkerung seit 2002 um rund 10 % auf 1,8 Millionen zurückgegangen. Nach einer klaren Niederlage für SDSM im Rahmen der Lokalwahlen kündigte Zoran Zaev am 31. Oktober seinen Rücktritt als Regierungschef und von der Parteispitze an. Am 12. Dezember wurde Vizepremierminister Dimitar Kovachevski zum Nachfolger von Zaev als Parteichef der SDSM gewählt, am 29. Dezember wurde er von Staatspräsident Stevo Pendarovski mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt.

 

Nachdem die Europäische Kommission schon 2018 die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen empfohlen und der Rat der EU im März 2020 auch grundsätzlich beschlossen hatte, dieser Empfehlung zu folgen, blieb dennoch auch 2021 die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien aufgrund offener bilateraler Fragen mit Bulgarien weiterhin aus. Gespräche zwischen Nordmazedonien und Bulgarien über eine Beilegung der bestehenden Meinungsverschiedenheiten dauerten noch an.

 

Nordmazedonien blieb ein wichtiger Partner Österreichs und der EU in der Migrationspolitik. Seit Februar 2016 unterstützt Österreich Nordmazedonien bei der Kontrolle seiner Grenzen mit einem Kontingent österreichischer Grenzschutzbeamtinnen und Grenzschutzbeamten. Im August waren auch österreichische Feuerwehrkräfte erfolgreich im Kampf gegen Waldbrände im bergigen Grenzgebiet zu Bulgarien im Einsatz.

 

Innenminister Karl Nehammer besuchte Skopje am 27./28. April auf Einladung von Innenminister Oliver Spasovski. Am 4./5. Mai reiste Bundesministerin Karoline Edtstadler auf Einladung des stellvertretenden Ministerpräsidenten Nikola Dimitrov nach Skopje und traf Präsident Stevo Pendarovski, Ministerpräsident Zoran Zaev, Gesundheitsminister Venko Filipche und Oppositionschef Hristijan Mickoski. Auf Einladung von Außenminister Bujar Osmani besuchte Außenminister Alexander Schallenberg gemeinsam mit seinen slowenischen und tschechischen Amtskollegen am 22. Mai Skopje, wo er Termine mit Ministerpräsident Zoran Zaev, dem stellvertretenden Ministerpräsident Nikola Dimitrov und Präsident Stevo Pendarovski wahrnahm. Am 1./2. Juli nahm Außenminister Alexander Schallenberg am Prespa Forum in Ohrid teil. Am 18. November reiste Außenminister Michael Linhart nach Skopje und führte Gespräche mit Präsident Stevo Pendarovski, Ministerpräsident Zoran Zaev und Außenminister Bujar Osmani.

 

Serbien

 

Die serbische Fortschrittspartei SNS (EVP), geführt von Präsident Aleksandar Vučić, verfügt nach den von der Opposition weitgehend boykottierten Parlaments- und Lokalwahlen vom Juni 2020 nach wie vor über eine Zweidrittelmehrheit im Parlament. Im Frühjahr 2022 stehen Präsidentschaftswahlen sowie Bürgermeisterwahlen in Belgrad an, Präsident Vučić kündigte darüber hinaus an, diese Wahlgänge mit vorgezogenen Parlamentswahlen zu verbinden. Ein 2019 initiierter interner politischer Dialog zwischen Regierung und Opposition, an dem sich auch Angehörige des EU-Parlaments als Vermittlerinnen und Vermittlern beteiligten, mündete in einem Arbeitsdokument mit 16 seitens der Regierung zugesagten Maßnahmen, die fairere Wahlbedingungen sicherstellen sollen. Die Neuerungen betreffen vor allem die Aufnahme von Oppositionsvertreterinnen und Oppositionsvertretern in die Zentrale Wahlkommission sowie den fairen Zugang zu nationalen Medien während des Wahlkampfs.

Die derzeitige Regierung unter Premierministerin Ana Brnabić setzt ihre pro-europäische Ausrichtung fort und hat den EU-Beitritt Serbiens zur strategischen Priorität des Landes erklärt. Arbeiten an einer Revision der Verfassung, die vor allem eine größere Unabhängigkeit der Justiz gewährleisten soll, konnten weitgehend abgeschlossen werden. Die entsprechenden Änderungen, die nicht zuletzt einige wichtige Reformvorgaben seitens der EU betreffend die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit in Serbien erfüllen, müssen Anfang 2022 noch einem Referendum unterzogen werden.

 

Serbien, gemeinsam mit Albanien und Nordmazedonien, initiierte im Juli die Open Balkans Initiative (ursprünglich Mini-Schengen). Ziel sind rasche Erleichterungen im Personen- und Güterverkehr, Integration der Arbeitsmärkte sowie die Abschaffung von Grenzkontrollen bis 2023.

 

Innenminister Karl Nehammer traf am 29. April in Belgrad Innenminister Aleksandar Vulin. Von 10. bis 11. Juni traf Parlamentssprecher Ivica Dačić Bundeskanzler Sebastian Kurz, Außenminister Alexander Schallenberg und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka in Wien zu Gesprächen. Von 15. bis 17. Juli traf Außenminister Nikola Selaković Bundesminister Alexander Schallenberg, Bundesratspräsident Peter Raggl, Innenminister Karl Nehammer, Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck, österreichische Wirtschaftsvertreter und Mitglieder der serbischen Diaspora in Wien. Am 6. September traf Bundeskanzler Sebastian Kurz Präsident Aleksandar Vučić in Belgrad. Von 4. bis 5. Oktober war Innenminister Aleksandar Vulin zu Besuch in Wien, wo er mit Innenminister Karl Nehammer zusammentraf. Von 19. bis 20. Oktober besuchte Verteidigungsministerin Klaudia Tanner auf Einladung ihres Amtskollegen Nebojša Stefanović Belgrad.

 

1.4 Die östliche Nachbarschaft der Europäischen Union und Türkei

 

1.4.1 Russland

 

Die seit 2014 schwer belasteten Beziehungen der EU zu Russland haben sich weiter zugespitzt. Sie stellen laut Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen „eine zentrale strategische Herausforderung für die EU“ dar. Steine des Anstoßes sind u.a. wiederholte Verstöße Russlands gegen das Völkerrecht, die Prinzipien der OSZE und des Europarats, zu deren Einhaltung Russland sich verpflichtet hat, sowie hybride Bedrohungen, gegen die EU und ihre Mitgliedstaaten gerichtete Cyber- und Hackerangriffe, russische Truppenbewegungen an der Grenze zur Ukraine als auch die besorgniserregende Menschenrechtssituation in Russland. Die russischen Völkerrechtsverletzungen und das aggressive russische Vorgehen gegen einzelne EU-Mitgliedstaaten belasten auch die bilateralen Beziehungen zwischen Österreich und Russland zunehmend.

 

Die Grundlage für die Beziehungen der EU zu Russland bilden seit 2016 die folgenden fünf Prinzipien: Umsetzung der Minsker Vereinbarungen zur Lösung des Konflikts in der Ostukraine, Stärkung der Beziehungen mit den Östlichen Partnern und den Nachbarn in Zentralasien, Stärkung der internen EU-Widerstandsfähigkeit, Zusammenarbeit mit Russland in ausgewählten Bereichen sowie verstärkte Unterstützung für die russische Zivilgesellschaft und Kontakte zwischen den Bevölkerungen. Diese fünf Prinzipien wurden im Juni in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates neuerlich bestätigt. Die 2014 aufgrund der völkerrechtswidrigen Annexion der Halbinsel Krim und des Konflikts in der Ostukraine gegen Russland verhängten Sanktionen der EU wurden ebenso verlängert wie die von Russland verhängten Gegenmaßnahmen. Auch die gezielten Sanktionsmaßnahmen der EU wurden verlängert bzw. ausgeweitet.

 

Die politisch motivierte Verurteilung des russischen Oppositionellen Alexei Nawalny nach seiner Rückkehr nach Russland und das brutale Vorgehen der russischen Sicherheitskräfte gegen friedliche Demonstrantinnen und Demonstranten haben im Rahmen des neuen EU-Menschenrechtssanktionenregimes zur Listung von russischen Akteurinnen und Akteuren geführt. In Reaktion darauf belegte Russland acht hochrangige Vertreterinnen und Vertreter aus der EU und ihren Mitgliedstaaten mit Sanktionen. Während des Besuchs von HV/VP Josep Borrell in Moskau (4.-5. Februar) wurden drei Diplomatinnen und Diplomaten aus EU-Mitgliedsstaaten des Landes verwiesen. Zu einem Reigen an gegenseitigen Ausweisungen kam es, als Tschechien russische Geheimdienstangehörige öffentlich für die 2014 im Munitionslager in Vrbetice erfolgte Explosionen verantwortlich machte. In der Folge erklärte Russland Tschechien und die USA zu „unfreundlichen Staaten“, was sich auf die Funktionsfähigkeit der diplomatischen Vertretungsbehörden dieser Länder in Russland besonders negativ auswirkte. In Reaktion auf all diese Entwicklungen präsentierten die Europäische Kommission und der HV/VP Josep Borrell am 16. Juni eine, im Zeichen eines prinzipienbasierten Pragmatismus stehende, gemeinsame Mitteilung über die Beziehungen der EU zu Russland mit dem Titel „In die Schranken weisen, Grenzen setzen und Zusammenarbeiten: Bewältigung einer strategischen Herausforderung“ mit Empfehlungen, wie die Russlandpolitik der EU gestärkt werden kann. Formelle Gipfeltreffen, Verhandlungen über ein neues Rahmenabkommen zwischen der EU und Russland und der Visadialog bleiben weiterhin ausgesetzt. Österreich trat innerhalb der EU für eine Fortsetzung der doppelgleisigen Strategie gegenüber Russland ein: Kante, wo nötig, Dialog, wo möglich.

 

Den postsowjetischen Raum sieht Russland als seine Einflusssphäre zur möglichst ungehinderten Verfolgung nationaler ökonomischer und geopolitischer Interessen. Russland befindet sich jedoch in dieser Region verstärkt in Konkurrenz nicht nur mit dem Westen, sondern auch mit der Türkei und China. In der gegenwärtigen politischen Krise in Belarus unterstützt Russland Alexander Lukaschenka als „legitimen Präsidenten“ gegen die aus russischer Sicht nicht legitime Protestbewegung. Die gegenwärtige Krise in Belarus birgt für Russland die Chance einer engeren Integration von Belarus mit Russland, vor allem in den Bereichen Sicherheit und Verteidigung. 

 

Angesichts der Differenzen mit den USA und der EU blickt Russland verstärkt nach Osten und Süden. Die Beziehungen zu China, Japan, Südkorea und Indien sind heute besser denn je zuvor in der jüngeren Geschichte. Die chinesische Seidenstraßeninitiative sieht Moskau als potentiellen Impuls für die weitere wirtschaftliche Entwicklung des eurasischen Raums. Im Rahmen der Eurasischen Wirtschaftsunion versucht Russland, die wirtschaftliche Verschränkung mit Armenien, Belarus, Kasachstan und Kirgisistan voranzutreiben.

 

Das Verhältnis zwischen Russland und der Türkei ist sehr ambivalent. Während sich die Interessen Russlands und der Türkei in einigen Bereichen – Energie, Transport, Tourismus, Militärtechnik – durchaus ergänzen, existieren eine Reihe von Differenzen in Bezug auf Syrien, die türkischen Aktivitäten im östlichen Mittelmeer, Libyen sowie die Ukraine und die Krim. In der Region Berg-Karabach hat sich durch die Rolle der Türkei im Konflikt ein neues regionales Kräfteverhältnis im Südkaukasus ergeben. Durch sein militärisches und diplomatisches Engagement konnte Russland zum Fortbestand des Assad-Regimes beitragen sowie seine Militärbasen in Syrien sichern und somit seine Position im östlichen Mittelmeer und im Nahen Osten festigen. Russland versucht, auch weiter westlich in Libyen seinen Einfluss geltend zu machen. Der Abzug der US-Truppen aus Afghanistan und die dortige Machtübernahme durch die Taliban sind aus russischer Sicht ambivalent: Einerseits werden dadurch Sicherheitsrisiken für strategisch und ökonomisch wichtige Länder Zentralasiens verschärft, andererseits ergeben sich neue Spielräume für die russische Diplomatie, z.B. im Rahmen von Konsultationen des „Moskauer Formats“ zu Afghanistan (Moskau, 20. Oktober). Um sich in Afrika neben China und den westlichen Staaten als geopolitischer und wirtschaftlicher Akteur zu positionieren, hat Russland seine Beziehungen mit einer Reihe von afrikanischen Ländern weiter ausgebaut.

 

Die innenpolitische Lage blieb stabil. Bei den vom 17.-19. September abgehaltenen und von Berichten über Wahlfälschungen überschatteten Duma-Wahlen errang die Kreml-Partei „Einiges Russland“ mit 49,8 % der Stimmen wieder die Verfassungsmehrheit. Die echte politische Opposition war bereits im Vorfeld der Wahlen ausgeschaltet worden.

 

Die Menschenrechtssituation in Russland hat sich weiter drastisch verschlechtert. Der Trend der vergangenen Jahre in Richtung nachhaltiger Einschränkung der Grundrechte und des Spielraums für die unabhängige Zivilgesellschaft setzte sich fort. Ziel dieser Maßnahmen ist es, jegliche Tendenzen, die sich potentiell destabilisierend auf das innenpolitische System auswirken könnten, zu eliminieren. Auch die Kontakte anderer Staaten mit der russischen Zivilgesellschaft geraten immer mehr ins Visier der russischen Behörden. Alexei Nawalny wurde mit dem Sacharow-Preis des Europäischen Parlaments 2021 ausgezeichnet und der Chefredakteur der kremlkritischen Zeitung „Novaja gaseta“ Dmitri Muratow erhielt zusammen mit der philippinischen Journalistin Maria Ressa den Friedensnobelpreis 2021.

 

 

1.4.2 Östliche Partnerstaaten

 

Die Östliche Partnerschaft der EU (ÖP) ist der Kooperations- und Unterstützungsrahmen der EU mit Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Georgien, Moldau und der Ukraine. Sein Ziel ist die Annäherung der Partnerländer an europäische Standards und Werte. 

 

Die belarussische Teilnahme an der ÖP wurde von Alexander Lukaschenka am 28. Juni suspendiert. Da die EU und ihre Mitgliedstaaten hochrangige politische Kontakte mit dem Regime ablehnten, blieb der Platz für Belarus bei wichtigen ÖP-Treffen leer. Dafür wurden wiederholt EU-Treffen mit Vertreterinnen und Vertretern der demokratischen Kräfte des Landes veranstaltet. Das Minsker Regime hat im Herbst das Rückübernahmeabkommen mit der EU suspendiert, und die EU setzte ihrerseits am 9. November die Visaerleichterungsbestimmungen für Amtsträger des belarussischen Regimes aus.

 

Weiters beeinträchtigt wurde die Arbeit der ÖP auch durch die Post-Konflikt-Situation um die Region Berg-Karabach, die sehr angespannte Lage in der Ostukraine, schleppende Reformen und anhaltende Demokratiedefizite in Partnerländern oder auch die Tatsache, dass infolge der COVID-19-Pandemie viele Sitzungen entweder nicht abgehalten, verschoben, oder nur als Videokonferenz durchgeführt wurden. Ausnahmen davon stellten das Außenministerinnen- und Außenministertreffen vom 15. November in Brüssel (Teilnahme Bundesminister Michael Linhart) und der 6. ÖP-Gipfel vom 15. Dezember in Brüssel (Teilnahme Bundeskanzler Karl Nehammer) dar, auf dem sich die teilnehmenden Partnerländer auf eine ausgewogene und zukunftsgerichtete Gipfelerklärung einigten. Erfolgreich war die ÖP insbesondere auf den Gebieten Handel und KMUs, Mobilität der Menschen, Bildung sowie Konnektivität der Transport- und Energiewege.

 

Österreich strebt eine demokratische, stabile und wohlhabende östliche Nachbarschaft souveräner und resilienter Staaten an. Besondere Bedeutung legt Österreich in diesem Zusammenhang auf Werte (u.a. Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschen- einschließlich Minderheitenrechte, Genderfragenbeachtung, sowie Nicht-Diskriminierung und Inklusion), greifbare Erfolge für die Bevölkerung (insbesondere für die Jugend), eine “Green Agenda“, eine umfassende „Human Security“, auf elektronische Demokratie, Dezentralisierung, soziale Kohäsion und umfassende Resilienz sowie die Behandlung von Emigration und Talentabwanderung. In die Gipfelvorbereitung hat sich Österreich aktiv eingebracht, u.a. auch mit einem von Österreich koordinierten und von 11 Mitgliedstaaten eingebrachten Non-paper zur regelmäßigen Überprüfung der Umsetzung der gemeinsamen Werte durch die Partnerländer.

 

Armenien

 

Bestimmend für die Innen- und Außenpolitik Armeniens war einmal mehr der Konflikt um die Region Berg-Karabach. Hohe Wellen schlug im Februar die Rücktrittsaufforderung des damaligen Generalstabschefs und einer Reihe weiterer hoher Offiziere an Ministerpräsident Nikol Pashinyan (nachdem zuvor unter anderem Präsident Armen Sarkissian und der Katholikos Karekin II seinen Rücktritt gefordert hatten). Der Regierungschef antwortete mit der Entlassung des Generalstabschefs. Ein wochenlanger Konflikt zwischen Pashinyan, dem Präsidenten und der Generalität war die Folge. Am 27. Mai trat Außenminister Ara Ayvazyan zurück. Die angespannte innenpolitische Lage machte Neuwahlen schließlich unumgänglich, die am 20. Juni abgehalten wurden. Dabei fuhr die Civil Contract-Partei von Ministerpräsident Nikol Pashinyan mit fast 54 % einen überzeugenden Wahlsieg ein. Weit abgeschlagen wurden das Bündnis Armenien des ehemaligen Präsidenten Robert Kocharyan und die I have Honour-Allianz. Internationale Wahlbeobachterinnen und Wahlbeobachter berichteten keine nennenswerten Unregelmäßigkeiten. In der Folge stabilisierte sich die innenpolitische Lage.

 

Dagegen war die Situation entlang der nicht demarkierten gemeinsamen Grenze mit Aserbaidschan immer wieder kritisch. Die Regierung war angesichts des widerstandslosen Vordringens aserbaidschanischer Soldaten in umstrittene Grenzzonen dem Vorwurf ausgesetzt, armenisches Territorium preiszugeben. Das von Russland geführte Verteidigungsbündnis CSTO, welchem Armenien angehört, sah allerdings keinen Anlass, der Anrufung seines Mitgliedes zu folgen und einzugreifen. Militärisch ist Armenien derzeit von Russland abhängig.

 

Bei Kommunalwahlen im Oktober erlitt die Regierungspartei vor allem in der vom Grenzkonflikt am meisten betroffenen Provinz Syunik schwere Verluste und verlor auch das Bürgermeisteramt in der zweitgrößten Stadt Gyumri.

 

In ihren Beziehungen zur EU setzt die armenische Regierung in wirtschaftlicher Sicht große Hoffnungen auf die Implementierung des seit 1. März in Kraft befindlichen Abkommens über eine umfassende und verstärkte Partnerschaft. Die EU unterstützt in der Folge mit beträchtlichen Mitteln den Wirtschafts- und Investitionsplan „Erholung, Resilienz und Reform“.

 

Armenien ist Schwerpunktland der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit. Mit 1. August wurde das davor von Tiflis aus geleitete Auslandsbüro der ADA in Jerewan in ein selbstständiges Koordinationsbüro umgewandelt.

 

Aserbaidschan

 

Der im Herbst 2020 gewonnene 44-Tage-Krieg im Konflikt um die Region Berg-Karabach sah das Regime von Präsident Ilham Aliyev weiter gefestigt. Die Menschenrechtslage blieb problematisch. Auch die strengen Maßnahmen gegen die COVID-19-Pandemie dienten der fortgesetzten Einschränkung von Grundfreiheiten.

 

Mit einer Diversifizierung der Wirtschaft soll der starken Abhängigkeit von Erdöl- und Erdgas entgegengewirkt werden. Aserbaidschan ist bemüht, sich als zentraler Transporthub auf den internationalen Nord-Süd sowie Ost-West-Achsen zu positionieren.

 

In den im 44-Tage-Krieg zurückgewonnenen Gebieten wurde die Errichtung von modernen Prestigeprojekten, wie Smart Cities, angekündigt. Die Stadt Shusha wurde zur kulturellen Hauptstadt des Landes gemacht. Wiederaufbau, Minenräumung und Wiederbesiedlung werden aber noch gewaltiger finanzieller und organisatorischer Anstrengungen bedürfen.

 

Die anhaltend ausgebaute außenpolitische Bindung Aserbaidschans an die Türkei wurde eine spürbare Dominante. In seinem Verhältnis zur EU verfolgt Aserbaidschan einen gemäßigten Kurs der Annäherung. Die 2017 begonnenen Verhandlungen über ein umfassendes strategisches Abkommen wurden weitergeführt.

 

Berg-Karabach-Konflikt

 

Der von Russland vermittelte Waffenstillstand vom 9. November 2020 in Folge des 44-Tage Kriegs um die von Armenierinnen und Armeniern bewohnte und gegenwärtig von russischen Friedenstruppen gesicherte Region Berg-Karabach ließ wichtige Fragen unberührt bzw. erwies sich in der Umsetzung schwierig. Das Verhältnis der Streitparteien ist von gegenseitigem Misstrauen geprägt. Es wurden jedoch durch Aserbaidschan eine Reihe von Gefangenen freigelassen und im Gegenzug von Armenien Minenpläne der umkämpften Gebiete übergeben.

 

Ein für Aserbaidschan wichtiger Punkt des Waffenstillstands ist die Öffnung von Transportverbindungen in der gesamten Region, besonders zwischen Aserbaidschan und seiner Exklave Nachitschewan. Seit Februar treffen sich dazu die Vize-Ministerpräsidenten Armeniens, Aserbaidschans und Russlands. Armenien ist strikt gegen einen festen Korridor, der Armenien durchtrennen würde.

 

An der Grenze zwischen Armenien und Aserbaidschan kam es über das gesamte Jahr und an verschiedenen Abschnitten immer wieder zu Gefechten mit Toten und Verwundeten. Die Grenze war seit der Unabhängigkeit der beiden Staaten nicht demarkiert worden und ist in Details strittig.

 

Im Waffenstillstandsabkommen wird der zukünftige Status der Region Berg-Karabach nicht erwähnt. Aserbaidschan steht auf dem Standpunkt, der Konflikt sei gelöst, ein Sonderstatus der Region komme nicht in Frage. Die Vertreterinnen und Vertreter der Region Berg-Karabachs schließen jede Integration in den aserbaidschanischen Staat aus.

 

Aserbaidschan übte starke Kritik an der Minsk Gruppe der OSZE, da sie zu keiner Lösung des Konflikts beigetragen hätte. Demgegenüber will Armenien daran festhalten. Daneben wurde ein „3+3-Südkaukasusformat“ ins Spiel gebracht, das Georgien, Armenien und Aserbaidschan sowie Russland, die Türkei und den Iran umfassen sollte. Ziel ist Vertrauensbildung und bessere regionale Kooperation. Ein erstes Treffen fand im Dezember in Moskau statt. Die Vize-Außenminister der genannten Staaten, außer Georgien, nahmen daran teil.

 

Die EU versuchte sich mit diplomatischen Mitteln verstärkt einzubringen. Mit einem Mandat von HV/VP Josep Borrell besuchte im Juni Bundesminister Schallenberg gemeinsam mit seinen Kollegen aus Litauen und Rumänien die drei Südkaukasusstaaten. Ziel war es, der Region das fortgesetzte sicherheitspolitische und wirtschaftliche Interesse der EU zu signalisieren, auch als Gegengewicht zur verstärkten russischen und türkischen Präsenz.

 

Der armenische Ministerpräsident Nikol Pashinyan und der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev trafen am 26. November in Sotschi unter Vermittlung des russischen Präsidenten Putin und, darauf aufbauend, am 14. Dezember in Brüssel unter Vermittlung von EU-Ratspräsident Charles Michel zusammen. Es wurde vereinbart, eine Eisenbahnlinie zwischen Aserbaidschan und der Exklave Nachitschewan durch Armenien hindurch zu errichten bzw. zu reaktivieren. Darüber hinaus sollen konkrete Schritte zur Demarkierung der gemeinsamen Staatsgrenze unternommen werden. Ein direkter Draht zwischen den Verteidigungsministern der beiden Länder soll helfen, blutige Zwischenfälle zu vermeiden. Österreich bietet sich aktiv als Ort eines möglichen Dialoges zwischen den Streitparteien an.

 

Belarus

 

Im Anschluss an die gefälschte Präsidentschaftswahl vom 9. August 2020, bei der Machthaber Alexander Lukaschenka den Sieg für sich beanspruchte, kam es zu landesweiten friedlichen Protesten der Zivilbevölkerung. Seit damals halten Repression, Gewalt sowie die politische und strafrechtliche Verfolgung von unabhängigen Medien, Opposition und Zivilbevölkerung unvermindert an.

 

Österreich setzte sich vor allem für die Schaffung eines Dialogs mit der Demokratiebewegung von Belarus ein. So wurde nach einem im November 2020 veranstalteten Round-Table mit Vertreterinnen und Vertretern der drei Oppositionsgruppen im Jänner eine weitere Dialogrunde mit dem National Anti Crisis Management rund um Pavel Latushka durchgeführt.

 

Zusätzlich zur Unterstützung für die Zivilbevölkerung wurde vom BMEIA eine Seminarreihe mit internationalen Expertinnen und Experten zur Erstellung eines Verfassungsentwurfes gemäß internationaler Standards und in Einklang mit demokratischen, rechtsstaatlichen und menschenrechtlichen Werten veranstaltet. Darüber hinaus unterstützt Österreich die im März geschaffene International Accountability Platform for Belarus, die sich gegen Straflosigkeit von belarussischen Behördenvertretungen einsetzt.

 

Zu einer weiteren Eskalation kam es am 24. Mai, als ein Ryan-Air-Flug von Athen nach Vilnius zur Notlandung in Minsk gezwungen wurde. Vorgeschobener Grund war eine Bombendrohung, jedoch wurden dabei der Gründer von NEXTA-TV und Betreiber des zweitgrößten belarussischen Telegram-Kanals, Blogger Roman Protassewitsch, und dessen Freundin festgenommen. Dies führte zu starken internationalen Reaktionen und in weiterer Folge zu erweiterten Sanktionen gegen das Regime. Außerdem wurde eine unabhängige Untersuchung durch die Internationale Zivilluftfahrtbehörde eingeleitet.

 

Ende Mai präsentierte die Europäische Kommission den Wirtschaftlichen Plan für ein demokratisches Belarus, in welchem 3 Milliarden Euro bereitgestellt werden sollen, sobald in Belarus die demokratische Wende vollzogen ist. Der Plan enthält wirtschaftliche Hilfen, Unterstützungen bei Strukturreformen sowie Investitionen in nachhaltige Entwicklung, Infrastruktur und Digitalisierung. Parallel zur Verschlechterung der Beziehungen zum Westen setzte Minsk Schritte in Richtung vertiefter Union mit Russland. Am 9. September wurde in Moskau der Abschluss der bilateralen Verhandlungen über 28 Unionsprogramme verkündet.

 

Ab August nahmen die Direktflüge von Bagdad und Istanbul nach Minsk deutlich zu, und es kam zu vermehrten illegalen Grenzübertritten nach Polen und Litauen. In der Folge hielten sich tausende Flüchtlinge und Migrantinnen und Migranten im Grenzgebiet zur EU auf. Die EU zeigte sich angesichts dieser Instrumentalisierung von Menschen solidarisch mit Polen, Litauen und Lettland und verabschiedete am 2. Dezember ein fünftes Erweiterungspaket der Sanktionen gegenüber dem belarussischen Regime und ihm nahestehenden Personen und Entitäten. Das Regime erwiderte diese wiederum mit Gegensanktionen, insbesondere zu Lebensmittelimporten. Österreich trat in aller Deutlichkeit gegen den Missbrauch von Migrantinnen und Migranten als Waffe bzw. Druckmittel gegen die EU auf. Bei einem gemeinsamen Besuch bei ihren Amtskollegen in Litauen im August machten sich Bundesminister Alexander Schallenberg und Bundesminister Karl Nehammer ein Bild von der Situation an der Grenze zu Belarus und forderte einen intensivierten Dialog mit den Herkunfts- und Transitstaaten, der in der Folge auch Wirkung zeigte.

 

Sviatlana Tsikhanouskaya, die Oppositionsführerin der belarussischen demokratischen Bewegung, besuchte seit den Wahlen viermal Wien, zuletzt im Rahmen der von Österreich –auf gemeinsame Einladung von Bundeskanzler Alexander Schallenberg und Bundesminister Michael Linhart – organisierten internationalen Konferenz zu Belarus am 22. November. Im Rahmen einer virtuellen Teilnahme mehrerer EU-Außenministerinnen und Außenminister sowie unter Einbeziehung unterschiedlichster Akteurinnen und Akteure konnte ein breiter Dialog über die Zukunft von Belarus geführt und ein starkes Signal für die Unterstützung der belarussischen Zivilgesellschaft gesendet werden.

 

Georgien

 

Nach den Parlamentswahlen im Oktober 2020 und den darauffolgenden Wahlbetrugsvorwürfen gegen die Regierungspartei Georgischer Traum wurde der Parteiführer der größten Oppositionspartei – Vereinigte Nationale Bewegung –, Nika Melia, im Februar verhaftet – offiziell wegen der Weigerung eine Kaution im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen ihn zu bezahlen. Dies führte zum Rücktritt von Premierminister Giorgi Gakharia, der sich innerhalb der Regierung gegen eine Verhaftung ausgesprochen hatte, sich aber nicht durchsetzen konnte. Ihm folgte am 22. Februar der bisherige Verteidigungsminister Irakli Garibashvili nach.

 

Eine neue Dynamik in den EU/US-geführten Verhandlungsprozess kam durch den Präsidenten des Europäischen Rates, Charles Michel. Er identifizierte fünf Bereiche, die vorrangig zu behandeln wären: Justizreform, Wahlrechtsreform, Machtaufteilung im Parlament sowie vorgezogene Neuwahlen. Erst nach nochmaligem Druck der EU unterschrieben am 19. April insgesamt sieben Parteien ein Abkommen, das für die meisten Oppositionsparteien den Weg ins Parlament ebnete. Die Vereinigte Nationale Bewegung unterschrieb das Abkommen zwar nicht, jedoch wurde ihr Parteiführer auf Kaution freigelassen und die Partei konnte wieder ins Parlament zurückkehren. Ende Juni stattete Bundesminister Alexander Schallenberg mit seinen rumänischen und litauischen Amtskollegen Georgien im Auftrag der EU einen Besuch ab und pochte dabei insbesondere auf konkrete Fortschritte bei der Justizreform.

 

Die Regierungspartei brachte umstrittene Höchstrichterernennungen durch das Parlament, die Opposition sowie die EU/US-Vermittler sahen dies im Widerspruch zum verhandelten Abkommen, welches die Regierungspartei Ende Juli annullierte. Anfang September verzichtete die Regierung auf die zweite Tranche der EU-Makrofinanzhilfe zur COVID-19-Bewältigung. Damit kam sie einer negativen EU-Entscheidung zuvor (u.a. Justizreform als Bedingung).

 

Im Konflikt mit den abtrünnigen Regionen Abchasien und Süd-Ossetien setzte sich der Prozess der sogenannten „Borderisation“ (Befestigung der bisher grünen Grenze zwischen den von Tiflis und den von Suchumi bzw. Zchinwali kontrollierten Gebieten) weiter fort.

 

In den Beziehungen zur EU stand die Umsetzung des Assoziierungsabkommens weiterhin im Fokus. Der EU-Sonderbeauftragte Toivo Klaar und die EU-Beobachtermission, an der sich Österreich weiterhin beteiligt, waren angesichts der erwähnten Spannungen um Deeskalation bemüht. Österreich trug die Nicht-Anerkennungspolitik der EU gegenüber Abchasien und Süd-Ossetien weiterhin voll mit und unterstützte wieder die von Georgien im Rahmen der VN eingebrachte Resolution zur Lage der intern Vertriebenen und Flüchtlinge aus Abchasien und Süd-Ossetien.

 

Österreich unterstützte Georgien, einem Schwerpunktland der OEZA, Anfang Juli mit einer bilateralen COVID-19-Impfstoffspende mit insgesamt 5.000 dringend benötigten Impfdosen des Herstellers AstraZeneca. Präsidentin Salomé Zourabichvili absolvierte vom 12.-13. Oktober einen offiziellen Besuch in Österreich.

 

Moldau

 

Zu Beginn des Jahres bestand ein Patt zwischen der seit Ende 2020 im Amt befindlichen und pro-europäischen Präsidentin Maia Sandu und der sozialistischen Partei des früheren Präsidenten Dodon sowie der Shor-Partei. Die alte Regierung blieb unter Leitung des seit 31. Dezember 2020 als amtierender Premier fungierenden Außenministers Aureliu Ciocoi geschäftsführend im Amt.

 

Am 15. April entschied das Verfassungsgericht nach Anrufung der Präsidentin, dass die Bedingungen für die Auflösung des Parlaments gegeben waren (Unvermögen, innerhalb von drei Monaten eine Regierung mit vollen Kompetenzen zu bilden bzw. zweimal gescheiterter Versuch des Parlaments, einem Premier das Vertrauen auszusprechen). Daraufhin folgte am 23. April ein Beschluss im Parlament, insbesondere mit sozialistischen Stimmen, zur Absetzung der Verfassungsgerichtshofpräsidentin und einer Erklärung gegen drei Richter. Dieser Verfassungsbruch rief heftige internationale Reaktionen hervor. Daraufhin erfolgte der Rückzug des präsumtiven Nachfolgers der Gerichtshofpräsidentin von seinem „Mandat“. Der Verfassungsgerichtshof entschied sich sodann am 28. April aufgrund prozeduraler und inhaltlicher Mängel für die Aufhebung des Ausnahmezustandes (offiziell infolge der COVID-19-Pandemie eingeführt, inoffiziell aber zwecks Verzögerung der Wahlen). Unverzüglich nach Bekanntwerden dieses Entscheides kam es zur Parlamentsauflösung.

 

Nach dem Sieg der von Maia Sandu gegründeten Partei für Aktion und Solidarität bei den Parlamentswahlen am 11. Juli steht die neue, am 6. August angelobte Regierung unter Premierministerin Natalia Gavrilita vor der Herausforderung, hohe Erwartungen zu erfüllen. Als wichtigste Aufgaben gelten Pandemie-, Armuts- und Korruptionsbekämpfung, wirtschaftlicher Wiederaufbau und der Umgang mit der starken Emigration aus dem Land (Bevölkerungsrückgang von 4,3 Millionen Anfang der 1990er-Jahre auf 2,6 Millionen). Österreich unterstützt die neue pro-europäische Regierung und ihren angekündigten Reformkurs.

 

Das Parlament hatte in der Folge neue Gesetze zur Stärkung der mit Korruptionsbekämpfung befassten Institutionen sowie um den Weg für wichtige internationale Finanzvereinbarungen zu ebnen (Annahme des Zollkodex als Voraussetzung für den Erhalt der zweiten Tranche der EU-Makrofinanzhilfe) erlassen.

 

Der schwedische OSZE-Vorsitz bestätigte Botschafter Thomas Mayr-Harting als Sonderbeauftragten für die Beilegung des Transnistrien-Konflikts. Er führte Gespräche mit allen Seiten in den dafür vorgesehenen Formaten der OSZE.

 

Der Interimspremierminister und Außenminister Aureliu Ciocoi kam am 27. April auf Besuch nach Österreich und traf Bundesminister Alexander Schallenberg. Präsidentin Maia Sandu absolvierte am 21. und 22. Oktober einen offiziellen Besuch in Österreich. Moldau, als Schwerpunktland der OEZA, erhielt von der Stadt Wien umfangreiche Unterstützung im Kampf gegen COVID-19.

 

Ukraine

 

Gemäß dem österreichischen Regierungsprogramm ist „die Ukraine ein wichtiger Partner der EU in Osteuropa. Österreichs Ziel ist daher eine wirtschaftliche und politische Annäherung der Ukraine an Europa.“

 

Innenpolitisch kam Präsident Wolodymyr Selenskyj zunehmend unter Druck, da die Reform des Justizsystems auch infolge der angespannten COVID-19 Situation und der wirtschaftlichen Lage lange festzustecken schien. Der Vorsitzende des Verfassungsgerichts und ein weiterer Richter wurden am 27. März entlassen, was von Rechtsexperten als verfassungswidrig eingestuft wurde. In der Folge kam es zu mehreren Regierungsumbildungen und zur Ablösung des Parlamentsvorsitzenden Dmytro Rasumkov am 7. Oktober im Zusammenhang mit dem umstrittenen De-Oligarchisierungsgesetz.

 

Von 7.-8. Juli wurde die Ukraine-Reformkonferenz in Vilnius in hybrider Form abgehalten, um verschiedene Reformprozesse (Justiz-, Militär- und Anti-Korruptionsreform, Steigerung der Resilienz, Bekämpfung von Desinformation) zu besprechen.

 

Am 23. August wurde in Kiew die Gründungsveranstaltung zur Krimplattform begangen, bei welcher Bundesminister Alexander Schallenberg anwesend war. Er unterstrich die volle Solidarität Österreichs mit der Souveränität, Unabhängigkeit und territorialen Integrität der Ukraine. Diese Plattform, initiiert von Präsident Wolodymyr Selenskyj, soll die völkerrechtswidrige Annexion der Halbinsel Krim durch Russland auf der internationalen Agenda halten und Initiativen zur Beendigung der Besetzung fördern. Es kam dabei auch zu einem bilateralen Treffen von Bundesminister Alexander Schallenberg mit Premierminister Denys Schmyhal. Österreich leistete Ende August auch eine bilaterale Impfstoffspende von insgesamt 250.000 COVID-19 Impfdosen des Herstellers AstraZeneca.

 

Am 12. Oktober wurde in Kiew der 23. jährliche EU-Ukraine-Gipfel abgehalten. Die Gemeinsame Gipfelerklärung regelt u.a. die weitere Unterstützung der Ukraine im Rahmen der COVID-19-Pandemie, GASP/GSVP-Kooperationen, Zusammenarbeit bei Wirtschaftsreformen und im Energiebereich. Darüber hinaus wurden weitere Abkommen, wie das Abkommen zur Zivilluftfahrt und die Zusammenarbeit der Ukraine mit Horizont Europa, Creative Europe und dem EURATOM-Programm, beschlossen.

 

Von 5.-7. Oktober besuchte die zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures die Ukraine und vertrat Österreich an der offiziellen Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag des Massakers in Babyn Jar.

 

Mehrmals kam es zu massiven russischen Truppenbewegungen an der ukrainischen Grenze, die von russischer Seite jedoch als Übungsmanöver abgetan wurden. Im Dezember kam es erneut zu verstärkten russischen Truppenbewegungen in der Nähe der ukrainischen Grenze, im Rahmen derer der russische Präsident Vladimir Putin von den USA bzw. der NATO schriftliche Garantien einforderte, dass es zu keiner weiteren NATO-Osterweiterung und damit zu keiner Mitgliedschaft der Ukraine oder Georgien kommen dürfe. Österreich positionierte sich sehr klar dafür, dass jedes Land souverän über seine eigene sicherheitspolitische Ausrichtung zu entscheiden hat. Im Konflikt in der Ost-Ukraine kam es zu keinerlei Fortschritten, jedoch kam es immer wieder zu Verstößen gegen das Waffenstillstandsabkommen vom Juli 2020 und zur Behinderung der Bewegungsfreiheit und Mandatserfüllung der OSZE-Beobachterinnen und Beobachtern in den besetzten Gebieten.

 

Österreich hält im Einklang mit seinen EU-Partnern weiterhin an der Verurteilung der völkerrechtswidrigen Annexion der Halbinsel Krim sowie der Destabilisierung der Ostukraine durch Russland fest und unterstützt das diesbezügliche Sanktionsregime und die Nicht-Anerkennungspolitik der EU. Österreich unterstützte dabei auch entsprechende Initiativen in diversen internationalen Foren und relevante Resolutionen im Rahmen der VN.

 

Österreich zählt zu den größten ausländischen Investoren in der Ukraine, österreichische Unternehmen sind vor allem im Finanzsektor stark vertreten. Österreichische Unternehmen betreiben rund 200 Niederlassungen, davon rund 25 Produktionsniederlassungen in der Ukraine.

 

1.4.3. Türkei

 

Die türkische Wirtschaft ließ deutliche Zeichen der Erholung erkennen, wobei die Regierung von einem Jahreswachstum von über 10 % ausging, während die Weltbank und andere internationale Institutionen ein Wachstum um 8,5 % prognostizierten. Zugleich aber nahm die Inflationsrate, unter anderem aufgrund steigender Nahrungsmittel- und Importpreise, auf über 20 % zu. Die offizielle Arbeitslosenquote lag gegen Jahresende bei 12 % (22 % bei Jugendlichen). Inflation und hohe Arbeitslosigkeit machten vor allem unteren Einkommensgruppen zu schaffen. Weite Bevölkerungskreise verzeichneten spürbare Kaufkraftverluste. Laut Zahlen der Weltbank fiel das Pro-Kopf-Einkommen auf das Niveau der Jahre 2006 und 2007. Nach Zinssenkungen fiel die türkische Lira Ende November auf ein Rekordtief. Die österreichischen Wirtschaftsbeziehungen zur Türkei entwickelten sich dennoch weiterhin gut. Das Handelsvolumen lag bei rund 4 Milliarden Euro; etwa 250 Unternehmen mit österreichischem Kapital sind in der Türkei tätig.

 

Die schwierige Wirtschaftslage fand auch starken Niederschlag in der innenpolitischen Diskussion. Die türkische Regierung sah sich mit sinkenden Umfragewerten konfrontiert und verstärkte den politischen Druck auf die Oppositionsparteien, speziell auf die pro-kurdische Demokratische Volkspartei (HDP). Am 17. März gab der Generalstaatsanwalt des Obersten Kassationsgerichts bekannt, dass er beim Verfassungsgericht den Antrag auf ein Verbot der HDP gestellt habe. Im Juni eröffnete das Verfassungsgericht das Verbotsverfahren gegen die HDP; eine Entscheidung des Verfassungsgerichts (mit zwei Drittel seiner 15 Mitglieder) steht aus. Die EU äußerte unter anderem in Erklärungen von HV/VP Josep Borrell und Kommissar Oliver Varhelyi große Besorgnis über die Einleitung des Verbotsverfahrens. Auch Österreich kritisierte das Verfahren als Gefahr für den politischen Pluralismus und für die Demokratie. Für internationale Kritik sorgte auch der am 1. Juli erfolgte Austritt der Türkei aus dem Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul Konvention). In einem offenen Brief hatten Ministerinnen und Minister aus 16 EU Staaten, darunter Bundesministerin Karoline Edtstadler und Bundesministerin Susanne Raab sowie Bundesminister Alexander Schallenberg die Türkei bereits am 11. März dazu aufgefordert, die Austrittsentscheidung rückgängig zu machen. Bei der Umsetzung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) im Fall Osman Kavala war die Türkei weiterhin säumig, weshalb der Europarat am 2. Dezember ein sogenanntes Verstoßverfahren gegen die Türkei einleitete.

 

Obwohl im Vergleich zu 2020 eine gewisse Beruhigung zu verzeichnen war, gestalteten sich die Beziehungen der EU zur Türkei weiterhin schwierig. Der Europäische Rat erklärte am 25. März seine Bereitschaft, unter bestimmten Bedingungen die Zusammenarbeit mit der Türkei in schritt- und verhältnismäßiger Weise zu intensivieren. Zugleich wurde die Türkei vor erneuten Provokationen oder einseitigen völkerrechtswidrigen Maßnahmen gewarnt. Am 24. Juni begrüßte der Europäische Rat in seinen Schlussfolgerungen zur Türkei die anhaltende Deeskalation im Östlichen Mittelmeer und stellte auf Basis der im März festgelegten Auflagen eine verstärkte Zusammenarbeit in Bereichen von gemeinsamen Interesse in Aussicht. Gleichzeitig einigte sich der Europäische Rat auch darauf, die EU-Unterstützung für syrische Flüchtlinge in der Türkei fortzusetzen (zusätzliche 3,5 Milliarden Euro bis 2024). Zugleich wurde die Erwartung geäußert, dass die Türkei zukünftig einen positiven Beitrag zur Bewältigung regionaler Krisen leisten würde und das gezielte Vorgehen gegen politische Parteien, Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidigern sowie gegen Medien einen erheblichen Rückschlag für die Menschenrechte in der Türkei darstelle und im Gegensatz zu den Verpflichtungen der Türkei stehe, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu achten. Hochrangige Dialoge zwischen der EU und der Türkei fanden u.a. in den Bereichen Migration, Klimaschutz und Gesundheit statt. Am 7. Oktober ratifizierte die Türkei als letztes G20-Land das Pariser Klimaabkommen. Die Europäische Kommission veröffentlichte am 19. Oktober ihren jährlichen Türkei-Bericht und kritisierte darin Rückschritte im Bereich Demokratie, verstärkten Druck auf Zivilgesellschaft und Opposition sowie bedenkliche Entwicklungen in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit, Grundrechte und Unabhängigkeit der Justiz. Der Bericht der Europäischen Kommission bestätigte den Stillstand in den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Österreich tritt für einen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ein, da sich die Türkei in den vergangenen Jahren immer weiter von der EU entfernt hat, u.a. was die demokratischen Mindeststandards betrifft. Österreich schlägt in Anbetracht der zentralen Rolle der Türkei – unter anderem in den Bereichen Wirtschaft, regionale Entwicklung, Sicherheit und Migration – die Ausarbeitung eines Europäisch-Türkischen Nachbarschaftskonzepts vor.

 

 

Bundesminister Alexander Schallenberg und Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu trafen sich am 28. Juni am Rande einer internationalen Konferenz in Rom und am 23. August am Rande des Treffens der Krim-Plattform zu bilateralen Gesprächen. Am 25. Oktober führten Bundesminister Michael Linhart und Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu ein Telefonat. Der türkische Parlamentspräsident Mustafa Şentop nahm an der IPU-Weltkonferenz in Wien von 6.-9. September teil und traf u.a. mit Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka zusammen. Von 6.-9. Juni hielt sich Akif Çağatay Kılıç, Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses im türkischen Parlament, in Österreich auf und traf mit Nationalratsabgeordneter Pamela Rendi-Wagner und Generalsekretär Peter Launsky-Tieffenthal zusammen. Muhammed Fatih Toprak, Vorsitzender der österreichisch-türkischen Freundschaftsgruppe im türkischen Parlament, besuchte von 16.-25. April Österreich und absolvierte u.a. Arbeitsgespräche mit Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und Generalsekretär Peter Launsky-Tieffenthal. Generalsekretär Peter Launsky-Tieffenthal führte am 19. November bilaterale Konsultationen in Ankara mit den türkischen Vizeaußenministern Yavuz Selim Kıran und Faruk Kaymakcı.

 

1.4.4 Zentralasien

 

Die COVID-19-Pandemie und die Bewältigung ihrer Folgen bestimmten auch die Entwicklungen in Zentralasien. Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) prognostizierte eine Erholung der zentralasiatischen Wirtschaften und ein durchschnittliches Wachstum von knapp 5 %. Ein zweites zentrales Thema neben der Pandemie war die Krise in Afghanistan und die Sorge über ein mögliches Übergreifen der Krise auf die zentralasiatischen Nachbarstaaten. Österreich reagierte in mehrfacher Weise auf diese Entwicklungen. Oberstes Ziel war es, die regionale Stabilität zu bewahren und zu verhindern, dass sich in Zentralasien ein sicherheitspolitisches schwarzes Loch auftut. Gemeinsam musste verhindert werden, dass sich Afghanistan einmal mehr zum Epizentrum des internationalen Terrorismus entwickelt.

 

Am 21. September organisierte Österreich unter Vorsitz von Bundeskanzler Sebastian Kurz und Bundesminister Alexander Schallenberg am Rande der VN-GV in New York einen Runden Tisch zu Afghanistan, an dem auch die Außenminister von Kasachstan und Tadschikistan teilnahmen. Bereits davor, am 30. August, luden Bundesminister Alexander Schallenberg und Bundesminister Karl Nehammer zentralasiatische Amtskollegen zu einer virtuellen Konferenz, um gemeinsam die Bedrohungslage aufgrund der Krise in Afghanistan sowie Unterstützungsmöglichkeiten zu analysieren. Österreich unterstützte Zentralasien im Rahmen der internationalen COVID-19-Pandemiebekämpfung darüber hinaus auch mit Impfstoffspenden (Tadschikistan erhielt 50.000, Usbekistan 150.000 Dosen des Impfstoffes AstraZeneca).

 

Als Zeichen der Solidarität besuchte Bundesminister Michael Linhart von 4.-9. November vier der fünf zentralasiatischen Republiken. Die als Teil der Wirtschaftsinitiative ReFocus Austria durchgeführte Reise des Bundesministers, der von einer großen österreichischen Wirtschaftsdelegation begleitet wurde, zielte auch darauf ab, den Wirtschaftsbeziehungen mit Zentralasien neue Impulse zu verleihen.

 

Kasachstan

 

Am 16. Dezember beging Kasachstan das 30-Jahrjubiläum seiner Unabhängigkeit. In seiner Rede an die Nation bekräftigte Präsident Qassym-Schomart Tokajew die Fortsetzung des Reform- und Modernisierungskurses. Die kasachische Wirtschaft zeigte nach den wirtschaftlichen Schwierigkeiten infolge der COVID-19-Pandemie deutliche Zeichen der Erholung. Die Regierung rechnete mit einem Wirtschaftswachstum von rund 3,5 % und einer Rückkehr auf das Wirtschaftsniveau von 2019. Im Energiebereich will das stark auf Ölexporteinnahmen angewiesene Land künftig stärker auf erneuerbare Energien setzen (vor allem Wasserstoff) und den Anteil erneuerbarer Energien bis 2030 auf 15 % sowie den Anteil umweltfreundlicher Energien auf 40 % erhöhen. Präsident Tokajew kündigte aber auch an, den Einstieg des Landes in die Atomenergie prüfen zu lassen.

 

Kasachstan ist, gemessen an der Handelsbilanz, der wichtigste Wirtschaftspartner Österreichs in Zentralasien. Parlamentspräsident Nurlan Nigmatulin nahm Anfang September an der Weltkonferenz der Interparlamentarischen Union in Wien teil und traf u.a. mit Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka zusammen. Bundesminister Alexander Schallenberg traf am 21. September am Rande der VN-GV seinen kasachischen Amtskollegen Mukhtar Tileuberdi, der an diesem Tag auch am von Österreich organisierten Runden Tisch zu Afghanistan teilnahm. Am 23. September fand in Nur-Sultan die 10. Tagung der österreichisch-kasachischen gemischten Wirtschaftskommission sowie ein Treffen des österreichisch-kasachischen Geschäftsrates statt.

 

Die Wirtschaftsbeziehungen Kasachstans zur EU verzeichneten einen positiven Trend (50 % Anstieg der EU-Investitionen im ersten Halbjahr). Vom 25.-27. November absolvierte Präsident Qassym-Schomart Tokajew einen Besuch in Brüssel und traf u.a. mit EU-Ratspräsident Charles Michel und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zusammen.

 

Kirgisistan

 

Am 11. Jänner wurden in Kirgisistan vorgezogene Präsidentschaftswahlen abgehalten, die Sadyr Schaparow mit knapp 80 % der Stimmen für sich entschied. Die OSZE-Wahlbeobachtungsmission berichtete von kompetitiven Wahlen, aber ungleichen Chancen für die Kandidatinnen und Kandidaten. Leiter der Wahlbeobachtungsmission der Parlamentarischen Versammlung der OSZE war Nationalratsabgeordneter Reinhold Lopatka. Im Zuge der Wahlen wurde auch die Zustimmung zur Abhaltung eines Referendums über die künftige Regierungsform eingeholt. Dieses fand – gemeinsam mit Lokalwahlen – am 11. April statt und erbrachte eine breite Zustimmung der Bevölkerung zum Umbau in eine Präsidialrepublik. Am 28. November fanden Parlamentswahlen statt, in denen regierungsnahe Parteien die besten Ergebnisse erzielten. Ein Grenzstreit mit Tadschikistan mündete Ende April in einen bewaffneten Konflikt.

 

Am 30. September besuchte Außenminister Ruslan Kazakbajew Österreich und führte ein Gespräch mit Bundesminister Alexander Schallenberg. Bundesminister Michael Linhart nahm am 5. November am ersten Wirtschaftsforum der EU mit Zentralasien in Bischkek teil. Am Rande des Wirtschaftsforums führte er Gespräche mit dem kirgisischen Präsidenten Sadyr Schaparow und dem kirgisischen Außenminister Ruslan Kazakbajew, mit dem auch ein Kooperationsprogramm zwischen den beiden Außenministerien für die Jahre 2022 und 2023 beschlossen und unterzeichnet wurde. Darüber hinaus fand ein österreichisch-kirgisisches Wirtschaftsforum statt.

 

Tadschikistan

 

Im Zuge der COVID-19-Pandemie mussten zahlreiche (vor allem in Russland tätige) tadschikische Wanderarbeiterinnen und Wanderarbeiter ihre Gastländer verlassen, wodurch für die tadschikische Wirtschaft wichtige Transferzahlungen ausblieben. Im Grenzkonflikt mit Kirgisistan gab es Ende April auch auf tadschikischer Seite Todesopfer zu beklagen. Infolge der Machtübernahme der Taliban befürchtete die tadschikische Regierung ein Übergreifen der Krise aus dem benachbarten Afghanistan, insbesondere wegen möglicher Unterwanderung durch Terroristinnen und Terroristen und Extremistinnen und Extremisten.

 

Bundesminister Michael Linhart besuchte Tadschikistan am 6. November in Begleitung einer großen Wirtschaftsdelegation und hatte Treffen mit dem stellvertretenden Premierminister Usmonali Usmonzoda sowie mit Außenminister Shirojiddin Muhreddin. Darüber hinaus fand ein österreichisch-tadschikisches Wirtschaftsforum statt. Österreichische Unternehmen sind in Tadschikistan vor allem im Wasserkraftbereich erfolgreich tätig. Das jährliche Treffen der zentralasiatischen Außenminister mit der EU fand am 24. November in Duschanbe statt.

 

Turkmenistan

 

2021 wurde in Turkmenistan, das im September den 30. Jahrestag seiner Unabhängigkeit beging, zum Jahr des „Friedens und Vertrauens“ erklärt. Anfang August war Turkmenistan Gastgeber des 3. Gipfeltreffens der zentralasiatischen Staatschefs. Beim Gipfeltreffen der Organisation of Turkic States nahm Turkmenistan am 12. November erstmals als Beobachter teil. Vor dem Hintergrund der krisenhaften Entwicklungen in Afghanistan, wo auch eine turkmenische Minderheit lebt (ca. eine Million Menschen), war das neutrale Turkmenistan um eine ausgewogene Haltung und Unterstützung der afghanischen Bevölkerung bemüht. Bundesminister Michael Linhart besuchte Turkmenistan am 9. November und traf u.a. mit Präsident Gurbanguly Berdimuchamedow und Außenminister Raschid Meredow zusammen, im Zuge dessen wurde auch ein Kooperationsabkommen zwischen den beiden Außenministerien für die Jahre 2022 und 2023 unterzeichnet. Parallel dazu fand ein österreichisch-turkmenischer Runder Tisch zu den bilateralen Wirtschaftsbeziehungen statt. Turkmenistan, dessen Wirtschaft auf Einnahmen aus dem Gasexport angewiesen ist, setzte seine Bemühungen zur Diversifizierung seiner Exportrouten und Märkte fort. Am 21. Jänner unterzeichneten Turkmenistan und Aserbaidschan ein Memorandum über die gemeinsame Nutzung des Dostlug-Ölfeldes im Kaspischen Meer. Internationale Berichte zur Menschenrechtslage in Turkmenistan fielen erneut sehr kritisch aus.

 

Usbekistan

 

Bei den Präsidentschaftswahlen am 24. Oktober wurde Präsident Schawkat Mirsijojev erwartungsgemäß mit 80 % der Stimmen wiedergewählt. Wahlbeobachter der OSZE kritisierten vor allem, dass keine Oppositionskandidatinnen und Kandidaten zugelassen waren.

 

Außenpolitisch setzte Usbekistan seinen aktiven und speziell um gute nachbarschaftliche Beziehungen bemühten Kurs fort. Durch die Ausrichtung internationaler Konferenzen versuchte Usbekistan verstärkt, sein außenpolitisches Profil zu schärfen.

 

Im April wurde Usbekistan in Anerkennung seiner bisherigen Reformen von der EU in das Allgemeine Präferenzsystem plus aufgenommen. Die Aufnahme in die WTO bleibt ein weiteres Ziel. Im November fand in Brüssel der Kooperationsrat EU-Usbekistan statt. Die Verhandlungen über ein neues, vertieftes Partnerschafts- und Kooperationsabkommen mit der EU wurden fortgesetzt. Die Beziehungen zu Russland verdichteten sich, auch wenn Usbekistan auf eine Einladung zum Beitritt zur Eurasischen Wirtschaftsunion abwartend reagierte (Usbekistan hat dort seit 2020 Beobachterstatus). Afghanistan nahm weiterhin einen besonderen Stellenwert in der usbekischen Außenpolitik ein. Zum einen war Usbekistan auch nach der Machtübernahme durch die Taliban daran interessiert, bereits geplante Infrastrukturprojekte in Afghanistan weiterzuführen, andererseits bestanden Befürchtungen, dass radikale Elemente aus Afghanistan Usbekistan infiltrieren könnten. Die usbekische Armee führte daher in Grenznähe mehrfach und auch gemeinsam mit russischen Truppen Militärübungen durch. Die Grenze zu Afghanistan wurde zwar geschlossen, Usbekistan etablierte sich aber als Hub für Evakuierungen aus Afghanistan und auch humanitäre Hilfslieferungen wurden über Usbekistan nach Afghanistan gebracht.

 

Im November stattete Bundesminister Michael Linhart im Zuge einer Zentralasienreise Usbekistan einen offiziellen Besuch ab. Beim Treffen mit dem usbekischen Amtskollegen Abdulaziz Kamilov wurde ein Kooperationsprogramm zwischen den beiden Außenministerien für den Zeitraum 2022-2023 unterzeichnet. Gemeinsam mit dem stellvertretenden usbekischen Ministerpräsidenten Sardor Umurzakov gab Bundesminister Michael Linhart im Rahmen der Wirtschaftsinitiative Refocus Austria den Startschuss zu einer Wirtschaftsmission, an der rund dreißig österreichische Unternehmen teilnahmen. Infolge dieses Besuches spendete Österreich Usbekistan im November 150.000 COVID-19-Impfdosen. Am 15. Juli wurde das Österreichische Honorarkonsulat Taschkent als erste offizielle österreichische Vertretung in Usbekistan eröffnet.

 

1.5 Die südliche Nachbarschaft der Europäischen Union

 

Die südliche Nachbarschaft der EU umfasst Ägypten, Algerien, Israel, Jordanien, Libanon, Libyen, Marokko, Palästina, Syrien und Tunesien. Die südliche Nachbarschaftspolitik ist der Rahmen für die bilateralen politischen Beziehungen mit diesen zehn Partnerländern, wobei Palästina durch die EU und Österreich nicht als Staat anerkannt wird und mit Syrien die Zusammenarbeit derzeit ausgesetzt ist. Mit Ägypten, Algerien, Israel, Jordanien, Libanon, Marokko und Tunesien bestehen EU- Assoziierungsabkommen, die auf Basis von gemeinsam erstellten Aktionsplänen bzw. Partnerschaftsprioritäten umgesetzt werden. Dies erfolgt auf Ebene des HV/VP der EU und der jeweiligen Außenministerinnen und Außenminister in Assoziationsräten und auf den Ebenen darunter in Ausschüssen und Unterausschüssen zu verschiedenen Themen. Darüber hinaus hat die EU mit der Palästinensischen Behörde ein Interims-Assoziierungsabkommen abgeschlossen.

 

Ergänzt und vertieft wird die regionale Zusammenarbeit durch multilaterale Institutionen, etwa der Union für den Mittelmeerraum, die neben den Mitgliedstaaten der EU und den zehn Partnerländern auch alle anderen Mittelmeeranrainerstaaten umfasst.

 

1.5.1 Nordafrika

 

In Ägypten setzte die Regierung ein vom Internationalen Währungsfonds (IWF) unterstütztes Reformprogramm fort und bemühte sich weiterhin, die mit Subventionsabbau und Preissteigerungen verbundenen Härten für große Teile der Bevölkerung mit sozialen Maßnahmen abzufedern. Das Wirtschaftswachstum wurde von der COVID-19-Pandemie zwar gedämpft, blieb aber positiv. Ägypten beherbergte weiterhin eine der weltweit größten registrierten Flüchtlingspopulationen im urbanen Raum.

 

Vor dem Hintergrund der Bekämpfung von Terrorismus mittels verschärfter Gesetzgebung blieben die Menschenrechte unter Druck. Nach Berichten von Menschenrechtsorganisationen befinden sich zahlreiche politische Oppositionelle, darunter Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger, in Haft, teils unter sehr erschwerten Bedingungen. Am 11. September wurde eine nationale Menschenrechtsstrategie präsentiert, die den Fokus auf soziale und wirtschaftliche Rechte legt und eine Grundlage für mögliche Verbesserungen darstellt. Mit 25. Oktober wurde zudem nach vier Jahren der Ausnahmezustand beendet.

 

Außenpolitisch bemühte sich die Regierung unter Präsident Abdel Fattah Al-Sisi weiterhin um beruhigenden Einfluss in der Region, getragen von einer strategischen Partnerschaft mit den USA, aber auch verbesserten Beziehungen zu anderen Großmächten. Ägypten setzte die Vermittlung zwischen den palästinensischen politischen Kräften fort. Im Gaza-Krieg im Mai konzentrierte sich Ägypten mit Erfolg auf die Vermittlung eines Waffenstillstandes und engagiert sich gemeinsam mit den VN, diesen zu festigen. Am 13. September empfing Präsident Abdel Fattah Al-Sisi mit Naftali Bennett den ersten israelischen Premierminister seit über zehn Jahren zu einem offiziellen Besuch.

 

Das Verhältnis zu Äthiopien blieb aufgrund des Grand Ethiopian Renaissance-Damm-Projektes belastet. Vermittlungsbemühungen gab es weiterhin seitens der Afrikanischen Union, aber auch der USA und der EU. Auch Österreich bot technische Expertise an. Auf ägyptisches Betreiben befasste sich am 15. September erstmals der VN-Sicherheitsrat mit der Frage und verabschiedete eine Vorsitzerklärung.

 

In Algerien verschärfte die COVID-19-Pandemie die politische, wirtschaftliche und soziale Krise. Die erneut von Wahlboykott bzw. geringer Wahlbeteiligung (23 % und 36 %) gekennzeichneten Parlaments- und Lokalwahlen im Juni und im November ergaben unter anderem eine Mehrheit für die Pro-Systemparteien FLN und RND sowie einen Absturz der klassischen Oppositionsparteien. Damit endet der von Staatspräsident Abdelmajid Tebboune mit einer Verfassungsreform im November 2020 begonnene politische Reformkalender praktisch mit einer Rückkehr zum Status quo ante 2019 – anstatt der von der Protestbewegung Hirak geforderten Reformen für mehr Rechtsstaatlichkeit, Rechenschaftspflicht und politische Teilhabe. Auch die wirtschaftliche Entwicklung ist von Stagnation und mangelnder Diversifizierung bei sinkenden Devisenreserven, Importstopps, steigender Inflation und einem gewichtigen Schwarzmarkt geprägt.

 

Das Verhältnis Algeriens zu seinem Nachbarn Marokko verschlechterte sich bis zum Abbruch der bilateralen Beziehungen im August. Eine militärische Eskalation erscheint dennoch unwahrscheinlich. Hauptkonfrontationspunkte sind die Westsahara-Frage und die Unterstützung der Palästinenser bzw. Anerkennung Israels. Des Weiteren beschuldigte Algerien Marokko der Unterstützung von Autonomiebestrebungen in der algerischen Region Kabylei, die infolge der verheerenden lokalen Waldbrände ihren Höhepunkt fanden. Die vorübergehende Abkühlung der Beziehungen mit dem wichtigsten EU-Partnerland Frankreich konnte mit Jahresende wieder beendet werden. Die EU ist für Algerien wichtigster Wirtschaftspartner.

 

Die politische Lage in Libyen stand weiterhin unter dem Einfluss einer starken West-Ost-Spaltung, die sich vor allem im Rahmen der Vorbereitungen auf die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen bemerkbar machte. In der ersten Jahreshälfte konnten allerdings Erfolge im VN-vermittelten Friedensprozess verbucht werden. Das Libysche Politische Dialogforum (LPDF) wählte im Februar einen dreiköpfigen Präsidialrat unter Mohamed Menfi und designierte Abdel Hamid Dbeibah als Premierminister der neuen Übergangsregierung der nationalen Einheit (Government of National Unity – GNU). Das LDPF legte auch den 24. Dezember als Wahltermin fest. Erfreulicherweise blieb überdies der Waffenstillstand von Oktober 2020 bestehen und wurde weitgehend auch eingehalten. Die internationale Gemeinschaft bemühte sich um Vermittlung in einer ganzen Reihe von Konferenzen: die zweite Berlin-Konferenz im Juni, eine von der GNU organisierte Stabilitätskonferenz in Tripolis im Oktober und eine Konferenz in Paris im November. Im Zusammenhang mit der Registrierung von Präsidentschaftskandidaten im November kam es jedoch zu Demonstrationen und Aufrufen zum Wahlboykott. Kandidaturen reichten u.a. Premierminister Abdel Hamid Dbeibah, General Khalifa Haftar und der Sohn des früheren Staatschefs Muammar Gaddafi, Saif Al-Islam Gaddafi, ein. Am 22. Dezember musste die libysche Wahlbehörde den Wahltermin offiziell verschieben. Vor dem Parlament in Tobruk begründete sie dies später mit den zahlreichen rechtlichen, sicherheitspolitischen und politischen Hindernissen. Eine Einigung auf einen neuen Wahltermin konnte zum Jahresende hin nicht gefunden werden.

 

Österreich wie auch die EU blieben in den internationalen Vermittlungsbemühungen engagiert und traten weiterhin insbesondere für ein Ende der eklatanten Missachtung des VN-Waffenembargos und für den sofortigen Abzug aller ausländischen Truppen und Söldner aus Libyen ein.

 

In Marokko brachten die Parlamentswahlen am 8. September innenpolitisch eine umfassende Wende. Die bis dahin regierende moderat islamistische Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung verlor sehr deutlich. Aziz Akhannouch von der wirtschaftsliberalen Partei Nationale Versammlung der Unabhängigen bildete als neuer Premierminister zusammen mit der Partei für Modernität und den Nationalkonservativen eine Koalition. Die neue Regierung stellte eine umfassende Modernisierung und Stärkung des Wirtschaftsstandortes bei Sicherstellung einer regional und sozial ausgewogenen Verteilung des Wohlstandes in den Mittelpunkt.

 

Seit der Aufkündigung des Waffenstillstands in der Westsahara durch die Frente Polisario gab es wiederholt bewaffnete Zwischenfälle in dem Gebiet. Die Bestellung von Staffan di Mistura zum neuen persönlichen Gesandten des VN-Generalsekretärs im Oktober stellte dagegen eine positive Entwicklung dar. Österreich und die EU unterstützten weiterhin den VN-Prozess zur Streitbeilegung. Österreich nahm auch weiter mit mehreren Militärbeobachtern an der VN-Mission MINURSO teil.

 

Im September gab das EuG einem Einspruch der Frente Polisario gegen Ratsbeschlüsse zu Abkommen der EU mit Marokko aufgrund der darin vorgesehen territorialen Anwendung auf die Westsahara statt. Der Rat der EU legte dagegen Berufung ein. Sowohl mit Deutschland wie auch Spanien gab es diplomatische Verstimmungen im Zusammenhang mit der Westsahara.

 

Das lange Zeit als Vorzeigeland des „Arabischen Frühlings“ geltende Tunesien erfuhr große politische Umwälzungen. Staatspräsident Kais Saied löste nach Konflikten mit dem Parlamentspräsidenten Rached Ghannouchi der islamistischen Ennahda-Partei und dem Regierungschef Hichem Mechichi am 25. Juli das Parlament auf und enthob den Regierungschef seiner Funktion. Dieser Schritt wurde im September per Präsidialdekret zementiert, indem große Teile der Verfassung außer Kraft gesetzt wurden. Als Nachfolger von Regierungschef Hichem Mechichi wurde Najla Bouden ernannt. Österreich und die EU setzen sich für eine rasche Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung in Tunesien sowie für die Einhaltung demokratischer Grundsätze, die Gewaltenteilung, für Rechtsstaatlichkeit und für die Wahrung der Grundrechte und -freiheiten aller Tunesierinnen und Tunesier ein.

 

Tunesien hatte weiterhin große wirtschaftliche und soziale Probleme zu bewältigen. Das Wirtschaftswachstum blieb zu schwach, um der steigenden Jugendarbeitslosigkeit entgegenzuwirken. Geldentwertung, Kaufkraftverlust der Haushalte, das wachsende Budgetdefizit und verschleppte Schulden aus 2020 sowie der Reformstau waren weiterhin die größten wirtschaftlichen Probleme. Nach einer viermonatigen Pause wurden Verhandlungen über ein Hilfspaket mit dem IWF im November wiederaufgenommen.

 

1.5.2 Naher Osten

 

Im Nahostfriedensprozess gab es keine wesentlichen Fortschritte. Mit der Amtsübernahme von Präsident Joe Biden vollzogen die USA jedoch einen Politikwechsel, nahmen die finanzielle Unterstützung der Palästinensischen Behörde und des Hilfswerks der VN für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) wieder auf und kündigten die Wiederaufnahme der Beziehungen zur PLO und die Wiedereröffnung ihres Konsulats in Ostjerusalem an. Der Friedensplan des ehemaligen Präsidenten Donald Trump wurde nicht weiterverfolgt.

 

Nach erfolgreichen Schritten zu einer inner-palästinensischen Versöhnung auf vor allem ägyptische Vermittlung dekretierte Präsident Mahmud Abbas am 15. Jänner die Abhaltung von Wahlen zum palästinensischen Legislativrat im Mai, Präsidentschaftswahlen im Juli und PLO-Wahlen im August. Österreich und die EU unterstützten dies, die EU verhandelte mit Israel über die Entsendung einer EU-Wahlbeobachtungsmission. Präsident Mahmud Abbas verschob am 30. April jedoch die Wahlgänge auf unbestimmte Zeit und begründete dies damit, dass Israel eine Durchführung der Wahlen auch in Ostjerusalem nicht zugesagt und Wahlveranstaltungen in Ostjerusalem unterbunden hatte.

 

Gleichzeitig verschärften sich die Spannungen in Ostjerusalem während des muslimischen Fastenmonats Ramadan wegen drohender Zwangsräumungen palästinensischer Häuser und Zusammenstößen auf dem Tempelberg und in der Al-Aqsa-Moschee. Die im Gaza-Streifen regierende Terrororganisation Hamas stellte Israel ein Ultimatum und begann am 10. Mai mit einem Raketenbeschuss. Insgesamt wurden bis zum Eintreten einer von Ägypten vermittelten Waffenruhe am 21. Mai über 4.300 Raketen gegen Israel abgeschossen, 13 Personen starben, über 350 wurden verletzt. Israelische Gegenangriffe forderten ca. 250 Tote und über 1.900 Verletzte im Gaza-Streifen. Im Angesicht des Terrors und von tausenden Raketen, die auf israelisches ziviles Territorium abgeschossen wurde, zeigte sich Österreich solidarisch mit Israel und unterstützte dessen Recht auf Selbstverteidigung. Als Zeichen der Solidarität mit Israel gegen die Terrorangriffe wurden auf dem BKA und dem BMEIA die israelische Flagge gehisst. Unter dem Eindruck dieses Gaza-Krieges erhöhte sich die Zahl von Gewaltakten auch im Westjordanland, einschließlich Ostjerusalems. Bis zum Jahresende kam es dabei auch zu einer Reihe terroristischer Angriffe palästinensischer Extremisten.

 

In Israel fanden nach einem guten Jahr am 23. März neuerlich vorgezogenen Neuwahlen statt. Die neue Regierung unter Premierminister Naftali Bennett und dem alternierenden Premierminister Yair Lapid wurde von acht Parteien gegen die mandatsstärkste Partei Likud gebildet und am 13. Juni angelobt.

 

Im September und Oktober sowie Ende Dezember trafen israelische Minister mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas zusammen – die ersten derart hochrangigen Treffen seit vielen Jahren. Israel setzte seine Siedlungspolitik dennoch fort. Die Zahl der Zerstörungen von Häusern und Infrastruktur sowie von Zwangsräumungen stieg an. Dazu kam ein verstärkter Einsatz von Gewalt durch teils bewaffnete israelische Siedler, was Außenminister Yair Lapid im September deutlich verurteilte. Die Palästinenser forderten die Aufnahme direkter Verhandlungen unter internationaler Schirmherrschaft, Israel wollte sich vorerst auf eine Reduktion des Konflikts und die Verbesserung der Lebensbedingungen für die Palästinenser beschränken.

 

Staatspräsident Reuven Rivlin stattete Österreich am 17. März auf seiner Abschiedsreise nach Europa einen offiziellen Besuch ab, traf zu Gesprächen mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Bundeskanzler Sebastian Kurz zusammen und legte am Holocaust-Mahnmal auf dem Judenplatz gemeinsam mit dem Bundespräsidenten Kränze nieder. Am 10. November nahm Nachman Shai, der israelische Minister für Diaspora-Angelegenheiten, in Wien an der feierlichen Eröffnung der Shoah Namensmauer teil und traf darüber hinaus Bundeskanzler Alexander Schallenberg zu einem Gespräch. Am 4. März besuchte Bundeskanzler Kurz gemeinsam mit der dänischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen Israel.

 

Eingedenk der besonderen historischen Verantwortung und der aktuellen Verbindung mit Israel bemühte sich Österreich aktiv um eine Verbesserung der Beziehungen der EU zu Israel, setzte sich erfolgreich für eine möglichst breite Teilnahme Israels am Forschungsprogramm Horizon Europe ein und trat gemeinsam mit anderen Mitgliedstaaten verstärkt für eine rasche Abhaltung eines EU-Israel Assoziationsrates ein.

 

In Syrien ließ die Intensität des militärischen Konflikts merklich nach. Anzeichen für wieder verstärktes Vorgehen der syrischen Regierungstruppen und verbündeter Milizen gegen Idlib sowie Drohungen der Türkei gegen kurdische Verbände folgten keine Offensivoperationen. Die Terrororganisation IS verübte weiterhin Anschläge aus dem Untergrund; Anschläge in Türkisch besetzten Gebieten werden von der Türkei kurdischen Organisationen zugeschrieben.

 

Jedoch verschärfte sich die wirtschaftliche Krise deutlich infolge eines Verfalls der Währung, Strom- und Wasserknappheit, sodass zeitweise die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln gefährdet war. Weiterhin waren mehr als 13 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen, davon mehr als sechs Millionen intern Vertriebene in Syrien selbst und über fünf Millionen als Flüchtlinge in den Nachbarländern, vor allem der Türkei, Libanon und Jordanien. Zur Linderung der humanitären Notlage stellte Österreich insgesamt 19 Millionen Euro aus dem Auslandskatastrophenfonds für die Länder Syrien, Libanon und Jordanien zur Verfügung.

 

Österreich und die EU unterstützten die Bemühungen des VN-Sondergesandten Geir Pedersen um eine politische Lösung auf Basis der VN-SR-Resolution 2254 (2015) und des „Genfer Kommuniqués“ aus dem Jahr 2012. Der Ausschuss zur Neugestaltung der syrischen Verfassung konnte jedoch weiterhin keine greifbaren Ergebnisse erzielen.

 

Im Libanon gelangten seit August 2020 geführte Konsultationen zur Bildung einer neuen Regierung erst im Juli - unter dem Eindruck möglicher EU-Sanktionen gegen Mitglieder der Elite - zu einem ersten Erfolg. Der Designation von Premierminister Najib Mikati folgte am 10. September die Angelobung seiner Regierung. Dringend notwendige strukturelle Reformen wurden von der Regierung angekündigt, aber bis Jahresende nicht genügend ernsthaft in Angriff genommen. Unterdessen verschärfte sich die wirtschaftliche Krise, die vor allem die Unter- und Mittelschicht trifft. Im Herbst trat mit der Aufhebung der Importsubventionen für Lebensmittel, Arzneimittel und Treibstoffe eine weitere Teuerung ein. Gezielte Maßnahmen zur Armutsbekämpfung wurden angekündigt, jedoch noch nicht umgesetzt. Die EU beschloss am 30. Juli ein Sanktionsregime, das eine Listung von Personen, die für die Untergrabung von Demokratie oder Rechtsstaatlichkeit in Libanon verantwortlich sind, ermöglicht. Österreich trat dafür ein, dass die politischen und wirtschaftlichen Eliten endlich ihre Verantwortung übernehmen und die längst überfälligen strukturellen Reformen durchführen sollen.

 

Jordanien blieb ein Stabilitätsanker in der Region. Am 25. Oktober besuchte König Abdullah II in Begleitung von Außenminister Ayman Safadi Österreich und traf mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Bundeskanzler Alexander Schallenberg zusammen. Dabei wurde die Fortsetzung der guten Zusammenarbeit unter anderem im Sicherheitsbereich vereinbart. Angesichts der bedeutenden regionalen Rolle Jordaniens, u.a. als Hüter der Heiligen Stätten in Jerusalem und als Aufnahmeland einer großen Anzahl syrischer Flüchtlinge, ist die Stabilität des Landes für Europa und für Österreich von zentraler Bedeutung.

 

2. Entwicklungen auf anderen Kontinenten

 

2.1 Mittlerer Osten und Arabische Halbinsel

 

Am 10. Oktober fanden im Irak vorgezogene Parlamentswahlen statt, die von einer EU Wahlbeobachtungsmission mit österreichischer Beteiligung observiert wurden. Gewinner der Wahl war die Partei des schiitischen Klerikers Moktada Al-Sadr, während die pro-iranischen Parteien deutliche Verluste einfuhren. Die Regierungsbildung war bis zum Jahresende noch nicht erfolgt. Das wirtschaftliche Reformtempo ging angesichts des gestiegenen Ölpreises und der politischen Instabilität zurück. Nach dem Sieg über die Terrororganisation IS sieht sich der Irak immer noch mit großen Herausforderungen konfrontiert. Schätzungen zufolge gibt es derzeit immer noch fast 1,2 Millionen intern Vertriebene. Der Großteil lebt in Städten und Gemeinden, etwa ein Drittel in Camps. Das Verhältnis Zentralregierung - autonome Region Kurdistan-Irak war nach Abschluss konstruktiver Budgetverhandlungen vergleichsweise gut. Österreich unterstützte im Rahmen der Mediationsfazilität des BMEIA u.a. die Aussöhnung zwischen Christinnen und Christen und der muslimischen Mehrheitsbevölkerung durch ein Mediationsprojekt in der Provinz Ninive sowie den Women’s Peace and Humanitarian Fund zur Inklusion von Frauen in der Planung von humanitärer Hilfe und Krisenreaktion.

 

Im Iran wurde bei den Präsidentschaftswahlen am 18. Juni Ebrahim Raisi mit 62 % der gültigen Stimmen zum achten Präsidenten der Islamischen Republik gewählt. Aufgrund der Politikverdrossenheit der Bevölkerung gab es mit 42,5 % die geringste Wahlbeteiligung seit 1979. Angesichts der unter anderem durch die Sanktionen der USA bewirkten schlechten Wirtschaftslage, des starken Währungsverfalls, der hohen Preissteigerungen und der Streichung diverser Subventionen herrschten Pessimismus und Unzufriedenheit. Die COVID-19-Pandemie gestaltete sich im Laufe des Jahres teilweise dramatisch mit sehr hohen Fallzahlen. Erfreulich war die Wiederaufnahme der Verhandlungen über das Nuklearübereinkommen (Joint Comprehensive Plan of Action- JCPoA; das JCPoA aus 2015 legt Auflagen für das iranische Nuklearprogramm im Gegenzug für die Rücknahme von US- und EU-Sanktionen fest), die von April bis Juni und dann wieder ab Ende November in Wien geführt wurden. Österreich setzte sich weiterhin für den Erhalt des JCPoA ein, das als einziger Garant gegen ein nukleares Wettrüsten in der Region zu werten ist, und ist bereit, als Gastgeber der Gespräche eine Verhandlungslösung zu unterstützen.

 

Saudi-Arabien führte ambitionierte gesellschaftliche und wirtschaftliche Reformprojekte der Vision 2030 fort. Die Verringerung der Abhängigkeit vom Erdölsektor soll durch wirtschaftliche Diversifizierung erreicht werden, die wiederum zu einer Schaffung von Arbeitsplätzen für die junge Bevölkerung führen soll. Damit einhergehend gab es weitere Reformen, welche die Frauenrechte internationalen Standards weiter annäherten. Außenpolitisch bedeutsam war insbesondere die Beendigung der Katar-Blockade auf dem Gipfel des Golfkooperationsrates von Al-Ula am 5. Jänner. Der Konflikt mit dem Jemen konnte jedoch weiterhin nicht beendet werden, saudische Friedensangebote an die Houthi-Milizen blieben unbeantwortet, die saudische Ziele weiter mit Drohnen und Raketen beschossen. Der saudische Außenminister Prinz Faisal bin Farhan Al-Saud stattete Bundesminister Alexander Schallenberg vom 21.-22. Juni in Wien einen Besuch ab. Letzterer, begleitet von einer Wirtschaftsdelegation, traf am 12. September in Riyadh seinen Amtskollegen, um die Beziehungen weiter zu vertiefen.

 

Die enormen Öl- und Gasreserven der Vereinigten Arabischen Emirate konnten die Wirtschaft auch in Zeiten der COVID-19-Pandemie und des damit verbundenen Ölpreisverfalls stabil halten. Das Land feierte das 50-jährige Jubiläum der Staatsgründung. Am 1. Juli besuchte Bundesminister Gernot Blümel die Vereinigten Arabischen Emirate. Im Juli unterzeichneten Bundesminister Alexander Schallenberg und der Minister für Industrie der Vereinigten Arabischen Emirate, Sultan Ahmed Al Jaber, im Rahmen des Besuchs des Kronprinzen von Abu Dhabi, Mohammed Bin Zayed Al Nahyan, in Österreich eine „Umfassende Strategische Partnerschaft“ zur Stärkung der bilateralen Beziehungen. Neben politischer und wirtschaftlicher Zusammenarbeit ist eine bilaterale Wasserstoffallianz zentraler Bestandteil des Partnerschaftsabkommens. Im September besuchte Bundesminister Schallenberg die Vereinigten Arabischen Emirate, um erste Umsetzungsschritte zu besprechen. Die EXPO 2020, ein wirtschaftlicher Impulsgeber, war COVID-19-bedingt verschoben worden, Bundesministerin Margarete Schramböck nahm am 18. November mit einer großen Wirtschaftsdelegation am Österreich-Tag der Weltausstellung teil. Die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen mit Israel gipfelte am 13. Dezember in einem Besuch von Premier Naftali Bennett in Abu Dhabi.

 

Wie andere Länder der Golfregion stand der Oman vor wirtschaftlichen Herausforderungen, verursacht durch den niedrigen Ölpreis, hohe Jugendarbeitslosigkeit und reduzierte Wirtschaftsleistung aufgrund der COVID-19-Pandemie. Gleichzeitig wurde die wirtschaftliche Diversifizierung weg vom Öl- und Gassektor mit der Entwicklung der Vision 2040 vorangetrieben, durch die der Oman auch bestrebt ist, den Anteil von erneuerbaren Energien zu steigern. Im September besuchte Bundesminister Alexander Schallenberg den Oman, um dort die österreichische Botschaft Maskat offiziell zu eröffnen.

 

Im Jemen verschlechterte sich die Lage der Bevölkerung aufgrund des Konflikts weiter dramatisch. Internationale Organisationen und unabhängige Beobachterinnen und Beobachter sprachen von der größten humanitären Katastrophe weltweit. Der Öltanker Safer stellt weiter eine potentiell verheerende Bedrohung für das Rote Meer dar. Die Bemühungen des VN-Sondergesandten Martin Griffiths, die Vereinbarungen von Stockholm aus dem Jahr 2018 umzusetzen, blieben zu einem großen Teil erfolglos, insbesondere aufgrund des fehlenden politischen Willens der Houthi-Rebellen, die bestrebt waren, weitere militärische Gewinne zu erzielen. Martin Griffiths Nachfolger, Hans Grundberg, setzte sich nach Übernahme seiner Funktion im August intensiv für einen Frieden im Jemen ein. Österreich unterstützte weiterhin die Bemühungen des VN-Sondergesandten für eine politische Lösung des Konflikts und leistete humanitäre Hilfe.

 

Im Jänner beendete die sogenannte Al-Ula-Erklärung die gegen Katar gerichtete, dreieinhalb Jahre dauernde Blockade (Abbruch der diplomatischen bilateralen Beziehungen, Transport-, Handels- und Reisembargo) durch die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien, Bahrain und Ägypten. In Folge wurden die Beziehungen zu den Nachbarn, insbesondere zu den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien wiederhergestellt. Am 2. Oktober wurden erstmals zwei Drittel der Abgeordneten des Shoura-Rates gewählt (das restliche Drittel wird durch den Emir ernannt), dessen Befugnisse ausgeweitet und im gleichen Monat eine Regierungsumbildung vorgenommen. Internationale Aufmerksamkeit erhielt das Land aufgrund seiner zentralen Rolle bei der Krise in Afghanistan und den diesbezüglichen Verhandlungen in Doha. Im Oktober besuchte Bundesminister Michael Linhart Katar.  Im Fokus standen die Situation in Afghanistan, der Schutz der Menschenrechte insbesondere im Kontext der bevorstehenden Fußball WM und die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen.

 

In Kuwait ernannte der Emir im März eine neue Regierung. Premierminister blieb weiterhin Scheich Sabah Al-Khaled Al-Sabah, der sowohl im Jänner wie auch im November seinen Rücktritt einreichte, beide Male aber vom Emir mit der Weiterführung der Amtsgeschäfte betraut wurde. Angesichts von COVID-19 und wegen des niedrigen Ölpreises steht Kuwait vor der Herausforderung dringlich erforderlicher Budgetsanierungsmaßnahmen. Mitte November übertrug der 84-jährige Emir Nawaf al-Ahmad al-Dschabir al-Sabah Teile seiner Amtsbefugnisse dem Kronprinzen Mishal al-Ahmed al-Sabah.

 

Wie andere Länder der Region wurde Bahrain durch die COVID-19-Pandemie und den damit einhergehenden Verfall des Erdöl-Preises doppelt und damit besonders hart getroffen. Nichtsdestotrotz hat Bahrain wohl dank seiner rigorosen Eindämmungsmaßnahmen, seinem rasch und breitflächig implementierten Impfprogramm sowie rascher, großzügiger Hilfsmaßnahmen für die Wirtschaft die COVID-19-bedingte Rezession bereits überwunden.

 

2.2 Afrika südlich der Sahara und Afrikanische Union

 

EU-Afrika-Partnerschaft

 

Auch dieses Jahr war stark von der COVID-19-Pandemie geprägt. Die Zahl bestätigter Infektionen blieb zwar im Verhältnis zu anderen Kontinenten auf niedrigem Niveau, doch zeigte sich gerade in Afrika, wie verwundbar viele Staaten gegenüber dem Virus und dessen Auswirkungen sind. Die EU unterstützte Afrika etwa im Bereich der Impfstoffbeschaffung und bei der Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie, unter anderem durch einen Schuldenerlass für besonders betroffene Länder.

 

Aufgrund der Pandemie musste das Gipfeltreffen der EU mit der Afrikanischen Union (AU) auf Ebene der Staats- und Regierungschefs auf 2022 verschoben werden. In Vorbereitung des Gipfels fand am 26. Oktober in Kigali ein Treffen auf Ministerinnen und Ministerebene statt. Dieses stand ganz im Zeichen der Bekämpfung der Pandemie und ihrer wirtschaftlichen und sozialen Folgen sowie der Krise im Sudan. Die gemeinsame Erklärung der Außenministerinnen und Außenminister deckte alle wesentlichen Aspekte des Verhältnisses zwischen der EU und der AU ab. Dazu zählen insbesondere die Bereiche Frieden, Stabilität und Sicherheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Migration. Die afrikanischen Staaten thematisierten darüber hinaus auch die Frage der Restitution von Kulturgütern mit Provenienz im kolonialen Zusammenhang.

 

Gesamtstaatliche Österreichische Afrika-Strategie

 

In Umsetzung des Regierungsprogramms wurden die Arbeiten an einer gesamtstaatlichen österreichischen Afrikastrategie fortgesetzt. Mit dieser sollen die zahlreichen Afrika-relevanten Aktivitäten österreichischer Akteurinnen und Akteure gebündelt und fokussiert werden. Die Ausarbeitung erfolgt federführend durch das BMEIA und das BKA.

 

Ostafrika und Horn von Afrika

 

Die Lage in Äthiopien war durch den Konflikt im nördlichen Regionalstaat Tigray gekennzeichnet. Bundesminister Alexander Schallenberg stattete Äthiopien am 14. und 15. Jänner einen Arbeitsbesuch ab und traf mit Staatspräsidentin Sahle-Work Zewde und dem stellvertretenden Ministerpräsidenten und Außenminister Demeke Mekonnen zu Gesprächen zusammen. Der Besuch diente dazu, bei der politischen Führung Äthiopiens wichtige Botschaften wie die Forderungen nach uneingeschränktem Zugang für humanitäre Hilfe und einer unabhängigen Untersuchung der Vorwürfe von im Zuge der bewaffneten Auseinandersetzungen begangenen Menschrechtsverletzungen zu deponieren. Im Rahmen des Besuchs des Flüchtlingslagers Aysaita kündigte Bundesminister Schallenberg die Bereitstellung von 3 Millionen Euro aus dem Auslandskatastrophenfonds für die durch den Tigray-Konflikt in Not geratenen Menschen an.

 

Die am 21. Juni in rund 80 % der insgesamt 547 Wahlkreise abgehaltenen Parlamentswahlen verliefen ohne größere Zwischenfälle. In der Region Tigray und einigen anderen Wahlkreisen wurden die Wahlen nicht durchgeführt. Ministerpräsident Abiy Ahmed gewann mit seiner Prosperity Party die Wahlen mit großer Mehrheit und trat am 4. Oktober seine zweite Amtsperiode an.

 

Ende Juni erklärte die Zentralregierung einen „humanitären Waffenstillstand“ und zog ihre Truppen aus weiten Teilen Tigrays ab. Die Tigray Befreiungsfront (TPLF) setzte ihre militärischen Aktionen fort und dehnte die Kampfhandlungen auf die benachbarten Regionalstaaten Amhara und Afar aus. Vor dem Hintergrund der Richtung Addis Abeba vorrückenden TPLF-Truppen rief die Nationalregierung am 2. November einen sechsmonatigen, landesweiten Ausnahmezustand aus. Beide Seiten ignorierten beharrlich die zahlreichen Aufrufe zur Einstellung der Kampfhandlungen und zum Beginn eines Dialogs. Die Vermittlungsbemühungen des AU-Sonderbeauftragten und ehemaligen nigerianischen Staatspräsidenten Olusegun Obasanjo zeigten ebenfalls keinen Erfolg.

 

Im Sudan hatte sich nach dem Sturz von Langzeit-Diktator Omar Al Bashir im Jahr 2019 die zivile Regierung unter der Führung von Premierminister Abdalla Hamdok allmählich konsolidiert. Die Zusammenarbeit von zivilen und militärischen Kräften blieb jedoch seit der Unterzeichnung der Verfassungserklärung im August 2019 fragil. Dennoch gab es positive Entwicklungen im Transformationsprozess, darunter die Unterzeichnung des Juba Friedensabkommens im Oktober 2020 zwischen der Übergangsregierung und zwei Rebellengruppen, eine graduelle Umsetzung des wirtschaftlichen Reformprogramms sowie deutliche Verbesserungen im Bereich der Menschenrechte und Gesetzesreformen. Mit der Streichung des Sudan von der US-Liste der „State Sponsors of Terrorists“ gelang dem Land im Rahmen der Konferenzen in Berlin (Juni 2020) und Paris (Mai) die Rückkehr in die Staatengemeinschaft, gefolgt von finanzieller Unterstützung internationaler Geber, inklusive der EU. Dennoch blieb das Verhältnis der politisch-zivilen und militärischen Kräfte angespannt. Ein Militärputsch unter General Abdel-Fattah Burhan löste am 25. Oktober die Regierung auf. Nach Mediation einigten sich Burhan und Premierminister Hamdok am 21. November in einem Übereinkommen von 14 Punkten, zur verfassungsmäßigen Ordnung zurückzukehren.

 

Im August wurde das im Friedensabkommen von 2018 vorgesehene Übergangsparlament im Südsudan angelobt. Insgesamt geht die Umsetzung des Friedensabkommens nach wie vor nur sehr schleppend voran, auch die humanitäre Lage im Südsudan bleibt äußerst angespannt.

 

Die innenpolitische Lage in Somalia war weiterhin sehr instabil. Die mehrfach verschobenen Parlamentswahlen haben im Juli begonnen. Diese sind allerdings nicht allgemein, sondern basieren auf der Entsendung von Vertreterinnen und Vertretern durch Stammesführer. Im November wurden die Wahlen zum Oberhaus des föderalen Parlaments abgeschlossen, dieser folgen die Wahlen zum Unterhaus. Das so zusammengesetzte Parlament wählt im Anschluss den neuen Präsidenten. Die islamistische Terrormiliz al-Shabaab ist nach wie vor eine große Bedrohung. Die Zentralregierung hat nur wenige Gebiete tatsächlich unter ihrer Kontrolle. Die Macht liegt zu einem guten Teil bei Regionalpräsidenten und Stammesführern. Ein Zeitpunkt für die Übergabe der Verantwortung für die Sicherheit des Landes von den Friedenstruppen der Afrikanischen Union (AMISOM) an die somalische Armee ist nicht absehbar.

 

In Kenia ist die innenpolitische Aufmerksamkeit auf die allgemeinen Wahlen im August 2022 gerichtet. Nach dem Scheitern der von Präsident Uhuru Kenyatta und seinem politischen Partner Raila Odinga vorangetriebenen Reformagenda „Building Bridges Initiative“ bleibt die angespannte Stimmung zwischen den politischen Lagern im Land aufrecht. Wirtschaftlich kam es unter anderem im Tourismussektor zur Jahresmitte hin zu einer spürbaren Entspannung, wenngleich die zunehmende Schuldenproblematik den Handlungsspielraum der künftigen Regierung einschränken wird. Als nichtständiges Mitglied des Sicherheitsrates der VN unterstrich Kenia vor allem während seines Vorsitzes im Oktober sein multilaterales Engagement. Die Krisenherde in der Region am Horn von Afrika, insbesondere die von der somalischen Terrormiliz Al-Shabaab ausgehende Bedrohung, bleiben eine Herausforderung für Stabilität und Wohlstand Kenias.

 

Westafrika

 

In der Sahel-Region verschlechterte sich die ohnehin schon kritische sicherheitspolitische Lage weiter. Politische Umbrüche und islamistischer Terror, der von Mali auf die umliegenden Staaten Burkina Faso, Niger und auch auf das Grenzgebiet im Norden von Côte d’Ivoire übergegriffen hat, kennzeichnen die prekäre Situation. Ableger der Terrororganisation Al-Kaida und des IS dringen immer weiter nach Süden und Osten vor und profitieren vom politischen Versagen der Regierungen, den sicherheitspolitischen, wirtschaftlichen, inter-ethnischen, sozialen und ökologischen Problemen wirksam zu begegnen.

 

Die vielschichtige Krisensituation, die insbesondere die Menschen in Mali, Burkina Faso und Guinea ganz besonders betraf, ist durch den Ausbruch der COVID-19-Pandemie verschärft worden, auch wenn die Zahlen bestätigter Infektionen im Vergleich zu Europa oder anderen afrikanischen Regionen in den Ländern Westafrikas relativ niedrig blieben. Die Pandemie hat systemimmanente Schwächen nicht nur im Gesundheitsbereich, sondern auch in den Wirtschaftsstrukturen, in der Ernährungssicherheit, im Bildungswesen und in der ineffizienten, zunehmend autokratischen und teils korrupten Regierungsführung zu Tage gefördert. Die daraus entstandene weitverbreitete Vertrauenskrise destabilisierte die Region politisch weiter.

 

Nach dem Militärputsch in Mali im August 2020 wurde die von der internationalen Gemeinschaft anerkannte Übergangsregierung unter Übergangspräsident Bah N’Daw und Regierungschef Moctar Ouane am 26. Mai von Vizepräsident Oberst Assimi Goita abgesetzt. Goita warf ihnen Unfähigkeit bei der Umsetzung des Transitionsprozesses vor. Gleichwohl beteuert er, mit der Wirtschaftsgemeinschaft der Westafrikanischen Staaten (ECOWAS) und anderen internationalen Akteurinnen und Akteuren zusammenarbeiten zu wollen, um den Übergangsprozess erfolgreich abzuschließen.

 

Die VN-Stabilisierungsmission MINUSMA mit dem Mandat der Unterstützung bei der Umsetzung des Friedensvertrages von Algier aus 2015 und die französische Militäroperation Barkhane (in Zusammenarbeit mit den G5-Sahelländern) zur Bekämpfung des Terrorismus in Mali standen aufgrund mangelnder Erfolge und ungebrochener terroristischer Anschläge zunehmend in der Kritik der Bevölkerung Malis. In der breiten Bevölkerung machte sich eine antifranzösische Stimmung breit, die sich in Demonstrationen und Straßenblockaden äußerte. Frankreich beschloss im Juni eine Reduzierung der französischen Truppenstärke von ca. 5.100 Personen auf maximal 3.000. Gleichzeitig soll die neu gegründete europäische Einsatztruppe Takuba aufgestockt werden. Die Bemühungen der Übergangsregierung, russische Söldner der Wagner-Gruppe, die in Syrien, Libyen und der Zentralafrikanischen Republik durch brutale Vorgehensweise und Menschenrechtsverletzungen aufgefallen ist, zur Unterstützung bei der Terrorismusbekämpfung ins Land zu holen, stießen in Europa und den USA auf deutliche Ablehnung. Die EU-Ausbildungsmission EUTM Mali bildet weiterhin lokales Militär vor Ort aus. Österreich war von Anfang an Teil dieser Mission und übernahm am 21. Dezember zum zweiten Mal das Kommando für ein halbes Jahr.

 

Der Militärputsch in Guinea am 5. September beendete die 11-jährige Amtszeit von Präsident Alpha Condé. Ursprünglich Hoffnungsträger demokratischer Reformen, endete Condé als autokratischer Herrscher, der ein völlig zerrüttetes Land hinterließ. Er hatte sich durch eine Verfassungsänderung eine dritte Amtszeit gesichert und die Opposition ausgeschaltet. Der Militärputsch unter Oberstleutnant Mamady Doumbouya, Kommandeur der militärischen Spezialkräfte, genießt eine breite Unterstützung der Bevölkerung. Am 1. Oktober wurde Doumbouya als Übergangspräsident vereidigt, eine Woche später setzte er den ehemaligen VN-Beamten Mohamed Béavogui als Regierungschef ein. Ein vom Militär nominiertes „Nationales Komitee der Vereinigung und Entwicklung“ hat die Regierungsgeschäfte übernommen; eine neue Verfassung soll ausgearbeitet werden.

 

In Burkina Faso spitzte sich die Lage dramatisch zu. Die Zahl der durch terroristische Anschläge Binnenvertriebenen stieg auf über 1,5 Millionen Menschen an. Staatspräsident Roch Marc Kaboré sah sich mit Vorwürfen von Missmanagement, Korruption und der Unfähigkeit, die Sicherheit der Menschen zu gewährleisten, konfrontiert und verlor zunehmend die Unterstützung in der Bevölkerung. Die Opposition forderte den Rücktritt des Präsidenten. Der Präsident reagierte mit Zwangsmaßnahmen, mit Demonstrationsverbot und Abschalten des Internets für Mobiltelefone, um die Mobilisierung der Massen zu erschweren. Am 8. Dezember wurde Ministerpräsident Christophe Dabiré durch den ehemaligen Exekutivsekretär der vorbereitenden Kommission für die Organisation des Vertrages über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (CTBTO-PrepCom) in Wien, Lassina Zerbo, ersetzt. Die EU beschloss die Ausweitung der EUTM auf Burkina Faso zur Ausbildung burkinischer Soldatinnen und Soldaten.

 

Nach den blutigen Ausschreitungen rund um die Präsidentschaftswahlen in Côte d‘Ivoire am 31. Oktober 2020, bei denen sich Präsident Alassane Ouattara eine dritte Amtszeit sicherte, waren die friedlich verlaufenen Parlamentswahlen vom 6. März geprägt von der Wiederaufnahme des Dialogs zwischen Regierung und Opposition. Das Land gerät zunehmend ins Visier terroristischer Gruppierungen. Es kam mehrfach zu Angriffen auf Sicherheitskräfte im nördlichen Grenzgebiet zu Burkina Faso. Am 10. Juni wurde in Jacqueville eine Internationale Akademie zum Kampf gegen den Terrorismus als Ausbildungsstätte von Spezialkräften eröffnet.

 

In Gambia fanden im Dezember Präsidentschaftswahlen statt. Präsident Adama Barrow, der 2016 als Übergangspräsident angetreten war, um die 22-jährige brutale Herrschaft Yaya Jammehs zu beenden, wurde von der Wahlkommission am 5. Dezember zum Wahlsieger erklärt. Drei der sechs weiteren Kandidaten erkannten das Wahlergebnis jedoch nicht an. Besonderen Unmut bei der Opposition hatte das Wahlbündnis Barrows mit der Jammeh-Partei APRC hervorgerufen, mit dem sich Barrow höhere Gewinnchancen ausgerechnet hatte. Damit sah die Opposition die strafrechtliche Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungen unter der Herrschaft Jammehs sowie die eingeforderten demokratischen Reformen gefährdet.

 

Senegal, das als einziges Land der Region alle Machtwechsel seit der Unabhängigkeit 1960 friedlich durch demokratische Wahlen vollzogen hat, gilt als demokratisches Vorbild in der Region. Seit 2012 regiert Präsident Macky Sall, der sich auf internationaler Bühne verstärkt als Fürsprecher der afrikanischen Anliegen gegenüber dem Westen positioniert. Gerüchte um eine mögliche dritte Amtszeit Macky Salls brachten Unruhe in die politische Diskussion. Die Opposition im Senegal ist durch Vereinnahmung durch die Regierungspartei geschwächt. Die mehrfach verschobenen Lokalwahlen im Jänner 2022 gelten als Testwahlen für die Präsidentschaftswahlen 2024. Gewalttätige Ausschreitungen im März veranlassten die Regierung zu verstärkten Unterstützungsmaßnahmen für Jugendliche.

 

Als bevölkerungsreichstes Land Afrikas ist Nigeria einer der wichtigsten Handelspartner Österreichs in Afrika südlich der Sahara. Die Sicherheitslage im Nordosten des Landes ist aufgrund der zahlreichen Anschläge der Terrorgruppen Boko Haram und des IS - Westafrikanische Provinz (ISWAP) seit Jahren äußerst prekär. Der Konflikt forderte bislang mehr als 30.000 Todesopfer. Seit dem Tod des Boko Haram-Anführers Abubakar Shekau bei einem ISWAP-Angriff im Mai ergaben sich bereits mehr als 13.000 Boko-Haram-Kämpfer sowie Familienangehörige den nigerianischen Behörden.

 

Ghana erwies sich im letzten Jahrzehnt als stabiler Anker in Westafrika mit anhaltend hohem Wirtschaftswachstum und Erfolgen bei der Bekämpfung der Armut. Es steht jedoch zu befürchten, dass der Sahelkonflikt auf den Norden des Landes überschwappt. Zudem stieg die Bedrohung im Golf von Guinea, wie etwa die stark steigende Anzahl von Kidnappings von Schiffsbesatzungen belegen. Seit 2015 ist ein österreichischer Offizier als Kursleiter zum Kofi Annan International Peacekeeping Training Centre in Accra als Teil der Zusammenarbeit mit ECOWAS entsandt.

 

Die Region der Großen Seen Afrikas

 

Uganda wird seit 1986 von Staatspräsident Yoweri Museveni regiert. Eine Verfassungsänderung im Jahr 2005 ermöglichte ihm eine uneingeschränkte Zahl an Amtszeiten. Im Vorfeld der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen am 14. Jänner kam es immer wieder zu gewaltsamen Einsätzen der Sicherheitskräfte, auch mit Todesopfern, und starker Einschränkung des Handlungsspielraums für die Opposition. Museveni gewann die Wahl mit großer Mehrheit, jedoch mit verhältnismäßig geringer Wahlbeteiligung. Das neue Ministerkabinett umfasst verstärkt Frauen in Führungspositionen. COVID-19 ist weiterhin ein zentrales Thema der politischen Agenda in Uganda. Einerseits gehört Uganda zu den wenigen Ländern weltweit, deren Schulen seit Ausbruch der Pandemie durchgehend zumindest partiell geschlossen sind. Andererseits verfolgt das Land eine ehrgeizige Impfstrategie mit Eigenproduktion, Erwerb von Impfdosen und breit angelegten Impfkampagnen.

 

Durch die Wahl eines neuen Präsidenten im Mai 2020 entspannte sich die langjährige politische Krise in Burundi deutlich. Es bestehen aber weiterhin enorme Herausforderungen in den Bereichen Friedenskonsolidierung, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte, Entwicklung und Humanitäres.

 

In der Demokratischen Republik Kongo traten Rivalitäten zwischen den politischen Lagern von Präsident Félix Tshisekedi und dem ehemaligen Präsidenten Joseph Kabila immer wieder offen zutage. Präsident Tshisekedi erklärte Ende 2020 das politische Zweckbündnis mit Kabila für beendet. Die Verhängung des Ausnahmezustands über die Provinzen Nord- und Süd-Kivu sowie Ituri verbesserte die Sicherheitssituation sowie der Menschenrechtlage im Osten des Landes bislang nicht. Die humanitäre Situation im Osten des Landes ist nach den langjährigen bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der Armee und nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen sehr besorgniserregend.

 

Südliches Afrika

 

Südafrika ist mit Abstand Österreichs wichtigster Wirtschafts- und Handelspartner in Afrika. Hatte der Afrikanische Nationalkongress (ANC) im Mai 2019 seine Vormachtstellung auf nationaler Ebene noch verteidigen können, so fiel der ANC bei den Regionalwahlen am 1. November erstmals in seiner Geschichte landesweit auf unter 50%. Zudem verlor er die Bürgermeisterinnen und Bürgermeisterposten in den meisten Metropolregionen des Landes.

 

Seit dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie im Februar 2020 ist Südafrika das am stärksten betroffene Land des gesamten Kontinents. Die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Pandemie und der Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung sind beträchtlich. So wuchs die Wirtschaft des Landes zwar wieder leicht, die offizielle Arbeitslosigkeit stieg jedoch auf 44,4 %. Südafrika ist zudem eines der Länder mit der höchsten Ungleichheit weltweit und weist eine hohe Staatsschuldenquote auf.

 

Mosambik sieht sich zahlreichen Herausforderungen gegenüber. In der Provinz Cabo Delgado wurden die islamistischen Rebellen dank der massiven militärischen Unterstützung durch Ruanda sowie der Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika zurückgedrängt. Die EU beschloss außerdem die Entsendung einer Trainingsmission. Der Verbleib der meisten Rebellen ist jedoch ungeklärt bzw. warten diese im Hinterland auf den Rückzug der ausländischen Truppen. Die Zivilbevölkerung hat massiv mit den Folgen des Konflikts zu kämpfen und ist zum Großteil auf Hilfe von außen angewiesen. Große Probleme bestehen auch bei der Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit.

 

Afrikanische Union und andere Regionalorganisationen

 

Afrikanische Union

 

Den Vorsitz der AU hatte in diesem Jahr die Demokratische Republik Kongo inne. Präsident Félix Thsisekedi erklärte die Umsetzung der Afrikanischen Freihandelszone, die Förderung der Kultur sowie den Kampf gegen den Klimawandel zu den Schwerpunkten des kongolesischen AU-Vorsitzes, zusätzlich zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie. Der 34. AU-Gipfel, der im Februar virtuell standfinden musste, stand ganz im Zeichen der Wahl einer neuen AU-Kommission. Moussa Faki Mahamat wurde mit überwältigender Mehrheit als AU-Kommissionspräsident wiedergewählt. Mit Monique Nsanzabaganwa aus Ruanda wurde erstmals eine Frau in die Funktion einer stellvertretenden Kommissionsvorsitzenden berufen. Zum AU-Vorsitzenden für 2022/2023 wurde der Präsident Senegals, Macky Sall, bestellt.

 

IGAD

 

Als Folge der COVID-19-Pandemie, Überschwemmungen und Heuschreckenplagen war die in Dschibuti ansässige zwischenstaatliche Behörde für Entwicklung (IGAD) insbesondere in den Bereichen Gesundheit, Ernährungssicherheit und Resilienz tätig. Im April wurde der Grundstein für ein gemeinsames Krebsforschungsinstitut gelegt. Im politischen Bereich trat die IGAD kaum in Erscheinung. Insbesondere gelang es dem diesjährigen Vorsitz Sudan nicht, im Tigray-Konflikt eine aktive Rolle zu spielen.

 

Die ADA setzt mit IGAD das für den Zeitraum 2018–2023 angelegte Projekt IGAD Promoting Peace and Stability in the Horn of Africa Region/IPPSHAR um. Das Projekt wird von der EU mit 25,2 Millionen Euro sowie von Österreich und Schweden mit je 1 Million Euro und den Niederlanden mit 1,1 Millionen Euro finanziert.

 

ECOWAS

 

Vorrangiges Ziel der Wirtschaftsgemeinschaft westafrikanischer Staaten (ECOWAS) ist eine vertiefte wirtschaftliche Integration ihrer 15 Mitgliedstaaten. In jüngerer Zeit versucht sie sich allerdings auch im sicherheitspolitischen Bereich zu engagieren. So spielte ECOWAS im Gefolge der Putsche in Mali und Guinea eine sehr aktive Rolle. Unter Vorsitz des ghanaischen Präsidenten Nana Akufo-Addo verhängte ECOWAS am 7. November Sanktionen gegen Mitglieder der Übergangsregierung in Mali und der Militärregierung in Guinea wegen der Behinderung des demokratischen Übergangs. Die Mitgliedschaft Malis und Guineas war bereits unmittelbar nach den Putschen suspendiert worden.

 

Zwischen Österreich und ECOWAS besteht traditionell eine enge Zusammenarbeit, etwa in den Bereichen erneuerbare Energien und Energieeffizienz, Konfliktprävention und Frühwarnungssysteme sowie der Aus- und Fortbildung für regionale Friedenseinsätze.

 

SADC

 

Beim 41. Gipfel der Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft (SADC) im August in Lilongwe, Malawi, wurde vor dem Hintergrund der terroristischen Bedrohung in Cabo Delgado die Einrichtung eines Regional Counter Terrorism Centres in Tansania beschlossen. Der Präsident Malawis, Lazarus McCarthy, wurde als neuer Vorsitzender für den Zeitraum von 2021-2022 gewählt sowie der Präsident der Demokratischen Republik Kongo, Felix Antoine Tshisekedi Tshilombo, für das Folgejahr.

 

Österreich und SADC unterzeichneten im Jahr 2008 eine Absichtserklärung über gegenseitige Zusammenarbeit im Bereich Regierungsführung mit Fokus auf Landfragen sowie im Bereich Infrastruktur mit Schwerpunkt Schienenverkehr und erneuerbaren Energien. Darüber hinaus finanziert die ADA mit anderen Partnern regionale Projekte. Das SOLTRAIN-Programm der ADA (Southern African Solar Thermal Training & Demonstration- Initiative) unterstützt derzeit Projekte in Botswana, Lesotho, Mosambik, Namibia, Südafrika und Simbabwe. Mit Abschluss von Phase IV des Programms 2022 werden über 4.000 Fachkräfte für die Installation und Wartung von solarthermischen Anlagen geschult worden sein. Zudem wurden zahlreiche Solarthermenanlagen an Gebäuden von Sozial- und Gesundheitseinrichtungen, Waisenhäusern, Pflegeheimen, Studentenheimen und Industriegebäuden angebracht.

 

EAC

 

Die Ostafrikanische Gemeinschaft (EAC) hatte sich ehrgeizige Ziele – Währungsunion, gemeinsames Visum, große Infrastrukturprojekte – gesetzt. In jüngerer Zeit waren jedoch wenige konkrete Fortschritte zu verzeichnen.

 

Andere Akteure

 

Senegal war Ende November Gastgeber des diesjährigen China-Afrika Forums. Dieses findet alle drei Jahre statt und legt das künftige Engagement Chinas in Afrika fest. China hat den afrikanischen Ländern Schuldenerleichterung in Aussicht gestellt (Schuldenerlass und Umschichtung von 10 Milliarden US-Dollar aus dem IWF in afrikanische Länder) und vermehrt Investitionen im Gesundheitsbereich, in der Landwirtschaft, Digitalisierung und Sicherheit angekündigt. Zur COVID-19-Bekämpfung wird China eine weitere Milliarde Impfdosen nach Afrika liefern und bei der Herstellung von Impfstoffen vor Ort Unterstützung bieten. Senegal forderte China auf, die Schuldeninvestitionen (debt-equity swaps) zu stoppen und mehr Eigenkapital in die nachhaltige Entwicklung der Volkswirtschaften Afrikas zu investieren.

 

Das Forum fand kurz nach der Afrikareise von US-Außenminister Anthony J. Blinken statt, die diesen nach Kenia, Nigeria und Senegal geführt hatte. Das Engagement der USA wird sich auf den Sicherheitsbereich konzentrieren. Mali wurde unter der Bedingung des erfolgreichen Abschlusses des Übergangsprozesses die volle Unterstützung der USA zugesagt. Mit Senegal wurden Investitionsabkommen vor allem im Infrastrukturbereich abgeschlossen.

 

2.3 Amerika

 

2.3.1 Vereinigte Staaten von Amerika (USA)

 

Präsident Joe Biden wurde am 20. Jänner als 46. Präsident der USA angelobt und verfolgt unter dem Motto „build back better“ das Ziel einer umfangreichen nationalen Erneuerung. Ex-Präsident Donald Trump erkannte das Wahlergebnis bis zuletzt nicht an und versuchte, mit einer „Save America“-Demonstration und der Aufforderung seiner Anhängerschaft zum Marsch auf das Kapitol die Zertifizierung des Wahlsiegs von Joe Biden durch den Kongress am 6. Jänner zu verhindern. In Folge durchbrachen rund 800 teilweise gewalttätige Demonstrierende mehrere Sperren vor dem US Parlament, einige von ihnen drangen sogar in das Kapitol ein. Eine Demonstrantin wurde dabei von der Polizei erschossen, drei Personen starben an „medizinischen Notfällen“, 140 Polizistinnen und Polizisten wurden verletzt. Am 13. Jänner wurde Präsident Donald Trump vom US-Repräsentantenhaus wegen „Anstiftung zum Aufruhr“ angeklagt. Eine Verurteilung im republikanisch dominierten Senat scheiterte an der erforderlichen Zweidrittelmehrheit von 67 Stimmen, da sich den 50 Demokratinnen und Demokraten nur sieben Republikanerinnen und Republikanern anschlossen. Bis Jahresende wurden 700 Demonstrierende angeklagt und einige bereits in erster Instanz verurteilt. Ein vom Repräsentantenhaus eingerichteter Untersuchungsausschuss führt diesbezüglich Ermittlungen gegen Ex-Präsident Donald Trump und Vertreterinnen und Vertreter seiner Administration weiter.

 

Der Demokratischen Partei gelang es im Zuge der zweiten Runde der Senatswahlen im Bundesstaat Georgia am 5. Jänner durch zwei Wahlsiege im US Senat Parität mit der Republikanischen Partei herzustellen. Bei Stimmengleichstand gibt die Stimme von Vizepräsidentin Kamala Harris, die im Senat den Vorsitz führt, den Ausschlag. Aufgrund der Wahlergebnisse im Jahr 2020 verfügt die Demokratische Partei auch im Repräsentantenhaus über eine Mehrheit.

 

Der massive Ausbruch von COVID-19, die dadurch erforderlichen drastischen Maßnahmen zu dessen Eindämmung (die Einreisebeschränkungen aus dem Schengen-Raum wurden erst am 8. November wieder gelockert) und zur Unterstützung der US-Wirtschaft definierten große Teile des innen- und wirtschaftspolitischen Diskurses in den USA. Noch unter der Administration von Donald Trump begann die Entwicklung von effektiven Impfstoffen sowie eine Impfkampagne, beides wurde unter Präsident Joe Biden mit Nachdruck weitergeführt.

 

Die US-Wirtschaft hat sich recht früh von den Folgen der Pandemie erholt: Bereits im ersten Quartal führten das zügig voranschreitende US-Impfprogramm, die sinkenden Infektionszahlen, die massiven staatlichen Hilfsprogramme, anhaltende fiskalische Begleitmaßnahmen und ein ansteigendes Konsumverhalten schneller als erwartet zu einer deutlichen Konjunkturbelebung mit positiven spillover-Effekten für die Globalwirtschaft. Für das Gesamtjahr wurde in den USA ein Wirtschaftswachstum von knapp 6 % erwartet. Die Arbeitslosigkeit in den USA sank vom Rekordwert von 14,8 % (am Höhepunkt der COVID-19-Pandemie im Frühjahr 2020) auf etwas über 4 % im Herbst. Das Auftreten der Delta- und Omikron-Varianten, eine starke Inflation von über 6 % und anhaltende Lieferengpässe in wichtigen Branchen wirkten wachstumshemmend.

 

Ein zentrales wirtschaftspolitisches Thema in den USA war das Ringen um Präsident Joe Bidens großangelegte, zweiteilige Infrastrukturagenda. Nach monatelangen Verhandlungen zwischen Demokraten und Republikanern stimmte der Kongress im November einem parteiübergreifenden, rund 1 Billion US-Dollar schweren ersten Infrastrukturpaket zu. Neben der Fortsetzung bestehender sind darin auch neue Ausgaben in Höhe von 550 Milliarden US-Dollar in den kommenden fünf bis zehn Jahren vorgesehen, um dringend notwendige Investitionen in die Straßen-, Bahn-, Brücken- und Wasserinfrastruktur, in Stromnetz, Breitband-Internet, Elektromobilität und andere Bereiche zu tätigen. Ein geplantes, zweites Maßnahmenpaket von Präsident Joe Bidens Infrastrukturagenda, das auf Großinvestitionen in den Bereichen Soziales, Bildung, Familie, Energie und Klima fokussiert und auch entsprechende Steueranreize bietet, konnte durch den US-Kongress nicht verabschiedet werden.

 

Die Zahl der bis 30. November in den USA im Zuge der Vollstreckung von Todesurteilen hingerichteten Personen betrug zehn und somit um fünf weniger als 2020. Drei dieser Hinrichtungen fanden noch unter der Präsidentschaft von Donald Trump statt, bevor unter Präsident Joe Biden das davor über 17 Jahre bestehende Moratorium auf Bundesebene wiedereingeführt wurde. Virginia wurde im März offiziell zum 23. Bundesstaat, der sich von der Verhängung von Todesstrafen abwandte. Neben der US-Regierung und dem US-Militär verhängen 27 Bundesstaaten weiterhin Todesurteile. Die weltweite Abschaffung der Todesstrafe ist eine Priorität der österreichischen Außenpolitik, für die sich Österreich gemeinsam mit seinen EU Partnern – auch in den USA – einsetzt.

 

Im außenpolitischen Bereich konzentriert sich die Biden-Administration auf eine Belebung der Zusammenarbeit mit Partnern und Alliierten, vor allem auch mit der EU und ihren Mitgliedsstaaten. Die gemeinsame Förderung von Menschenrechten, Demokratie und einer Stärkung der Wirtschaftskraft wird dabei in den Mittelpunkt gestellt. Die USA kehrten in den VN-Menschenrechtsrat zurück und luden ausgewählte Partner, darunter Österreich, am 9. und 10. Dezember zum virtuell durchgeführten Summit for Democracy ein, wo Österreich durch Bundeskanzler Alexander Schallenberg vertreten war. Mit dem ehemaligen Außenminister John Kerry als neuen Sondergesandten für Klimawandel erheben die USA auch den Anspruch, bei den internationalen Bemühungen im Kampf gegen den Klimawandel wieder eine Führungsrolle einzunehmen. Ähnliche Akzente setzte Präsident Joe Biden auch im Bereich der globalen Gesundheit durch die Rückkehr der USA zur Weltgesundheitsorganisation (WHO), und die Veranstaltung eines COVID-19-Gipfels im Rahmen der VN-GV. Die transatlantischen Beziehungen und die NATO blieben wichtige Elemente der US Außen- und Sicherheitspolitik. Wie durch den QUAD-Gipfel mit Australien, Japan und Indien in Washington D.C. und die Verkündung der neuen trilateralen Sicherheitspartnerschaft AUKUS mit Australien und dem Vereinigten Königreich sichtbar wurde, verschiebt sich der Fokus der US-Außenpolitik zunehmend in den indopazifischen Raum. Die Beziehungen zu China und Russland blieben angespannt, in beiden Fällen zeigten sich die USA unter anderem durch die Veranstaltung von Gipfeltreffen darum bemüht, geordnete Kommunikationskanäle wiederherzustellen und Eskalationen zu verhindern.

 

Im Abrüstungsbereich konnten sich die USA und Russland im Rahmen eines Telefonats zwischen beiden Präsidenten am 26. Jänner zu einer Verlängerung des New-START-Vertrags (Strategic Arms Reduction Treaty), um weitere fünf Jahre verständigen. Im Zusammenhang mit Nord Stream 2 wurde zwischen den USA und Deutschland im Juli eine Einigung verkündet, die die Fertigstellung der Pipeline ermöglichen und gleichzeitig deren allfällige negative Auswirkungen auf die Ukraine abfedern soll. Auf Basis der mit einigen arabischen Staaten und Israel zur Normalisierung der Beziehungen bereits 2020 unterzeichneten sogenannten Abraham Accords versuchten die USA, die Zusammenarbeit in der Region voranzutreiben. Dabei wird unter Präsident Joe Biden wieder explizit an einer Zwei-Staaten-Lösung als Kernziel der US-Politik im Nahen Osten festgehalten und die Ausweitung israelischer Siedlungen kritisiert. Ende November kehrten die USA gemeinsam mit internationalen Partnern und dem Iran in Wien an den Verhandlungstisch zurück, um nach fünf Monaten Unterbrechung über eine mögliche Rückkehr zum Nuklearübereinkommen JCPoA zur Begrenzung des iranischen Nuklearprogramms zu sprechen. Der US-Druck auf Venezuela und Nicaragua wurde weiter erhöht, die Sanktionen gegen Nordkorea und Kuba blieben unverändert aufrecht. Ende August bzw. Anfang September wurde der bereits unter Präsident Donald Trump in einem Abkommen mit den Taliban besiegelte Gesamtabzug aller internationalen Truppen aus Afghanistan vollzogen.

 

Die Handelsbeziehungen zwischen der EU und den USA sind so eng wie mit keinem anderen Handelspartner. Zusammen erwirtschaften beide Volkswirtschaften fast 50 % des weltweiten BIP. Präsident Joe Biden bemühte sich um eine Rückkehr der USA in multilaterale Handelsstrukturen und um eine Neubelebung des Verhältnisses zum traditionell wichtigsten Wirtschaftspartner EU, welches durch protektionistische US-Maßnahmen der Vorgänger-Administration belastet war. Fortschritte konnten etwa durch den Beschluss, die gegenseitigen Boeing/Airbus Vergeltungszölle für fünf Jahre zu suspendieren, erzielt werden, ebenso wie durch die Gründung des EU-US Trade and Technology Councils, der im September erstmals in Pittsburgh zusammentrat und sich vor allem der besseren Abstimmung betreffend Lieferketten, Halbleiter, Investment Screening oder Exportkontrolle widmen soll. In der besonders strittigen Frage der US-Strafzölle auf EU Stahl- und Aluminium konnte Anfang November ein Kompromiss gefunden werden, der u.a. die Einführung eines Zollkontingents durch die USA vorsieht. In anderen Bereichen schien die neue US-Regierung beim Abbau von Handelshemmnissen eher zurückhaltend. So birgt das „Buy American“-Prinzip etwa im öffentlichen Vergabewesen oder bei Steueranreizen die Gefahr der Diskriminierung europäischer Unternehmen. Im Hinblick auf den Rivalen China hielt Präsident Joe Biden am harten wirtschafts- und sanktionspolitischen Kurs seines Vorgängers fest, setzte aber stärker auf eskalationsvermeidende Maßnahmen, Allianzenbildung, multilaterale Strukturen und Investitionen in Forschung und Entwicklung.

 

Die bilateralen Beziehungen verliefen weiterhin sehr positiv, der Besuchsaustausch blieb allerdings durch die COVID-19-Pandemie eingeschränkt. Bundesminister Heinz Faßmann besuchte Washington DC von 15.-19. September zur Teilnahme am Austrian Research and Innovation Talk sowie zu Gesprächen mit dem Wissenschaftsberater von Präsident Joe Biden, Eric Lander. US Energieministerin Jennifer Granholm traf sich am 21. September mit Bundesministerin Leonore Gewessler in Wien. Bundesminister Martin Kocher reiste von 17.-19. Oktober nach Washington DC und Maryland und traf sich unter anderem mit US Arbeitsminister Marty Walsh. Österreich und die USA verbindet eine strategische Partnerschaft, basierend auf gemeinsamen Werten wie Demokratie, Menschenrechte und Rechtstaatlichkeit. Angesichts der zunehmenden geopolitischen Spannungen und der systemischen Rivalität mit autoritär geführten Staaten bilden die transatlantischen Beziehungen einen entscheidenden Vektor der österreichischen Außenpolitik.

 

Die USA sind – nach Deutschland – weltweit die für Österreich zweitwichtigste Exportdestination. Nach einem COVID-19-bedingten Rückgang 2020 nahmen die österreichischen Exporte in die USA im ersten Halbjahr wieder deutlich zu (+21,2 % im Vergleich zum ersten Halbjahr 2020). Die hohen österreichischen Direktinvestitionen in den USA (FDI) über 17 Milliarden Euro stiegen weiter kontinuierlich an. Österreich lag auf Platz zwei der Länder mit dem am schnellsten wachsenden FDI in den USA. Von den 650 am US-Markt aktiven österreichischen Unternehmen verfügen ca. 200 über Produktionsstätten in den USA. Diese beschäftigen ca. 33.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, umgekehrt beschäftigen rund 300 US-Unternehmen in Österreich ca. 25.000 Personen. Die Gespräche Österreichs mit den USA über den Fortbestand der nationalen Digitalsteuer konnten erfolgreich abgeschlossen und dadurch drohende US-Strafzölle gegen Österreich abgewendet werden. Bis zum Inkrafttreten der globalen Steuerreform wird die österreichische Digitalsteuer weitergeführt, die USA beendeten das gegen Österreich laufende Verfahren.

 

Im Forschungs-, Technologie-, und Innovationsbereich (FTI) erfüllt das von BMEIA und dem

Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) betriebene und kofinanzierte Office of Science and Technology Austria an der Österreichischen Botschaft Washington (OSTA Washington) eine Brückenfunktion für den Wissens- und Erfahrungsaustausch zwischen Österreich und Nordamerika (USA/Kanada/Mexiko), stärkt die bilateralen Beziehungen in diesen Bereichen und bewirbt den Wissenschaftsstandort Österreich. Im Rahmen des Research and Innovation Network Austria (RINA) werden österreichische Forschende während ihrer Aufenthalte in Nordamerika betreut und im Zuge ihrer Karriereentwicklung unterstützt. Das Netzwerk besteht aus über 3.300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Innovatorinnen und Innovatoren aller akademischen Disziplinen und Karrierestufen. Als zentraler Knotenpunkt für FTI-Angelegenheiten und Wissenschaftsdiplomatie fokussierte das OSTA Washington u.a. auf Themen in den Bereichen Hochschulbildung, Artificial Intelligence, Digitalisierung, Smart Cities, Zukunft der Mobilität, Umwelttechnologien und Zirkulärwirtschaft.

 

In ihrem Selbstverständnis wollen die Kulturforen in New York und Washington als Zentren der Präsentation zeitgenössischer österreichischer Kunst und Kultur wahrgenommen werden. Mit den Mitteln der Kulturdiplomatie wird ein sicht- und erlebbarer Beitrag zur österreichischen Außenpolitik geleistet und Österreich in seiner Vielfalt, Modernität und Kreativität dargestellt. Das Österreichische Generalkonsulat in Los Angeles sowie Open Austria – das Innovationsbüro des BMEIA im Silicon Valley – ergänzen mit ihrer Kulturarbeit die landesumspannende österreichische Kulturpräsenz. Aufgrund der anhaltenden COVID-19-Pandemie hat sich die Kulturarbeit der österreichischen Vertretungsbehörden verstärkt auf den virtuellen Bereich verlagert.

 

Die Entwicklung zukunftsorientierter Beziehungen zu den jüdischen Gemeinden und Organisationen/Institutionen (u. a. American Jewish Committee/AJC, World Jewish Congress/WJC, B’nai B’rith, Anti-Defamation League/ADL, National Coalition Supporting Eurasian Jewry/NCSEJ) ist ein zentrales Anliegen aller österreichischen Vertretungsbehörden in den USA. Sie wurde trotz COVID-19-bedingter Einschränkungen fortgesetzt. Am Rande der VN-GV traf Bundesminister Alexander Schallenberg am 23. September im österreichischen Generalkonsulat New York zu einem Gedankenaustausch mit hochrangigen Vertretern und Vertreterinnen der jüdischen Organisationen zusammen. Die Ermöglichung des Erwerbs der österreichischen Staatsbürgerschaft durch Nachkommen von NS-Vertriebenen und die Errichtung der am 9. November eröffneten Shoah-Namensmauern-Gedenkstätte in Wien wurden von den jüdischen Organisationen begrüßt und als wichtige Signale gewertet. Die österreichischen Vertretungsbehörden in den USA pflegen auch eine enge Zusammenarbeit mit den hier ansässigen Holocaust-Museen und Forschungsinstituten, insbesondere jenen, an denen österreichische Gedenkdienstleistende tätig sind. Die umfassenden Restitutions- und Entschädigungsmaßnahmen der Republik Österreich, unter anderem in Umsetzung des Washingtoner Abkommen aus dem Jahr 2001, wurden und werden von der US-Administration besonders gewürdigt. Dennoch wurden im Kongress erneut Gesetzesinitiativen eingebracht, die den im Washingtoner Abkommen vereinbarten Rechtsfrieden gefährden könnten.

 

2.3.2 Kanada

 

Im August löste Premierminister Justin Trudeau nach Umfragehöchstwerten für seine Regierung vorzeitig Neuwahlen aus. Bei dem Urnengang am 20. September verfehlte er jedoch die angestrebte absolute Mehrheit im Unterhaus des Parlaments und übernahm in der Folge neuerlich die Führung einer Minderheitsregierung. Die oppositionelle Konservative Partei unter ihrem Parteichef Erin O'Toole hatte während des Wahlkampfs stark an Popularität aufgeholt, scheiterte aber schlussendlich im großstädtischen Bereich und in den einwohnerstärksten Provinzen Ontario und Quebec. Die Wiedereröffnung des Parlaments nutzte die Regierung zur Präsentation eines aktualisierten Regierungsprogramms mit den Schwerpunkten Bewältigung der gesundheitlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen der COVID-19-Pandemie, Kampf gegen die Klimakrise und Aussöhnung mit der indigenen Bevölkerung.

 

Trotz COVID-19-bedingter Einschränkungen erlebte die kanadische Wirtschaft seit Jahresbeginn einen deutlichen Aufwärtstrend und wuchs zwischen Jänner und Juli um 4,7 % im Vergleich zur Vorjahresperiode. Die Arbeitslosenrate fiel im September auf 6,9 %, dem niedrigsten Wert seit Ausbruch der COVID-19-Pandemie. Gleichzeitig erreichte die Inflationsrate im Oktober mit 4,7 % ihren Höchststand seit fast 20 Jahren. Die kanadische Zentralbank beließ den Leitzins auf seinem historischen Tiefstand von 0,25 %.

 

In der Außenpolitik engagierte sich Kanada in einer Reihe von internationalen Initiativen. So war Kanada am 17. Juni Gastgeber der virtuellen Internationalen Geberkonferenz in Solidarität mit Geflüchteten sowie Migrantinnen und Migranten aus Venezuela. Im Vorfeld der 26. Konferenz der Vertragsparteien des Rahmenübereinkommens der VN über Klimaänderungen (COP26) die von 31. Oktober bis 12. November in Glagow stattfand, führte Kanada zusammen mit Deutschland im Auftrag des designierten COP26-Vorsitzenden zahlreiche Konsultationsgespräche zwecks Verbesserung der Mittelmobilisation in den Industrieländern zugunsten der Klimafinanzierung.

 

In den bilateralen Außenbeziehungen Kanadas dominierte weiterhin die Ausrichtung auf die USA als wichtigster wirtschaftlicher und sicherheitspolitischer Partner. Hauptereignis in den kanadisch-amerikanischen Beziehungen war das virtuelle Treffen zwischen Premierminister Justin Trudeau und Präsident Joe Biden am 23. Februar. Dabei wurde ein Fahrplan für eine erneuerte Partnerschaft angekündigt, welcher eine verstärkte Zusammenarbeit in der COVID-19-Pandemie zur Wiederbelebung der Wirtschaft und im Zeichen des Klimaschutzes anstrebt. Das bilaterale Verhältnis zur Volksrepublik China (Kanadas zweiwichtigstem Exportpartner) hat sich nach dem Ende der „Huawei-Affäre“ etwas entspannt: Im September ließ Kanada eine hochrangige Managerin des chinesischen Huawei-Konzerns ausreisen, nachdem sich ihre Anwälte mit den US-Behörden auf eine Vereinbarung geeinigt hatten. China ließ unmittelbar darauf zwei Kanadier ausfliegen, die unter dem Vorwurf der Spionage über 1000 Tage in Haft gesessen hatten. Davon abgesehen bestehen zwischen Kanada und China im Menschenrechtsbereich weiterhin grundlegende Meinungsunterschiede. Angespannt blieben die Beziehungen zur Russischen Föderation.

 

Für die EU ist Kanada einer der wichtigsten Partner auf globaler Ebene. Es besteht grundsätzlich Übereinstimmung im Menschenrechtsbereich, im Bekenntnis zum regelbasierten internationalen System und zur internationalen Zusammenarbeit im Klimaschutz sowie bei der Bekämpfung der COVID‑19-Pandemie. Dies kam auch beim EU-Kanada-Gipfel am 14. Juni in Brüssel zum Ausdruck. Der bilaterale Handel zwischen der EU und Kanada entwickelte sich nach dem starken Einbruch in den ersten Monaten der Pandemie wieder sehr dynamisch. Einen wesentlichen Beitrag dazu leistet das seit 2017 vorläufig angewendete Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA).

 

Die bilateralen Beziehungen zwischen Österreich und Kanada sind insbesondere im Wirtschafts-, aber auch im Kulturbereich intensiv. Kanada ist einer der größten Exportmärkte Österreichs in Übersee, mit steigendem Potenzial – nicht zuletzt, weil durch CETA nahezu alle Zölle weggefallen sind. Nachdem im Gesamtjahr 2020 Österreichs Exporte nach Kanada um 12,6 % gegenüber 2019 zurückgegangen waren, konnte die österreichische Exportwirtschaft für das erste Halbjahr einen Zuwachs von 29,2 % gegenüber dem gleichen Zeitraum im Vorjahr verbuchen. Wichtige Exportartikel, neben dem traditionell starken Bereich Maschinen und mechanische Geräte, waren u. a. Pharmazeutika und Holzwaren. Derzeit gibt es 140 Niederlassungen österreichischer Unternehmen in Kanada.

 

Österreich wird in Kanada als Kulturnation wahrgenommen, deren musikalisches Erbe allgemein beachtet und geschätzt wird. Auch der Wissenschaftsaustausch ist rege, wobei dem seit 1998 an der University of Alberta bestehenden Wirth Institute for Austrian and Central European Studies eine herausragende Stellung zukommt.

 

2.3.3 Lateinamerika und Karibik

 

Lateinamerika und Karibik (LAK) sind von der COVID-19-Pandemie und ihren wirtschaftlichen Auswirkungen besonders stark und nachhaltig betroffen, mit deutlicher Zunahme von Armut und Auswirkungen auf das politische und soziale Funktionieren vieler Staaten der Region. Der bi-regionalen Kooperation zwischen LAK und Europa kommt daher umso größere Bedeutung zu, will Europa diese wichtige Staatengruppe nicht als Gleichgesinnte verlieren. Die Teilnahme des Präsidenten des Europäischen Rats, Charles Michel, am Gipfeltreffen der Gemeinschaft lateinamerikanischer und karibischer Staaten am 18. September in Mexiko-Stadt war ein wichtiger Schritt, ebenso wie die Ausrichtung eines virtuellen „Mini-Gipfels“ mit den Vorsitzländern von 10 Regional- und Subregionalorganisationen in LAK durch die Präsidenten der Europäischen Kommission und des Europäischen Rates Von der Leyen und Michel am 2. Dezember. Die EU-LAK Stiftung feierte ihr zehnjähriges Bestehen.

 

Seit den im April 2020 mit Mexiko abgeschlossenen Verhandlungen zur Modernisierung des EU-Mexiko-Globalabkommens laufen auf beiden Seiten die internen Verfahren und Schritte, die zu Unterzeichnung bzw. Abschluss des Abkommens führen sollen. 2021 wurden Verhandlungen zu einem Handelsabkommen EU-Chile geführt.

 

Obwohl eine Grundsatzeinigung über den Handels- sowie über den politischen und institutionellen Teil des (seit 1999 verhandelten) Assoziierungsabkommens der EU mit MERCOSUR (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay) erzielt worden war, fand eine Annahme bislang nicht statt. Grund dafür war, dass es durch die starke Zunahme der Brandrodungen im Amazonas-Regenwald sowie vor allem bezüglich der Umweltauswirkungen negativ ausgefallene Folgenabschätzungen immer stärker in die Kritik geraten war. Die Europäische Kommission nahm erneut Gespräche mit den MERCOSUR-Partnern bezüglich weiterer Instrumente zur Umsetzung des Nachhaltigkeitskapitels auf. Gemäß österreichischem Regierungsprogramm lehnt Österreich das Abkommen in seiner derzeitigen Form ab.

 

Nicaragua entwickelte sich weiter zu einem autoritären Staat. Im Vorfeld der allgemeinen Wahlen am 7. November verhärtete die Regierung unter Präsident Daniel Ortega ihre Vorgangsweise. Zahlreiche Mitglieder der Opposition, darunter auch die aussichtsreichsten Kandidatinnen und Kandidaten für die Präsidentschaft, wurden ebenso wie Pressevertreterinnen und Pressevertreter und Wirtschaftstreibende verhaftet oder unter Hausarrest gestellt. Manche flüchteten ins Exil, Oppositionsparteien wurden verboten. Angesichts dieser Bedingungen, die freie und demokratische Wahlen nicht zuließen, rief die Opposition zum Wahlboykott auf. Tatsächlich dürfte die Wahlbeteiligung – entgegen den offiziell behaupteten Zahlen – sehr gering gewesen sein. Mit dem infolgedessen wenig überraschenden erfolgreichen Wahlergebnis für Präsident Daniel Ortega sicherte sich dieser seine vierte Amtszeit in Folge und die sandinistische Partei baute ihre Übermacht im Parlament weiter aus. Zahlreiche Staaten der Region sowie die USA und die EU akzeptieren das Wahlergebnis nicht, die USA verhängten zusätzliche Sanktionen. Die Wahl steht auch in direktem Zusammenhang mit der Ankündigung Nicaraguas, sich aus der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) zurückziehen zu wollen; damit kam die nicaraguanische Staatsführung der Drohung der OAS zuvor, das Land aus der Organisation auszuschließen. Nicaragua würde somit – nach einer zweijährigen Übergangsfrist – am 18. November 2023 aus der OAS ausscheiden.

 

Die allgemeinen Wahlen in Honduras am 28. November verliefen ohne gewaltsame Auseinandersetzungen. Sie wurden international von Wahlbeobachtungsmissionen der OAS und der EU (darunter auch drei österreichische Beobachterinnen und Beobachter) begleitet. Die Präsidentschaftswahlen gewann die Kandidatin der Linkspartei LIBRE, Iris Xiomara Castro Sarmiento, deutlich.

 

Bilaterale Besuche zwischen den LAK-Staaten und Österreich waren aufgrund der COVID-19-Pandemie weiterhin eingeschränkt. Ein im September geplanter Besuch von Bundespräsident Alexander Van der Bellen in Costa Rica musste COVID-19-bedingt kurzfristig abgesagt werden, stattdessen kam es zu einem Zusammentreffen des Bundespräsidenten mit Costa Ricas Staatspräsident Carlos Alvarado am Rande der Generalversammlung der VN in New York. Costa Ricas Außenminister Rodolfo Solano besuchte am 3. und 4. November Wien und traf mit Bundesminister Michael Linhart zusammen. Dabei wurde auch ein MoU zur Etablierung einer Strategischen Partnerschaft zwischen Österreich und Costa Rica unterzeichnet. Damit soll die Kooperation mit diesem in vielen Bereichen gleichgesinnten Land weiter vertieft werden, etwa im Bereich Klima- und Umweltschutz.

 

Nach den (von der Opposition boykottierten) Parlamentswahlen am 6. Dezember 2020, die keinerlei demokratischen Grundsätzen entsprochen hatten, verbesserte sich die politische Krise in Venezuela auch nach den Regional- und Kommunalwahlen vom 21. November nicht. Insgesamt 20 von 23 Gouverneurssitzen gingen an die Partei des Regimes von Nicolás Maduro – Oppositionsführer Juan Guaidó konnte die zersplitterte Opposition nicht einen. Die Repressionen gegen diese nehmen wieder zu, gegen die (wenigen) siegreichen Oppositionskandidaten wird massiv vorgegangen. Die Verhandlungen zwischen Regime und Opposition in Mexiko unter Vermittlung von Norwegen sind derzeit suspendiert, u.a. nachdem Kritik an der Menschenrechtslage geübt und mit der Aufhebung der Sanktionen verknüpft wurde. Nicolás Maduros Hauptinteresse ist die Freigabe von in den USA eingefrorenen Vermögenswerten. Mehr als fünf Millionen Venezolanerinnen und Venezolaner haben wegen der anhaltenden Versorgungskrise und Repressionen in den vergangenen Jahren ihr Land verlassen; Österreich unterstützt via VN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) und dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) mit zwei Millionen Euro.

 

In Kolumbien wurde der 5. Jahrestag der Unterzeichnung der Friedensverträge mit der einstigen Guerilla-Bewegung Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia (FARC) weithin gefeiert. Die Anerkennung der Vorwürfe von Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch die frühere FARC-Führung brachte einen wichtigen Durchbruch, kritisiert wird jedoch die schleppende Umsetzung der Verträge. Fortschritten stehen eine hohe Anzahl von Morden und Gewalttaten an Umwelt- und Friedensaktivistinnen und -aktivisten, indigenen und afro-kolumbianischen lokalen Führungspersönlichkeiten sowie Ex-Guerilla-Kämpfern gegenüber. Eine neuerliche Destabilisierung des Landes könnte durch bewaffnete Akteurinnen und Akteure (Dissidenten u.a. der früheren FARC sowie im illegalen Handel aktive Gruppen) drohen. Trotz Verringerung der Anbauflächen steigt die Kokainproduktion wieder an. Im April/Mai fanden zum Teil gewaltsame Proteste statt, die das Land schwer in Mitleidenschaft zogen. Kolumbien ist besonders stark von der Krise im benachbarten Venezuela betroffen. Präsident Iván Duque kündigte einen Ordnungsprozess der sehr hohen Zahl von venezolanischen Flüchtlingen an. Österreich unterstützte Kolumbien hierbei im Wege des UNHCR neuerlich mit einer Million Euro. Bundeskanzler Sebastian Kurz traf am 21. September Präsident Iván Duque zu einem bilateralen Gespräch am Rande der VN-GV.

 

In Ecuador trat der Sieger der Präsidentschaftswahlen Guillermo Lasso Mendoza am 24. Mai sein Amt als neuer Präsident an. Sein Programm ist auf Impulse für einen starken wirtschaftlichen Aufschwung ausgerichtet. Stimmenstärkste Partei im Parlament wurde das linksgerichtete Bündnis der oppositionellen UNES (Unión por la Esperanza). Präsident Lasso ist für seine Vorhaben auf eine Unterstützung einer breiten Koalition aus unterschiedlichsten Gruppierungen und Splitterparteien im Parlament angewiesen.

 

Barbados hat am 30. November die Republik ausgerufen. Die bisherige Gouverneurin Dame Sandra Mason wurde die erste Präsidentin des Landes.

 

Bundespräsident Alexander Van der Bellen traf am 21. September den Präsidenten von Guyana, Mohammed Irfaan Ali, zu einem bilateralen Gespräch am Rande der VN-GV.

 

In Peru übernahm am 28. Juli Pedro Castillo das Präsidentenamt, nachdem er als Kandidat einer extrem linksstehenden Partei mit hauchdünner Mehrheit gegen die rechtskonservative Keiko Fujimori in der Stichwahl gesiegt hatte. Die Wahlen verschärften die tiefe soziale und politische Spaltung des Landes. Da sich die von Präsident Castillo eingesetzten Regierungen auf keine Mehrheit im Parlament stützen können, blieb die politische Lage seither von häufigen Wechseln in der Regierungszusammensetzung und Schwankungen im Regierungskurs gekennzeichnet.

 

In Bolivien verhärtete sich der Konfrontationskurs zwischen der im November 2020 nach einem Wahlsieg mit Luis Arce als Präsident wieder an die Macht gelangten „Bewegung zum Sozialismus“ und der zersplitterten Opposition, der vorgeworfen wird, Evo Morales 2019 mit einem Putsch zum Rücktritt gezwungen zu haben. Die politische Entwicklung in dem von tiefen sozialen, regionalen und ethnischen Gräben geprägten Land brachte nicht den erhofften Versöhnungsprozess, sondern zeichnete sich erneut durchzunehmende Anspannung aus.

 

In Brasilien herrscht im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen 2022 starke politische Polarisierung zwischen den Lagern von Präsident Jair Bolsonaro und seinem voraussichtlich stärksten Gegenspieler, dem ehemaligen Präsidenten und Führer der linken Arbeiterpartei, Luiz Inácio Lula da Silva. Gründe dafür sind das schlechte COVID-19-Krisenmanagement der Bundesregierung sowie nicht eingelöste Versprechen für inklusives Wirtschaftswachstum, öffentliche Sicherheit, Korruptionsbekämpfung und umfassende Reformen. Brasilien verkündete im Rahmen der COP26 ambitioniertere Emissionsreduktionsziele und einen Stopp der illegalen Entwaldung bis 2028, nachdem die Abholzung im Amazonasgebiet ihren höchsten jährlichen Stand seit 15 Jahren erreicht hat. Dies könnte neue Möglichkeiten für eine ergebnisorientierte klimapolitische Zusammenarbeit eröffnen.

 

Mit Uruguay wurde eine Vertiefung der Zusammenarbeit durch eine Strategische Partnerschaft in Aussicht genommen. Zu deren Ausgestaltung ist eine Absichtserklärung (Memorandum of Understanding) in Ausarbeitung.

 

In Chile kam es zu mehreren richtungsgebenden Wahlen, verbunden mit einem politischen Generationenwechsel. Im Mai fanden Kommunal- und Gouverneurswahlen sowie die Wahl der Mitglieder einer verfassungsgebenden Versammlung statt. Bei beiden kam es zu einem Linksruck und einem massiven Verlust der traditionellen Zentrumsparteien.  Am 21. November und 19. Dezember fanden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen statt. Bei den Parlamentswahlen kam es zu einer Pattstellung zwischen den politischen Lagern. In der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen vom 19. Dezember entschieden die Wählenden mit 55,8 % zugunsten Gabriel Boric, der u.a. auch von der kommunistischen Partei unterstützt wird. Boric, getragen von der Unzufriedenheit breiter Schichten mit einer aus ihrer Sicht ungerechten Verteilung des neoliberal geprägten wirtschaftlichen Wachstums, beabsichtigt strukturelle Reformen in Richtung eines sozialen Wohlfahrtstaates europäischer Prägung.

 

2.4 Asien

 

Der anfänglich durch die COVID-19-Pandemie gebremste Aufstieg Asiens als Wirtschaftsmotor konnte wieder an Fahrt aufnehmen, wenn auch mit reduzierter Geschwindigkeit und mehr denn je mit inhomogener Verteilung. Sehr unterschiedlich entwickelten sich auch die Wellen der Pandemie in den einzelnen Staaten der Region und die damit verbundenen Maßnahmen, wie z.B. Einreisebeschränkungen und Impfpolitik.

 

Die historisch begründeten Spannungen in der Region (Südchinesisches Meer, koreanische Halbinsel, Kaschmir, Taiwan, Hongkong) ließen im Pandemie-Kontext nicht nach bzw. eskalierten sogar, zum Teil auch mit militärischen Mitteln (Myanmar, Afghanistan). Im Lichte der weiter wachsenden geopolitischen Bedeutung Asiens und der gleichzeitigen Zunahme destabilisierender und polarisierender Entwicklungen in der Region einigte sich die EU im April auf eine Strategie zur Zusammenarbeit im Indo-Pazifik und legte im September eine operative Umsetzungsgrundlage vor, die auf der Stärkung der regelbasierten internationalen Ordnung, gleichen Wettbewerbsbedingungen, einem offenen und fairen Umfeld für Handel und Investitionen sowie einem inklusiven Ansatz beruht. Österreich unterstützt diesen verstärkten Fokus der EU auf die aus sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Gründen immer bedeutender werdende Region.

 

Zwischen der EU und vier Ländern Asiens (China, Japan, Indien und Südkorea) sowie mit dem Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN) bestehen Strategische Partnerschaften; mit zwei Staaten, Japan und seit kurzem auch mit Indien, Konnektivitätspartnerschaften; mit Japan wurde darüber hinaus eine „Grüne Allianz“ abgeschlossen. Reguläre Gipfel der EU konnten mit den Partnern aufgrund der Pandemie nicht stattfinden, dafür gab es mehrere hochrangige Videokonferenzen. Auch der bereits mehrmals verschobene 13. Gipfel das Asien-Europa Treffens (ASEM) konnte im Jahr des 25-jährigen Bestehens von ASEM nur in Form einer Videokonferenz im November abgehalten werden. Österreich war durch Bundeskanzler Alexander Schallenberg vertreten. Ein Gouverneurstreffen der Asia-Europe Foundation, einer privatrechtlichen Stiftung von ASEM zur Umsetzung von konkreten Kooperationsprojekten zwischen Europa und Asien, wurde am 1. und 2. Juli ebenfalls in Form einer Videokonferenz abgehalten.

 

2.4.1 Volksrepublik China

 

China verfolgt eine sehr restriktive COVID-19-Politik, mit umfassenden Reisebeschränkungen. Die wirtschaftliche Erholung nach Ausbruch der Pandemie setzte sich fort, die Weltbank erwartet ein Wirtschaftswachstum von 8,5 %. Beim Nationalen Volkskongress im März wurden der 14. Fünfjahresplan (2021–25) und die mittelfristigen wirtschaftspolitischen Ziele bis 2035 beschlossen, aber auch die Reform des Wahlrechts in der Sonderverwaltungszone Hongkong. Anlässlich des 100. Jubiläums der Gründung der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) im Juli verkündete Präsident Xi Jinping das Erreichen des ersten Jahrhundertziels: des Aufbaus einer wohlhabenden Gesellschaft und Beseitigung der absoluten Armut. Das Novemberplenum des Zentralkomitees der KPCh vom 8.-11. November stand im Zeichen der Vorbereitung des 20. Parteikongresses im Oktober 2022. Dabei wurden die Weichen für eine dritte Amtszeit von Präsident Xi gestellt. Zentrales Ziel der Regierung ist die Transformation Chinas zu einem sozialistischen Staat mit einer hochqualitativen und innovativen Wirtschaftsentwicklung. In Schlüsseltechnologien wie E-Mobilität, Quantentechnologie, Künstlicher Intelligenz, Halbleitern, Gen- und Biotechnik oder Weltraumtechnik strebt China nicht nur einen hohen Grad an Autarkie, sondern die globale Führung an. Gleichzeitig reguliert die Regierung Teilbereiche des Finanzwesens und der Wirtschaft. Die geopolitische Initiative der Neuen Seidenstraße (Belt & Road Initiative) bleibt außenpolitische Priorität. China kündigte außerdem an, bis 2060 Klimaneutralität erreichen zu wollen.

 

Auf internationaler Ebene engagiert sich China aktiv im Rahmen von internationalen Organisationen, Entwicklungsbanken oder Foren wie G20. In den VN, wo China zahlreiche wichtige Positionen besetzt und ständiges Mitglied des Sicherheitsrates ist, zeigte China zuletzt durch Initiativen im Entwicklungs- oder Gesundheitsbereich und bei der Pandemiebekämpfung Profil. Bei der 76. VN-GV kündigte Präsident Xi die Global Development Initiative an, die auf Förderung und Umsetzung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung abzielt. Bei der Gruppe der Entwicklungsländer und China (G77) genießt China breite Unterstützung. Dabei bietet es sein Entwicklungsmodell als Alternative zum liberal-demokratischen Modell der westlichen Welt an. Die Beziehungen mit den USA sind weiterhin von geopolitischen Spannungen geprägt. Am 16. November fand das erste (virtuelle) Treffen zwischen Präsident Xi und Präsident Biden statt. Für die EU bleibt China wichtiger Partner bei der Lösung globaler Herausforderungen wie Klimawandel und Pandemiebekämpfung oder bei Abrüstungsfragen. Gleichzeitig litten die EU-China-Beziehungen unter den schweren Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang, wegen derer EU-Sanktionen sowie in Folge chinesische Gegensanktionen verhängt wurden und unter den immer weiteren Einschränkungen für Opposition und Zivilgesellschaft in Hongkong. Die Arbeiten am EU-China Investitionsabkommen wurden durch das Europäische Parlament im Mai ausgesetzt.  

 

Österreich unterstützt den mehrgleisigen Ansatz der EU gegenüber China, der das Land als Partner, wirtschaftlichen Konkurrenten und systemischen Rivalen einstuft. Zuletzt nahm der hochrangige Besuchsaustausch zwischen der EU und China wieder an Fahrt auf. Österreich und China begingen das 50-jährige Bestehen ihrer diplomatischen Beziehungen. Hierfür waren zahlreiche Veranstaltungen, Konzerte und Projekte geplant, die COVID-19-bedingt nur virtuell stattfinden konnten oder auf einen späteren Zeitpunkt verlegt werden mussten.

 

2.4.2 Nordostasien

 

In Japan trat, nach einer kurzen Amtsperiode von Yoshihide Suga, der ehemalige Außenminister Fumio Kishida das Amt des Premierministers an. Am liberal-konservativen Kurs der Regierungspartei ändert sich dadurch nichts. Die COVID-19-Pandemie konnte relativ gut im Zaum gehalten werden, die Impfquote stieg rapide an, die Olympischen und Paraolympischen Sommerspiele konnten nach einjähriger Verschiebung erfolgreich durchgeführt werden. Das sicherheitspolitische Umfeld blieb angespannt, nicht zuletzt durch vermehrte Raketentests Nordkoreas. Die Allianz mit dem Hauptverbündeten USA bleibt prioritär, verstärkt hat sich die quadrilaterale Kooperation gemeinsam mit den USA, Australien und Indien. Japan wirbt auch aktiv für sein Konzept eines „freien und offenen Indo-Pazifiks“. Mit dem wirtschaftlich wichtigen Partner China gibt es weiterhin territoriale Streitigkeiten, die jedoch nicht eskalierten. Die Beziehungen mit dem ebenso wichtigen Partner Südkorea blieben schwierig. Mehr noch als um territoriale Ansprüche geht es dabei um Vergangenheitsbewältigung, wie die Frage von Entschädigungen für ehemalige Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter und sogenannte „Trostfrauen“. Japan ist als drittgrößte Volkswirtschaft der Welt in etlichen Sektoren technologisch führend, wenngleich durch Wettbewerber herausgefordert. An der Atomkraft hält die Regierung weiterhin fest, allerdings soll deren Anteil zugunsten erneuerbarer Energien kontinuierlich gesenkt werden. Den wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie wird durch umfangreiche Wirtschaftspakete begegnet. Es herrscht beinahe Vollbeschäftigung; dem demografischen Phänomen der Überalterung versucht man, durch Ausbau der Automatisierung zu begegnen.

 

Auch Südkorea wurde von einer dritten und vierten Welle der COVID-19-Pandemie erfasst, jedoch mit deutlich geringeren Infektionszahlen und auch Einschränkungen des öffentlichen Lebens als in Europa. Im November erreichte das Land eine Durchimpfungsrate von 80 %. Präsident Moon Jae-in entfaltete in seinem letzten Regierungsjahr eine dichte Reisediplomatie. Im Juni absolvierte der Präsident als erstes koreanisches Staatsoberhaupt einen Staatsbesuch in Österreich, im Zuge dessen die bilateralen Beziehungen als strategische Partnerschaft eingestuft wurden. Erstmals nahm Südkorea als Gast an einem G7-Gipfel teil. Der Besuch bei Präsident Joe Biden untermauerte die strategische Allianz mit den USA. Südkorea kooperiert eng mit den USA und Japan, um Nordkorea zum Dialog zu bewegen, vorerst ohne Erfolg. Die Forderung nach Denuklearisierung, das bestehende Sanktionenregime und vor allem die Wiederaufnahme von Raketentests durch Nordkorea begrenzen den eigenständigen Verhandlungsspielraum. Wirtschaftlich hat Südkorea die COVID-19-Pandemie so gut wie unbeschadet bewältigt, vor allem die Warenexporte verzeichneten Höchstzuwächse.

 

Die Demokratische Volksrepublik Korea (Nordkorea) steht weiterhin unter internationaler Beobachtung. Auf eine Phase der regen hochrangigen Gespräche (insbesondere mit den USA unter der Administration von Donald Trump und mit Südkorea) und Bemühungen folgte eine Phase der Ernüchterung. Mit Einsetzen der COVID-19-Pandemie schottete sich Nordkorea völlig vom Rest der Welt ab, es gibt daher auch keine verlässlichen Angaben zur COVID-19-Situation im Land. Die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) bestätigte und verurteilte neuerliche Nuklearaktivitäten Nordkoreas; bei Militärparaden stellte das Regime fortentwickelte Raketenwaffen vor. Insgesamt neun Raketentests, die gegen Verbote der VN verstoßen, riefen die Verurteilung durch den Großteil der Staatengemeinschaft hervor und stehen allfälligen Lockerungen des bestehenden Sanktionenregimes entgegen. Humanitäre Hilfe für die notleidende Bevölkerung bleibt möglich, ist aber aufgrund der COVID-19-bedingten Abschottung nahezu zum Erliegen gekommen. Langfristiges Ziel für die internationale Gemeinschaft ist nach wie vor die Denuklearisierung der Koreanischen Halbinsel.

 

In der Mongolei kam es zu einem rasanten Anstieg der COVID-19-Infektionszahlen und infolgedessen zu einem landesweiten Lockdown, der die bereits angeschlagene mongolische Wirtschaft stark in Mitleidenschaft zog. Bei den Präsidentschaftswahlen am 9. Juni konnte der Kandidat der Mongolischen Volkspartei und ehemalige Premierminister Ukhnaagiin Khurelsukh im ersten Wahldurchgang mit 68 % der Wählerstimmen eine klare Mehrheit erreichen. Mit diesem Sieg ist die Mongolische Volkspartei nun die dominierende politische Kraft im Land und besetzt mit den Posten des Präsidenten und des Premierministers die politischen Schlüsselstellen. Außenpolitisch ist die Mongolei um ein gutes und ausgewogenes Verhältnis zu den beiden großen Nachbarn Russland und China bemüht. Mit Russland besteht seit 2019 eine umfassende strategische Partnerschaft. Daneben verfolgt die Mongolei politische Beziehungen zu den USA und Japan sowie zur EU. Das Engagement bei den VN wurde in den vergangenen Jahren intensiviert.

 

2.4.3 Süd- und Südostasien

 

Seit der Machtübernahme durch die Taliban und dem Abzug Ende August der von der NATO geführten Resolute Support Mission (RSM) – die von Österreich mit bis zu 20 Angehörigen des Bundesheeres unterstützt wurde – befindet sich Afghanistan in einer humanitären und wirtschaftlichen Krise. Die im September von der internationalen Gemeinschaft zugesagten Hilfsgelder in Höhe von mehr als einer Milliarde Euro gelangen wegen der internationalen Sanktionen gegen die Taliban und den daraus resultierenden Einschränkungen beim internationalen Zahlungsverkehr nur über Umwege, wie zum Beispiel über VN-Treuhandfonds ins Land. Österreich beschloss Anfang September, 18 Millionen Euro aus den Mitteln des Auslandskatastrophenfonds (AKF) zur Bekämpfung der humanitären Krise zur Verfügung zu stellen und ergänzte dieses Hilfspaket kurz danach mit zwei Millionen Euro aus den Mitteln der OEZA: zehn Millionen Euro sind an das UNHCR, fünf Millionen Euro an UN Women, drei Millionen Euro an das VN-Welternährungsprogramm (WFP) und zwei Millionen Euro an das IKRK übergeben worden. Österreich unterstützt die Umsetzung der von der EU am 21. September beschlossenen fünf EU Benchmarks für den Umgang mit den Taliban, und dabei insbesondere eine inklusive afghanische Regierung und die Achtung von Frauen- und Menschenrechten. Die Anerkennung der Taliban-Regierung steht aus österreichischer Sicht nicht im Raum. Vielmehr muss weiterhin humanitäre Hilfe geleistet werden, um die afghanische Zivilbevölkerung zu unterstützen. Darüber hinaus braucht es eine enge Kooperation mit den Nachbarstaaten Afghanistans, um die sicherheitspolitischen Auswirkungen wie organisierte Kriminalität und steigender islamistischer Terrorismus nicht auf die Region überschwappen zu lassen. Das Mandat der Unterstützungsmission der VN in Afghanistan (UNAMA) wurde bis 17. März 2022 verlängert.

 

In Pakistan verhinderten eine anhaltende Zahlungsbilanzkrise und die schwierige makroökonomische Lage substantielle Fortschritte bei der Umsetzung des progressiven Regierungsprogramms „The Road to Naya Pakistan“ („neues Pakistan“) von Premierminister Imran Khan. Dieser stand seitens der radikalislamischen Partei TLP (Tehreek-e-Labbaik Pakistan) innenpolitisch zunehmend unter Druck. Außenpolitisch war Pakistan stark von den Entwicklungen in Afghanistan beeinflusst. Die Regierung befürchtet, dass eine weitere Verschlechterung der Lage im Nachbarland eine Flüchtlingswelle auslösen könnte und damit auch der Einfluss des pakistanischen Ablegers der Taliban zunimmt. Der Kaschmirkonflikt mit Indien bleibt ein Krisenherd.

 

Im April kam es in Indien zu einer starken zweiten COVID-19-Welle mit bis zu 400.000 täglichen Neuinfektionen, was in weiten Teilen des Landes und dabei insbesondere in Neu-Delhi eine Herausforderung für das Gesundheitssystem darstellte. Zahlreiche Staaten sandten Hilfsgüter, darunter auch EU-Mitgliedstaaten. Österreich mobilisierte zwei Millionen Euro aus dem AKF. Im Oktober fanden in der Region Jammu und Kaschmir die schlimmsten Anschläge seit der Aufhebung des Autonomiestatus im August 2019 statt. Beim informellen EU-Indien Gipfeltreffen am 8. Mai in Porto wurden die offizielle Wiederaufnahme der 2007 begonnenen und 2014 unterbrochenen Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen sowie Gespräche über ein Investitionsschutzabkommen und über ein Abkommen zum Schutz geografischer Bezeichnungen vereinbart.

 

Trotz zwei schwerer COVID-19-Wellen konnte Bangladesch für das Ende Juni abgelaufene Finanzjahr ein Wachstum in Höhe von 5,5 % des BIP erzielen. Die für 2024 vorgesehene Graduierung aus der Gruppe der am wenigsten entwickelten Länder wurde auf Empfehlung des VN-Komitees für Entwicklungspolitik auf 2026 verschoben. Im Oktober kam es zu Ausschreitungen mit mehreren Toten gegen die Hindu-Minderheit im Land. Im Rahmen der Ende 2020 begonnenen innerstaatlichen Umsiedlung eines Teils der Rohingya-Flüchtlinge aus Myanmar auf die Insel Bhasan Char im Golf von Bengalen wurden bisher knapp 20.000 (von geplanten 100.000) Personen verlegt. Im Oktober unterzeichneten die Regierung und die VN ein Kooperationsabkommen zur Unterstützung der Flüchtlinge auf Bhasan Char.

 

In Nepal war das Jahr von einer Krise der regierenden Kommunistischen Partei geprägt. Premierminister Khadga Prasad Oli löste das Parlament zwei Mal auf, um Neuwahlen auszurufen. Beide Male wurde die Auflösung vom Obersten Gerichtshof rückgängig gemacht. Im Zuge zahlreicher Gerichtsverfahren wurde die Kommunistische Partei, die sich erst im Jahr 2018 aus der Marxistischen und aus der Maoistischen Partei zu einer gemeinsamen Kommunistischen Partei zusammengeschlossen hatte, wieder in ihre beiden ursprünglichen Teile aufgespalten. Die Marxisten spalteten sich kurz danach ein weiteres Mal, wobei ein Teil der Fünfparteienkoalition dem ehemaligen Premierminister Deuba folgte, der andere Teil sich Premierminister Khadga Prasad Oli anschloss. Schließlich wurde Premierminister Oli vom Obersten Gerichtshof abgelöst und durch Sher Bahadur Deuba vom Nepali Congress ersetzt.

 

Bhutan schottete sich auf Grund der COVID-19-Pandemie mit strengen Lockdowns und Reisebeschränkungen weitgehend von der Außenwelt ab. Dank internationaler Unterstützung vor allem aus Europa und den USA erreichte Bhutan im August eine Impfrate von über 90 %.

 

In einem Bericht des Büros des Hohen Kommissars der VN für Menschenrechte (OHCHR) zu Sri Lanka vom 27. Jänner wurden die seit der Machtübernahme von Präsident Gotabaya Rajapaksa im Jahr 2019 zunehmende Einschränkung der Minderheitenrechte und Machtkonzentration beim Präsidenten sowie die Straflosigkeit für die während des Bürgerkrieges verübten schweren Menschenrechtsverbrechen kritisiert. Eine Resolution des VN-Menschenrechtsrates, in der diese Zustände kritisiert werden, folgte. Der Zusammenbruch des Tourismus hat das Land wirtschaftlich stark in Mitleidenschaft gezogen und zu einem Devisenmangel geführt. Am 30. August wurde der Nahrungsmittelnotstand ausgerufen.

 

Nachdem am 6. Mai islamistische Terroristen ein Sprengstoffattentat auf den Parlamentspräsidenten der Malediven, Mohamed Nasheed, verübt hatten, kam dieser erst nach mehreren Monaten Behandlung in Deutschland ins Land zurück. Nasheed hatte sich wiederholt öffentlich gegen eine radikale Auslegung des Islams ausgesprochen. Nach dem Einbruch aufgrund der COVID-19-Pandemie erholte sich der für die Wirtschaft des Landes bedeutende Tourismussektor wieder allmählich. Die Asian Development Bank geht von einem Wirtschaftswachstum in der Höhe von 18 % aus.

 

In Myanmar putschten die Streitkräfte unter Führung von Oberbefehlshaber General Min Aung Hlaing am 1. Februar gegen die zivile Regierung von Staatsrätin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, die mit ihrer Partei, der National League for Democracy (NLD), im November 2020 einen überwältigenden Wahlsieg eingefahren hatte. Es kam zu umfassenden Festnahmen, darunter von Aung San Suu Kyi und Präsident Win Myint, und zu Massenprotesten der Zivilgesellschaft mit zahlreichen Toten. Die internationale Gemeinschaft - darunter auch Österreich - verurteilte den Putsch und die eskalierende Gewalt in Myanmar, die EU verhängte Sanktionen im Rahmen des Menschenrechtsregimes. Aus den Anhängerinnen und Anhängern der NLD formierte sich ein National Unity Government, das Widerstand gegen das Militär leistet und internationale Anerkennung als rechtmäßige Vertretung von Myanmar sucht. ASEAN beschloss im April ein Fünf-Punkte-Programm und ernannte einen Sondergesandten, um eine politische Lösung in Myanmar zu finden. Die festgenommenen Aung San Suu Kyi und Präsident Win Myint wurden Anfang Dezember – unter heftiger Kritik der internationalen Gemeinschaft – zu vier Jahren Haft verurteilt.

 

In Thailand wurden die seit 2019 andauernden und vor allem durch Studierende und Schülerinnen und Schüler getragenen politischen Proteste fortgeführt. Die in der Regel friedlich Protestierenden forderten insbesondere politische Reformen der Monarchie. Die Anführerinnen und Anführer der Demonstrationen waren mit Anzeigen und Anklagen auf Grundlage von Straftatbeständen mit Bezug zur Gefährdung der nationalen Sicherheit wie Diffamierung, Aufwiegelung, versuchter Umsturz, Computer-Straftaten und Verstöße gegen das COVID-19-Notstandsdekret konfrontiert, für die langjährige Haftstrafen vorgesehen sind.

 

Die Versammlungs-, Presse- und Meinungsfreiheit ist in Kambodscha zunehmend unter Druck geraten. Das Verfahren gegen den 2017 festgesetzten Oppositionsführer Kem Sokha blieb weiterhin vertagt. Die wegen der Verletzungen von Menschen- und Arbeitsrechten 2020 verhängte, teilweise Aussetzung der bisher von der EU unter der Everything But Arms-Initiative gewährten Handelspräferenzen wurde beibehalten. Kambodscha fungierte als virtueller Vorsitz des 13. ASEM-Gipfels.

 

Im Frühjahr fanden im Einparteienstaat Laos Parlamentswahlen statt, im Zuge derer auch ein neuer Präsident und Premierminister ernannt wurden. Die Zivilgesellschaft ist stark kontrolliert. Die geografische Lage macht Laos für strategische Infrastrukturprojekte aus China interessant.

 

Nachdem Vietnam dank frühzeitiger und strikter Maßnahmen gegen COVID-19 lange Zeit sehr niedrige Fallzahlen aufwies, kam es in der zweiten Jahreshälfte zu einer stärkeren Ausbreitung. Im Jänner fand der Kongress der Kommunistischen Partei statt. Danach kam es zu einer Neubesetzung der staatlichen Führungspositionen (u.a. Staatspräsident und Premierminister). Vietnam ist an einer aktiven und starken multilateralen Außenpolitik interessiert, gerade auch mit Blick auf die Spannungen in der Region. Ein Beweis dafür war die nichtständige Mitgliedschaft im VN-Sicherheitsrat in der Periode 2020/2021. Die Bedeutung der Beziehungen zu den USA wurde mit dem Besuch von Vizepräsidentin Kamala Harris im August hervorgehoben.

 

In Malaysia erklärte die seit März 2020 bestehende, konservativ-islamisch dominierte Regierung unter Premierminister Muhyiddin Yassin am 16. August ihren Rücktritt. Der Demission waren monatelange Spannungen zwischen den Koalitionspartnern vorausgegangen. Am 21. August ernannte der König den bisherigen Vizepremier Ismail Sabri Yaakob zum neuen Premierminister. Dessen Regierung wurde am 30. August angelobt und stützt sich auf dieselben Allianzen wie die Vorgängerregierung. Viele Schlüsselpositionen wurden mit bereits unter Premierminister Muhyiddin Yassin dienenden Ministerinnen und Ministern besetzt. Auch für die neue Regierung stehen weiterhin die Bekämpfung der COVID-19-Pandemie und deren wirtschaftliche Folgen im Mittelpunkt. Im Laufe des Herbstes konnten große Fortschritte bei der Durchimpfung der Bevölkerung erzielt werden.

 

2021 stand für Brunei Darussalam politisch im Zeichen seines Vorsitzes im ASEAN, unter dem Motto „We Care, We Prepare, We Prosper“. Der 38. und 39. ASEAN-Gipfel fand am 26. Oktober statt.

 

Trotz erfolgreicher Impfkampagne und vergleichsweise niedrigen Infektionszahlen blieb Singapur seiner vorsichtigen COVID-19-Politik der schrittweisen Wiederöffnung treu. Außenpolitisch setzte das Land seinen engagierten Kurs fort, mit einem klaren Fokus auf Dialog und Zusammenarbeit innerhalb der ASEAN-Staatengruppe sowie mit den globalen und regionalen Großmächten. Die Kooperation mit der EU wurde intensiviert, Verhandlungen zu einem Abkommen im Bereich der digitalen Wirtschaft wurden aufgenommen.

 

Das politische Geschehen in Indonesien wurde maßgeblich von der COVID-19-Pandemie beeinflusst. Trotz eines mehrmonatigen und umfassenden Lockdowns auf den Inseln Java und Bali konnte ein leichtes Wirtschaftswachstum verzeichnet werden. Die Pläne zur Übersiedlung der Hauptstadt nach Kalimantan schreiten voran. Die Regierung unter Präsident Joko Widodo setzte unter Protest der Gewerkschaften und islamischen Vereinigungen die Arbeiten an der bereits 2020 beschlossenen Reform des Arbeitsrechts fort, um ausländische Investorinnen und Investoren nach Indonesien zu locken. Die Diskussion über die Nachhaltigkeit von Palmöl verzögerte die erst 2020 wieder in Gang gekommenen Verhandlungen mit der EU über ein Freihandelsabkommen.

 

Timor-Leste wurde neben der COVID-19-Pandemie auch vom Jahrhundertzyklon Seroja heimgesucht. Unter den Auswirkungen litt insbesondere die timoresische Wirtschaft. In der COVID-19-Bekämpfung wurde auf Lockdowns, Einreiseverbote, Grenzschließungen und internationale Unterstützung im Rahmen des COVAX Mechanismus für Impfungen gesetzt.

 

Auf den Philippinen war die Innenpolitik fast gänzlich von den bevorstehenden Präsidentschafts-, Parlaments- und Kommunalwahlen am 9. Mai 2022 geprägt. Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) leitete am 15. September offizielle Ermittlungen wegen mutmaßlicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Zuge des Drogenkrieges in den Philippinen ein. In den Beziehungen zu den USA machte Präsident Rodrigo Duterte seine Entscheidung zur Auflösung des bilateralen Visiting Forces Agreements rückgängig, sodass das Abkommen Ende Juli erneut in vollem Umfang in Kraft treten konnte. Die Beziehungen zu Österreich standen ganz im Zeichen des 75. Jubiläums der bilateralen Beziehungen, das COVID-19-bedingt mit zahlreichen virtuellen Veranstaltungen begangen wurde. Die COVID-19-Pandemie führte zu einem ausgeprägten Wirtschaftseinbruch, der sich auf alle Wirtschaftszweige massiv auswirkte. Eine allmähliche Erholung setzte im ersten Halbjahr ein.

 

In Palau wurde Surgangel Whipps Jr. am 21. Jänner als zehnter Präsident Palaus vereidigt. Die Wirtschaft des Inselstaats, insbesondere der Tourismus, wurde von der COVID-19-Pandemie stark getroffen, erholt sich aber seit dem ersten Halbjahr. Dank rascher Grenzschließung verzeichnete Palau wie im Vorjahr keinen einzigen COVID-19-Fall.

 

2.5 Australien und Ozeanien

 

Die COVID-19-Pandemie blieb in Australien und Neuseeland unter Kontrolle. Beide Länder erreichten zu Jahresende sehr hohe Durchimpfungsraten von rund 90 %. 

 

Dank der konstant hohen Nachfrage nach Rohstoffen erlebte Australien erneut ein Wirtschaftswachstum. Außenpolitisch gab es keine Entspannung in den Beziehungen zum wichtigsten Handelspartner China. Australien vertiefte seine Bündnisse mit gleichgesinnten Partnern in der indopazifischen Region im Rahmen der quadrilateralen Kooperation und initiierte gemeinsam mit den USA und dem Vereinigten Königreich den AUKUS Sicherheitspakt. Dieser sieht den Bau einer australischen U-Boot-Flotte sowie Forschungskooperationen zu Verteidigungstechnologie vor. Der in diesem Zusammenhang gekündigte milliardenschwere Vertrag über die Lieferung von französischen U-Booten führte zu einer schweren Verstimmung mit Frankreich.

 

Die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit der EU wurden fortgesetzt. Die Grundsatzeinigung über ein Freihandelsabkommen mit dem Vereinigten Königreich hat Australien bereits erzielt. Am 21. September unterzeichneten Bundeskanzler Sebastian Kurz und der australische Premierminister Scott Morrison am Rande der VN-Generalversammlung in New York ein Abkommen zur strategischen Zusammenarbeit. Es sieht eine vertiefte bilaterale Zusammenarbeit vor allem im multilateralen Bereich, zu nachhaltiger Energie/Technologie, medizinischer Forschung und Gesundheitstechnologie sowie Infrastruktur vor. 

 

Neben den prioritären Beziehungen zu Australien bleiben für Neuseeland die wirtschaftlichen Beziehungen zu China von zentraler Bedeutung. Die Verhandlungen mit der EU über ein Freihandelsabkommen sind fortgeschritten aber noch nicht abgeschlossen. Neuseeland arbeitet weiterhin eng mit Österreich im Bereich Abrüstung zusammen, insbesondere bei der Universalisierung des Vertrags über das Verbot von Nuklearwaffen (TPNW) und der Erstellung von internationalen Standards für autonome Waffensysteme. 

 

Für die pazifischen Inselstaaten bleiben der Klimawandel und die mit COVID-19 verbundene Wirtschaftskrise die größten Herausforderungen. China drängt auf größeren Einfluss in der Region. Die fünf mikronesischen Mitglieder des Pacific Island Forum haben wegen mangelnder Berücksichtigung ihrer Interessen das Ausscheiden aus der Organisation angekündigt. In Samoa gewann die oppositionelle FAST Partei die Parlamentswahlen gegen die seit 23 Jahren regierende Human Rights Protection Party. Im Vorfeld der Amtsübergabe an Premierministerin Fiame Mata’afa, der ersten Frau in diesem Amt, kam es zu erheblichen Konfrontationen. Die Salomonen wurden im November von gewaltsamen Protesten gegen die Pro-China Politik der Regierung erschüttert.

 

3. Multilaterales Engagement Österreichs

 

3.1 Vereinte Nationen und ihre Sonderorganisationen

 

3.1.1 Generalversammlung

 

Allgemeine Fragen

 

Die Generaldebatte der 76. VN-Generalversammlung (VN-GV) fand vom 21.-25. und am 27. September in hybrider Form statt. Bei der Eröffnung sprachen VN-Generalsekretär Antonio Guterres und fast alle Rednerinnen und Redner in Präsenz im Raum, darunter auch erstmals US-Präsident Joe Biden. Am Rande der Generaldebatte wurden mehrere hochrangige Veranstaltungen organisiert, u.a. der „SDG Moment“, die Veranstaltung „Transformative Action for Nature and People“, das Treffen zum 20. Jahrestag der Erklärung von Durban, der Food Systems Summit, die CTBTO Art. XIV-Konferenz, sowie das Treffen anlässlich des Internationalen Tages zur Eliminierung von Nuklearwaffen. Insgesamt nahmen über 100 Staats- und Regierungschefs bzw. Außenministerinnen und Außenminister physisch und 80 mittels Videobotschaft als Rednerinnen und Redner an der Generaldebatte teil.

 

Österreich war durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Bundeskanzler Sebastian Kurz und Bundesminister Alexander Schallenberg vertreten, die an den hochrangigen Treffen, mehreren Nebenveranstaltungen teilnahmen sowie über 20 bilaterale Treffen absolvierten. Schwerpunkte der Treffen waren der Umgang mit der COVID-19-Pandemie insbesondere zur Impfgerechtigkeit, Klima und Umwelt, der Bericht des VN-Generalsekretärs „Our Common Agenda“ zur Zukunft der VN, die Stärkung des Multilateralismus, Menschenrechte, sowie Abrüstung, humanitäre Fragen, Rechtsstaatlichkeit, die Umsetzung der nachhaltigen Entwicklungsziele und regionale Spannungen und Konflikte.

 

Bundespräsident Alexander Van der Bellen nahm an der Veranstaltung „Transformative Action for Nature and People“ am 22. September teil und betonte in seiner Videobotschaft das österreichische Ziel, bis 2040 Klimaneutralität zu erreichen und verwies auf die Einrichtung des Biodiversitätsfonds . Er nahm des Weiteren virtuell am Food Systems Summit am 23. September teil und unterstrich die Bedeutung der Landwirtschaft für den Kampf gegen den Klimawandel sowie der Umsetzung naturbasierter Lösungen und ökosystemorientierter Ansätze.

 

Bundeskanzler Sebastian Kurz nahm am 24. September am hochrangigen Dialog zu Energie mittels Videobotschaft teil und betonte das österreichische Ziel, bis 2030 100 % des Stroms aus erneuerbaren Quellen zu erzeugen. Darüber hinaus nahm er an einem virtuellen COVID-19- Gipfel von US-Präsident Joe Biden teil, bei dem er den aktiven Beitrag Österreichs in Form von bilateralen Impfspenden von über zwei Millionen Impfdosen und die Unterstützung für COVAX betonte. Großes Interesse generierte ein hochrangiger, in Präsenz abgehaltener, Afghanistan-Roundtable an der Österreichischen Vertretung in New York zum Thema “Ensuring protection of Afghan people, especially of women and girls, in Afghanistan and in the region”, zu dem Bundeskanzler Sebastian Kurz und Bundesminister Alexander Schallenberg alle wesentlichen VN-Organisationen, die EU sowie Partnerstaaten und Länder aus der Region eingeladen hatten.

 

Bundesminister Alexander Schallenberg hielt am 23. September die österreichische Rede in der Generaldebatte, in der er zur Verteidigung der Werte und Rechte, inklusive Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit, welche die internationale Gemeinschaft in den vergangenen Jahrzehnten gemeinsam erarbeitet hatte, aufrief. Weitere Schwerpunkte seiner Rede waren die Bewältigung der COVID-19-Pandemie, Abrüstung, Klimawandel und die Hilfe für Afghanistan. Am 24. September lud Bundesminister Alexander Schallenberg österreichische Unternehmerinnen und Unternehmer zu einer Veranstaltung im Rahmen von Refocus-Austria mit Schwerpunkt Digitalisierung.

 

Verwaltungs- und Haushaltsfragen einschließlich Beschaffungsfragen

 

Österreich beteiligte sich aktiv an den Arbeiten des Fünften Komitees der VN-GV (Verwaltungs- und Haushaltsfragen), übernahm bei mehreren Resolutionsverhandlungen die Vorsitzführung und spielte in zahlreichen EU-Verhandlungsteams eine wichtige Rolle. Ein Hauptthema des Fünften Komitees war der ordentliche VN-Haushalt für das Jahr 2022, der zum dritten Mal in Folge für ein statt für zwei Jahre verhandelt wurde. Der am Ende des Jahres beschlossene VN-Haushalt beträgt 3,229 Milliarden US-Dollar. Österreich leistet gemäß dem ebenfalls diesjährig verhandelten VN-Beitragsschlüssel für den Zeitraum 2022–24 einen Anteil von 0,679 %.

 

Ein weiteres zentrales Thema war die langjährige Liquiditätskrise der VN, die sich aufgrund verlässlicherer Einzahlungen von Pflichtbeiträgen etwas gemildert hat. Dies hat dazu geführt, dass der VN-Generalsekretär den 2020 eingeleiteten Rekrutierungsstopp von aus dem ordentlichen VN-Haushalt zu finanzierenden Posten aufhob. Aufgrund der angehäuften Schulden der Vorjahre muss er allerdings weiterhin nichtpostenrelevante Ausgaben dosieren, ein Umstand, der sich auf den täglichen Betrieb der Organisation auswirkt.

 

Die anhaltende COVID-19-Pandemie führte zwar zu einer wesentlichen Reduzierung von Reisekosten, im Gegenzug mussten allerdings erhöhte Ausgaben bei Gesundheitsmaßnahmen für VN-Bedienstete sowie beim Ausbau der Informations- und Kommunikationstechnologie für Videokonferenzen getätigt werden.

 

Der Jahreshaushalt der Friedenserhaltenden Operationen (FEO) von Juli 2021 bis Juni 2022 beträgt 6,37 Milliarden US-Dollar und liegt damit 200 Millionen US-Dollar unter dem Haushalt der Vorperiode. Auch hier beträgt der österreichische Anteil gemäß dem aktuellen VN-Beitragsschlüssel 0,679 %. Das Fünfte Komitee einigte sich auf einen Haushalt der zwölf FEO, der VN-Logistikbasis in Brindisi, des regionalen Servicezentrums in Entebbe und des FEO-Unterstützungshaushalts.

 

In Bezug auf die seit 2019 laufende und im Fünften Komitee regelmäßig überprüfte VN-Reform konnten Fortschritte in sämtlichen wesentlichen administrativen und budgetären Maßnahmen erzielt werden, die zu mehr Kohärenz, Transparenz, Effektivität und Rechenschaftspflicht im gesamten VN-System führen sollen. Die VN-Reform, die die Bereiche Frieden und Sicherheit, Entwicklung und Management betrifft, soll vor allem in letzterem die Mandatsumsetzung durch Dezentralisierung und mehr Entscheidungsbefugnis für VN-Managerinnen und Manager im Austausch für erhöhte Rechenschaftspflicht verbessern.

 

Die Sicherstellung wirtschaftlicher Interessen Österreichs umfasst auch die Unterstützung österreichischer Unternehmen bei der Teilnahme am öffentlichen Beschaffungswesen der VN und ihrer Sonderorganisationen. Laut dem 2020 Annual Statistical Report on United Nations Procurement stieg der Gesamtwert der Aufträge des VN-Systems 2020 auf 22,3 Milliarden US-Dollar (2019: 19,9 Milliarden US-Dollar). Dieser historisch größte Zuwachs unterstreicht den steigenden Trend der letzten zehn Jahre. Im Bereich der COVID-19 Beschaffung war Österreich weltweit drittgrößter Lieferant. Die hier erzielten 110,1 Millionen US-Dollar inkludierten medizinische Schutzausrüstung im Wert von 66 Millionen US-Dollar und Labor- und Testgeräte in Höhe von 27 Millionen US-Dollar. Insgesamt wurden 1,28 % aller VN-Beschaffungsaufträge (Waren und Dienstleistungen) an österreichische Firmen vergeben, damit belegt Österreich weltweit den 20. Platz. Der Gesamtwert betrug 284,9 Millionen US-Dollar, eine deutliche Steigerung zum Vorjahr (189,0 Millionen US-Dollar).

 

Völkerrechtliche Fragen

 

Für Österreich lagen die Schwerpunkte der 76. Tagung des Sechsten Komitees der VN-GV (Völkerrechtskomitee) auf der Debatte zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie den Themen Rechtsstaatlichkeit und Stärkung und Förderung des internationalen Vertragsregimes. Ferner behandelte das Sechste Komitee den Jahresbericht der VN-Kommission für internationales Handelsrecht (UNCITRAL) und Anträge auf Beobachterstatus in der VN-GV.

 

Der Bericht der 72. Sitzung der VN-Völkerrechtskommission (ILC) wurde vom Sechsten Komitee diskutiert und von der VN-GV zu Kenntnis genommen. Ebenso wurde die Arbeit der ILC zum Schutz der Atmosphäre und zur vorläufigen Anwendung von Verträgen abgeschlossen und durch Resolutionen der VN-GV zur Kenntnis genommen. Die traditionelle „Völkerrechtswoche“ (jährliches Treffen der Rechtberaterinnen und Rechtsberater der VN-Mitgliedstaaten zur Erörterung völkerrechtlicher Themen) fand von 25.-29. Oktober statt. Österreich organisierte gemeinsam mit Schweden erneut einen interaktiven Dialog mit Mitgliedern der ILC. Der informelle EU-US Rechtsberaterdialog widmete sich hauptsächlich dem Thema der Kontrolle Tödlicher Autonomer Waffensysteme (LAWS). Für Österreich stand die Völkerrechtswoche zudem vor allem im Zeichen der Kampagne zur Wiederwahl des österreichischen ILC-Mitglieds August Reinisch, der schließlich am 12. November bei der sehr umkämpften Wahl von der VN-GV mit 149 Stimmen für den Zeitraum 2023–2027 neuerlich erfolgreich in die ILC gewählt wurde.

 

Verbrechen gegen die Menschlichkeit: Wie schon in den beiden Vorjahren beschäftigte sich das Sechste Komitee in der 76. VN-GV mit dem weiteren Vorgehen hinsichtlich der von der ILC 2019 in zweiter Lesung fertiggestellten „Draft articles on the prevention and punishment of crimes against humanity“. Nach langen und intensiven informellen Konsultationen gab es letztendlich doch keine Einigung auf einen Kompromisstext für die Resolution und damit erneut keinen inhaltlichen Fortschritt. Österreich setzte sich abermals gemeinsam mit einer Gruppe von gleichgesinnten Staaten bei den Resolutionsverhandlungen intensiv für die Ausarbeitung einer Konvention auf Grundlage der Artikelentwürfe und die Einrichtung eines Ad hoc-Komitees der VN-GV zur Vorbereitung einer Kodifikationskonferenz ein. Auch in der EU-Stellungnahme zum Thema wurde erneut die Ausarbeitung einer Konvention gefordert. Die Angelegenheit wird in der 77. VN-GV wieder auf der Tagesordnung des Sechsten Komitees stehen.

 

Rechtstaatlichkeit (Rule of Law): In seiner nationalen Stellungnahme betonte Österreich als Koordinator der Freundesgruppe für Rechtsstaatlichkeit sein Eintreten für eine regelbasierte internationale Ordnung. Als Sitzstaat von United Nations Office on Drugs and Crime (UNODC) und der Internationalen Antikorruptionsakademie (IACA) unterstrich Österreich die Bedeutung des Kampfes gegen Korruption. Die nächstjährige Debatte soll im Zeichen der „Auswirkungen der globalen COVID-19-Pandemie auf Rechtsstaatlichkeit auf nationaler und internationaler Ebene“ stehen.

 

VN-Kommission für internationales Handelsrecht (UNCITRAL): Neben der traditionellen Omnibus-Resolution zum Jahresbericht der 54. Tagung von UNCITRAL fazilitierte Österreich drei weitere Resolutionen zu Mediationsregeln, Regeln für ein beschleunigtes Schiedsverfahren sowie zur Erweiterung der UNCITRAL-Mitgliedschaft.

 

Nahostkonflikt

 

Der Nahostkonflikt stellte wieder einen Schwerpunkt der politischen Arbeit der VN-GV dar. Wie in den Vorjahren wurden auf Initiative Palästinas über ein Dutzend Resolutionen in den einzelnen Komitees sowie im Plenum zu diversen Aspekten der politischen, wirtschaftlichen und humanitären Situation in den besetzten Gebieten sowie zu Jerusalem angenommen. Die EU brachte wie in den Vorjahren die humanitäre Resolution zur „Hilfe für die palästinensische Bevölkerung“ ein. Die Resolutionen des sogenannten „Palästina-Pakets“ werden federführend von der EU-Delegation mit der Vertretung Palästinas verhandelt. Österreich setzte sich EU-intern aktiv für eine Reduktion der Anzahl der Resolutionen, der mandatierten Berichte zur Lage sowie für balanciertere Texte ein; dadurch konnte zum Beispiel eine Verurteilung von Raketenangriffen von Gaza auf Israel erzielt werden. Auch dieses Jahr stellte die Frage der Terminologie der Heiligen Stätten einen Schwerpunkt der Verhandlungen dar, vor allem im Rahmen der Jerusalem-Resolution. Österreich setzt sich hier gemeinsam mit gleichgesinnten Partnern für einen Zusatz des englischen Terminus „Temple Mount“ zur allein arabischen Bezeichnung „Haram al-Sharif“ bzw. die Löschung oder eine komplette Umformulierung ein. In Kooperation mit den USA wurden im Rahmen der Resolutionen zu UNWRA Verweise auf die notwendige Verbesserung interner Aufsichtsprozesse sowie auf eine transparentere, unabhängigere und neutralere Arbeitsweise inkludiert.

 

Abrüstung und internationale Sicherheit

 

Abrüstung und Nichtweiterverbreitung von nuklearen, chemischen und biologischen Massenvernichtungswaffen sowie Rüstungskontrolle sind zentrale Bestrebungen der internationalen Sicherheitspolitik. Die Umsetzung der Abrüstungsagenda des VN-Generalsekretärs, bei der sich Österreich als Vorreiter für einige Unterbereiche wie den Einsatz von Explosivwaffen in bevölkerten Gebieten (EWIPA) oder LAWS gemeldet hat, stand im Zentrum der Arbeit der Hohen Vertreterin des VN-Generalsekretärs für Abrüstung, Izumi Nakamitsu.

 

Nach dem Inkrafttreten des von Österreich führend betriebenen Vertrages über das Verbot von Nuklearwaffen (TPNW) am 22. Jänner setzte Österreich seine Bestrebungen nach der Universalisierung des Vertrages durch Outreach-Bemühungen fort.  

 

Aufgrund der Einschränkungen durch COVID-19 fand das Erste Komitee (Abrüstung) der VN-GV zum wiederholten Mal im eingeschränkten Format statt. Die Diskussionen im Nuklearbereich waren stark von der aufgrund der COVID-19-Pandemie in den Jänner 2022 verschobenen Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrags (NPT) geprägt. Österreich brachte im Ersten Komitee der VN-GV gemeinsam mit der Kerngruppe gleichgesinnter Staaten die jährliche Umsetzungsresolution für den Vertrag ein, die trotz anhaltender Kritik nuklear bewaffneter Staaten von einer großen Mehrheit der Mitgliedstaaten angenommen wurde. Die von Österreich initiierte Resolution zu den humanitären Auswirkungen von Nuklearwaffen wurde von mehr als 70 % der VN-Mitgliedstaaten angenommen. Weiteres Engagement galt unter anderem LAWS, dem Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (CTBT), der Ausarbeitung eines Vertrags über ein Verbot der Produktion von Spaltmaterial für Kernwaffen, Fragen der Militarisierung des Weltraums sowie der Cybersicherheit.

 

Starke Meinungsunterschiede zwischen den USA auf der einen und Russland und China auf der anderen Seite zeigten sich insbesondere bei Fragen der Bewaffnung des Weltraums mit gegenseitigen Vorwürfen des Wettrüstens, hinsichtlich nuklearer Abrüstung (insbesondere das AUKUS-Bündnis) und im Bereich von Exportkontrollregimen, wo China erstmals seit mehr als 30 Jahren eine eigene Resolution im Ersten Komitee lancierte – die knapp angenommen wurde – ein Ausdruck des zunehmend offensiveren Auftretens Chinas im Ersten Komitee.

 

Wirtschafts-, Entwicklungs- und Umweltfragen

 

Das Zweite Komitee (Wirtschafts- und Finanzausschuss) der VN-GV tagte vom 5. Oktober bis 23. November. Es befasste sich schwerpunktmäßig mit den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf nachhaltige Entwicklung, makroökonomische Fragen, Klima- und Umweltfragen, Energie, Artenvielfalt, Informations- und Kommunikationstechnologien, Katastrophenschutz, Entwicklungsfinanzierung und Reform des VN- Entwicklungssystems, Globalisierung, Armutsbekämpfung, Landwirtschaft, Nahrungsmittelsicherheit, Ernährung, Tourismus, Wissenschaft, Technologie und Innovation sowie der Situation der am wenigsten entwickelten Länder (LDCs), Binnenentwicklungsländer (LLDCs), kleinen Inselentwicklungsstaaten (SIDS) und Ländern mittleren Einkommens (MICs). Österreich führte für die EU den Verhandlungsvorsitz bei einer Resolution zu LLDCs und einer Resolution zum Internationalen Jahr der nachhaltigen Entwicklung der Berge. Aufgrund der durch die COVID-19-Pandemie bedingten angepassten Arbeitsmodalitäten im Zweiten Komitee war die Zahl der eingebrachten Resolutionen – insgesamt 37 – wie bereits im Vorjahr deutlich reduziert. Die Verhandlungen fokussierten auf technische Aktualisierungen sowie auf die wichtigsten rezenten Entwicklungen, meist in Verbindung mit COVID-19-spezifischen Aspekten der in den Resolutionen behandelten Themenbereichen.

 

Sozialpolitik

 

Die im Dritten Komitee unter dem Tagesordnungspunkt „soziale Entwicklung“ behandelten Resolutionen zur Beteiligung von Jugend an politischen Maßnahmen und Programmen, der Rolle von Kooperativen in der sozialen Entwicklung, zum internationalen Jahr der Familie, und zur zweiten Weltversammlung zu Fragen des Alterns wurden im Konsens angenommen. Die traditionell von der G77 eingebrachte Resolution zum Weltgipfel für soziale Entwicklung wurde nach einer Abstimmung angenommen. Eine neue Resolution zur Situation von Personen mit seltenen Krankheiten wurde von Spanien, Brasilien und Katar in das Dritte Komitee eingebracht, ebenso eine kurzfristig angekündigte Resolution der Gruppe der Blockfreien Staaten (NAM) zu Impfsolidarität. Beide Resolutionen wurden trotz schwieriger Verhandlungen – unter anderem wurde den Initiatoren nahegelegt, Gesundheitsthemen im Zweiten Komitee der VN-GV bzw. der Weltgesundheitsversammlung einzubringen – im Konsens angenommen. Darüber hinaus fand vom 8.-17. Februar die 59. Sitzung der Kommission für soziale Entwicklung (CSocD), einem Unterorgan des Wirtschafts- und Sozialrats der VN (ECOSOC) unter dem Schwerpunktthema „Sozialgerechte Transition zu einer nachhaltigen Entwicklung: die Rolle digitaler Technologien für soziale Entwicklung und Wohlbefinden für alle“ statt. Die CSocD nahm drei Resolutionen an, zum Schwerpunktthema, zu Maßnahmen und Programmen unter Einbeziehung der Jugend sowie die jährliche Resolution zur sozialen Dimension der neuen Partnerschaft für Afrikas Entwicklung (NEPAD).

 

Frauenstatuskommission

 

Die 65. Tagung der Frauenstatuskommission (FSK) konnte aufgrund der COVID- 19-Pandemie und der fehlenden Teilnahme der Hauptstadtdelegationen sowie der NGO-Vertreterinnen und Vertreter nicht in der traditionellen Form einer VN-Großkonferenz stattfinden. Dennoch wurden alle Segmente unter dem Vorsitz Armeniens hybrid bzw. weitgehend virtuell abgehalten. Die Sitzung widmete sich dem bedeutenden Thema „Erhöhung der Partizipation von Frauen und Mädchen am öffentlichen Leben und Beendigung der geschlechterspezifischen Gewalt“. Die österreichische Delegation unter der Leitung von Bundesministerin Susanne Raab nahm virtuell an der 65. FSK teil und setzte sich aus Vertreterinnen und Vertretern des BMEIA, BKA, der ADA sowie der Ständigen Vertretung in New York zusammen. Die Mitglieder der österreichischen Zivilgesellschaft, u.a. des österreichischen UN Women Nationalkomitees, wurden regelmäßig über den Ablauf der 65. FSK informiert und es fanden virtuelle Gesprächsrunden statt. Bundesministerin Susanne Raab nahm für Österreich mit einer Videobotschaft an der Generaldebatte teil und beteiligte sich an einem ministeriellen runden Tisch. Des Weiteren organisierte Bundesministerin Susanne Raab gemeinsam mit der UNODC Exekutivdirektorin Ghada Waly ein hochrangiges Side Event zum Kampf gegen Zwangsehen. Österreich organisierte darüber hinaus auch zwei weitere Side Events zur Umsetzung der Agenda Frauen, Frieden und Sicherheit (WPS) sowie zum Schutz von Journalistinnen und Journalisten mit Partnerorganisationen. Im Rahmen der Debatte der 65. FSK-Tagung betonten VN-Generalsekretär Antonio Guterres sowie die scheidende UN Women Exekutivdirektorin Phumzile Mlambo Ngcuka die unverhältnismäßigen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Situation von Frauen und Mädchen. Die Schlussfolgerungen der 65. FSK-Tagung zum Fokusthema Partizipation und Gewaltprävention konnten nach Ausarbeitung eines Kompromisses durch den armenischen Vorsitzenden im Konsens angenommen werden.

 

Am 14. September 2020 wurde Österreich für die Periode 2021–2025 als Mitglied in die FSK gewählt. Die österreichische Mitgliedschaft in der FSK begann mit dem Ende der 65. FSK und der formellen Eröffnung der 66. FSK im März. Bis zum Abschluss der 69. Sitzung der FSK im Jahr 2025 wird Österreich eines der 45 Mitglieder der Frauenstatuskommission sein.

 

Humanitäre Angelegenheiten

 

In der 76. VN-GV wurden thematische Resolutionen zur Koordination humanitärer Hilfe, zur Sicherheit humanitären Personals, zur Zusammenarbeit bei Naturkatastrophen, zu Binnenvertriebenen (IDPs), zu den Weißhelmen sowie zum Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der VN angenommen. Resolutionen mit regionalem Fokus bezogen sich auf die Unterstützung des palästinensischen Volkes sowie auf die Hilfe für Flüchtlinge, Rückkehrerinnen und Rückkehrer sowie Vertriebene in Afrika. In den Resolutionsverhandlungen spielte die EU als einer der wichtigsten humanitären Geber erneut eine zentrale Rolle. Österreich unterstützte vier humanitäre Resolutionen als Miteinbringer.

 

3.1.2 Sicherheitsrat

 

Geprägt von der COVID-19-Pandemie kam der VN-Sicherheitsrat (VN-SR) im Laufe des Jahres zu einer fast regulären Tagungsweise zurück. Nachdem der VN-SR bereits im Juli 2020 mittels SR-Resolution den Aufruf für eine globale Waffenruhe durch den VN-Generalsekretär indossiert hatte, wurde dies Anfang 2021 mit einer Resolution, die vor allem auf Feuerpausen zur Ermöglichung von Impfstoffverteilung in Konfliktgebieten fokussiert, erweitert.

 

Neben den anhaltenden Krisen im Nahen Osten und Nordafrika wurde im VN-SR ein besonderer Fokus auf Konflikte am Horn von Afrika und in Asien gelegt. Im Nahen Osten und Nordafrika standen vor allem der Nahostkonflikt, insbesondere die Eskalation in Gaza im Mai, die Lage in Syrien, Jemen und in Libyen im Mittelpunkt. Zur Verlängerung des grenzüberschreitenden humanitären Mechanismus für Syrien setzte sich die VN-SR-interne Spaltung fort. Das befürchtete Auslaufen des Mechanismus konnte jedoch abgewendet werden. In Libyen einigte sich der VN-SR auf einen Mechanismus zum Monitoring des Waffenstillstands. In Subsahara-Afrika standen die Lage in Äthiopien, dem Sudan, Mali sowie der gesamten Sahelregion im Zentrum. In Asien befasste sich der VN-SR vorrangig mit Myanmar und Afghanistan. Auch Europa stand verstärkt auf der Tagesordnung: Neben der Ukraine wurde auch Bosnien und Herzegowina, u.a. durch die Mandatsverlängerung von EUFOR Althea sowie die Krise an der Grenze von Belarus thematisiert.

 

Inhaltliche Schwerpunktthemen, wie die Auswirkungen des Klimawandels auf Frauen, Frieden und Sicherheit (WPS), die auch österreichischen Prioritäten entsprechen, gewannen dieses Jahr weiter an Bedeutung, wobei die unterschiedlichen Ansichten innerhalb des VN-SR zu diesen Themen bestehen blieben. Für Dezember war die erstmalige Annahme einer Resolution zum Thema Klima und Sicherheit geplant. Diese ist letztlich am Veto Russlands gescheitert. Die Bedrohung durch Terrorismus und Terrorismusbekämpfung zog sich wie ein roter Faden durch die einzelnen VN-SR Dossiers, in diesem Bereich herrschte jedoch weitgehend Einigkeit unter den SR-Mitgliedern. Österreich beteiligte sich im Rahmen zahlreicher EU bzw. nationaler Stellungnahmen an den diversen Diskussionen.

 

Österreich setzte sein Engagement im Rahmen der sogenannten Accountability, Coherence and Transparency-Gruppe von nahezu 30 gleichgesinnten mittleren Staaten für mehr Rechenschaftspflicht, Kohärenz und Transparenz der Arbeit des VN-SR fort. Dabei übernahm Österreich u.a. zur Frage der stärkeren Inklusion von Nicht-Mitgliedern eine federführende Rolle.

 

Im Rahmen der EU setzte sich die enge Abstimmung der ständigen und nicht-ständigen Mitglieder des VN-SR, die der EU angehören, sowie der Nicht-Mitglieder fort. Außerdem wurde mit zukünftigen SR-Mitgliedern wie Albanien bereits im Vorfeld eng kooperiert, u.a. durch gemeinsame Stellungnahmen nach SR-Treffen.

 

Schutz der Zivilbevölkerung bei bewaffneten Konflikten

 

Am 25. Mai fand die jährliche offene Debatte zum Schutz von Zivilpersonen (PoC) unter dem Vorsitz Chinas zum zweiten Mal in Folge virtuell statt. Im Zentrum der Debatte stand insbesondere das fünfjährige Jubiläum von Resolution 2286 (2016) und der Schutz von medizinischen Einrichtungen und medizinischem Personal in bewaffneten Konflikten. Der VN-SR wurde durch Undersecretary-General Mark Lowcock, den Präsidenten des IKRK, sowie Orzala Nemat, Vertreterin einer afghanischen NGO, unterrichtet. Zahlreiche VN-Mitgliedstaaten hoben die Notwendigkeit der Einhaltung humanitären Völkerrechts hervor. Weitere zentrale Themen waren der ungehinderte Zugang zu COVID-19-Impfungen sowie EWIPA. Österreich brachte sich mit einer nationalen Stellungnahme in die Debatte ein und beteiligte sich aktiv an der Ausarbeitung der Stellungnahmen der EU sowie der Freundesgruppe zum Schutz von Zivilpersonen. Rund um die Debatte und im Rahmen der PoC-Woche veranstaltete Österreich gemeinsam mit UNICEF, IKRK und dem International Network on Explosive Weapons (INEW) sowie befreundeten Mitgliedstaaten ein Side Event über den Einsatz von EWIPA.

 

Der diesjährige Bericht des VN-Generalsekretärs enthielt eine Bestandsaufnahme hinsichtlich der PoC-Agenda, fokussierte aber insbesondere auf drei Themen: Schutz von medizinischer Versorgung in Konflikten, den Konnex zwischen Konflikt und Hunger sowie den Verbindungen zwischen Umweltzerstörung, Klimawandel und Konflikt. Anders als in Vorjahren, als spezifische Konflikte besonders hervorgehoben wurden, handelte es sich dieses Jahr beim Bericht eher um eine übergreifende Analyse betreffend Trends in Konfliktgebieten – sowohl hinsichtlich großer Herausforderungen, aber auch in Bezug auf positive Initiativen von Mitgliedstaaten.

 

Das seit dem Jahr 2012 erarbeitete interdisziplinäre Trainingsprogramm für Führungskräfte zum Schutz von Zivilistinnen und Zivilisten in bewaffneten Konflikten wurde mit einem nationalen Kurs am Österreichischen Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung (ÖSFK) erfolgreich fortgesetzt. Dieser Kurs war im Dezember 2014 erstmals und erneut im Dezember 2018 gemäß VN-Standards zertifiziert worden. Österreich kooperiert damit weiterhin mit der Hauptabteilung für Friedensoperationen (DPO) in Ausbildungsfragen zur Verbesserung des Schutzes von Zivilpersonen. Zudem bietet Österreich am Austrian Armed Forces International Centre in Götzendorf jährlich einen PoC-Kurs auf taktischer Ebene mit internationaler Teilnahme an.

 

Frauen, Frieden und Sicherheit (WPS)

 

Österreich nahm am Auftakttreffen des Generation Equality Forums, das von 29.-31. März in Mexico City stattfand, teil. Dieser von Mexiko und Frankreich gemeinsam mit UN Women und internationalen NGOs, die im Bereich der Frauenrechte tätig sind, organisierte Prozess soll eine neue Dynamik für die Umsetzung der globalen Agenda für Geschlechtergleichstellung darstellen. Bundeskanzler Sebastian Kurz nahm am kulminierenden Treffen in Paris von 30. Juni bis 2. Juli teil und kündigte dabei einen Beitrag in der Höhe von zwei Millionen Euro zum Schutz von Frauen und Mädchen in Syrien und im Libanon an. Darüber hinaus unterzeichnete Österreich den Compact on Women, Peace and Security and Humanitarian Assistance und meldete Pledges der OEZA in der Höhe von 11,4 Millionen Euro an, die in den nächsten fünf Jahren umgesetzt werden.

 

Am 14. April fand die jährliche Debatte zu sexueller Gewalt in Konflikten unter dem Vorsitz von Vietnam statt. Im Zentrum der Debatte stand die Sicherstellung von Hilfe und Leistungen für Opfer sexueller Gewalt. Der VN-SR wurde durch die Sonderbeauftragen des VN-Generalsekretärs für sexuelle Gewalt in Konflikten, den Friedensnobelpreisträger und kongolesischen Gynäkologen Dr. Denis Mukwege, sowie Carolin Atim, einer taubstummen Vertreterin einer südsudanesischen Frauenrechts-NGO, informiert. Dabei lag der Schwerpunkt auf Behindertenrechte und Zivilgesellschaft, sowie auf der Tätigkeit der Sonderbeauftragten im Bereich der Unterstützung für Überlebende von sexueller Gewalt. Auch über spezifische Ländersituationen (Schwerpunkt Tigray/Äthiopien) wurde berichtet. Die Mehrheit der Mitglieder des VN-SR betonte die Notwendigkeit eines opferzentrierten Ansatzes auf lokaler und nationaler Ebene. Etliche Mitglieder verurteilten vor allem die steigenden Fälle von systematischer sexueller Gewalt im Bürgerkrieg in Äthiopien. Österreich beteiligte sich an den Stellungnahmen der EU und der Freundesgruppe WPS. Dieses Jahr wurde keine VN-SR-Resolution zum Thema verabschiedet.

 

Am 21. Oktober fand die jährliche Debatte des VN-SR zu WPS unter kenianischem Vorsitz statt. Die offene Debatte war gekennzeichnet durch eine breite Unterstützung für die Bedeutung der WPS-Agenda. Österreich beteiligte sich mit einer nationalen Stellungnahme sowie im Rahmen von Stellungnahmen der EU und der Freundesgruppe für WPS. Schwerpunkt der österreichischen Stellungnahme waren die Unterstützung für Frauen und Mädchen in Afghanistan, das langjährige Engagement im Bereich OEZA-Förderung von Frauenorganisationen in Konfliktgebieten mittels der Beiträge an den VN-Fond Women's Peace and Humanitarian Fund (WPHF), sowie das österreichische Bekenntnis zur WPS-Agenda durch die Teilnahme am Generation Equality Forum in Paris. Es wurde keine VN-SR-Resolution zum Thema verabschiedet.

 

Am 3. November fand seitens des Global Network for Women’s Peacebuilders (GNWP), der ADA sowie den Ständigen Vertretungen Österreichs und Norwegens in New York ein virtuelles Event mit dem Titel „Amplifying women’s stories; launch of the Global Media Award for the implementation of the women, peace, and security agenda“ statt. Das Event diente der Vorstellung eines globalen Preises, welcher Journalistinnen und Journalisten sowie Medienschaffende, die mit ihrer Arbeit zur Umsetzung der WPS-Agenda beitragen, fördern und anerkennen soll.

 

Zur besseren Umsetzung von VN-SR Resolution 1325 (2000) sowie der weiteren VN-SR Resolutionen zu diesem Thema war im Jahr 2016 ein Netzwerk der nationalen Kontaktpunkte für WPS gegründet worden. Österreich nahm an mehreren Treffen des Netzwerkes im Rahmen von virtuellen Treffen teil.

 

Kinder und bewaffnete Konflikte

 

Am 28. Juni fand unter dem Vorsitz Estlands eine offene Debatte des VN-SR zu Kindern und bewaffneten Konflikten (CAAC) statt. Es handelte sich um das 25. Jubiläum des Bestehens der VN-SR Agenda zu Kindern und bewaffneten Konflikten. Der VN-Generalsekretär sowie die UNICEF Exekutivdirektorin Henrietta Fore informierten auf Basis des VN-Berichts S/2021/437 über die größten Herausforderungen und Negativtrends: 2020 untersuchte die VN 24.000 schwere Vergehen an Kindern in 21 Ländern. Besonders frappierend sind die steigenden Zahlen an Entführungen und sexueller Gewalt. Angriffe gegen Schulen bleiben oft ohne Konsequenzen. Auffallend war die prominente Erwähnung von EWIPA als Hauptursache für Tötung und Verstümmelung von Kindern. In der nationalen Stellungnahme verurteilte Österreich die Kriegsverbrechen an Kindern und drückte Unterstützung für die wichtige Arbeit des VN-Sekretariats mit den Konfliktparteien aus. Die Stellungnahme unterstrich auch das österreichische Engagement für Kinder, die Opfer von bewaffneten Konflikten wurden, im Rahmen der ADA etwa im Sudan. Österreich beteiligte sich auch an den Stellungnahmen der EU und der Freundesgruppe Kinder und bewaffnete Konflikte.

 

Islamischer Staat- und Al-Qaida-Sanktionskomitee

 

Österreich setzt sich seit seiner VN-SR-Mitgliedschaft in den Jahren 2009/2010 konsequent für die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit im VN-SR ein, insbesondere für faire Verfahren und effektiven Rechtsschutz in den Sanktionsausschüssen. Durch das mit VN-SR-Resolution 1904 (2009) errichtete Büro der Ombudsperson, bei dem vom IS- und Al-Qaida-Komitee gelistete natürliche und juristische Personen eine Streichung von der Sanktionsliste beantragen können, wurden dabei bedeutsame Fortschritte erzielt. Daniel Kipfer Fasciati beendet am 17. Dezember seine Tätigkeit als Ombudsperson. Im Rahmen der informellen Staatengruppe zu gezielten Sanktionen (Group of Like-Minded on Targeted Sanctions) tritt Österreich für weitergehende Verbesserungen im IS- und Al-Qaida-Komitee, aber auch in den anderen Sanktionsausschüssen des VN-SR, ein.

 

Friedensmissionen

 

Rund 76.000 Uniformierte aus 122 Staaten standen in zwölf friedenserhaltenden VN-Operationen (FEO) im Einsatz. Mit Ende 2020 wurde der gemeinsame Einsatz der VN und der Afrikanischen Union in Darfur nach 13 Jahren beendet. Das Hauptaugenmerk der FEO lag auf der weiteren Implementierung der acht Schwerpunkte der von einem Großteil der VN-Mitgliedstaaten indossierten Action for Peacekeeping- (A4P) Initiative des VN-Generalsekretärs. Die aufgrund der COVID-19-Pandemie ergangenen strikten Handlungsanweisungen in den Einsatzräumen sowie für die Rotationen (vollständigen Impfung des Einsatzpersonals vor Entsendung) blieben aufrecht.

 

Österreich setzte sein Engagement als verantwortungsvoller Partner in FEO fort. Darüber hinaus leistete Österreich anerkannte Beiträge in den Bereichen Schutz der Menschenrechte sowie von Zivilpersonen in bewaffneten Konflikten, bei der Ausbildung von VN-Personal und im regionalen Kapazitätenaufbau. Diesen Zwecken diente auch die fortgesetzte Entsendung von Personal in das Kofi Annan International Peacekeeping Training Centre (KAIPTC) in Ghana und das Peace Support Operations Training Centre (PSOTC) in Bosnien-Herzegowina. Unterstützungsleistungen Österreichs in diesen Bereichen wurden im Zuge des United Nations Peacekeeping Ministerial im Dezember in Seoul auch für das Folgejahr avisiert.

 

2021 stellte Österreich im Rahmen von VN-FEO durchschnittlich rund 200 Soldatinnen und Soldaten, davon ein Kontingent bei der Interimstruppe der VN im Libanon (UNIFIL), vier Militärbeobachter bei der Organisation der VN zur Überwachung des Waffenstillstands im Nahen Osten (UNTSO), vier Militärbeobachter bei der Mission der VN für das Referendum in der Westsahara (MINURSO), drei Stabsoffiziere bei der Friedenstruppe der VN in Zypern (UNFICYP), zwei Stabsoffiziere bei der VN-Mission in Mali (MINUSMA) und einen Stabsoffizier bei der Interimsverwaltung der VN im KOSOVO (UNMIK). Darüber hinaus ist Österreich durch die Entsendung einer österreichischen Polizistin zu UNMIK als Polizeitruppensteller aktiv. Österreich ist bestrebt, den Anteil von Frauen in FEO kontinuierlich zu erhöhen.

 

In dem für die politischen Leitlinien zuständigen Sonderausschuss für friedenserhaltende Operationen der VN-GV verhandelte Österreich im Februar und März für die EU das Kapitel „Protection“ des jährlichen Berichts. Dabei wurde ein aus österreichischer Sicht zufriedenstellendes Ergebnis erzielt. Wie erstmals im Vorjahr, wurde auch der Bericht 2021 entlang der A4P-Schwergewichtsthemen in acht Kapitel gegliedert. Die im Bericht enthaltenen rund 80 Empfehlungen zielen unter anderem darauf ab, FEO effizienter zu gestalten, den Schutz des eingesetzten VN-Personals sowie der lokalen Zivilbevölkerung zu erhöhen und entsprechende Rahmenbedingungen für einen künftig höheren Frauenanteil in FEO zu schaffen.

 

3.1.3 Internationaler Gerichtshof

 

Der Internationale Gerichtshof (IGH), der für Streitfälle zwischen Staaten sowie die Erstellung von Rechtsgutachten zuständig ist, ist das zentrale Rechtssprechungsorgan der VN und das einzige der sechs Hauptorgane mit Sitz in Den Haag. Österreich ist einer von 73 Staaten, die die obligatorische Zuständigkeit des IGH gemäß Art. 36 Abs. 2 des IGH-Statuts anerkannt haben. Derzeit sind 15 Fälle beim IGH anhängig. Wegen der COVID-19-Pandemie fanden die Gerichtsverhandlungen weiterhin in hybrider Form statt.

 

Am 6. Februar legte Georg Nolte (Deutschland) den Eid als neuer IGH-Richter ab. Anschließend wählten die Richterinnen und Richter Joan E. Donoghue (USA) zur neuen Präsidentin und Kirill Gevorgian (Russland) zum Vizepräsidenten. Nachdem Richter James Crawford (Australien) im Mai im Amt verstorben war, fanden am 5. November in den VN in New York Wahlen für den vakanten Sitz statt. Die dabei gewählte Hilary Charlesworth (Australien) legte am 7. Dezember ihren Eid ab.

 

Der IGH bestätigte in einer Entscheidung vom 3. Februar seine Zuständigkeit im Verfahren Iran gegen USA wegen mutmaßlicher Verletzungen eines 1955 geschlossenen, bilateralen Vertrags (Alleged Violations of the 1955 Treaty of Amity, Economic Relations, and Consular Rights). Der Gerichtshof wird sich nun inhaltlich mit der Klage beschäftigen, in der der Iran Vertragsverletzungen aufgrund US-Sanktionen behauptet.

 

Im Verfahren Katar gegen Vereinigte Arabische Emirate bezüglich mutmaßlicher Verstöße gegen die VN-Rassendiskriminierungskonvention (CERD) verneinte der IGH am 4. Februar seine Zuständigkeit. Der Gerichtshof gab dem Einwand der Vereinigten Arabischen Emiraten, dass Diskriminierungen aufgrund Staatsangehörigkeit nicht in den Anwendungsbereich der CERD fallen, statt.

 

Ein neues Verfahren zwischen Gabun und Äquatorialguinea (Land and Maritime Delimitation and Sovereignty over Islands) wurde am 5. März auf Basis eines Sonderabkommens initiiert. Die Parteien ersuchen den IGH darin, umstrittene Land- und Seegrenzen zwischen den beiden Ländern zu bestimmen.

 

Am 30. April endete die öffentliche Anhörung zur Frage der Reparationen in der Rechtssache über bewaffnete Aktivitäten auf dem Territorium des Kongo (Demokratische Republik Kongo gegen Uganda). Auch im Verfahren Nicaragua gegen Kolumbien betreffend die mutmaßliche Verletzung von Hoheitsrechten und maritimen Zonen wurde die öffentliche Anhörung am 1. Oktober abgeschlossen.

 

Am 16. September leitete Armenien ein Verfahren gegen Aserbaidschan ein, am 23. September leitete Aserbaidschan seinerseits ein Verfahren gegen Armenien ein. Beide Verfahren beschäftigen sich mit mutmaßlichen Verstößen gegen die CERD. Am 7. Dezember ordnete der IGH vorsorgliche Maßnahmen zum Schutz geltend gemachter Rechte an, u.a. wurden beide Parteien aufgefordert, alles zu unterlassen, was den Konflikt verschlimmern oder ausweiten könnte.

 

Der IGH verkündete am 12. Oktober sein Urteil im Verfahren Somalia gegen Kenia („Maritime Delimitation in the Indian Ocean“) und entschied über die Seegrenze beider Staaten im Indischen Ozean. Kenia, das bereits nicht an den Anhörungen im März teilgenommen hatte, blieb auch der Urteilsverkündung fern.

 

3.1.4 Sonderorganisationen der Vereinten Nationen

 

Österreich wurde anlässlich der 41. United Nations Educational, Scientific and Cultural Organisation (UNESCO)-Generalkonferenz für die Funktionsperiode 2021–2025 mit 166 von 175 gültig abgegebenen Stimmen in den Exekutivrat der Organisation gewählt. Für die nächsten vier Jahre kann Österreich in einer Zeit globaler Herausforderungen durch Sitz und Stimme in diesem wichtigen Kontrollorgan die Agenda der UNESCO mitprägen. Somit ist Österreich seit seinem Beitritt zur UNESCO im Jahr 1948 nunmehr zum vierten Mal im Lenkungsgremium der Organisation vertreten.

 

Dieses Ergebnis zeigt auch die Wertschätzung der anderen Mitgliedsstaaten für zahlreiche Initiativen und Projekte der letzten Jahre. Nach besonders erfolgreichen Wahlen zu verschiedenen UNESCO-Komitees während der letzten Jahre ist Österreich in insgesamt sieben zwischenstaatlichen Lenkungsgremien vertreten: im Rat des internationalen Hydrologischen Programms, im Rat zur Medienförderung, im Komitee zum Schutz von Kulturgütern in bewaffneten Konflikten, im zwischenstaatlichen Bioethik-Komitee, im Komitee für Leibeserziehung und Sport, im Koordinierungsrat des Programms für Biodiversität sowie im Komitee der Konvention über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen.

 

Österreich will aber auch durch konkrete Projekte die Arbeit der UNESCO sichtbar mitgestalten. In diesem Zusammenhang sind unter anderem die Themen Menschenrechte und Menschenrechtsbildung, Schutz des Welterbes, Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten, Gender Equality, Anti-Diskriminierung, Bildung als vorbeugende Maßnahme gegen gewalttätigen Extremismus, „Futures Literacy“, immaterielles Kulturerbe, Biodiversität sowie Wasser- und Flussmanagement zu nennen.

 

Österreich leistete einen Beitrag zum regulären Budget der UNESCO in Höhe von 0,874% bzw. 1,925 Milliarden Euro. Zudem trug Österreich 19.056 Euro zum Welterbefonds sowie 18.912 Euro zum Fonds für immaterielles Kulturerbe und 20.000 Euro zum Internationalen Fonds für kulturelle Diversität bei.

 

Österreich ist seit 1947 Mitglied der Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO), der größten VN-Sonderorganisation. Im Rahmen des Welternährungstages wurde die Wichtigkeit der FAO einmal mehr bestätigt. Laut dem letzten „State of Food and Nutrition“- Bericht litten 2020 rund 811 Millionen Menschen an chronischem Hunger. Das ist ein Plus von über 150 Millionen Menschen gegenüber 2019, welches vor allem auf die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie zurückzuführen ist. Damit wird das Erreichen des Nachhaltigkeitsziels 2 - „Kein Hunger“ bis 2030 deutlich erschwert, und das, obwohl die Welt genügend Nahrungsmittel produziert, um alle Menschen zu ernähren. Lebensmittelverluste und insbesondere Lebensmittelabfälle stellen nach wie vor eine große Herausforderung dar. Unter dem Gesichtspunkt des prognostizierten Anwachsens der Weltbevölkerung auf zehn Milliarden Menschen bis zum Jahr 2050 wird ohne eine Transformation der Ernährungssysteme die Unter- und Fehlernährung noch weiter anwachsen. Der UN-Food Systems Summit, der am 23. September im Rahmen der VN-GV in New York stattfand, hat diesbezüglich die Weichen für die Umgestaltung der globalen Lebensmittelsysteme gestellt, um die Ziele für nachhaltige Entwicklung bis 2030 doch noch zu erreichen.

 

Das FAO-Komitee für Welternährungssicherheit nahm auf seiner 47. Plenarsitzung im Februar die freiwilligen Richtlinien zu „Food Systems and Nutrition“ an. Sie unterbreiten Regierungen, Institutionen und anderen Stakeholdern Vorschläge für mögliche Maßnahmen, um die Ursachen von Hunger und Unterernährung zu bekämpfen. Eine Herausforderung für die FAO stellt die rasante Verbreitung der Wüstenheuschrecke von Ostafrika über die arabische Halbinsel bis nach Südwestasien dar. Die FAO beteiligt sich unter anderem durch ein regelmäßiges Monitoring und Frühwarnsystem (Desert Locust Information Service) mit Analysen und Ausbreitungsprognosen an der Bekämpfung dieser Verbreitung. Das FAO-Komitee für Rohstoffprobleme behandelte in seiner 74. Tagung die jüngsten Entwicklungen auf den Lebensmittel- und Agrarmärkten mit speziellem Fokus auf globale Wertschöpfungsketten, Kleinbauern und digitale Innovationen. Zudem tagte das FAO-Fischereikomitee, bei dem erstmalig eine Deklaration zu nachhaltiger Fischerei und Aquakultur von den Mitgliedern angenommen wurde.

 

Die 1951 gegründete Internationale Organisation für Migration (IOM) ist seit mittlerweile 70 Jahren die führende zwischenstaatliche Organisation im Bereich Migration, beschäftigt mehr als 16.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und verfügt über 578 Büros weltweit. Österreich ist der IOM schon 1952 beigetreten. Die IOM hat 174 Mitgliedsstaaten. Weitere acht Staaten sowie zahlreiche globale und regionale internationale Organisationen und NGOs genießen Beobachterstatus. Ihrem Mandat entsprechend setzt sich die IOM für humane und geordnete Migration ein und ist seit 2016 als „UN related agency“ Teil der VN-Familie. Generaldirektor ist seit 28. Juni 2018 António Vitorino (Portugal). Seit 2011 besteht in Wien neben dem Länderbüro für Österreich das IOM-Regionalbüro für Ost- und Südosteuropa sowie Zentralasien. Ein Amtssitzabkommen zwischen Österreich und der IOM ist seit 2014 in Kraft. Die Hauptverantwortlichkeit des IOM-Länderbüros für Österreich besteht darin, sowohl nationale Migrationsphänomene und neu entstehende Trends zu analysieren als auch österreichspezifische Projekte sowie Programme zu entwickeln und umzusetzen. Das Länderbüro in Wien ist „Nationaler Kontaktpunkt Österreich“ des Europäischen Migrationsnetzwerks und kooperiert mit den zuständigen österreichischen Institutionen. Die IOM unterstützt unter anderem Migrantinnen und Migranten bei der freiwilligen Rückkehr und setzt Projekte zur Unterstützung der Reintegration in den jeweiligen Herkunftsregionen um. Spezielles Augenmerk gilt besonders gefährdeten Migrantinnen und Migranten, wie etwa unbegleiteten Minderjährigen. Außerdem berät die IOM österreichische Institutionen im Bereich Identifizierung von Betroffenen des Menschenhandels im Asylverfahren sowie bei Trainings für interkulturelle Kompetenzen. Bewusstseinsbildende Aktivitäten zum Thema Menschenhandel ergänzen das Angebot.

 

Im zweiten Jahr der COVID-19-Pandemie setzte die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) ihr Krisenmonitoring fort und konnte ihr Tagungsgeschehen virtuell wahrnehmen. Als schwierig erwies sich die Einigung auf die virtuelle Gestaltung der 2020 abgesagten 109. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz (IAK), die schließlich in zwei Teilen über sieben Wochen hinweg (anstatt sonst zwei Wochen) stattfand. Im Juni verabschiedete die IAK zum Thema COVID-19-Maßnahmen einen „Globalen Handlungsappell für eine menschenorientierte Erholung, die inklusiv, nachhaltig, und widerstandsfähig ist“ und eine IAK-Resolution zu Myanmar mit Aufruf zur Rückkehr zur Demokratie und Einhaltung der Arbeitsrechte. Der IAK-Normwendungsausschuss, ein zentrales Element des ILO-Normenüberwachungssystems, konnte seine Arbeit wiederaufnehmen, und die verschobenen Verwaltungsratswahlen wurden nachgeholt. Die Aussprache über soziale Sicherheit im Juni sowie die beiden Aussprachen zu den Themen „Formen der Ungleichheit in der Arbeitswelt“ und „Qualifikationen und lebenslanges Lernen“ im Dezember standen allesamt unter dem Eindruck der Pandemie. Österreich nimmt nach wie vor als Beobachter an den Sitzungen des Verwaltungsrats teil, wo es sich traditionell besonders bei Rechtsfragen und der Stärkung des Normensystems engagiert. Dominierende Themen waren neben der Pandemie die Vorbereitung der für 2022 vorgesehenen Neuwahl des/der ILO-Generaldirektors/-direktorin, die schwierige Lage in Myanmar, Venezuela, Bangladesch und Guatemala, aber auch Versuche der Schwächung des ILO-Normenüberwachungssystems durch eine Allianz der Arbeitgebergruppe mit lateinamerikanischen und asiatischen Staaten.

 

2021 stand für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erneut im Zeichen der COVID-19-Pandemie. Obwohl seit dem Frühjahr COVID-19-Impfstoffe schrittweise in größeren Mengen verfügbar wurden, stieg die Zahl der gemeldeten COVID-19-Fälle seit Anfang Dezember 2020 von 63 auf 263 Millionen – und jene der gemeldeten COVID-19-Todesfälle von 1,5 auf 5,2 Millionen. Die Zahl der weltweit verabreichten COVID-19-Impfstoffdosen betrug Anfang Dezember mehr als 7,8 Milliarden, wobei auf die WHO-Impfstoffinitiative COVAX allerdings nur rund 600 Millionen entfielen, weshalb das Ziel, bis Ende 2021 40 % der Bevölkerung in den WHO-Mitgliedstaaten zu impfen, unerreichbar geworden ist. Aufgrund der erfolgten Weichenstellungen sowohl zur Verbesserung der Pandemie- bzw. Epidemie-Bereitschaft und -reaktionsfähigkeit als auch der nachhaltigen Finanzierung der Organisation könnte 2021 rückblickend als historischer Meilenstein in die Geschichte der WHO eingehen: Auf der Sondertagung der Weltgesundheitsversammlung (29. November bis 1. Dezember) einigten sich die Mitgliedstaaten auf die Ausarbeitung eines WHO-Übereinkommens zur Pandemieprävention, -vorsorge und -bekämpfung (Pandemic Treaty). In Ergänzung dazu haben auf Initiative der USA kurz darauf informelle Verhandlungen zur gezielten Überarbeitung der Internationalen Gesundheitsvorschriften begonnen, um auf die im Zuge der COVID-19-Pandemie gemachten Erfahrungen zu reagieren. Von weitreichender Bedeutung ist schließlich auch das dieses Jahr eingeleitete Verfahren zur Sicherstellung der nachhaltigen Finanzierung der WHO. Sollte es Erfolg haben, so könnte das zu einer stufenweisen, deutlichen Erhöhung der Pflichtbeiträge der Mitgliedstaaten bis 2028–2029 führen, was weitreichende positive Folgen für die Handlungsfähigkeit der Organisation hätte.

 

Die 1950 gegründete und 1951 in die VN eingegliederte Weltorganisation für Meteorologie (WMO) koordinierte u.a. wieder den weltweiten Ausbau eines meteorologischen und hydrologischen Mess- und Beobachtungsnetzes, welches insbesondere durch Österreich unterstützt wird. Die Arbeit der Organisation war von der Umsetzung der Strategie 2020–2023 und des am 18. Kongresses der Mitgliedsländer der WMO im Juni 2019 beschlossenen Reformprogramms der Struktur der WMO geprägt. Dieses betraf sowohl die konstituierenden Kommissionen, als auch das Sekretariat selbst. Die bisherigen themenzentrierten acht Kommissionen wurden auf zwei (auf die Aufgaben Infrastruktur und Dienstleistungen fokussierte) Kommissionen reduziert, zudem wurden ein wissenschaftlicher Beirat etabliert und das Sekretariat mit entsprechenden Direktoraten neugestaltet. Die Regionalassoziationen geben Input an die global wirkenden Kommissionen, wobei die Regionalassoziation VI Europa (RA-VI) vom Österreicher Michael Staudinger (ehemaliger Direktor der ZAMG) geleitet wird.

 

Die Internationale Telekommunikationsunion (ITU) ist eine Spezialorganisation der VN mit Sitz in Genf. Regierungs- und Industrievertreterinnen und Vertretern koordinieren darin die Nutzung des Funkfrequenzspektrums und des Satellitenorbits, entwickeln technische Standards, die eine nahtlose Verbindung von Netzwerken und Technologien gewährleisten und darauf abzielen, den weltweiten Zugang zu Informations- und Kommunikationstechnologien zu verbessern. Darüber hinaus werden die Errichtung und der Betrieb der Telekommunikationsnetze und -dienste koordiniert. Aufgrund der COVID-19-Pandemie fand der jährliche Weltgipfel über die Informationsgesellschaft erneut virtuell statt. Der ITU-Rat tagte weiterhin in informellen virtuellen Formaten, ebenso wie die Arbeits-, Studien und Fokusgruppen. Österreich setzt sich im Rahmen der ITU für ein offenes, sicheres, freies und leicht zugängliches Internet für alle – sowie für den verantwortungsvollen und menschenrechtsbasierten Einsatz neuer Technologien ein.

 

Die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO) ist eine Spezialorganisation der VN mit Sitz in London, der 175 Staaten angehören, darunter seit 1975 Österreich. Österreich hat sein Schifffahrtsregister für die kommerzielle Hochseeschifffahrt 2012 geschlossen, ist als stark außenhandelsorientierte Volkswirtschaft jedoch sehr an einer sicheren und ökologisch nachhaltigen Seeschifffahrt interessiert. Die 32. IMO-Generalversammlung fand von 6.-15. Dezember in hybrider Form statt. Die VN-GV wählte die 40 Mitglieder des Rates der IMO für die Periode 2022–2023 und beschloss Schritte zur Reform des Rates. Zu den inhaltlichen Prioritäten der IMO gehören die Reduzierung von Treibhausgasemissionen durch die Seeschifffahrt, die Sicherheit des internationalen Handels, die Stärkung der Rolle von Frauen in der Schifffahrtsindustrie, sowie die Unterstützung von Seeleuten und einer sicheren Seeschifffahrt im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie.

 

Die Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) beschäftigte sich prioritär mit den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf den Luftverkehr. Eine eigene Arbeitsgruppe (Council Recovery Task Force) wurde eingerichtet, mit dem Ziel, Regierungen und Unternehmen Leitlinien zur Verfügung zu stellen, um den internationalen Luftverkehrssektor neu zu beleben. In diesem Zusammenhang wurden seitens der ICAO umfangreiche Empfehlungen und Leitlinien ausgearbeitet, um die Staaten und Unternehmen dabei zu unterstützen, adäquat und koordiniert auf die Krise reagieren zu können. Ein weiterer Schwerpunkt waren die Arbeiten hinsichtlich des ethischen Rahmens („ethical framework“) der Organisation. Dieser konnte nun weitgehend an jene anderer VN-Organisationen angepasst werden. Damit soll sichergestellt werden, dass die Arbeit der ICAO und ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hohen ethischen Standards genügt.

 

Die Welttourismusorganisation der VN (UNWTO) mit Sitz in Madrid ist die führende internationale Organisation auf dem Gebiet des Tourismus und dient als globales Forum für Tourismuspolitik und den Austausch von touristischem Know-how. Ihr gehören 159 Vollmitglieder und sechs assoziierte Mitglieder an. Österreich ist seit 1975 Vollmitglied. Die UNWTO ist die einzige Organisation, die weltweite Daten zum Tourismus erhebt und aufbereitet – die Bedeutung dieser Tätigkeit zeigte sich infolge des massiven Informationsbedarfs durch die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf den globalen Tourismus noch deutlicher (Instrumente wie UNWTO Recovery Tracker, Tourism Dashboard). Die UNWTO bindet auch zunehmend Destinationen, Unternehmen und Ausbildungseinrichtungen in ihre Initiativen ein. Bei der 24. UNWTO-Generalversammlung Ende des Jahres in Madrid wurden vor allem die Themen Tourismus im ländlichen Raum, Innovation und Digitalisierung sowie Aus- und Weiterbildung diskutiert.

 

3.2 Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE)

 

Der schwedische Vorsitz zeigte sich in der dritten (menschlichen) Dimension, insbesondere bei Frauen- und Genderrechten sehr ambitioniert, sowie bei der Konfliktbearbeitung. Insgesamt war die bessere Umsetzung bestehender Verpflichtungen Schwerpunkt. Die zunehmenden Friktionen zwischen den teilnehmenden Staaten beeinträchtigten die Arbeit in der menschlichen Dimension jedoch stark: So konnte das jährliche Implementierungstreffen der menschlichen Dimension, die größte Menschenrechtskonferenz im OSZE-Raum mit über tausend Teilnehmerinnen und Teilnehmern, bereits das zweite Jahr in Folge nicht stattfinden.

 

Der wiederaufgeflammte Konflikt um die Region Berg-Karabach sowie die anhaltende Ukraine-Krise erschwerten die Zusammenarbeit innerhalb der OSZE erheblich. So konnte z.B. das Budget der Organisation erst im August angenommen werden, was die programmatische Arbeit beeinträchtigte.

 

Der Ministerrat brachte beinahe 50 Ministerinnen und Minister in Stockholm zusammen (für Österreich war Bundesminister Michael Linhart vor Ort) und bot neben dem Plenum die seltene Gelegenheit für zahlreiche bilaterale Gespräche. Es konnte ein wichtiger programmatischer Beschluss zu den Auswirkungen des Klimawandels auf die umfassende Sicherheit im OSZE-Raum gefasst und Finnland als Vorsitzland 2025 bestimmt werden; Blockaden im Zuge des Konflikts um die Region Berg-Karabach bzw. des Ukraine-Konflikts sowie in Menschenrechtsfragen verhinderten jedoch die Annahme einer Reihe weiterer Texte. Österreich leitete die Verhandlungen im Wirtschafts- und Umweltkomitee sowie im Forum für Sicherheitskooperation.

 

Der vom österreichischen Vorsitz 2017 ins Leben gerufene Strukturierte Dialog zu Sicherheitsrisiken ermöglicht – trotz der schwierigen geopolitischen Lage und der NATO-Aufrüstungsbemühungen – weiterhin hochrangigen Dialog und Kontakte im militärischen Bereich, wobei konkrete Fortschritte bei der Rüstungskontrolle derzeit nicht zu erwarten sind.

 

Die drei autonomen Institutionen der OSZE – Representative on Freedom of the Media (RFoM), High Commissioner on National Minorities (HCNM) sowie  Office for Democratic Institutions and Human Rights (ODIHR), die 15 Feldmissionen am Balkan, in Osteuropa und in Zentralasien sowie die thematischen Einheiten im Sekretariat bieten den teilnehmenden Staaten maßgeschneiderte, kostengünstige Programme zur Weiterentwicklung von Demokratie, Rechtstaat, wirtschaftlichen Grundlagen und sicherheitspolitischer Stabilität. ODIHR ist zudem im OSZE-Raum in der Wahlbeobachtung führend.

 

3.2.1 Regionalfragen und Feldaktivitäten

 

Die OSZE-Sicherheitsgemeinschaft vor dem Hintergrund der Krise in und um die Ukraine

 

Die Krise in und um die Ukraine prägt weiterhin die Arbeiten in der OSZE. Die völkerrechtswidrige Annexion der Krim und die Unterstützung der Aufständischen in der Ostukraine durch Russland haben zu einem schwerwiegenden Vertrauensverlust und einer tiefen Kluft in der Organisation geführt.

 

Die OSZE trägt weiter zu Deeskalation, Krisenmanagement und Verbesserung der Lebensbedingungen der Zivilbevölkerung in der Ostukraine bei, besonders durch die Sonderbeobachtungsmission (SMM) und die Trilaterale Kontaktgruppe (TKG). 2021 war durch eine zunehmende Verschlechterung der Lage vor Ort – insbesondere bei den Waffenstillstandsverletzungen und der humanitären Lage – sowie einen Stillstand der politischen Verhandlungen geprägt.

 

Die SMM mit rund 1.200 Beobachterinnen und Beobachtern ist die bei weitem größte OSZE-Feldmission und hat die Aufgabe, das Waffenstillstandsabkommen zu überwachen. Die Beobachterinnen und Beobachter werden jedoch zunehmend in ihrer Arbeit behindert – etwa beim Übergang über die Kontaktlinie zwischen Donetsk und Luhansk – und sogar bedroht: Erstmals wurden sie in Nicht-Regierungsgebieten tagelang in ihren Unterkünften festgehalten. Auch bleibt der SMM weitgehend der Zugang zur ukrainisch-russischen Grenze und auf die Krim verwehrt. Die Border Observation Mission in Gukovo und Donetsk musste Ende September auf Druck von Russland eingestellt werden. Das Projektkoordinierungsbüro der OSZE in der Ukraine setzt dagegen weiterhin zahlreiche Projekte zur Unterstützung von Rechtsstaatlichkeit und im Bereich Konfliktprävention um.

 

Die Krise in Belarus

 

Die Verletzung von wesentlichen demokratischen Grundrechten und Menschenrechten seit den gefälschten Präsidentschaftswahlen im August 2019, die im Rahmen des „Moskauer Mechanismus“ vom Grazer Professor Wolfgang Benedek dokumentiert worden waren, nahm weiter zu. Im November riefen 35 Staaten daher den „Wiener Mechanismus“ an; Belarus lieferte aber keine substantiellen Antworten und änderte seine Politik der Unterdrückung von Opposition und Zivilgesellschaft nicht. Das Angebot einer Dialog-Erleichterung durch den Vorsitz Schweden sowie bereits im Vorjahr durch den Vorsitz Albanien wurde von der belarussischen Regierung nicht angenommen.

 

Südosteuropa

 

Zur Unterstützung der Reformagenden sind in Südosteuropa weiterhin sechs OSZE-Feldmissionen tätig; in Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien. Durch ihr umfassendes Sicherheitskonzept leisten diese Missionen einen wesentlichen Beitrag zur Stabilität der Region und unterstützen die demokratische und rechtsstaatliche Transformation, die Konsolidierung multiethnischer Gesellschaften, z.B. in Nordmazedonien, wo die OSZE-Mission vom österreichischen Diplomaten Clemens Koja geleitet wird, sowie die regionale wirtschaftliche Zusammenarbeit. Die zentrale Aufgabe der OSZE liegt dabei insbesondere in der Stärkung von Menschen- und Minderheitenrechten, der Medienfreiheit, dem Aufbau einer aktiven Zivilgesellschaft und der guten Regierungsführung. Auf Fragen im Zusammenhang mit Radikalisierung und Migrationsströme sowie Polizeikooperation wurde besonderes Augenmerk gelegt.

 

Südkaukasus

 

Die Bemühungen der OSZE, die beiden tief verwurzelten Konflikte in der Region – den Berg-Karabach-Konflikt sowie den Konflikt in Georgien – einzudämmen bzw. beizulegen, erlitten Rückschläge: Die Minsk-Gruppe zur Beilegung des Konflikts um die Region Berg-Karabach und insbesondere ihre drei Ko-Vorsitzenden konnten ein teilweises Wiederaufflammen der kriegerischen Auseinandersetzungen an der nicht-demarkierten Grenze zwischen Armenien und Aserbaidschan nicht verhindern. Sie bemühen sich nun, die Grundlage für eine anhaltende Friedenslösung durch vertrauensbildende Maßnahmen zu schaffen. Im Zusammenhang mit dem Konflikt in Georgien konnten zwar wieder physische Treffen der Genfer internationalen Gespräche abgehalten, aber keine wesentlichen inhaltlichen Fortschritte erzielt werden.

 

Zentralasien

 

Die Arbeit der OSZE Feldmissionen in allen fünf Staaten Zentralasiens wurde aufgrund der Auswirkungen der Afghanistan-Krise auf den OSZE-Raum dringlicher. Das Programmbüro in Nur-Sultan (Kasachstan), das Zentrum in Aschgabat (Turkmenistan), der Projektkoordinator in Taschkent (Usbekistan) und das Programmbüro Bischkek (Kirgisistan) sind in allen drei Dimensionen aktiv und legen ihre Schwerpunkte auf Korruptionsbekämpfung, Grenzmanagement und Bekämpfung von Terrorismus und Extremismus. Die von Österreich mitfinanzierte OSZE-Akademie Bischkek bildet Expertinnen und Experten der Region, so auch aus Afghanistan, in internationalen Beziehungen aus. Das OSZE-Programmbüro in Duschanbe unterstützt Tadschikistan in den Bereichen Grenzmanagement (insbesondere durch das von Österreich unterstützte Border Management Staff College der OSZE in Duschanbe), Konfliktverhütung, Bekämpfung von transnationalen Bedrohungen, von Korruption und gewalttätigem Extremismus.

 

3.2.2 Wahlbeobachtung

 

Die Unterstützung bei der Durchführung von demokratischen Wahlen im OSZE-Raum wird – neben der Parlamentarischen Versammlung – von ODIHR wahrgenommen. Die COVID-19-Pandemie hat die Wahlbeobachtungsaktivitäten des ODIHR vor große Herausforderungen gestellt. Reisebeschränkungen bzw. Quarantänebestimmungen im OSZE-Raum sowie die Fürsorgepflicht für Beobachterinnen und Beobachter trugen dazu bei, dass Wahlbeobachtungsmissionen entweder abgesagt oder oft nur als Limited Observation Missions (durch Langzeitbeobachterinnen und Langzeitbeobachter) oder als Special Election Missions (durch von ODIHR rekrutierten Expertinnen und Experten) durchgeführt wurden. Diese fanden ab Juni zu Wahlprozessen in Armenien, Moldau, Bulgarien, Nordmazedonien, Georgien, Usbekistan und Kirgisistan statt. Eine für September geplante Wahlbeobachtungsmission in Russland scheiterte an den Auflagen der russischen Behörden.

 

Österreich beteiligte sich COVID-19-bedingt mit der Entsendung von zwei Kurzzeitwahlbeobachtern und einem Langzeitwahlbeobachter, sowie im Rahmen der Wahlbeobachtung durch die Parlamentarische Versammlung der OSZE durch 26 Abgeordnete des österreichischen Parlaments.

 

3.2.3 Die Sicherheitspolitische Dimension

 

Österreich übernahm von September 2021 bis 7. Jänner 2022 turnusmäßig den Vorsitz des Forums für Sicherheitskooperation und fokussierte die Diskussion auf die Erosion der konventionellen Rüstungskontrolle, den illegalen Transfer und Besitz von Klein- und Leichtwaffen sowie konventioneller Munition, der Förderung von Militärkontakten zur Diskussion von Doktrinen und der vollberechtigten Integration von Frauen in den Streitkräften. Neben den routinemäßigen Sitzungen wurden zwei Sonderveranstaltungen zur Präsentation einer Studie zu Rüstungskontrolle sowie Sicherheitsmaßnahmen in Lager von konventioneller Munition abgehalten.

 

Die Folgen der bewaffneten Auseinandersetzung um die Region Berg-Karabach und die sich zuspitzende Krise in und um die Ukraine dominierten die abgekühlten Beziehungen unter den teilnehmenden Staaten. Die Krisenbeilegungsformate wurden von der Pandemie behindert und konnten ihr Potenzial kaum zur Geltung bringen: Die Trilaterale Kontaktgruppe zum Ukraine-Konflikt konnte wegen prozeduraler Aspekte kaum Fortschritte bei der Umsetzung der Minsker Abkommen erzielen; die Minsk-Gruppe zum Konflikt der Region Berg-Karabach ist nach den kriegerischen Auseinandersetzungen in ihrer Wirksamkeit eingeschränkt; die Genfer Internationalen Diskussionen zum Konflikt in Georgien brachten kaum Fortschritte; der sogenannte „5+2“-Prozess zur Transnistrien-Frage konnte durch eine gemeinsame Stellungnahme beim Ministerrat bestärkt werden.

 

Viele Überprüfungsmaßnahmen bei der Rüstungskontrolle mussten COVID-19-bedingt aufgeschoben oder abgesagt werden. Der Strukturierte Dialog „Von Lissabon nach Hamburg. Erklärung zum 25. Jahrestag des OSZE-Rahmens für Rüstungskontrolle zu Sicherheitsfragen im OSZE- Raum“ befasste sich unter spanischem Vorsitz mit dem Thema „Verständnis für Sicherheit“. Die Treffen mit Hauptstadtvertreterinnen und Vertretern sowie nationalen Expertinnen und Experten zeigten Einigkeit zur Fortsetzung des Dialogs, jedoch nicht hinsichtlich der für die Wiederbelebung der Rüstungskontrolle relevanten sicherheitspolitischen Bedrohungen.

 

Österreich nimmt weiter aktiv an der 2016 lancierten Freundesgruppe zur konventionellen Rüstungskontrolle in Europa teil und unterstützt mit Vorschlägen und nationaler Expertise die Bemühungen zur Modernisierung des „Wiener Dokuments 2011“ über vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen. Darüber hinaus setzt sich Österreich für die Umsetzung des Verhaltenskodexes zu politisch-militärischen Aspekten der Sicherheit ein, einschließlich der regionalen Veranstaltungen zur Reform des Sicherheitssektors. Im Bereich der Klein- und Leichtwaffen und konventioneller Munition wurden Projekte in Moldau und Montenegro sowohl finanziell als auch mittels Transfer von Expertise unterstützt.

 

Beim Ministerrat in Stockholm im Dezember konnte keine Entscheidung in der sicherheitspolitischen Dimension angenommen werden. Die Politisierung durch ungelöste Konflikte, insbesondere den Ukrainekonflikt und den Konflikt um die Region Berg-Karabach, sowie militärische Spannungen zwischen USA, NATO und Russland führten zum Scheitern mehrerer Vorschläge, etwa zu Klein- und Leichtwaffen sowie zu konventioneller Munition, Etablierung von Militärkontakten, zur Erklärung zum 25. Jahrestag des Rahmenabkommen und der gleichberechtigten Teilhabe von Frauen in den Streitkräften. Aus ähnlichen Gründen konnten Entscheidungen zur Bekämpfung von Terrorismus und organisiertem Verbrechen nicht angenommen werden. Trotzdem fand eine von Montenegro vorgetragene Gemeinsame Stellungnahme zu Klein- und Leichtwaffen, welche sich weitgehend am Text einer Ministerratsentscheidung orientierte, große Unterstützung und wurde von 50 Teilnehmerstaaten mitgetragen.

 

3.2.4 Die Wirtschafts- und Umweltdimension

 

Die Schwerpunkte des schwedischen Vorsitzes in der zweiten Dimension lagen auf Themen wie der wirtschaftlichen Teilhabe von Frauen, der Fortführung der Arbeiten zur Korruptionsbekämpfung, der Schaffung von nachhaltigem Wachstum, sowie der umfangreichen Thematisierung von Herausforderungen im Umweltbereich.

 

Der Arbeitsplan des Wirtschafts- und Umweltkomitees (EEC) umfasste verschiedene thematische Treffen: Klima und Sicherheit, Biodiversität und Sicherheit, Umwelt und Sicherheit, Nachhaltige Entwicklung und Sicherheit, Gute Umweltregierungsführung, sowie Abfallmanagement und Sicherheit. Österreich hat seit Anfang November 2020 den Vorsitz im EEC.

 

Das 29. Wirtschafts- und Umweltforum (EEF) wurde am 9. und 10. September in Prag zum Thema „Promoting comprehensive security, stability and sustainable development in the OSCE area through women’s economic empowerment” abgehalten. Das jährliche Implementierungstreffen der Wirtschafts- und Umweltdimension (EEDIM) am 18. und 19. Oktober stand im Zeichen von best practices zu Korruptionsbekämpfung und Good Governance im OSZE-Rahmen, mit Fokus auf Digitalisierung und Frauengleichstellung, sowie Einbindung der Zivilgesellschaft.

 

Im Vorfeld des Ministerrates in Stockholm im Dezember wurden drei Ministerratsentscheidungen in der Wirtschafts- und Umweltdimension zu den Themen „Strengthening security, resilience, and prosperity in times of a changing climate“, „Advancing women's economic empowerment to strengthen security in the OSCE region“ und „Strengthening dialogue and co-operation on environmental protection and security in the OSCE region” verhandelt. Letztendlich konnte der Text zu den sicherheitsrelevanten Auswirkungen des Klimawandels, der eine tragfähige Basis für eine stärkere Behandlung des Themas in der OSZE bietet, verabschiedet werden.

 

3.2.5 Die Menschliche Dimension - Menschenrechte

 

Den Prioritäten des schwedischen Vorsitzes entsprechend lag mit Themen wie Meinungsäußerungsfreiheit und den Rechten von Frauen und Mädchen ein besonderer Fokus auf der „menschlichen“ Dimension der OSZE. ODIHR feierte am 14. und 15. Oktober sein 30-jähriges Bestehen mit einer Festveranstaltung an seinem Sitz in Warschau und unter Beteiligung der Zivilgesellschaft. Neben seiner Vorreiterstellung bei der Beobachtung von Wahlen unterstützt ODIHR auch die teilnehmenden Staaten bei der Umsetzung ihrer Verpflichtungen im Bereich der Menschenrechte und Grundfreiheiten. Eine zentrale Rolle in der dritten Dimension spielen die OSZE-Beauftragte für Medienfreiheit (RFoM) mit Sitz in Wien sowie der Hochkommissar für Nationale Minderheiten (HCNM) in Den Haag. In enger Kooperation mit RFoM engagiert sich Österreich als Mitglied der Freundesgruppe der OSZE für die Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten.

 

Zum ersten Mal seit 2017 gelang eine Einigung zur Abhaltung des Seminars der menschlichen Dimension, das sich am 16. und 17. November der Prävention und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen widmete. Die drei jährlichen Zusatztreffen zur menschlichen Dimension thematisierten Medienfreiheit und Geschlechtergleichstellung, die Gewährleistung von Teilhabe an demokratischer Rechtssetzung sowie Chancen und Herausforderungen von digitalen Technologien für Menschenrechte. Expertinnen und Experten, die Zivilgesellschaft und die teilnehmenden Staaten nutzten diese Veranstaltungen für einen regen Ideen- und Erfahrungsaustausch in der menschlichen Dimension.

 

Angesichts der divergierenden Ansichten zwischen Ost und West zu Schutz und Stellenwert von Menschenrechten gelang beim OSZE-Ministerrat in Stockholm im Dezember keine Annahme eines Beschlusses im Bereich der menschlichen Dimension.

 

3.2.6 Regionale Partnerschaften

 

Die OSZE unterhält Dialoge mit Partnerstaaten in Asien (Afghanistan, Australien, Japan, Südkorea und Thailand) sowie am Mittelmeer und im Nahen Osten (Ägypten, Algerien, Israel, Jordanien, Marokko und Tunesien). In diesem Jahr nahm die Zusammenarbeit mit Afghanistan wegen der Auswirkungen der dortigen Krise größeren Raum ein.

 

3.3 Europarat

 

Die Arbeit des Europarates war im Berichtszeitraum maßgeblich durch die COVID-19-Pandemie geprägt und zugleich erschwert. Deren Folgen auf die Kernthemen Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit wurden - wie bereits schon 2020 - intensiv bearbeitet. Gleichzeitig wurde die Arbeit an Zukunftsthemen wie Umweltschutz und Menschenrechte oder die Auswirkungen von künstlicher Intelligenz wieder fortgesetzt und die „47+1“-Verhandlungen zum Beitritt der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) weitergeführt. Weiterhin gab es in einigen Mitgliedsstaaten Probleme, was etwa die vollständige Anwendung der EMRK betrifft. So wurde vor allem ein „Verstoßverfahren“ gegen die Türkei wegen der Nicht-Umsetzung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) im Fall Kavala eingeleitet. Hervorzuheben ist auch der Rückzug der Türkei aus dem Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul Konvention), sowie Angriffe anderer Mitgliedsstaaten gegen diese Konvention.

 

3.3.1 Politische Themen

 

Die COVID-19-Pandemie hatte auf allen Ebenen sehr starke Auswirkungen auf die Aktivitäten des Europarates. Während die Sitzungen der diversen Europarats-Organe sowie der intergouvernementalen Expertenkomitees auf online- bzw. hybrid-Veranstaltungen umgestellt werden konnten, gestaltete sich die Arbeit diverser Monitoring-Organe schwierig. Erst im zweiten Halbjahr konnten wieder einige Vor-Ort-Besuche stattfinden. Zum graduellen Abbau des Rückstaus in den nächsten Jahren wurde auch eine Umschichtung nicht-verbrauchter Budgetmittel bewilligt.

 

Gleichzeitig spielte die Bewahrung der Werte des Europarats in Pandemiezeiten eine wichtige Rolle. Die Europarats-Generalsekretärin Marija Pejčinović-Burić attestierte in ihrem Bericht zur demokratischen Erneuerung Europas einen Rückfall der Demokratie in vielen Mitgliedsstaaten in Bezug auf COVID-19-bedingte Einschränkungen und die Rede- und Meinungsfreiheit. Die Generalsekretärin sowie die Menschenrechtskommissarin des Europarats befassten sich intensiv mit der seit Pandemiebeginn zunehmend angespannten Medienfreiheit, einschließlich einer verschlechterten Sicherheitslage für Journalistinnen und Journalisten.

 

Im Zuge der Online-Ministerkonferenz in Hamburg wurde der vierjährige strategische Rahmen der Generalsekretärin zur Kenntnis genommen und diese eingeladen, regelmäßig über dessen Umsetzung zu berichten. Außerdem wurde ein Dokument zu Menschenrechten im digitalen Zeitalter angenommen, welcher helfen soll, die Arbeiten des Europarats im Bereich der künstlichen Intelligenz voranzutreiben. Das dafür zuständige Expertenkomitee arbeitet an der möglichen Schaffung eines neuen Rechtsinstruments im Bereich der künstlichen Intelligenz in Verbindung mit den Kernthemen des Europarats: Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie.

 

Ein weiteres Zukunftsthema, mit dem sich Expertinnen und Experten befassen, stellt die Verbindung zwischen Umweltschutz und Menschenrechten dar. Das zuständige Komitee arbeitet an einer detaillierten Analyse, um mögliche Lücken im Rechtsrahmen zu diesem Bereich sowie allfällige neue Rechtsinstrumente zu identifizieren. Zu diesem Thema nahm außerdem die Parlamentarische Versammlung (PV) eine Reihe an Resolutionen an.

 

Ungarn stellte während seines Vorsitzes von Mai bis November die Rechte nationaler Minderheiten in den Fokus und hielt dazu insgesamt vier Konferenzen ab. Weitere Schwerpunkte waren u.a. Religionsfreiheit und der Schutz von Kinderrechten.

 

Die Istanbul-Konvention, eines der wichtigsten und erfolgreichsten jüngeren Instrumente des Europarats, stand weiterhin unter Druck. Im März erklärte die Türkei ihren Rückzug aus dieser Konvention, da einzelne Elemente im Gegensatz zu traditionellen Familienwerten stehen würden. Dies wurde von vielen als Rückschritt für die Frauenrechte bedauert und kritisiert. Die polnische Regierung erwägt weiterhin einen Austritt aus der Konvention. Gleichzeitig verstärkten aber die Unterstützer ihre Bemühungen, den Kreis der Mitglieder zu diesem rechtsverbindlichen Instrument zu erhöhen. Die Zunahme der häuslichen Gewalt während der COVID-19-Pandemie führte ebenfalls zu einer größeren Sichtbarkeit und Unterstützung der Istanbul-Konvention.

 

In Bezug auf die Türkei erhielt die Situation des langjährig inhaftierten Menschenrechtsverteidigers Osman Kavala sowie des Oppositionspolitikers Selahattin Demirtaş und damit in Zusammenhang die Lage der Unabhängigkeit der Justiz, viel Aufmerksamkeit. Wegen der urteilswidrigen Nichtfreilassung Kavalas leitete das Ministerkomitee im Dezember ein „Verstoßverfahren“ gegen die Türkei ein.

 

Die Situation in und um die Ukraine sorgte weiterhin für erhebliche Diskussionen in den politischen Komitees des Europarats. Der menschenrechtliche Aspekt wurde vor allem durch die Menschenrechtskommissarin abgedeckt, die jedoch wie andere Europarats-Beobachtungsorgane keinen Zugang in die besetzten Gebiete erhielt. Der Europarat verfügt über einen Ukraine-Aktionsplan 2018–2021, der die ukrainischen Reformprozesse unterstützt.

 

Die Situation in Belarus, dessen Aufnahme in den Europarat – sobald die Menschenrechts- und Demokratielage dies zulässt – ein erklärtes langfristiges strategisches Ziel der Organisation darstellt, wurde weiterhin aufmerksam verfolgt. In politischen Debatten wurde insbesondere das belarussische Vorgehen in Bezug auf Migrantinnen und Migranten, die an die Grenze zu Polen, Lettland und Litauen gebracht wurden, stark kritisiert. Die Menschenrechtskommissarin des Europarats äußerte sich insbesondere auch zu humanitären Aspekten dieser Krise. Die derzeitige Kooperation mit Belarus läuft im Rahmen des mittlerweile zweiten Aktionsplans 2019–2021. Der Europarat verfügt über eine Informationsstelle in Minsk. Belarus nimmt an einzelnen Konventionen des Europarats teil, darunter als assoziiertes Mitglied auch an der Europäischen Kommission für Demokratie durch Recht (Venedig-Kommission).

 

Die Venedig-Kommission wurde in einer Vielzahl von Rechts- und Verfassungsfragen um Stellungnahmen gebeten, die wesentliche politische und rechtsstaatliche Entwicklungen in Europa betrafen. Zu nennen sind etwa Stellungnahmen zu Verfassungsfragen in Ungarn, Kirgisistan und Serbien, zu Wahlrecht in Armenien, Georgien und Ungarn, zur Vereinbarkeit von bestimmten strafrechtlichen Bestimmungen in Belarus mit europäischen Standards, sowie von bestimmten gesetzlichen Bestimmungen in der Türkei und Russland mit internationalen Menschenrechtsstandards, ebenso zum Bürgersicherheitsgesetz in Spanien, Rechtschutz in den Niederlanden oder Notstandsgesetz in Nordmazedonien.

 

 

3.3.2 Überprüfung der Einhaltung von Verpflichtungen der Mitgliedstaaten

 

Eines der wichtigsten Instrumente des Europarats ist die Überprüfung der Einhaltung von Verpflichtungen der Mitgliedsstaaten, die den Staaten aus ihrem Beitritt zum Europarat in den Bereichen Menschenrechte, pluralistische Demokratie sowie Rechtsstaatlichkeit (Justiz) erwachsen. Diese Überprüfungen erfolgen durch die PV, durch das Ministerdelegiertenkomitee (MDK), den Kongress der Gemeinden und Regionen Europas (KGRE) und durch das Sekretariat. Mehrere Europarats-Konventionen sehen unabhängige Expertengremien vor, die ein themenspezifisches Länder-Monitoring durchführen.

 

Die Überwachung der nationalen Umsetzung der Urteile des EGMR erfolgt durch das MDK auf Grundlage von Art. 46 EMRK und des 11. Zusatzprotokolls zur EMRK in vier jeweils mehrtägigen Sitzungen pro Jahr.

 

Das Monitoring der PV betrifft derzeit elf Staaten: Albanien, Armenien, Aserbaidschan, Bosnien und Herzegowina, Georgien, Moldau, Russland, Serbien, Türkei, die Ukraine sowie Polen (der einzige EU-Mitgliedsstaat unter diesem Monitoring, das angesichts der Entwicklungen in den Bereichen Unabhängigkeit der Justiz und Rechtsstaatlichkeit wiedereröffnet wurde). Mit Bulgarien, Nordmazedonien und Montenegro wird ein „post-monitoring“-Dialog hinsichtlich der Stärkung ihrer demokratischen Institutionen geführt. Das Monitoring-Komitee der PV überprüft seit 2015 auch jene Mitgliedstaaten des Europarats, die keinem Monitoring-Verfahren unterliegen und bereitet für das Plenum der PV Länderberichte sowie Empfehlungen vor. Dieses Jahr fand eine Überprüfung in Frankreich, Ungarn, Malta, den Niederlanden, Rumänien und San Marino statt.

 

Das Monitoring des MDK erfolgt ebenfalls auf Basis von Verpflichtungen aus den Aufnahmeverfahren (wie im Fall von Armenien, Aserbaidschan sowie Bosnien und Herzegowina). Es handelt sich um flexible Prozesse, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken. Der KGRE führt ein Monitoring im Bereich der lokalen und regionalen Demokratie durch, das alle 47 Europarats-Mitgliedstaaten betrifft.

 

Das Sekretariat verfasst in unregelmäßigen Abständen Berichte an das MDK zu Bosnien und Herzegowina und Serbien sowie „Bestandsaufnahmen“ zu Moldau. Die Konsequenzen des bewaffneten Konflikts zwischen Georgien und Russland vom August 2008 stehen weiterhin auf der Tagesordnung des MDK, dem das Sekretariat alle sechs Monate über neue Entwicklungen berichtet. Darüber hinaus berichten unter anderem die Europarats-Büros über Entwicklungen und über die Durchführung der Programme des Europarats in ihren Sitzstaaten.

 

Ein themenspezifisches Monitoring betrifft Verpflichtungen der Mitgliedstaaten als Vertragsparteien bestimmter Europarats-Konventionen. So führt das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT), dem alle Mitgliedstaaten des Europarats angehören, periodische und ad-hoc Inspektionen von Haftanstalten, Polizeistationen und geschlossenen psychiatrischen Abteilungen durch. Die Staatengruppe gegen Korruption (GRECO) zielt darauf ab, durch gegenseitige Evaluierung und Gruppendruck Reformen der nationalen Gesetzgebungen anzustoßen, durch welche die Europarats-Standards erreicht werden sollen. Ein Expertenkomitee (GRETA) überwacht die Umsetzung der Europarats-Konvention gegen Menschenhandel. Die Beratenden Ausschüsse des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten (FCNM) sowie der Minderheiten-Sprachencharta (ECRML) evaluieren jeweils die nationale Umsetzung dieser beiden Konventionen. Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) führt vornehmlich Länderüberprüfungen durch, die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft zählt ebenfalls zu ihren Aktivitäten. Der Europäische Ausschuss für Soziale Rechte (ECSR) überwacht die Einhaltung der Europäischen Sozialcharta durch deren Vertragsparteien. Das durch die Istanbul Konvention 2015 geschaffene Expertengremium (GREVIO) hat mittlerweile 20 Länderberichte erstellt. Jener für Österreich gehörte gemeinsam mit Monaco zu den ersten beiden GREVIO-Länderberichten.

 

Monitoring-Besuche und Länderberichte über Österreich: Im Frühjahr wurde der vierte Bericht von GRECO zu Österreich veröffentlicht. Im September übermittelte Österreich seinen fünften Staatenbericht zur Umsetzung des FCNM im November folgte der ebenfalls fünfte Staatenbericht zur ECRML. Von 23. November bis 3. Dezember war das CPT in Österreich und besuchte dabei Haftanstalten, Polizeianhaltezentren und psychiatrische Betreuungseinrichtungen. Von 13.-17. Dezember fand der bereits für letztes Jahr geplante Besuch der Europarats-Menschenrechtskommissarin Dunja Mijatović statt.

 

3.3.3 Österreich und der Europarat

 

Die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures nahm in ihrer Eigenschaft als Mitglied der PV, die Landtagspräsidenten Harald Sonderegger (Vorarlberg), Sonja Ledl-Rossmann (Tirol) und Reinhart Rohr (Kärnten) in ihrer Eigenschaft als Mitglieder des KGRE an den Sitzungen dieser Organe teil. Am 3. August wurden die Ratifikationsurkunden betreffend das „Übereinkommen über die Gemeinschaftsproduktion von Kinofilmen“ sowie zum „Übereinkommen über einen ganzheitlichen Ansatz für Sicherheit, Schutz und Dienstleistungen bei Fußballspielen und anderen Sportveranstaltungen“ hinterlegt. Damit wurden diese Abkommen für Österreich völkerrechtlich verbindlich. Gleichzeitig wurde das „Übereinkommen über Gewalttätigkeiten und Fehlverhalten von Zuschauern bei Sportveranstaltungen und Insbesondere bei Fußballspielen“ gekündigt.

 

Europäisches Fremdsprachenzentrum in Graz: Das 1994 gegründete Europäische Fremdsprachenzentrum (EFSZ) mit Sitz in Graz basiert auf einem erweiterten Teilabkommen. Es unterstützt die Implementierung von sprachenpolitischen Maßnahmen und fördert Innovationen im Sprachunterricht. Schwerpunkte des Arbeitsprogramms sind der Unterricht für Kinder, deren Muttersprache nicht die Unterrichtssprache ist, Gebärdensprache, Förderung von Fremdsprachenunterricht im schulischen Bereich, digitale Ansätze im Sprachunterricht und die Etablierung eines Referenzrahmens für Sprachlehrende. Das EFSZ befasste sich auch mit der Integration der Roma.

 

Österreicherinnen und Österreicher im Europarat: Österreich zeigt traditionell ein großes Engagement im Europarat und stellte bisher drei Generalsekretäre, zwei Präsidenten der PV sowie drei Präsidenten des KGRE. Im Europarat sind etwas über 20 Österreicherinnen und Österreicher beschäftigt. Österreichische Richterin am EGMR ist seit November 2015 Gabriele Kucsko-Stadlmayer. Österreichisches Mitglied der Venedig-Kommission ist seit 2006 Christoph Grabenwarter. Andreas Kiefer ist seit 2010 Generalsekretär des KGRE. Landtagspräsident Harald Sonderegger ist Vizepräsident der Regionenkammer im KGRE. 2021 wurden Karin Lukas zur Präsidentin des Europäischen Komitees für Soziale Rechte und Gerhard Ermischer zum Präsidenten der Konferenz Internationaler Nichtregierungsorganisationen (INGOs) beim Europarat gewählt.

 

3.4. Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)

 

Entwicklungen und generelle Tendenzen

 

2021 stand im Zeichen der Wahl des neuen Generalsekretärs der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD): Der Australier Mathias Cormann übernahm seine neue Aufgabe vom langjährigen Vorgänger in diesem Amt, dem Mexikaner Angel Gurría, am 1. Juni anlässlich des ersten Teils des OECD-Ministerrats. Der zweite Teil wurde in hybrider Form unter dem physischen Vorsitz von US Außenminister Antony Blinken im Oktober in Paris abgehalten. Das Thema des Treffens war „Gemeinsame Werte: eine grüne und inklusive Zukunft schaffen”. Anlässlich des 60. Jubiläums der Gründung der OECD verabschiedeten die Ministerinnen und Minister ein „New Vision Statement“, das insbesondere die gemeinsamen Werte der Mitgliedstaaten betont. Außerdem wurde die erste Außenbeziehungsstrategie der Organisation angenommen, um der wachsenden Bedeutung der Interaktion der OECD mit externen Partnern – Staaten und Organisationen – Rechnung zu tragen.

 

In den Komitees standen nach wie vor die verschiedenen wirtschaftlichen und sozialen Aspekte der Bewältigung der COVID-19-Pandemie im Vordergrund. Hoch auf der Prioritätenliste war auch der Beitrag der OECD zur internationalen grünen Agenda. Auch die Debatte um die Erweiterung der Organisation nahm wieder an Schwung auf. Am 25. Mai trat Costa Rica der OECD als 38. Mitgliedstaat bei. Der 2020 beschlossene Beitritt wurde mit der Hinterlegung des Beitrittsinstruments nach einem einjährigen Ratifizierungsprozess abgeschlossen. Derzeit werden die Beitrittsanträge von Bulgarien, Kroatien, Rumänien, Argentinien, Brasilien und Peru geprüft. Mit der Eröffnung von Beitrittsverhandlungen ist Anfang 2022 zu rechnen. Österreich setzt sich für einen baldigen Start dieses Prozesses ein.

 

Der Länderbericht Österreich 2021 (Economic Survey) wurde am 20. Dezember im BMEIA von OECD-Generalsekretär Mathias Cormann, Bundesminister Alexander Schallenberg, Bundesministerin Margarethe Schramböck und Bundesminister Magnus Brunner vorgestellt. In Abständen von zwei Jahren überprüft das OECD-Sekretariat die wirtschaftliche und soziale Verfasstheit ihrer Mitgliedstaaten. Neben einer traditionellen wirtschaftspolitischen Analyse werden zusätzlich sozial- und umweltpolitische Aspekte beleuchtet. Das Ziel der Economic Surveys ist, die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung von konkreten zukünftigen politischen Projekten zu unterstützen. Der Länderbericht 2021 zu Österreich ist das Ergebnis eines breiten Prozesses, basierend auf der Mitarbeit von mehr als 300 Expertinnen und Experten aus Österreich. Thematisch beschäftigt sich der Bericht insbesondere mit den strukturellen Auswirkungen, die sich aus dem technischen und finanziellen Schock der COVID-19-Pandemie ergeben haben.

 

Globale Beziehungen

 

Österreich hatte erstmals den Vorsitz im Komitee für Außenbeziehungen (ERC) inne. Während die OECD weiterhin ihren Charakter als evidenzbasierte Expertenorganisation und Standard-Setter beibehalten soll, kann sie sich geopolitischen Entwicklungen nicht verschließen, um global relevant zu bleiben. Um die Außenbeziehungen der gesamten OECD kohärenter zu gestalten und nach außen einheitlich aufzutreten, wurde im ERC eine für alle Teile der Organisation geltende Außenbeziehungsstrategie ausgearbeitet.

 

Das Ziel der OECD-Außenbeziehungen ist es, OECD-Normen zu möglichst breiter Geltung zu verhelfen und Drittstaaten möglichst nah an die Standards und best practices der Organisation heranzuführen. Die wichtigsten OECD-Partnerländer sind China, Brasilien, Indonesien, Südafrika und Indien. Daneben existieren Regionalprogramme für Südosteuropa, den Mittleren Osten und das Nördliche Afrika, Eurasien, Südostasien sowie Lateinamerika und die Karibik. Schließlich gibt es mit Thailand, Marokko und seit 2021 auch Ägypten bilaterale Länderprogramme. Des Weiteren arbeitet die OECD eng mit den G20 – unter dem diesjährigen Vorsitz Italiens – zusammen. Seit 2009 wird die OECD zu deren Gipfeltreffen eingeladen, nimmt an sämtlichen Arbeitsgruppen teil und erstellt spezifische Analysen für die G20. Die OECD kooperiert über ein eigenes Büro in New York mit den VN.

 

Entwicklungspolitik

 

Das Arbeitsprogramm des OECD–Entwicklungsausschusses (DAC) wurde nachhaltig von der COVID-19-Pandemie beeinflusst.

 

Zu Beginn des Jahres wurde im DAC eine neue Strategie für Außenbeziehungen (Global Relations Strategy) angenommen, die eine verstärkte weltweite Zusammenarbeit in bestimmten thematischen Bereichen zum Ziel hat. In Umsetzung dieser Strategie fand bereits im Februar das erste hochrangige Treffen gemeinsam mit den VN statt, um die Umsetzung der DAC Empfehlung zur Beendigung von sexueller Ausbeutung, Missbrauch und Belästigung in der Entwicklungszusammenarbeit und humanitären Hilfe zu überprüfen, an deren Entstehung Österreich maßgeblich beteiligt war.

 

Die im April veröffentlichten offiziellen Entwicklungshilfeleistungen (ODA) für 2020 erreichten ein Allzeithoch. Auch Österreich konnte einen leichten Anstieg verzeichnen. Die Finanzierungslücke zur Erreichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) wurde insgesamt aufgrund der Pandemie aber dennoch größer und die Forderung nach alternativen Finanzierungsmöglichkeiten lauter. Mit der Annahme neuer Finanzierungsstandards für nachhaltige Entwicklung (Impact Standards for Financing Sustainable Development DAC-UNDP) im Mai wurden wichtige Rahmenbedingungen geschaffen, um künftig vermehrt privates Kapital zur Erreichung der SDGs zu mobilisieren.

 

In der zweiten Jahreshälfte wurde mit Unterstützung Österreichs ein Instrument zur stärkeren Einbeziehung der Zivilgesellschaft in Entwicklungszusammenarbeit und Humanitäre Hilfe (DAC Recommendation on Enabling Civil Society in Development Cooperation and Humanitarian Assistance) verabschiedet. Dieses Instrument soll die Teilnahme der Zivilgesellschaft stärken, es betont aber auch deren Verantwortlichkeit.

 

Österreich setzte sich in den Verhandlungen einer gemeinsamen DAC Deklaration für die COP26 in Glasgow für eine Unterstützung der Entwicklungsländer bei der Anpassung an den Klimawandel sowie für die Erreichung der Klimaneutralität auch in diesen Ländern ein.

 

Österreichs Führungsrolle im Engagement in Südosteuropa wird durch ein gemeinsames Projekt mit der Schweiz und der OECD zu den Herausforderungen der Arbeitsmigration unter Beweis gestellt. Ziel des Projekts, das 2022 abgeschlossen werden soll, ist die Ausarbeitung von Strategien und das Schaffen günstiger Bedingungen, um der Arbeitsmigration entgegenzuwirken.

 

Wirtschafts- und Finanzpolitik

 

Die wirtschaftspolitischen OECD-Gremien untersuchten die während der COVID-19-Pandemie bislang getroffenen Maßnahmen auf ihre Effektivität. Eine der unterschwellig diskutierten Fragen, insbesondere in Bezug auf die Eurozone, war, ob sich Länder mit größerem budgetären Spielraum via umfangreichere Stützung des Produktionspotentials ihrer Volkswirtschaften einen unfairen Wettbewerbsvorteil verschafft hatten. Das OECD-Wirtschaftsdirektorat (ECO) empfahl allgemein eine Beibehaltung fiskaler Stützungsmaßnahmen für das laufende Jahr und prognostizierte den bestehenden Inflationsdruck als nur vorübergehend. Fahrt aufgenommen hatte die Diskussion einer optimalen wirtschaftspolitischen Strategie zur Reduktion von Treibhausgasen zur Begrenzung des Klimawandels.

 

Das OECD-Finanzmarktkomitee widmete sich neuerlich dem Thema ethischer Finanzierung und setzte sich intensiv mit verschiedenen Facetten von Finanzdigitalisierung (FinTech) auseinander. In Kooperation mit der OECD wurde eine Strategie zur Finanzbildung in Österreich erarbeitet, die im Herbst im österreichischen Ministerrat vorgestellt wurde.

 

Nach der starken Kontraktion im Vorjahr verbesserten sich die globalen Wirtschaftsaussichten in der ersten Hälfte des Jahres laufend, nicht zuletzt dank steigender COVID-19-Impfraten in den OECD-Staaten. Sie trübten sich allerdings mit Aufkommen einer weiteren Pandemiewelle und angesichts aufkommender Impfskepsis in einigen Ländern kurzfristig wieder etwas ein. Die Weltwirtschaft war geprägt von weiterhin expansiver Geld- und Fiskalpolitik, großen Lieferschwierigkeiten insbesondere aus dem asiatischen Raum in Verbindung mit einem Preisschock auf den Energiemärkten und vermehrtem Auftreten demographisch bedingter Arbeitskräfteknappheit. Alle Faktoren zusammen führten zu einem seit langem nicht mehr gesehenen Inflationsdruck.

 

Internationale Steuerpolitik

 

Mit der neuen US-Administration nahmen die zuvor ins Stocken geratenen Verhandlungen zur sogenannten Zwei-Säulen-Lösung für die steuerlichen Herausforderungen der Digitalisierung der Wirtschaft in den Arbeitsgruppen des Steuerpolitischen Ausschusses wieder Fahrt auf. Am 8. Oktober kam es im Rahmen des OECD/G20 Inclusive Framework (IF) on Base Erosion and Profit Shifting (BEPS) zwischen 136 der 140 Staaten des IF zu einer Einigung bezüglich beider „Säulen“, die in der Folge von den G20-Staats- und Regierungschefs bestätigt wurde.

 

Handel, Investitionspolitik und unternehmerische Verantwortung

 

Im Zuge der COVID-19-Pandemie zeichnete sich eine Verstärkung bestehender, vor allem protektionistischer Trends im internationalen Handel ab. Die OECD widmete sich in diesem Zusammenhang weiterhin Analysen in Bezug auf die COVID-19-Pandemie, die sich mit der Resilienz globaler Lieferketten und der Schaffung eines Level-Playing Fields befassten. Darüber hinaus analysierte die OECD die Folgen der COVID-19-Pandemie in Bezug auf Handelserleichterungen, staatliche Unterstützungsmaßnahmen und diverse Aspekte des digitalen Handels (vor allem auch im Zusammenhang mit der horizontalen OECD Initiative Going Digital) und publizierte entsprechende Policy Notes. Ein weiterer Themenschwerpunkt waren Diskussionen zu „Promoting Trade for All“, das heißt inwieweit Handels- und Investitionspolitik weltweit faire und offene Märkte sowie das Vertrauen in diese fördern und durch nachhaltige Strategien zu einem besseren Leben für alle beitragen können. Zudem fanden erste Diskussionen zu Auswirkungen von Klimaschutzmaßnahmen (CO2-Grenzausgleichssysteme) auf den globalen Handel statt. Mit den faktenbasierten Arbeiten trägt die OECD wesentlich zur zeitgerechten Information über aktuelle Entwicklungen im internationalen Handel bei.

 

Im Bereich Investitionspolitik lag der Fokus der Arbeiten des OECD-Investitionskomitee im ersten Halbjahr auf der vertiefenden Analyse der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf ausländische Direktinvestitionen (FDI) mit dem Schwerpunkt auf wirtschaftliche Erholung, „sustainable impact“ und Resilienz. Weitere thematische Schwerpunkte waren Investitionspolitik und Digitalisierung sowie die Rolle des Policy Framework on Investment als hilfreiches Instrument zur Stärkung der Entwicklungszusammenarbeit im Dialog mit OECD Partnerländern. Im zweiten Halbjahr bildete die Arbeit an einem „FDI Qualities Policy Toolkit“ einen wichtigen Schwerpunkt. Das geplante Instrument zielt auf die Optimierung der evidenzbasierten Förderung nachhaltiger FDIs ab. Ein weiterer Schwerpunkt befasste sich mit den Wechselwirkungen zwischen Steuerwettbewerb (Stichwort: „globaler Mindeststeuersatz für Unternehmen“) und FDI. Schließlich begann Ende Oktober die Arbeit an einer Reform von materiell-rechtlichen Standards von Investitionsabkommen (The Future of Investment Treaties) und wie man diese mit Blick auf die Nachhaltigkeitsziele gestalten kann.

 

Die Bedeutung unternehmerischer Verantwortung für Resilienz und Wettbewerbsfähigkeit wurde durch die COVID-19-Pandemie in ein neues Licht gestellt. Der wichtigste globale Standard unternehmerischer Verantwortung sind die OECD Leitsätze für multinationale Unternehmen. Als einziges internationales Instrument haben die Leitsätze einen integrierten Abhilfemechanismus, welcher nationale Kontaktpunkte vorsieht. Zehn Jahre nach ihrem letzten Update werden die OECD Leitsätze für multinationale Unternehmen nun, unter der Ägide der Working Party on Responsible Business Conduct (WPRBC), einer Überprüfung unterzogen. Diese Überprüfung soll zeigen, ob die Leitsätze unter den aktuellen Umständen noch „fit for purpose“ sind. Nach öffentlicher Konsultation und Inputs aller Stakeholder werden Optionen für den weiteren Weg nach vorne diskutiert. Der österreichische nationale Kontaktpunkt kommt seiner Bekanntmachungspflicht für die OECD Leitsätze durch das Projekt „Sorgfaltspflichten in der Lieferkette gemäß den OECD Standards“ nach, das von der OECD besonders hervorgehoben wurde.

 

Arbeit und Soziales

 

Als besonders fruchtbar erwies sich die in den letzten Jahren erfolgte zunehmende Abwendung von einem engen Silodenken hin zu einer stärkeren Verknüpfung ökonomischer, ökologischer, sozialer und gesundheitlicher Aspekte und somit zu einer integrierten Betrachtungsweise der Analysearbeiten der Organisation.

 

Zudem widmeten sich auch im abgelaufenen Jahr eine Vielzahl der Arbeiten aus dem Bereich Arbeit und Soziales insbesondere den sozioökonomischen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und untersuchten unterschiedlichste Aspekte in diesem Zusammenhang. Mit der rezenten Vorstellung des Centre on Well-being, Inclusion, Sustainability and Equality (WISE) können darüber hinaus die Analysen der Organisation im Bereich Ungleichheit, soziale Mobilität und Verteilungsfragen weiter gebündelt und damit dem Themenkomplex insgesamt eine noch stärkere Sichtbarkeit ermöglicht werden.

 

Konsumentenschutz

 

Im Bereich Konsumentenschutz lag der Fokus insbesondere auf verbraucherpolitischen Themen der digitalen Transformation. Hervorzuheben sind dabei die Auseinandersetzung mit der Rolle von Online-Marktplätzen für Konsumentenschutz und Produktsicherheit, Arbeiten zur Erweiterung der Evidenzbasis für die Gefährdung von Verbraucherinnen und Verbrauchern in der digitalen Welt sowie die analytische Untersuchung versteckter unfairer Online-Geschäftspraktiken („Dark Commercial Patterns“).

 

Gesundheit

 

Seitens des Health Committees wurden einige für den Gesundheitsbereich wichtige Arbeiten erstellt. Nur als Beispiel hierfür sei die Veröffentlichung von „Health at a Glance 2021“ genannt. Der Bericht stellt eine der wichtigsten Publikationen der OECD im Gesundheitsbereich dar. Neben zahlreichen anderen Arbeiten der OECD in Bezug auf die COVID-19-Pandemie (z.B. in Zusammenhang mit Langzeitpflege oder Ungleichheit) wurden im Rahmen von „Health at a Glance 2021“ auch einige Auswirkungen von COVID-19 (z.B. auf psychische Gesundheit oder Gesundheitspersonal, Long COVID, Rückgänge bei geplanten Eingriffen bzw. Untersuchungen, Todesfälle) beleuchtet. Starke Auswirkungen zeigten sich beispielsweise auch bei der psychischen Gesundheit. So nahmen während der Pandemie Risikofaktoren (z.B. Arbeitslosigkeit und Angst) zu, während Schutzfaktoren (z.B. soziale Beziehungen, tägliche Routine) abnahmen. Unter den 15 untersuchten OECD Ländern (darunter auch Österreich) stieg im Durchschnitt die Prävalenz von Depression oder Symptomen von Depression bei Erwachsenen geschätzt um rund das Dreifache an.

 

Bildung und Kompetenzen

 

Der Bildungs- und Kompetenzbereich gilt als einer der öffentlichkeitswirksamsten Grundpfeiler der OECD-Arbeit. Anhand von OECD-Daten werden internationale Vergleiche über Bildungs- und Kompetenzergebnisse (PISA, PIAAC) erstellt und nationale Kompetenzstrategien entwickelt. Aufgrund der COVID-19-Pandemie wurde entschieden, den nächsten Durchlauf der PISA-Studie auf 2022 zu verschieben. Die nationalen PISA-Büros arbeiten auch während der Pandemie weiter, um valide Daten bereitstellen zu können. Der Blick nach vorne prägt die Arbeit des Bildungsdirektorats mit der Präsentation des Education Outlook Report und den Education Policy Reform Dialogues, die Ende November physisch abgehalten wurden.

 

Digitalisierung

 

Die COVID-19-Pandemie hat alle Aspekte des digitalen Wandels verstärkt (Home-Office, Distance Learning, E-Commerce, digitale Tools für Unternehmen, Datenaustausch in der Forschung und Künstliche Intelligenz Anwendungen zur Krisenbekämpfung). Gleichzeitig steigt damit die Nachfrage nach hochwertiger Netzanbindung und die Notwendigkeit eines integrativen Ansatzes für die digitale Transformation. Bereits 25 OECD-Mitglieder verfügen wie Österreich über eine nationale Digitalstrategie.

 

Der Going Digital-integrierte politische Rahmen der OECD umfasst sieben Dimensionen des digitalen Wandels: Zugang, Nutzung, Innovation, Vertrauen, Arbeitsplätze, Gesellschaft und Marktöffnung. Derzeit läuft die dritte und letzte Phase des Projektes, die es sich zum Ziel gesetzt hat, neue Wege zum Verständnis und zur Gestaltung des digitalen Wandels und seiner Auswirkungen auf unsere Volkswirtschaften und Gesellschaften zu beleuchten.

 

Künstliche Intelligenz, Blockchain, sowie Digital Government und Digital Economy sind Schwerpunkte des Projekts. Das vierte OECD Global Blockchain Policy Forum befasste sich im September und Oktober mit den jüngsten Entwicklungen und neuen Herausforderungen auf allen Ebenen der Governance. Beim E-Leaders Meeting (7.-8. Oktober) diskutierten die Teilnehmenden, wie digital government zu einer sozial gerechten und nachhaltigen digitalen Transformation beitragen kann. Im Bereich Datenwirtschaft wurden beim OECD-Ministerrat im Oktober die OECD-Empfehlung zur Verbesserung des Zugangs zu und der gemeinsamen Nutzung von Daten verabschiedet. Es sind dies die ersten international vereinbarten Grundsätze und politischen Leitlinien, wie Regierungen den sektorübergreifenden Nutzen aller Arten von Daten – personenbezogene, nicht personenbezogene, offene, geschützte, öffentliche und private – maximieren und gleichzeitig die Rechte von Einzelpersonen und Organisationen schützen können.

 

Die Kommunikationsinfrastruktur ist eines der wichtigsten Fundamente der Digitalisierung. Deshalb bekennt sich die österreichische Bundesregierung zur flächendeckenden Versorgung mit festen und mobilen Gigabit-Anschlüssen bis zum Jahr 2030. Das Ziel, im ganzen Land leistungsfähige Breitbandverbindungen zur Verfügung zu stellen, ist eine Zukunftsfrage für Österreich, insbesondere auch mit Blick auf die digitale Inklusion der ländlichen Regionen. Die „Initiative Breitband Austria 2030“ trägt mit gezielten Förderungsinstrumenten zur Chancengleichheit zwischen Stadt und Land bei, um gleichwertige Lebensbedingungen für alle Menschen in allen Regionen Österreichs sicherzustellen.

 

Umwelt

 

Die OECD unterstützt die internationalen Bemühungen betreffend den Umwelt- und Klimaschutz, wobei der Schwerpunkt auf der Stärkung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Widerstandsfähigkeit, der Verbesserung der Produktivität und dem Abbau von Ungleichheiten liegt. Als Reaktion auf die außergewöhnlichen Umstände veröffentlichte die OECD zahlreiche Publikationen, die die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Umwelt inklusive deren Verflechtungen mit Wirtschafts-, Sozial- und Gesundheitssystemen im Detail analysieren. Hervorgehoben werden Maßnahmen zur Bewältigung globaler Umweltprobleme, die zur Verbesserung der Umweltgesundheit bzw. der Resilienz der Gesellschaften beitragen.

 

Basierend auf den erzielten Ergebnissen wurde ein neues Projekt mit dem Titel „Building Climate and Economic Resilience in the Transition to a Low-Carbon Economy” initiiert. Im Rahmen dessen wird beim International Programme for Action on Climate (IPAC) die Klimapolitik der Mitgliedsstaaten bewertet. Österreich steht dem Projekt sehr kritisch gegenüber – da der Zusatznutzen zu den VN-Aktivitäten nicht klar ersichtlich ist –  und weil Investitionen in Atomenergie als Teil einer Lösung der Klimakrise gesehen und vorangetrieben werden.

 

Die Bedeutung von Klimathemen zeigt sich auch in der jüngsten OECD-Wirtschaftsländerprüfung Österreichs, die diesem Thema ein eigenes Kapitel widmet. Die Pläne zur schrittweisen Einführung einer CO2-Bepreisung ab 2022 werden von der OECD positiv gesehen. Das Ziel der Klimaneutralität bis 2040 – zehn Jahre vor dem EU-Zieltermin – wird jedoch aus Sicht der OECD auf der Grundlage der derzeitigen Maßnahmen schwierig zu erreichen sein. Zusätzliche Treibhausgasemissionssenkungen sind in allen Sektoren erforderlich. 

 

Tourismus

 

Die massiven Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf den weltweiten Tourismus haben die Arbeiten der OECD in diesem Bereich dominiert. Während der Fokus 2020 auf Prognosen und Unterstützungsmaßnahmen der Staaten für die Tourismuswirtschaft lag, beschäftigte sich die OECD vor allem mit dem Thema internationale Mobilität während der COVID-19-Pandemie (Entwurf für sicheres Reisen) und den notwendigen Schritten für einen mittel- und langfristig nachhaltigen, inklusiven und resilienten Tourismus. Die hierfür erstellten Dokumente sind wichtige Informationsquellen zum Wiederaufbau des Tourismus. In Kooperation mit der OECD erarbeiteten die Tourismusministerinnen und Tourismusminister der G20-Staaten unter italienischem Vorsitz im September die „G20 Rome Guidelines for the future of tourism“, in denen Empfehlungen für den Wiederaufbau des Tourismus in sieben Bereichen gemacht werden: Sicheres Reisen, Krisenmanagement, Resilienz, Inklusion, grüner Übergang, digitaler Übergang, Investitionen und Infrastruktur.

 

Für Österreich wichtig sind insbesondere die auch von der OECD aufgezeigten Strategien, Strukturen und Instrumente, damit Tourismus als Motor für nachhaltige Regionalentwicklung funktionieren kann. Mit ihren komplexen Wertschöpfungsketten wirkt die Tourismuswirtschaft besonders stark auf der regionalen und lokalen Ebene.

 

Landwirtschaft

 

Untersuchungen der OECD belegten, dass sich die globalen Lieferketten im Nahrungsmittelbereich auch in der Pandemie als erstaunlich widerstandsfähig erwiesen. Im Einklang mit dem OECD Plädoyer für einen möglichst reibungslosen ungehinderten Agrarhandel konstatierte die OECD Störungen des Marktgefüges genau dort, wo Regierungen aus Angst vor lokalen Versorgungsengpässen den freien Warenfluss durch restriktive Maßnahmen wie Export- und Importbeschränkungen einschränkten. Trotz der an sich hohen Anpassungsfähigkeit des Agrarsektors sieht sich dieser laut dem mit der FAO gemeinsam erstellten Agrar-Outlook 2021–2030 im kommenden Jahrzehnt großen Herausforderungen ausgesetzt – die von einer durch das Bevölkerungswachstum bedingten steigenden Nachfrage, umweltgerechteren Produktionsweisen, veränderten Ernährungsgewohnheiten, gesellschaftlichen Erwartungen (Biodiversität, Tierwohl, Abfallreduktion) – bis zu den Auswirkungen des Klimawandels reichen. In Folge des vielbeachteten UN Food Systems Summits im September verstärkt die OECD ihren Fokus auf die Wechselwirkungen zwischen Landwirtschaft, Ernährungssystemen und dem Klimawandel.

 

3.5 Österreich als Sitz internationaler Organisationen

 

3.5.1 Bedeutung des Amtssitzes

 

Österreich sieht in einer dynamischen, zukunftsorientierten Amtssitzpolitik eine Priorität seiner Außenpolitik. Unter Amtssitz wird verstanden, dass sich internationale Organisationen und Einrichtungen dauerhaft niederlassen. Als Standort für internationale Organisationen wirkt Österreich als Drehscheibe für zwei große Themenbereiche: zum einen die Förderung von Frieden und Sicherheit, zum anderen die nachhaltige Entwicklung im Spannungsfeld mit Energie- und Umweltfragen. Die Präsenz von mehr als 40 internationalen Organisationen stärkt die Relevanz Wiens als Ort des Dialogs und multilateraler Diplomatie, dazu kommt eine zunehmende Anzahl von NGOs, die teilweise den Status einer Quasi-Internationalen Organisation genießen. Neben New York, Brüssel, Genf und Den Haag zählt Wien zur Spitzengruppe der internationalen Amtssitz-Städte.

 

Der Amtssitz Österreich ist auch wirtschaftlich bedeutsam. So werden durch die internationalen Organisationen rund 19.000 Arbeitsplätze in Österreich gesichert, und Wirtschaftsforscher beziffern den jährlichen Bruttowertschöpfungseffekt mit rund 1,35 Milliarden Euro jährlich. Zusätzlich kommen allen Österreicherinnen und Österreichern die Steuern und Abgaben in Höhe von jährlich rund 527 Millionen Euro zugute, die dank der Anwesenheit der internationalen Organisationen eingenommen werden.

 

Gestützt auf seine leistungsfähige Kongresswirtschaft gilt Wien auch als einer der bedeutendsten Konferenz- und Kongressstandorte weltweit. Jedoch hat sich die COVID-19-Pandemie auch auf den Kongressstandort Wien negativ ausgewirkt. Die Fortführung der Iran-Gespräche in Wien seit dem Frühjahr ist dennoch ein aktueller Beleg dafür, dass die Rolle Österreichs als Gastgeber internationaler Konferenzen trotz der Krise weiterhin gefragt und geschätzt ist.

 

Im Interesse seiner aktiven Amtssitzpolitik stärkt Österreich laufend die rechtlichen Rahmenbedingungen, um die Attraktivität für bereits ansässige internationale Einrichtungen aufrecht zu erhalten und Anreize für Neuansiedlungen zu bieten. Durch die Schaffung eines neuen und umfassenden Amtssitzgesetzes wird dem Rechnung getragen. Das am 1. Mai in Kraft getretene Amtssitzgesetz ist ein flexibles Instrument proaktiver Amtssitzpolitik und wird die Attraktivität des Standorts Österreich langfristig absichern und weiter ausbauen.

 

Wien ist seit 1979 einer der vier Hauptsitze der VN. Das Vienna International Center (VIC), das im Jahr 2019 sein 40-jähriges Bestandsjubiläum feierte, beherbergt eine Vielzahl von VN-Organisationen und Sonderorganisationen, insbesondere das Büro der VN in Wien (UNOV), die IAEO, die Organisation der VN für Industrielle Entwicklung (UNIDO), die CTBTO, das UNODC, ein VN-Verbindungsbüro für Abrüstungsfragen (UNODA), die UNCITRAL, das UNHCR, das Büro der VN für Weltraumfragen (UNOOSA), die Internationale Kommission zum Schutz der Donau (ICPDR) sowie ein Verbindungsbüro des VN-Umweltprogramms (UNEP) das auch Aufgaben als Sekretariat der Karpatenkonvention wahrnimmt. Das Büro für Projektdienste der VN (UNOPS), das Projekte und Partnerschaften in Zentralasien, der Türkei, dem Südkaukasus und dem Westbalkan unterhält, vergrößert seine Präsenz in Wien.

 

Neben den im VIC untergebrachten VN-Einheiten und Spezialorganisationen haben noch weitere bedeutende internationale Organisationen ihren Sitz in Wien, wie etwa die OSZE, die Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC), der OPEC Fonds für internationale Entwicklung (OFID), die Agentur der EU für Grundrechte (GRA), das zur Förderung der Transparenz im Abrüstungsbereich tätige Wassenaar Arrangement (WA) sowie das Sekretariat des Haager Kodex (HCoC).

 

Das Wiener Büro der Weltbankgruppe hat seine Präsenz zuletzt deutlich verstärkt: Neben Organisationseinheiten der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (IBRD) baute vor allem die Internationale Finanz-Corporation (IFC) ihre operative Tätigkeit in Wien aus. Der internationale Währungsfonds (IWF) hat sein regionales Verbindungsbüro für den Westbalkan in Wien. Seit vielen Jahren ist das Joint Vienna Institute, eine international geschätzte Ausbildungseinrichtung des IWF, in Wien ansässig. Wien ist auch Standort einer Dienststelle des Europäischen Patentamtes (EPA), die das weltweit anerkannte Zentrum der Patent-Information des EPA darstellt.

 

Strategischen Fragen der Migrationsbewältigung widmet sich das Internationale Zentrum für Entwicklung von Migrationspolitik (ICMPD), das ebenfalls in Wien seinen Hauptsitz hat. Die IOM unterhält in Wien neben einem Landesbüro auch ein Regionalbüro, das für Ost- und Südosteuropa sowie für Zentralasien zuständig ist. Als Quasi-Internationale Organisation widmet sich zudem das 2018 in Wien eröffnete Ban Ki-moon Center (BKMC) der globalen gesellschaftlichen Stellung von Jugendlichen und Frauen.

 

Im Energiebereich sind in Wien mehrere internationale Organisationen und NGOs tätig, welche sich zur Verstärkung der Synergieeffekte im Vienna Energy Club zusammengeschlossen haben. Dazu zählen unter anderem die Energiegemeinschaft Südosteuropa, das Verbindungsbüro der Partnerschaft für Erneuerbare Energie und Energieeffizienz (REEEP) sowie die Initiative Nachhaltige Energie für Alle (SEforAll).

 

Die IACA wählte bei ihrer Gründung 2011 als Sitz die Gemeinde Laxenburg in Niederösterreich, wo auch das Internationale Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) untergebracht ist. Innsbruck ist seit 2003 Sitz des Sekretariates der Alpenkonvention (PSAC). Das Europäische Fremdsprachenzentrum des Europarates (ECML) ist seit seiner Gründung 1994 in Graz beheimatet.

 

Österreich strebt die Ansiedlung eines Büros des Ständigen Haager Schiedshofes (PCA) in Wien an.

 

3.5.2 Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO)

 

Die 1957 gegründete Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) in Wien ist eine autonome Organisation im VN-System. Ihre Hauptaufgabe ist die weltweite Förderung der friedlichen Nutzung von Kernenergie, die Erhöhung der nuklearen Sicherheit sowie die Überprüfung der Einhaltung der Verpflichtungen des Vertrags über die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen (NPT). Sie war die erste VN-Organisation in Wien und ist mit ca. 2.500 Bediensteten die größte. Seit 2019 ist Rafael Mariano Grossi Generaldirektor der IAEO.

 

Die IAEO führt im Rahmen des Projekts Renovation of the Nuclear Applications Laboratories (ReNuAL) seit 2014 die Modernisierung ihrer Laboratorien in Seibersdorf durch, um die wachsende Nachfrage der Mitgliedstaaten nach wissenschaftlichen Leistungen befriedigen zu können. Die erste Phase der Modernisierungsarbeiten, die durch mehrere Staaten, darunter auch Österreich, unterstützt wurde, konnte erfolgreich abgeschlossen werden. Die zweite Phase der Renovierungsarbeiten (ReNuAL 2) begann Mitte 2021.

 

Als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie hat die IAEO mit der Umsetzung der Initiative Zoonotic Disease Integrated Action (ZODIAC) begonnen. Hierbei baut die IAEO bereits vorhandene Kompetenzen bei der Bekämpfung von Zoonosen im veterinärmedizinischen Bereich mittels nuklearer Technologien aus und überträgt diese auf den humanmedizinischen Bereich. Über die Schaffung dauerhafter Strukturen im Wege von lokalen Kompetenzzentren soll zur Bekämpfung der jetzigen Pandemie sowie zur Vorbeugung künftiger durch Zoonosen verursachter Gesundheitskrisen beigetragen werden.

 

Die IAEO möchte mit nuklearen Technologien zur Bekämpfung des Plastikmülls beitragen und rief daher das Projekt NUclear TEChnology for Controlling Plastic Pollution (NUTEC Plastics) ins Leben.

 

Die Überwachung von nuklearen Aktivitäten und spaltbarem Material im Iran im Rahmen des JCPoA stellt eine zentrale Herausforderung für die IAEO dar. Seit dem unilateralen Rückzug der USA aus dem Abkommen im Mai 2018 hat der Iran die Umsetzung der im Plan festgelegten Verpflichtungen schrittweise zurückgefahren. Die Verifikationstätigkeit der IAEO und die vierteljährlichen Berichte des Generaldirektors, welche den Grad der Einhaltung und Umsetzung des JCPoA durch Iran beurteilen, gewannen dadurch zusätzlich an Bedeutung. Sie werden im ebenfalls vierteljährlich stattfindenden Gouverneursrat, dem hauptsächlich entscheidungstragenden Gremium der IAEO, behandelt. 2021 begannen in Wien Verhandlungen zur Rückkehr aller Parteien zum JCPoA. Österreich ist noch bis September 2022 Mitglied des 35-köpfigen Gouverneursrats der IAEO.

 

3.5.3 Vorbereitende Kommission der Organisation des Vertrages über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (CTBTO)

 

Die Vorbereitende Kommission der Organisation des Vertrages über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (CTBTO) ist seit 1997 in Wien tätig. Im Juli endete die Amtszeit von Lassina Zerbo (Burkina Faso) als Exekutivsekretär; Robert Floyd (Australien) wurde als sein Nachfolger gewählt. Der Ausbau des internationalen Überwachungssystems der CTBTO, basierend auf Hochtechnologie für Seismik, Hydroakustik, Ultraschall und Radionuklidmessung, schritt weiter voran. Bislang haben 185 Staaten den Vertrag unterzeichnet und 170 ratifiziert. Das Inkrafttreten des Vertrags steht weiterhin aus, da acht (Ägypten, China, Indien, Iran, Israel, Nordkorea, Pakistan, USA) der 44 im Annex zwei genannten Schlüsselstaaten ihn noch nicht ratifiziert haben. 2021 markierte das 25-jährige Aufliegen des CTBT.

 

Das 2019 eröffnete CTBTO Technology Support and Training (TeST) Centre in Seibersdorf wird in erster Linie als Lager- und Wartungseinrichtung für die Ausrüstung der Abteilung Vor-Ort-Inspektionen genutzt, kommt aber der gesamten Organisation mit hochmodernen Schulungseinrichtungen und einem Medienzentrum zugute.

 

3.5.4 Organisation der Vereinten Nationen für industrielle Entwicklung (UNIDO)

 

Die Arbeit der Organisation der VN für industrielle Entwicklung (UNIDO) war weiterhin stark von den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie betroffen. Die technische Kooperation konnte dennoch gut fortgesetzt werden. Ebenso leistete UNIDO einen Beitrag zur internationalen Krisenbewältigung. Die wichtigsten Tagungen konnten wie geplant in hybrider Form ausgetragen werden. Das 37. Program and Budget Committee (PBC) tagte von 26.-28. Mai, das 49. Industry Development Board (IDB) von 12.-15. Juli, und die 19. Generalkonferenz fand von 29. November bis 3. Dezember statt.

 

Im Rahmen des 49. IDBs wurde im Juli ein neuer UNIDO-Generaldirektor gewählt, der Generaldirektor LI Yong nach zwei Amtszeiten folgen sollte. Die Wahl entschied der deutsche Kandidat Dr. Gerd Müller, vorheriger deutscher Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, für sich. Bei der 19. Generalkonferenz in Wien wurde seine Wahl am 30. November formal bestätigt und Gerd Müller trat im Dezember sein Amt an.

 

Österreich war seit 3. Dezember 2015 Mitglied im PBC (drei aufeinanderfolgende Mitgliedschaften, jeweils für zwei Jahre) und seit 30. November 2017 Mitglied im IDB (für vier Jahre). Die Mitgliedschaften in beiden Entscheidungsgremien endeten routinemäßig mit dem Ende der 19. Generalkonferenz von 29. November bis 3. Dezember. Schwerpunkte der projektbezogenen Zusammenarbeit Österreichs mit UNIDO sind einerseits die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Förderung von Frauen und Jugendlichen, insbesondere in Regionen mit hohem Migrationsdruck, andererseits die Nachhaltigkeit bei der Energiegewinnung, beispielsweise durch die Unterstützung von zahlreichen Zentren für erneuerbare Energien und Energieeffizienz in verschiedenen geografischen Regionen sowie die Abhaltung des alle zwei Jahre stattfindenden Vienna Energy Forums (VEF). Das diesjährige VEF fand als hybrides Event vom 6.-7. Juli in der Wiener Hofburg statt.

 

3.5.5 Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC)

 

Im Rahmen des Büros der VN für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) finden in Wien zentrale Diskussionen über internationale Drogenangelegenheiten, Korruptions- und Verbrechensbekämpfung statt, wobei die hier tagenden ECOSOC-Unterausschüsse Commission on Narcotic Drugs (CND) und Commission on Crime Prevention and Criminal Justice (CCPCJ) als wesentliche Leitungsgremien fungieren. Seit Februar 2020 leitet die Ägypterin Ghada Fathi Waly das UNODC. Trotz der COVID-19-Pandemie gelang es der Organisation, seine Mandate weiterhin zu erfüllen und mit dem 14. Crime Congress in Tokio ein Erfolgsbeispiel für Großkonferenzen in der Pandemie zu liefern.

 

Österreich ist seit 2000 durchgehend Mitglied der CND und seit 2003 - abgesehen von einer Unterbrechung von zwei Jahren - Mitglied der CCPCJ. Österreich brachte sich als Sitzstaat wieder aktiv ein und übernahm in der ersten Hälfte des Jahres den Vorsitz der Western European and Others (WEOG) Gruppe.

 

Dem UNODC kommt im VN-System eine wesentliche Rolle im Kampf gegen organisierte Kriminalität, illegalen Drogenhandel, HIV/AIDS, Geldwäsche, Korruption, Menschenhandel und Terrorismus zu. Zudem übt UNODC unter Miteinbeziehung anderer Organisationen der VN wie der WHO, dem VN-Entwicklungsprogramm (UNDP), dem gemeinsamen Programm der VN zu HIV/AIDS (UNAIDS) oder dem UNHCR eine zentrale Koordinierungsfunktion in Drogenangelegenheiten aus. Im Bereich der Korruptionsbekämpfung nimmt UNODC die führende Rolle in der Ausarbeitung einer gemeinsamen VN-Position zu Korruption in Kooperation mit UNDP und dem Department of Political and Peacekeeping Affairs der VN ein. Im Juni konnte nach achtmonatigen Verhandlungen in Wien eine Einigung über den Text der politischen Erklärung der Sondersitzung der VN-GV gegen Korruption hergestellt werden, mit deren Annahme ein wichtiger Meilenstein gesetzt wurde.

 

UNODC ist auch für die Planung und Durchführung von Programmen und Projekten verantwortlich und leistet bei der Umsetzung der VN-Konventionen zu Drogen, organisierte Kriminalität, Korruption und Terrorismus technische Unterstützung für Staaten. Im Jänner 2022 beginnen Verhandlungen zur Erarbeitung einer neuen VN-Konvention zum Kampf gegen Cyberkriminalität. Als zuständige VN-Einheit und Sekretariat des Ad Hoc Komitees kommt UNODC eine bedeutende Rolle im Verhandlungsprozess zu.

 

Der Jahresbeginn stand ganz im Zeichen des 14. Kongress der VN für Verbrechensverhütung und Strafrechtspflege (Crime Congress) in Kyoto. Die erste große VN-Konferenz außerhalb des Hauptsitzes in Wien seit Pandemiebeginn trug mit der Annahme der Kyoto Deklaration zu verstärkter internationaler Kooperation in der Verbrechensverhütung und Strafrechtspflege bei.

 

Die 64. Sitzung der CND (12.-16. April) fand in beinahe ausschließlich virtuellem Format statt. Das starke österreichische Engagement wurde einmal mehr durch die Miteinbringung eines Resolutionsentwurfes zu leistbarer und evidenzbasierter Prävention- und Behandlungsdienste in Bezug auf Drogen untermauert. Darüber hinaus unterstützte Österreich eine Veranstaltung gegen die Todesstrafe.

 

Die diesjährige Sitzung der CCPCJ (17.-21. Mai) markierte das 30-jährige Jubiläum der Kommission. Bundesministerin Alma Zadić nahm neben ihren Amtskolleginnen aus Italien und Japan an der zeremoniellen Eröffnung teil. Auf großes Interesse stieß ein von Österreich organisiertes Special Event zum Thema häusliche Gewalt, bei welchem die Bundesministerin sowie der ägyptische Justizminister und die UNODC Exekutivdirektorin sprachen.

 

3.5.6. Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC)

 

Die 1960 gegründete Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) hat ihren Sitz in Wien, und derzeit 13 Mitglieder. Die OPEC-Mitgliedstaaten verfügen über rund 80 % der weltweiten Erdölreserven und fördern knapp 40 % der globalen Erdölproduktion. Die Organisation koordiniert die Erdölpolitik ihrer Mitgliedstaaten mit dem Ziel, die volatilen Erdölmärkte im Interesse von Konsumenten und Produzenten zu stabilisieren.

 

2017 unterzeichneten die OPEC-Mitgliedstaaten und elf weitere erdölproduzierende Staaten (wie Russland und Kasachstan) eine Declaration of Cooperation und schufen die „OPEC Plus“-Gruppe. Durch die Einbindung zusätzlicher Produzenten sollten die Stabilisierungsbemühungen in Bezug auf den globalen Ölmarkt bzw. die Ölpreise verbessert werden. 2019 kam es zur Unterzeichnung der Charta of Cooperation, wodurch die Zusammenarbeit weiter intensiviert und institutionalisiert wurde. Die Zusammenarbeit wurde 2021 weitergeführt.

 

Der 1976 eingerichtete OPEC Fonds für Internationale Entwicklung (OFID) hat seinen Sitz in Wien. Ziel des Fonds ist die Förderung der sozioökonomischen Entwicklung in den Bereichen Energie, Wasser, Transport und Gesundheit im globalen Süden. Fokusregionen des OFID sind Afrika, Asien und Lateinamerika. Gemeinsam mit der ADA arbeitete OFID an einem nachhaltigen Energieprojekt in Süd- und Ostafrika.

 

Die COVID-19-Pandemie hatte insbesondere Auswirkungen auf die globale Wirtschaftsleistung und somit auf Transport und Verkehr mit einem historischen Rückgang des Erdölkonsums. Eine Einigung unter den OPEC Plus Staaten auf eine zurückhaltende Förderpolitik konnte zur Stabilisierung des Ölpreises beitragen. Seit Beginn der Pandemie ist der Ölpreis wieder deutlich gestiegen und hat sich auf einem auch langfristig zu beobachtenden Preisniveau stabilisiert.

 

Im Oktober fand das erste Vienna Energy Scholar Programme statt. Das von OPEC, Stadt Wien und Wien Energie organisierte Programm soll in Österreich die Sichtbarkeit und das Verständnis für die OPEC-Aktivitäten verbessern sowie talentierten jungen Menschen einen Einblick in die Arbeit, die internen Abläufe und Strukturen der OPEC ermöglichen.

 

Sowohl OPEC als auch OFID beteiligten sich an der Arbeit des Vienna Energy Clubs, einer Plattform von in Wien ansässigen Organisationen für Dialog über internationale Energiefragen, und am Vienna Energy Forum.

 

3.6. Menschenrechte

 

Der Einsatz für die Menschenrechte ist ein Kernanliegen und auch Leitgedanke der Außenpolitik Österreichs. Der Schutz und die Förderung der Menschenrechte weltweit sind unabdingbar, um Freiheit und Demokratie auch für künftige Generationen zu bewahren. Österreich unterstütze daher auch den Demokratiegipfel, den US-Präsident Biden am 9. und 10. Dezember abhielt, bei dem u.a. Handlungszusagen in den Bereichen Menschenrechte, sowie Kampf gegen Autoritarismus und Desinformation aber auch Korruptionsbekämpfung im Vordergrund standen.

 

Zu den Schwerpunkten der österreichischen Menschenrechtspolitik zählen die Meinungsäußerungs- und Medienfreiheit sowie der Schutz von Journalistinnen und Journalisten, die Förderung der Frauenrechte, das Thema Menschenrechte und neuer Technologien, die Stärkung der Menschenrechte besonders schutzwürdiger Personen und Gruppen wie Minderheiten, insbesondere der Schutz religiöser Minderheiten sowie Glaubens- und Gewissensfreiheit, die Förderung der Rechte von Kindern und deren Schutz vor Gewalt und Ausbeutung, die Stärkung der Herrschaft des Rechts in den internationalen Beziehungen  durch Rechtsstaatlichkeit und Demokratie, der Kampf gegen die Straflosigkeit sowie die Umsetzung und Verbreitung des Humanitären Völkerrechts. Österreich setzt sich darüber hinaus konsequent für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe ein.

 

Österreich war von 2019 bis 2021 Mitglied des VN-Menschenrechtsrates (VN-MRR) und nutzte seine Mitgliedschaft für konkrete Initiativen. Österreich setzte sich konsequent in allen internationalen Foren und als EU-Mitglied für seine Schwerpunkte ein, brachte sie in bilateralen Gesprächen auf und machte entsprechende Empfehlungen im Rahmen der Tagungen der Arbeitsgruppe des VN-MRR für die Überprüfung der Menschenrechtssituation in einzelnen Staaten, der Universellen Staatenprüfung (Universal Periodic Review, UPR).

 

3.6.1 Schwerpunkte

 

Medienfreiheit und Schutz von Journalistinnen und Journalisten

 

Medienfreiheit ist eine tragende Säule einer Demokratie, in der unabhängige Berichterstattung gewährleistet sein muss. Daher bleibt Medienfreiheit und der Schutz von Journalistinnen und Journalisten im Fokus der österreichischen Menschenrechtspolitik.

 

Im Rahmen der 76. VN-GV wurde die Resolution zur Sicherheit von Journalisten im Konsens angenommen. Neben Österreich, traditionell in der Kerngruppe vertreten, brachten weitere 106 Staaten diese Resolution mit ein. Inhaltliche Schwerpunkte waren ein verstärkter Fokus auf die Gender-Perspektive, die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Situation von Journalistinnen und Journalisten, die Stärkung des Fokus auf die Online-Sphäre, der Verurteilung extraterritorialer Angriffe, der Sorge über gezielte Angriffe auf Familienangehörige und Durchsuchungen von Wohnräumen, die Sorge über Repressalien gegen Journalistinnen und Journalisten aufgrund ihrer Arbeit sowie die Erwähnung des 10-jährigen Jubiläums des UN Plan of Action on the Safety of Journalists and the Issue of Impunity 2022.

 

Um die internationalen Bemühungen zur Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten wirksam zu koordinieren und den Informationsaustausch zu erleichtern, hat Österreich den Vorsitz in den thematischen Freundesgruppen in Genf und bei der UNESCO in Paris inne und ist Mitglied der entsprechenden Gruppen am VN-Amtssitz in New York und bei der OSZE.

 

Am 1. März veranstaltete Österreich federführend gemeinsam mit der UNESCO eine virtuelle Konferenz zur Rolle der Gerichtsbarkeit und Strafverfolgungsbehörden für die Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten („The role of the judiciary and international cooperation to foster safety of journalists – What works?”).

 

Anlässlich des Weltfrauentags unterstützte Österreich die UNESCO Kampagne gegen Online- Gewalt gegen Journalistinnen und sensibilisierte zur einschlägigen UNESCO-Studie, die zum Schluss kommt, dass 73 % der befragten Journalistinnen bereits von Online-Gewalt im Zusammenhang mit ihrer Arbeit betroffen waren. Die Freundesgruppen veröffentlichten zudem auf Initiative Österreichs im Mai anlässlich des Welttags der Pressefreiheit eine gemeinsame Erklärung. Österreich war Miteinbringer der Resolution bei der 41. Generalkonferenz zur Annahme der Prinzipien der Windhoek+30 Erklärung zur Information als öffentliches Gut.

 

Am Internationalen Tag der Pressefreiheit veröffentlichte Bundesminister Alexander Schallenberg gemeinsam mit seinem tschechischen und slowakischen Amtskollegen einen Meinungsartikel zum Thema Medienfreiheit in der Tageszeitung „Die Presse“.

 

Um sein Engagement zu unterstreichen, nahm er mit einem Redebeitrag an der Preisverleihung des diesjährigen World Congress des International Press Instituts teil.

 

Frauenrechte

 

Jüngste Krisen wie die COVID-19-Pandemie, aber auch der Klimawandel zeigten auf, dass Frauen und Mädchen überproportional von deren Auswirkungen – wirtschaftlicher Armut, mangelndem Zugang zu Bildung, unzureichender Gesundheitsversorgung, Zwangsehen, erhöhter Müttersterblichkeit und erhöhter Gewalt gegen Frauen und Mädchen – betroffen sind. Ein gezieltes Gegensteuern ist dringend geboten.

 

Die 65. Tagung der VN-Frauenstatuskommission (FSK) fand aufgrund der COVID-19-Pandemie weitgehend virtuell statt. Das Schwerpunktthema lautete: „Erhöhung der Teilnahme von Frauen und Mädchen am öffentlichen Leben und Beendigung der geschlechtsspezifischen Gewalt.“ Unter der Delegationsleitung von Bundesministerin Susanne Raab brachte sich Österreich im Rahmen der Generaldebatte, einem ministeriellen Runden Tisch sowie im Rahmen der Freundesgruppe zu Gewalt an Frauen und Mädchen aktiv ein und lud zu einer hochrangigen Veranstaltung mit der Exekutivdirektorin des UNODC Ghada Waly zu Bekämpfung von Zwangsehen. Die ADA organisierte darüber hinaus zwei gutbesuchte virtuelle Veranstaltungen zum Thema „Frauen, Friede und Sicherheit“ sowie der wirtschaftlichen Ermächtigung von Frauen durch den Abbau von negativen Stereotypen.

 

Österreich beteiligte sich auch an den Offenen Debatten des VN-SR zu sexueller Gewalt in Konflikten im April sowie zum Thema „Frauen, Frieden und Sicherheit“ im Oktober.

 

Österreich setzte sich in den Verhandlungen in der VN-GV und im VN-MRR gemeinsam mit anderen Staaten gegen die Verwässerung internationaler Standards zu Frauenrechten, insbesondere zu sexuellen und reproduktiven Rechten, ein. In der 76. VN-GV beteiligte sich Österreich an den Verhandlungen mehrerer Resolutionen zur Stärkung der Rechte von Frauen und Mädchen.

 

Auf EU-Ebene brachte sich Österreich im Rahmen strategischer Diskussionen zu Frauenfragen sowie im Rahmen der EU-High Level Task Force zur Umsetzung der VN-SR- Resolution 1325 und der Ratsarbeitsgruppe Menschenrechte aktiv ein. Dabei wurde insbesondere auch der Begriff der „gender equality“ als international etabliertes Konzept verteidigt.

 

Österreich nahm auch am Generation Equality Forum (GEF) teil, das vom 29.-31. März in Mexiko und von 30. Juni bis 2. Juli in Paris stattfand. 25 Jahre nach der bahnbrechenden Pekinger Weltfrauenkonferenz 1995 sollte das Forum eine neue Dynamik für die Umsetzung der Agenda zur Geschlechtergleichstellung, auch vor dem Hintergrund negativer Auswirkungen auf die weltweite Situation von Frauen und Mädchen durch die COVID-19-Pandemie, bringen. Österreich war dabei durch Bundeskanzler Sebastian Kurz vertreten, der im Rahmen der Eröffnungszeremonie eine Unterstützung von zwei Millionen Euro für die Bildung von Frauen und Mädchen in Syrien und dem Libanon ankündigte.

 

Darüber hinaus unterzeichnete Österreich den Compact on Women, Peace and Security and Humanitarian Action und gab Zusagen der OEZA in Höhe von 11,4 Millionen Euro ab, die in den nächsten fünf Jahren umgesetzt werden. Inhaltlich beteiligte sich die OEZA mit einer Veranstaltung zum Triple Nexus –  einem Ansatz, der auf einer stärkeren Zusammenarbeit und Koordination zwischen den Akteuren der Bereiche humanitäre Hilfe, Entwicklungszusammenarbeit und Friedensförderung basiert und seiner geschlechtersensiblen Umsetzung am GEF.

 

Um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass die Krise in Afghanistan zu einer akuten humanitären Notlage für die afghanische Zivilbevölkerung führte, die besonders Mädchen und Frauen trifft, wurden vom österreichischen Soforthilfepaket in der Höhe von 20 Millionen Euro für Afghanistan fünf Millionen Euro speziell für die Unterstützung von Mädchen und Frauen im Rahmen von Projekten von UN Women bereitgestellt.

 

Österreich engagierte sich weiterhin für die Ratifikation der Istanbul-Konvention des Europarats durch möglichst viele Mitgliedsstaaten, aber auch durch die EU selbst. Insbesondere rund um den 10. Jahrestag des Inkrafttretens der Konvention im Mai beteiligte sich Österreich gemeinsam mit gleichgesinnten Staaten an zahlreichen Initiativen, Demarchen und öffentlichen Schreiben. Darunter ist auch ein gemeinsamer Brief von 31 Ministerinnen und Ministern aus 16 Staaten, der von Bundesminister Alexander Schallenberg, Bundesministerin Susanne Raab und Bundesministerin Karoline Edtstadler unterzeichnet wurde. Mit dem Gutachten 1/19 des EuGHs vom 6. Oktober konnten rechtliche Unklarheiten über die Voraussetzungen des Abschlusses der Istanbul Konvention durch die EU beseitigt werden.

 

Österreich unterstützte die globale Kampagne „Orange the World – 16 days of activism against gender-based violence“, die von UN Women weltweit umgesetzt wird. Durch zahlreiche Initiativen des BMEIA in Österreich und durch die österreichischen Vertretungsbehörden weltweit konnte eine breite Öffentlichkeit für das Thema geschlechtsspezifische Gewalt sensibilisiert werden.

 

Hinsichtlich der Umsetzung der VN-SR- Resolution 1325 „Frauen, Frieden und Sicherheit“ wurde der 12. Bericht zum Nationalen Aktionsplan am 15. Dezember von der österreichischen Bundesregierung angenommen. Im Rahmen ihrer langjährigen politischen Schwerpunktsetzung zu diesem Thema fördert die OEZA die Stärkung von Frauen in Friedensprozessen, humanitären Situationen sowie in diesem Bereich arbeitende Journalistinnen. Das Engagement der OEZA bei der Bekämpfung sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt umschließt Präventivmaßnahmen und Soforthilfe für betroffene Frauen und Mädchen, etwa wie Telefon-Helplines in Palästina oder Mosambik, sowie die langfristige Stärkung der Rolle von Frauen, etwa durch wirtschaftliche Ermächtigung in Georgien. Zudem unterstützt die OEZA die Stärkung sexueller und reproduktiver Gesundheit und der dazugehörenden Rechte, etwa beim Einsatz in Flüchtlingslagern in Äthiopien sowie in der Bewusstseinsbildung gegen schädliche Praktiken wie „Female Genital Mutilation“ in Burkina Faso und Uganda.

 

Neue digitale Technologien

 

Neue digitale Technologien können die Verwirklichung von Menschenrechten fördern, können diese – ohne angemessene Maßnahmen – aber auch ernsthaft gefährden. Fake News, Cyberangriffe sowie durch Künstliche Intelligenz gesteuerte autonome Waffensysteme verlangen nach Antworten von Seiten der internationalen Gemeinschaft, zugleich dürten Forschung und Innovation jedoch nicht eingeschränkt werden. Auch im Cyber-Bereich müssen Menschenrechte, das Recht auf Privatsphäre, Demokratie und Transparenz geachtet werden. Die digitale Welt darf kein rechtsfreier Raum sein. Das Thema der neuen digitalen Technologien ist in nationalen und internationalen Debatten allgegenwärtig und durchdringt zahlreiche Arbeitsbereiche internationaler Organisationen. Österreich engagiert sich in internationalen Gremien für die Einhaltung und Umsetzung menschenrechtlicher Standards mit Blick auf die Entwicklung und Anwendung von neuen Technologien. Von zentraler Bedeutung ist dabei, dass menschenrechtliche Normen bereits jetzt auch im digitalen Raum und auf neue digitale Technologien anwendbar sind.

 

So stand in allen drei regulären Sitzungen des VN-MRR für Österreich die Arbeit zu diesem Thema im Fokus – mit Resolutionsinitiativen zu „Menschenrechten und neuen digitalen Technologien“ und dem „Recht auf Privatsphäre im digitalen Zeitalter“, an deren Ausarbeitung sich Österreich als Kerngruppenmitglied beteiligte.

 

Im Rahmen des 46. VN-MRR beteiligte sich Österreich an der Ausarbeitung der Resolution zur Mandatsverlängerung des Sonderberichterstatters zum Recht auf Privatsphäre im digitalen Zeitalter, die erstmals auch Elemente zu den Bereichen automatisierte Entscheidungsfindung, maschinelles Lernen und Gesichtserkennung enthielt. In Vorbereitung auf die mit Unterstützung Österreichs beim 47. VN-MRR ausgearbeitete Resolution zu Menschenrechten und neuen digitalen Technologien organisierte Österreich am 15. Juni – gemeinsam mit Südkorea und weiteren Partnern – eine Veranstaltung mit virtueller Teilnahme von Bundesminister Alexander Schallenberg und der VN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet. Die Resolution zu neuen Technologien und Menschenrechten stellt einen Erfolg dar und legt den Fokus auf die Notwendigkeit besseren Austauschs zwischen Tech- und Menschenrechtsexpertinnen und -experten, sowie auf die Umsetzung menschenrechtlicher Standards in der Tech-Industrie. Im Rahmen des 48. VN-MRR beteiligte sich Österreich an der Ausarbeitung der Resolution zum Recht auf Privatsphäre im digitalen Zeitalter, die im Konsens angenommen werden konnte. Als Fortsetzung des langjährigen österreichischen Schwerpunkts zu Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten in der Rechtspflege organisierte Österreich darüber hinaus gemeinsam mit dem Büro des Hohen Kommissars der VN für Menschenrechte (OHCHR) und UNODC eine virtuelle Veranstaltung zu den Auswirkungen digitaler Technologien auf den Schutz der Menschenrechte in der Justiz und im Strafvollzug.

 

Sowohl im Europarat im Rahmen der Machbarkeitsstudie und Entwicklung von Elementen für einen Rechtsrahmen für Künstliche Intelligenz als auch auf EU-Ebene (u.a. Verordnungsentwurf zur Regulierung Künstlicher Intelligenz) setzte Österreich einen Schwerpunkt in der Etablierung eines menschenrechtsbasierten Ansatzes. Darüber hinaus bemühte sich Österreich im Rahmen der EU um einen koordinierten, kohärenten und menschenrechtsbasierten Ansatz in Bezug auf neue digitale Technologien in internationalen Foren.

 

Im Rahmen der Freedom Online Coalition (FOC) beteiligte sich Österreich an der 2020 geschaffenen Taskforce zu Künstlicher Intelligenz und Menschenrechten, und initiierte – gemeinsam mit Finnland – die Taskforce „Silicon Valley“ zur Entwicklung des Austausches mit globalen Tech-Unternehmen. An der jährlich stattfindenden, hybrid abgehaltenen „Freedom Online Conference“ nahm Bundesminister Michael Linhart mit einer Erklärung zu Desinformation und Menschenrechten teil. Aus Anlass des 10-jährigen Bestehens der FOC wurde die „Helsinki Declaration“ verabschiedet. Diese bekräftigt den Schutz und die Förderung der Menschenrechte im online und offline Bereich, und ermutigt alle Beteiligten, gemeinsam auf eine regelbasierte, demokratische und digital inklusive Welt hinzuarbeiten, in der die Nutzung des Internets und digitaler Technologien die Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit stärkt.

 

Minderheitenschutz

 

Österreich engagiert sich weltweit gegen Ausgrenzung, Stigmatisierung und Verfolgung jener, die aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Sprache, ihrer Religion oder aus anderen Gründen als anders wahrgenommen werden. Denn Diskriminierung, Ausgrenzung und Hass können zu Gewalt und bewaffneten Konflikten führen.

 

Bei der 76. VN-GV brachte Österreich eine Resolution zum Schutz von nationalen oder ethnischen, religiösen und sprachlichen Minderheiten ein, mit der auf österreichische Initiative ein hochrangiges Treffen der VN-GV im September 2022 zum 30. Jahrestag der VN-Erklärung zu Rechten von Minderheiten mandatiert wird.

 

Österreich unterstützt aktiv das Mandat des VN-Sonderberichterstatters zu Minderheitenfragen Fernand de Varennes aus Kanada, und vor allem die Umsetzung der vom Sonderberichterstatter ins Leben gerufenen regionalen VN-Foren zu Minderheitenfragen. Pandemiebedingt fand das Regionalforum für Europa vom 12.-13. Oktober virtuell statt.

 

Von 2.-3. Dezember fand das von Österreich initiierte und maßgeblich finanziell unterstützte VN-Minderheitenforum in Genf zum Thema Konfliktprävention und Minderheitenrechte statt. Diese Dialogplattform zur Umsetzung der VN-Minderheitenerklärung stellt die Beteiligung der Zivilgesellschaft und von Vertreterinnen und Vertretern von Minderheiten aus der ganzen Welt in den Vordergrund und fand 2021 bereits zum 14. Mal statt.

 

In der EU wird dem Schutz und der Integration der Roma durch die Erstellung des Strategischen Rahmens der EU zur Gleichstellung, Inklusion und Teilhabe der Roma bis 2030 und der Überprüfung der Umsetzung der nationalen Strategien zur Inklusion der Roma große Bedeutung beigemessen. Österreich arbeitet konsequent an der nationalen Umsetzung der Roma-Strategie und berichtet der Europäischen Kommission regelmäßig über Fortschritte.

 

Österreich arbeitet eng mit den Monitoring-Mechanismen des Europarates im Bereich Minderheitenschutz zusammen, die durch die Charta für Regional- und Minderheitensprachen und das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten geregelt sind. Österreich hat seine Berichtspflichten gegenüber dem beratenden Ausschuss zum Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten sowie dem Sachverständigenausschuss der Charta für Regional- und Minderheitensprachen im Rahmen der regelmäßigen Staatenprüfungen umfassend erfüllt.

 

Religionsfreiheit und Schutz religiöser Minderheiten

 

Auf multilateraler Ebene brachte Österreich gemeinsam mit anderen EU-Mitgliedstaaten jeweils in der VN-GV und im VN-MRR Resolutionen zur Religionsfreiheit ein und unterstützte die Resolutionen der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) und damit auch das Mandat des Sonderberichterstatters zu Religionsfreiheit.

 

Österreich hat die schwierige Situation von religiösen Minderheiten regelmäßig in den Länderdebatten des VN-MRR und im Rahmen der UPR, aber auch in der VN-GV zur Sprache gebracht. Dies steht auch im Einklang mit einer verstärkten Prioritätensetzung der EU in diesem Bereich.

 

Die auf österreichische Initiative zustande gekommenen und 2013 vom Rat angenommenen EU-Leitlinien zur Religionsfreiheit sind auf EU-Ebene Schwerpunkte für die Umsetzung in Drittstaaten. Österreich ist Mitglied der dazu errichteten EU Task-Force und hat sich für die Wiederbelebung des Mandats des EU-Sonderbeauftragten für Religionsfreiheit eingesetzt.

 

Österreich ist Gründungsmitglied der von den USA im Februar 2020 ins Leben gerufenen Internationalen Allianz für Religions- und Glaubensfreiheit. Am 23. November nahm Österreich an einer virtuellen Ministerkonferenz zur Förderung der Religionsfreiheit sowie an der von Kanada koordinierten internationalen Kontaktgruppe zu Religions- und Glaubensfreiheit teil.

 

Kinderrechte

 

Bei der 76. VN-GV unterstützte Österreich die von der EU und der Gruppe der lateinamerikanischen und karibischen Staaten (GRULAC) eingebrachte biennale Kinderrechtsresolution, die das Schwerpunktthema „Kinderrechte und die Agenda 2030“ behandelte. Für Österreich stand dabei die Mandatierung der Fortführung der Arbeit zur VN- Globalstudie zu Kindern und Freiheitsentzug im Vordergrund.

 

Während des 46. VN-MRR beteiligte sich Österreich am Interaktiven Dialog mit der Sonderbeauftragten des VN-Generalsekretärs zu Gewalt gegen Kinder, zur Unterstützung der Empfehlungen der Globalstudie zu Kindern und Freiheitsentzug. Gemeinsam mit Slowenien und Kroatien brachte sich Österreich im Rahmen der Trilateralen Initiative in die jährliche Paneldebatte ein, die dem Thema Kinderrechte und Nachhaltige Entwicklungsziele gewidmet war. Als Mitglied der Freundesgruppe beteiligte sich Österreich darüber hinaus am Interaktiven Dialog mit der Sonderbeauftragten des VN-Generalsekretärs zu Kindern in bewaffneten Konflikten.

 

Österreich unterstützte eine Veranstaltung der Safe Schools Declaration am 28. Mai in Genf (die Erklärung zum Schutz von Schulen in bewaffneten Konflikten anerkennt die besondere Notwendigkeit des Schutzes von Bildungseinrichtungen) und unterzeichnete im Rahmen des 47. VN-MRR die gemeinsame Erklärung der Freundesgruppe der Safe Schools Declaration.

 

Anlässlich der COP26 in Glasgow unterstützte Österreich – gemeinsam mit 60 weiteren Staaten – eine Erklärung der Freundesgruppe zu Kindern und nachhaltigen Entwicklungszielen, die festhält, dass die Klimakrise auch eine Krise der Kinderrechte ist.

 

In Umsetzung der Entschließung des Nationalrates 103/E vom 14. Oktober 2020 (Aufforderung, menschenrechtswidriges Strafmündigkeitsalter in zahlreichen Staaten der Welt zu thematisieren) setzte sich Österreich in bilateralen Beziehungen und auch in multilateralen Foren für eine Erhöhung des Strafmündigkeitsalters ein – u.a. wurden im Rahmen des UPR entsprechend einschlägige Empfehlungen an betroffene Staaten abgegeben.

 

Die OEZA setzt sich in zweifacher Weise gezielt für die Rechte von Kindern ein. Einerseits wird angestrebt, in allen Aktivitäten auf Bedürfnisse und Rechte von Kindern im Rahmen des menschenrechtsbasierten Ansatzes besonders Rücksicht zu nehmen. Andererseits werden spezifische Projekte und Programme gefördert, die auf Schutz und Förderung der Rechte von Kindern abzielen. So werden die Lebensbedingungen von Kindern mit Behinderungen in Äthiopien, Syrien und Jordanien verbessert, Kinder auf der Flucht und Gastgemeinden in Burkina Faso unterstützt und gemeinsam mit UNICEF bessere Lebensbedingungen und soziale Inklusion von Roma-Kindern am Westbalkan gefördert.

 

Kampf gegen die Todesstrafe

 

Der Einsatz für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe ist weiterhin von oberster Priorität für die österreichische Außenpolitik. Gemeinsam mit einer breiten Gruppe von Staaten aus allen Regionen setzt sich Österreich für die weltweite Ächtung der Todesstrafe ein. Der allgemeine Trend zeigt seit mehreren Jahren in Richtung Abschaffung der Todesstrafe.

 

Die einschlägigen Bemühungen der VN, der Aufbau einer weltweiten Allianz von Hinrichtungsgegnerinnen und Hinrichtungsgegnern sowie die EU-Leitlinien bilden für Österreich wichtige Instrumente im Kampf gegen die Todesstrafe. Die jeweils zweijährigen Resolutionen in VN-GV und VN-MRR werden von Österreich unterstützt. So hat Österreich zuletzt aktiv an den Verhandlungen über die Resolution über die Schaffung eines weltweiten Moratoriums für die Todesstrafe bei der 76. VN-GV in New York und beim 48. VN-MRR teilgenommen und die Resolution miteingebracht.

 

Bei den universellen Staatenprüfungen durch den VN-MRR (UPR) gab Österreich den Staaten Singapur, Somalia, Thailand und Trinidad & Tobago Empfehlungen zur Abschaffung der Todesstrafe.

 

Die Todesstrafe wird in bilateralen Kontakten mit jenen Staaten, in denen sie verhängt wird, regelmäßig angesprochen. Österreich unterstützt EU-Interventionen und Demarchen, insbesondere bei unfairen Verfahren, geringfügigen Delikten, Schwangeren, Menschen mit geistiger Beeinträchtigung oder Personen, die zum Tatzeitpunkt minderjährig waren. Bei zahlreichen Einzelfällen interveniert Österreich bzw. unterstützt EU-Demarchen in Drittstaaten. Im Fall unmittelbar drohender Hinrichtungen wird die Frage oft direkt im bilateralen Kontakt aufgebracht. Das BMEIA pflegt eine enge Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Organisationen, die für die Abschaffung der Todesstrafe eintreten.

 

Das MDK des Europarates befasst sich regelmäßig mit der vollständigen und weltweiten Abschaffung der Todesstrafe. In mehreren EU-Erklärungen im Rahmen von MDK-Sitzungen wurdee Belarus, die USA und Japan für ihre Exekutionen kritisiert.

 

Anlässlich des Internationalen Tages gegen die Todesstrafe am 10. Oktober wurde eine gemeinsame Erklärung der Generalsekretärin des Europarates und des HV/VP der EU veröffentlicht.

 

Bekämpfung des Menschenhandels

 

Österreich ist sowohl als Transit- als auch als Zielland von Menschenhandel betroffen. Ein Großteil der Fälle betrifft Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, aber auch ausbeuterische Arbeitsverhältnisse sowie Fälle von Kinderhandel werden immer wieder aufgedeckt.

 

Innerstaatlich werden die Bemühungen zur Bekämpfung des Menschenhandels auf Basis der Nationalen Aktionspläne von der Task Force Menschenhandel koordiniert, in der das BMEIA den Vorsitz innehat. Die Leiterin der Rechts- und Konsularsektion, Petra Schneebauer, ist Nationale Koordinatorin zur Bekämpfung des Menschenhandels und Vorsitzende der Task Force. Aufgabe der Task Force ist es, Nationale Aktionspläne zur Bekämpfung des Menschenhandels auszuarbeiten und deren Umsetzung sicherzustellen. Der sechste Nationale Aktionsplan zur Bekämpfung des Menschenhandels (2021–2023) wurde am 28. Juli im Ministerrat beschlossen. Die Weiterentwicklung des Aktionsplans auf Basis eines umfassenden und menschenrechtsbasierten Ansatzes ist Teil des Regierungsprogramms, das die Bekämpfung des Menschenhandels zu einem Schwerpunkt erklärt hat.

 

Die Nationalen Aktionspläne verfolgen einen umfassenden Ansatz in der Bekämpfung des Menschenhandels und beinhalten Maßnahmen zu nationaler Koordination, Prävention, Opferschutz, Strafverfolgung und internationaler Zusammenarbeit. In der Task Force arbeiten die zuständigen Stellen des Bundes und der Länder, Sozialpartner und Nicht-Regierungsorganisationen eng zusammen. Um sich den komplexen Thematiken Kinderhandel, Prostitution und Arbeitsausbeutung eingehend widmen zu können, hat die Task Force Arbeitsgruppen zu diesen Themen unter Leitung der jeweils zuständigen Ministerien eingerichtet.

 

Anlässlich des EU-Tages zur Bekämpfung des Menschenhandels am 18. Oktober veranstaltet die Task Force jedes Jahr eine Konferenz, um verschiedene Aspekte des Menschenhandels stärker in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu rücken. Am 12. und 13. Oktober fand die Konferenz zum Thema „Follow the Money. Finanzielle Aspekte bei der Bekämpfung des Menschenhandels“ in der Diplomatischen Akademie (DA) in Wien statt.  Aufgrund der COVID- 19-bedingten Einschränkungen wurde die Veranstaltung in hybridem Format, mit 130 in Präsenz und knapp 500 virtuellen Teilnehmenden, abgehalten.

 

Österreich ist Vertragspartei internationaler Rechtsinstrumente zur Bekämpfung des Menschenhandels, wie etwa des Zusatzprotokolls zum VN-Übereinkommen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität und der Europarats-Konvention zur Bekämpfung des Menschenhandels sowie des Protokolls der Internationalen Arbeitsorganisation zum Übereinkommen über die Zwangsarbeit.

 

In der weltweiten Zusammenarbeit setzt Österreich die bewährte Kooperation mit internationalen Organisationen, wie mit UNODC, der OSZE, dem Europarat und GRETA, sowie mit dem ICMPD fort. Auf Projektebene unterstützt Österreich im Rahmen der Programme von UNODC Prävention von Menschenhandel und Opferschutz in Herkunfts- und Transitländern, wie etwa am Balkan und im Libanon. Zusammen mit der OSZE wird die Bekämpfung von Menschenhandel entlang der Migrationsrouten unterstützt.

 

Durch eine intensive Zusammenarbeit mit UNODC und der OSZE, sowie aufgrund der erfolgreichen Ansiedelung relevanter NGOs in den letzten Jahren, wird Wien auf internationaler Ebene verstärkt als „hub of expertise“ bei der Bekämpfung des Menschenhandels wahrgenommen.

 

Als Sitzstaat bedeutender internationaler Organisationen ist es für Österreich unerlässlich, den Schutz privater Hausangestellter von Diplomatinnen und Diplomaten sowie Bediensteten internationaler Organisationen vor Arbeitsausbeutung zu gewährleisten. Zu diesem Zweck führt das BMEIA seit einigen Jahren in Zusammenarbeit mit Opferschutzeinrichtungen regelmäßig Präventions- und Überprüfungsmaßnahmen, sowie Informationsveranstaltungen für Hausangestellte durch, und nimmt damit auf internationaler Ebene eine Vorreiterrolle ein.

 

Menschenrechtsbildung

 

Aufgabe der Menschenrechtsbildung ist es, Wissen und Information über Menschenrechte zu vermitteln sowie Verständnis dafür zu schaffen, Menschenrechte zu achten, zu schützen und im eigenen Umfeld selbst umzusetzen. Durch dieses umfassende Bildungsverständnis soll das Bewusstsein für Menschenrechte gestärkt und diese nachhaltig in der Gesellschaft umgesetzt werden. Mit dem vom Europäischen Trainings- und Forschungszentrum für Menschenrechte und Demokratie (ECT) Graz herausgegebenen Handbuch zur Menschenrechtsbildung „Menschenrechte verstehen“, stellt Österreich ein Instrument in 17 Sprachen zur Verfügung, das weltweit zum Einsatz kommt.

 

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Völkerrechtsbüros und der Menschenrechtsabteilung des BMEIA unterrichten regelmäßig an Universitäten und nehmen an Ausbildungsprogrammen der Diplomatischen Akademie teil, halten Vorträge, nehmen an Diskussionsveranstaltungen mit der interessierten Öffentlichkeit teil und pflegen den Austausch mit Studentinnen und Studenten sowie der Zivilgesellschaft.

 

3.6.2 Menschenrechte in den Vereinten Nationen

 

3.6.2.1 Mitgliedschaft im VN-Menschenrechtsrat

 

Österreich war von 1. Jänner 2019 bis 31. Dezember 2021 Mitglied des VN-MRR. Während seiner Mitgliedschaft im zentralen VN-Gremium für Menschenrechte setzte Österreich seine Schwerpunkte im Bereich der Menschenrechte mit Resolutionsinitiativen zu Minderheiten, Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten, Binnenvertriebenen und Menschenrechten in der Rechtspflege fort. Darüber hinaus legte Österreich einen besonderen Schwerpunkt auf den Schutz der Menschenrechte und digitale Technologien, einem neuen Feld, das vermehrt der Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft bedarf.

 

Mit der im Zuge der VN-MRR-Präsidentschaft 2020 erworbene Expertise zu institutionellen Fragen konnte sich Österreich vor allem innerhalb der EU einbringen. Die Präsidentin des VN-MRR, Botschafterin Nazhat Schameem Khan aus Fidschi, betraute Österreich darüber hinaus mit einer Fazilitatorenrolle für den seit einigen Jahren bestehenden Prozess zur Steigerung der Effizienz des VN-MRR und der Stärkung seiner Arbeitsmethoden. 

 

2021 war für alle Mitglieder des VN-MRR aufgrund der zahlreichen Menschenrechtskrisen, die einer dringlichen Behandlung bedurften, besonders intensiv. Schon am 12. Februar hielt der VN-MRR aufgrund des Militärputsches in Myanmar seine 29. Sondersitzung ab. Diese wurde gemeinsam von der EU und dem Vereinigten Königreich einberufen und nahm eine Resolution im Konsens an, die die Sorge der internationalen Gemeinschaft über die Entwicklungen im Land ausdrückte. Österreich beteiligte sich mit einer nationalen Erklärung an der Debatte und verurteilte den Militärputsch in Myanmar und die darauffolgenden Menschenrechtsverletzungen. 

 

Im Rahmen des hochrangigen Segments der 46. Tagung des VN-MRR vom 22. Februar bis 24. März betonte Bundesminister Alexander Schallenberg das anhaltende österreichische Engagement im Bereich der Menschenrechte, so etwa zur Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten sowie zum Schutz der Menschenrechte im Bereich der digitalen Technologien.

 

Österreich nahm an den interaktiven Dialogen zur Menschenrechtssituation in Belarus teil und verurteilte die Unterdrückung der Proteste und die Repression der Opposition. Außerdem forderte Österreich Rechenschaft für die in Belarus begangenen Menschenrechtsverletzungen. Darüber hinaus nahm Österreich an den interaktiven Dialogen zu Jemen, Syrien, Myanmar, Venezuela und Eritrea teil. Im Rahmen der Generaldebatte und dem interaktiven Dialog mit der VN-Hochkommissarin für Menschenrechte zeigte sich Österreich außerdem besorgt über die Entwicklungen in China, dem Iran, der Türkei, Äthiopien, Nicaragua, Sri Lanka und Kamerun.

 

Im Rahmen seiner thematischen Schwerpunktsetzung beteiligte sich Österreich an den Debatten zu Menschenrechtsverteidigern, Menschenrechten und Umwelt, Gewalt gegen Kinder und Minderheiten. Gemeinsam mit den Mitgliedern der quadrilateralen Initiative (Slowenien, Schweiz und Liechtenstein) forderte Österreich während einer Paneldebatte die weltweite Abschaffung der Todesstrafe ein.

 

Die EU brachte erneut ihre Ablehnung der Ungleichbehandlung der Situation Israels zum Ausdruck. Österreich stimmte wie 2020 bei der Resolution zum Selbstbestimmungsrecht des Palästinensischen Volkes mit Ja und enthielt sich bei der Resolution zu den israelischen Siedlungen in den besetzten Gebieten. Außerdem wurden mit der Unterstützung Österreichs Länderresolutionen zu Myanmar, Sri Lanka, Südsudan, Syrien und Nicaragua angenommen. In einer gemeinsamen Resolution der EU wurde ein Mechanismus zur Untersuchung der Menschenrechtsverletzungen in Belarus im Kontext der Präsidentschaftswahlen 2020 angenommen.

 

Am 27. Mai hielt der VN-MRR seine 30. Sondersitzung zur sich verschlechternden Menschenrechtssituation in den besetzten palästinensischen Gebieten, einschließlich Ostjerusalem, ab. Die im Rahmen der Sondersitzung angenommene Resolution, die eine zeitlich unbegrenzte Untersuchungskommission einrichtete, wurde von Österreich, und einigen anderen EU-Mitgliedsstaaten, abgelehnt. Österreich brachte in einer Votumserklärung abermals seine Ablehnung gegen die Ungleichbehandlung der Situation in Israel zum Ausdruck.

 

Die 47. Tagung des VN-MRR vom 21. Juni bis 14. Juli stand wie alle Juni-Tagungen im Zeichen der Frauenrechte. Österreich setzte sich in den Resolutionsverhandlungen stark für den weltweiten Schutz der Frauenrechte ein.

 

Österreich beteiligte sich außerdem an den interaktiven Dialogen und Debatten zu den Menschenrechtssituationen in Belarus, Eritrea, Myanmar und Venezuela und unterstützte in einer Debatte zur Ukraine die Souveränität und territoriale Integrität des Landes und forderte Zugang für internationale Menschenrechtsmechanismen zur illegal annektierten Halbinsel Krim. In einem interaktiven Dialog mit der Hochkommissarin für Menschenrechte drückte Österreich seine Sorge über die Entwicklungen in der Türkei, dem Iran, Ägypten, Russland, China und Äthiopien aus. Österreich schloss sich darüber hinaus einer viel beachteten Gemeinsamen Erklärung zur Menschenrechtssituation in Xinjiang/China an. 

 

Darüber hinaus gab Österreich Erklärungen in Debatten zu den Menschenrechten von LGBTQ-Personen, Frauenrechten, systemischem Rassismus, weiblicher Genitalverstümmelung, Meinungsäußerungsfreiheit und Binnenvertriebenen ab.

 

Österreich beteiligte sich im Rahmen der 47. Tagung an der Ausarbeitung von zwei Resolutionsinitiativen in seinen thematischen Schwerpunktbereichen: die Resolution zu neuen Technologien und Menschenrechten stellte einen großen Erfolg dar.

 

Darüber hinaus setzte sich Österreich im Rahmen einer überregionalen Kerngruppe für eine starke Resolution zu den negativen Auswirkungen der Korruption auf die Menschenrechte ein.

 

Des Weiteren unterstützte Österreich aktiv die Annahme der Resolutionen zur Mandatsverlängerung der Sonderberichterstatterin zu Eritrea, jener zu Belarus und die Resolutionen zur Menschenrechtssituation in Tigray/Äthiopien, sowie Syrien.

 

Am 24. August hielt der VN-MRR auf Ansuchen Afghanistans und mit Unterstützung von insgesamt 29 MRR-Mitgliedern, darunter Österreich, seine 31. Sondersitzung über die Menschenrechtssituation in Afghanistan ab. Österreich drückte in einer Erklärung während der Sondersitzung seine große Sorge über die Entwicklungen in Afghanistan, besonders die Situation für Frauen und Minderheiten, aus. Die vom VN-MRR im Konsens verabschiedete Resolution blieb hinter den Erwartungen vieler Staaten zurück, was in einer von Österreich verlesenen Erklärung der EU zum Ausdruck gebracht wurde.

 

Die 48. Tagung des VN-MRR vom 13. September bis 11. Oktober stand im Zeichen des Klimawandels und der Umwelt. In einer von Österreich unterstützten Resolution anerkannte der VN-MRR das Recht auf eine gesunde, nachhaltige und saubere Umwelt an. Zusätzlich richtete der VN-MRR in einer von Österreich miteingebrachten Resolution einen Sonderberichterstatter für die Auswirkungen des Klimawandels auf die Menschenrechte ein.

 

Österreich setzte mit zwei Gemeinsamen Erklärungen, die jeweils von insgesamt 53 Staaten unterstützt wurden, thematische Schwerpunkte: in einer im Slavkov/Austerlitz 3 Format ausgearbeiteten und von Bundesminister Alexander Schallenberg verlesenen Erklärung wurde das österreichische Bekenntnis zur weltweiten Bekämpfung des Antisemitismus untermauert. Des Weiteren verlas Österreich als Follow-Up zu der erstmals im September 2020 von Österreich gesetzten Initiative eine Gemeinsame Erklärung zu den Rechten intergeschlechtlicher Personen.

 

Österreich beteiligte sich im Rahmen der 48. Tagung darüber hinaus an den Interaktiven Dialogen und Debatten zu Myanmar, Tigray, Belarus, Libyen und brachte in weiteren Erklärungen seine Sorge über die Menschenrechtssituationen in Afghanistan, Nicaragua, Jemen, Kamerun, Syrien, Venezuela und Burundi zum Ausdruck. Österreich verlas im Namen der Freundesgruppe zur Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten eine Erklärung zur Situation in Afghanistan.

 

Nach dem aus EU-Sicht eher enttäuschenden Ergebnis der 31. Sondersitzung zu Afghanistan präsentierte die EU eine Resolution zur Einrichtung eines Sonderberichterstatters zur Menschenrechtssituation in Afghanistan, die Österreich aktiv unterstützte. Darüber hinaus unterstützte Österreich Resolutionen zu den Situationen in Burundi, Syrien und Libyen. Österreich setzte sich auch für die Verlängerung der Expertengruppe zum Jemen ein, die allerdings vom VN-MRR aufgrund des Widerstands zahlreicher Staaten abgelehnt wurde.

 

Aufgrund des Militärputsches im Sudan hielt der VN-MRR am 5. November seine 32. Sondersitzung ab. Die Sondersitzung wurde vom Vereinigten Königreich, Deutschland, Norwegen, den USA und dem Sudan selbst mit der Unterstützung von insgesamt 55 Staaten, darunter Österreich, einberufen. Österreich verurteilte in einem nationalen Statement den Putsch, forderte eine Rückkehr zum demokratischen Übergangsprozess und unterstützte die Kerngruppe aktiv in den Verhandlungen, um die Einrichtung eines Unabhängigen Experten zur Menschenrechtssituation mit möglichst breiter Unterstützung zu ermöglichen.

 

Aufgrund der sich zuspitzenden Menschenrechtssituation in Äthiopien hielt der VN-MRR am 17. Dezember seine 33. Sondersitzung ab. Die Sondersitzung wurde von der EU mit der Unterstützung von insgesamt 53 Staaten, darunter Österreich, einberufen. Österreich beteiligte sich an der Plenardebatte mit einem nationalen Statement. Mit der durch eine Abstimmung angenommenen Resolution, wurde eine internationale Menschenrechtskommission geschaffen, welche die Menschenrechtsverletzungen in Äthiopien untersuchen und Bericht erstatten soll.

 

Darüber hinaus unterzog sich Österreich im Jänner bereits zum dritten Mal der UPR (Universal Periodic Review) durch den VN-MRR, in deren Rahmen 116 Staaten insgesamt 317 Empfehlungen an Österreich aussprachen, wie der Schutz und die Förderung der Menschenrechte in Österreich gestärkt werde könne. Es wurden Empfehlungen zu Themen wie Verbesserung des Diskriminierungsschutzes, Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit, Verhetzung und Hassverbrechen, Gleichstellung von Frauen am Arbeitsmarkt, Zugang zu Bildung für alle Kinder, unabhängige Untersuchung von Polizeiübergriffen, weitere Maßnahmen gegen Menschenhandel, Schutz der Rechte nationaler Minderheiten, Menschenrechte und Wirtschaft, Ratifikation internationaler Konventionen sowie Anhebung der Mittel für öffentliche Entwicklungszusammenarbeit auf 0,7 % des Bruttonationaleinkommens formuliert. Österreich nahm 236 der 317 an Österreich abgegebenen Empfehlungen mit der Verpflichtung an, sie bis zur nächsten UPR (voraussichtlich im Jahr 2026) umzusetzen. Im nunmehrigen Umsetzungsprozess wird großes Augenmerk auf die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft gelegt.

Bei den insgesamt drei Tagungen der Arbeitsgruppe zur UPR gab Österreich Empfehlungen an folgende Länder ab: Georgien, Libanon, Ruanda, Myanmar, Namibia, Mosambik, Estland, Belgien, Dänemark, Somalia, Lettland, Singapur, Thailand, Tadschikistan, Griechenland, Tansania, Ungarn, Irland, und Trinidad & Tobago. Die österreichischen Empfehlungen orientierten sich u.a. an den österreichischen Schwerpunkten Minderheitenrechte, Pressefreiheit und der Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten, Rechte von Frauen und Kindern sowie Rechtsstaatlichkeit.

 

Menschenrechte in der Generalversammlung der Vereinten Nationen

 

Im Dritten Komitee der 76. VN-GV wurden 58 Resolutionen zu menschenrechtlichen und sozialen Themen verhandelt. Insgesamt hat sich die Anzahl der Abstimmungen (18) im Vergleich zum Vorjahr kaum verändert. Österreich brachte eine Resolution zu den Rechten von Minderheiten mit einem Fokus auf das dreißigjährige Jubiläum der VN-Erklärung zu Minderheiten in 2022 sowie zum Thema Hate Speech und Soziale Medien ein, die von 58 Staaten aus allen Regionen miteingebracht und im Konsens angenommen wurde.

 

Unter den weiteren Resolutionen sind die Annahme der traditionellen EU-Initiativen zur Menschenrechtssituation in Nordkorea und zur Religions- und Glaubensfreiheit als Erfolg zu nennen. Darüber hinaus konnte die EU in Zusammenarbeit mit der OIC eine Resolution zur Menschenrechtssituation in Myanmar zur Annahme bringen, welche die Vertreibung der Rohingya-Minderheit und die damit verbundenen Menschenrechtsverletzungen verurteilt, und erstmals im Konsens angenommen wurde. Auch die Abstimmungen über Resolutionen zur Menschenrechtssituation im Iran, in Syrien sowie zu Ukraine/Krim waren erfolgreich.

 

Einen Erfolg stellt auch die Annahme von Resolutionen zu Rechten von Menschen mit Behinderungen und zum Schutz von Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidigern dar. Der Konsens zur EU- Resolution über Religionsfreiheit und zu jener der OIC gegen religiöse Intoleranz konnte gewahrt werden. Die von der EU und der Gruppe der lateinamerikanischen Staaten initiierte Resolution zu Kinderrechten, die das Schwerpunktthema „Kinderrechte und die nachhaltigen Entwicklungsziele der VN“ gewidmet war, wurde im Konsens angenommen. Die Verhandlungen über die von Russland initiierte Resolution zu gegenwärtigen Formen von Rassismus und der Bekämpfung der Verherrlichung von Nazismus bzw. Neonazismus brachten nur unwesentliche Änderungen des Resolutionstextes im Vergleich zu den Vorjahren. Die EU-Mitgliedstaaten enthielten sich daher wieder geschlossen der Stimme. In einer Erklärung verurteilte die EU in aller Deutlichkeit alle während der nationalsozialistischen Herrschaft begangenen Verbrechen, insbesondere den Holocaust, und forderte effektive Maßnahmen zur Bekämpfung des Neonazismus in all seinen Formen. Zudem nahm das Dritte Komitee erneut mehrere Resolutionen zur Stärkung der Rechte von Frauen an, darunter jene zum Schutz von Arbeitsmigrantinnen und zur Förderung der Rechte von Frauen in ländlichen Gemeinden. Die Verhandlungen verliefen teils kontrovers, besonders in Bezug auf sexuelle und reproduktive Gesundheit, die Resolutionen konnten aber im Konsens angenommen werden. Die afrikanische Gruppe brachte eine neue Resolutionsinitiative zur menschenrechtlichen Situation von Witwen ein, die aufgrund von Verzögerungen im Prozess erst nach Beendigung des Dritten Komitees verhandelt wurde.

 

Österreich übernahm im Rahmen der akkordierten EU-Position die Rolle des EU-Verhandlungsführers bei zwei Resolutionen. Mit der Einbringung der Resolutionen zu Menschenrechten von Minderheiten und zum Schutz von Journalistinnen und Journalisten setzte Österreich auch nationale Akzente. Österreich beteiligte sich aktiv an den Verhandlungen der Resolutionen zu Kinderrechten.

 

Zusätzlich zu den jeweiligen EU-Erklärungen gab Österreich sechs Erklärungen in nationaler Eigenschaft mit den Sonderberichterstatterinnen und Sonderberichterstattern zur Meinungsäußerungsfreiheit, zu Binnenvertriebenen, zu Minderheiten, zu Religions-und Glaubensfreiheit, dem Recht auf Privatsphäre und zur Menschenrechtslage in Belarus ab.

 

Die Ständige Vertretung Österreichs bei den VN in New York war im engen Austausch mit der österreichischen VN-Jugenddelegierten der Bundesjugendvertretung. Die Jugenddelegierte nahm am interaktiven Dialog mit der Sonderberichterstatterin für Recht auf physische und mentale Gesundheit teil. Österreich gab im Namen einer Gruppe von Staaten – Liechtenstein, Schweiz, Slowenien – eine Erklärung im interaktiven Dialog mit dem unabhängigen Experten für sexuelle Orientierung und Gender-Identität ab und schloss sich außerdem mit 42 anderen Staaten einer Erklärung zur Situation der uighurischen Minderheit in China und gemeinsam mit 44 anderen Staaten einer Erklärung zur Menschenrechtslage in Belarus an.

 

Des Weiteren organisierte Österreich mit dem Hochkommissar für nationale Minderheiten der OSZE, dem VN-Sonderberichterstatter für Minderheiten und dem OHCHR einen runden Tisch zu Minderheitenrechten und der Agenda 2030. Gemeinsam mit dem New Yorker Verbindungsbüro des UNODC organisierte Österreich auch eine Veranstaltung zu den Arbeiten der VN-Kommission für Kriminalprävention und Strafjustiz sowie der VN-Suchstoffkommission und deren Relevanz für das 3. Komitee der VN-GV.

 

3.6.3 Menschenrechte in der Europäischen Union

 

Die Entwicklung und Festigung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie die Wahrung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sind in Art. 21 des Vertrags über die EU (EUV) als Zielsetzungen der GASP definiert. Der Schutz der Grundrechte ist eine Querschnittsmaterie, die in alle Tätigkeitsbereiche der EU hineinwirkt. Fragen der EU-Menschenrechtspolitik werden in der Ratsarbeitsgruppe für Grundrechte, Bürgerrechte und Bewegungsfreiheit (FREMP) behandelt.

 

2021 standen u.a. die Themen Beitritt der EU zur EMRK, Gewalt gegen Frauen, die Bekämpfung von Antisemitismus und die wirksame Umsetzung der Grundrechtecharta der EU im Vordergrund. Österreich setzt sich weiterhin für eine konsequente EU-Menschenrechtspolitik ein und fordert eine bessere Integration der Menschenrechte in alle EU-Politikbereiche.

 

Die EU beteiligte sich an der 7. Sitzung der intergouvernementalen Arbeitsgruppe zur Ausarbeitung eines rechtlich bindenden internationalen Instruments zu transnationalen Unternehmen und Menschenrechten, die Ende Oktober in Genf tagte.

 

Österreich unterstützt den EU-Aktionsplan für Menschenrechte und Demokratie 2020–2024 als wesentliches Instrument für das kohärente Vorgehen der EU im gemeinsamen Engagement für Menschenrechte und setzt sich für eine regelmäßige Evaluierung seiner Umsetzung ein.

 

Der Aktionsplan ist auch eine wichtige Anleitung für die Tätigkeiten des EU-Sonderbeauftragten für Menschenrechte (EUSB) Eamon Gilmore. Mit dem Ziel, die Menschenrechte in Drittstaaten zu stärken, setzte er die Dialogbemühungen der EU mittels teils virtueller Konsultationen u. a. mit Afghanistan, der AU, Belarus, Kolumbien, Pakistan, der Ukraine und Zentralasien fort.

 

Ein integraler Bestandteil der EU-Menschenrechtspolitik ist eine Reihe von Leitlinien zu Menschenrechten in prioritären Themenfeldern. Die Leitlinien sollen ein koordiniertes und kohärentes Vorgehen der EU-Akteurinnen und Akteure sowie Mitgliedstaaten gegenüber Drittstaaten in menschenrechtlichen Fragen gewährleisten. Diese Leitlinien umfassen unter anderem jeweils einen Katalog konkreter Maßnahmen für das ständige Engagement der EU gegen Todesstrafe und Folter, zum Schutz und zur Förderung der Kinderrechte, zu Menschenrechtsdialogen mit Drittstaaten, zum Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten, zum Schutz und zur Förderung von Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidigern, zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, zum Humanitären Völkerrecht, zu den Menschenrechten von LGBTIQ-Personen, zu Religions- und Glaubensfreiheit, sicherem Trinkwasser und Sanitärversorgung sowie zum Schutz der Meinungsfreiheit online und offline. Österreich setzt sich für die volle Umsetzung und Weiterentwicklung dieser Leitlinien ein.

 

Das Europäische Instrument für Demokratie und Menschenrechte (EIDHR) ging im neugeschaffenen Instrument für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit – Europa in der Welt (NDICI-GE) auf, wobei Menschenrechte und Demokratie nun eine eigenständige thematische Säule innerhalb des Instruments bilden. Die Durchführung obliegt der Europäischen Kommission, die dabei von einer eigenen Ausschussformation für Menschenrechte und Demokratie geleitet und unterstützt wird.

 

Ein konkreter Beitrag zur weltweiten Stärkung der Demokratie sind auch die seit dem Jahr 2000 durchgeführten EU-Wahlbeobachtungsmissionen, an denen sich Österreich regelmäßig durch Nominierung von Wahlbeobachterinnen und Wahlbeobachtern beteiligt. Der Ausbruch von COVID-19 bedingte, dass geplante Wahlbeobachtungmissionen abgesagt wurden, da die jeweiligen Wahlen verschoben wurden oder die Lage vor Ort keine Entsendung von Beobachtungsteams zuließ. Beobachtungsmissionen fanden in Honduras, Irak, Kosovo, Sambia und Venezuela statt.

 

In Grundrechtsfragen werden die Organe der EU und die EU-Mitgliedstaaten von der Agentur der EU für Grundrechte (GRA) mit Sitz in Wien beraten. Die GRA sammelt Informationen über die Grundrechtesituation in der gesamten EU und erstellt auf diesen Informationen beruhende Empfehlungen zur Verbesserung der Situation. Die GRA untersuchte die in Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie gesetzten Maßnahmen in den EU-Mitgliedstaaten und ihre Auswirkungen auf die Menschenrechte, und unterstützte die EU-Mitgliedstaaten mit praxisnahen Ratschlägen und Berichten etwa in den Bereichen Opferschutz, rechtlicher Zusammenarbeit, Antidiskriminierung, Rassismus, Kinderrechten, der Integration von Roma, Migration und Asyl sowie Datenschutz und Privatsphäre. Österreich arbeitet mit der GRA seit deren Gründung eng zusammen.

 

Strukturierte Menschenrechtsdialoge

 

Die EU wendet eigene Leitlinien für Menschenrechtsdialoge an und legt dabei unterschiedliche Dialogformen fest: Strukturierte Menschenrechtsdialoge, ad-hoc Dialoge, Konsultationen, Dialoge mit Staatengruppen sowie Experteninnen- und Expertentreffen mit gleichgesinnten Staaten im Vorfeld von menschenrechtlichen Großveranstaltungen. Die EU hält Menschenrechtsdialoge mit über 60 Staaten und Staatengruppen ab, wobei die jeweils besprochenen Themen, Problembereiche und Kooperationsmöglichkeiten von Fall zu Fall festgelegt werden.

So werden beispielsweise besonders oft die Themenbereiche Minderheitenrechte, Frauenrechte, Todesstrafe, Religions- und Glaubensfreiheit, Demokratisierung, Rechtsstaatlichkeit, Kinderrechte und Entwicklung der Zivilgesellschaft angesprochen. Die EU ist dabei bemüht, auch die Zivilgesellschaft aktiv einzubeziehen, etwa durch gemeinsame Vorbereitungstreffen im Vorfeld der Dialoge. Die Dialoge finden meist abwechselnd in der EU und im jeweiligen Partnerstaat statt.

 

Seit Ausbruch der COVID-19-Pandemie mussten die Menschenrechtsdialoge und-konsultationen sowie Unterausschüsse der EU hauptsächlich virtuell abgehalten werden. Gespräche wurden mit Afghanistan, der AU, Albanien, Armenien, Aserbaidschan, Australien, Bahrain, Bosnien und Herzegowina, Brasilien, Ecuador, Georgien, Indien, Indonesien, Japan, Kasachstan, Katar, Kirgisistan, Kuba, Kuweit, Laos, Moldau, Marokko, Neuseeland, Nord Mazedonien, Pakistan, Palästina, den Philippinen, Saudi-Arabien, Serbien, Sri Lanka, Taiwan, Tunesien, Turkmenistan, der Türkei, der Ukraine, Usbekistan sowie den Vereinigten Arabischen Emiraten geführt. Der Dialog mit dem Iran ist seit 2004 suspendiert. Die Dialoge mit Belarus und China wurden 2021 suspendiert.

 

3.6.4. Menschenrechte im Europarat

 

Das Menschenrechtsschutzsystem des Europarates beruht auf der EMRK und der rechtlichen Bindungswirkung der Urteile des EGMR. Mit dem im Jahr 2019 beendeten „Interlaken-Prozess“, der auf eine Stärkung des EMRK- Systems und dessen langfristige Effektivität abzielt, und mit dem 14. Zusatzprotokoll zur EMRK wurden wichtige Schritte zur Nachhaltigkeit des EMRK-Systems gesetzt. Im Zuge dieser Reformen wurde die sehr hohe Zahl anhängiger Fälle stark verringert. Von ursprünglich über 160.000 pendelte sie sich in den letzten Jahren auf etwa 60.000 Fälle ein.

 

Am 1. August trat das 15. Zusatzprotokoll zur EMRK in Kraft, das die Effizienz des EGMR gewährleisten und verbessern soll. Unter anderem verkürzt sich durch die Vertragsänderung die Beschwerdefrist an den EGMR von sechs auf vier Monate. Zudem werden das Prinzip der Subsidiarität gegenüber der nationalen Rechtsprechung und ein Ermessensspielraum für die Mitgliedstaaten niedergelegt.

 

Die EMRK sieht unter Art. 15 im Falle eines Notstands die Möglichkeit vor, die Anwendung einzelner Bestimmungen der EMRK auszusetzen (Notstandsklausel). Die COVID-19-Pandemie brachte – wie bereits 2020, allerdings bei weniger Staaten – eine Aussetzung einzelner EMRK-Artikel (Georgien, Lettland, Republik Moldau). Der Großteil der Vertragsstaaten sah die innerstaatlichen Einschränkungen der Grundrechte jedoch durch die bestehenden Möglichkeiten unter der EMRK gedeckt.

 

Die Umsetzung von EGMR-Urteilen war erneut ein Schwerpunkt der Arbeit des Europarats. Für den Vorsitz Deutschlands im MDK war die Umsetzung von Urteilen ein zentrales Element. Die Nicht-Umsetzung des Urteils gegen die Türkei im Fall der langjährigen Untersuchungshaft von Osman Kavala führte zu regelmäßigen Diskussionen und im Dezember zur Einleitung eines „Verstoßverfahrens“ gegen die Türkei, durch das bei anhaltender Nichtfreilassung Kavalas der EGMR ersucht wird, neuerlich darüber zu urteilen, ob die Türkei ihre Verpflichtung zur Umsetzung der Urteile verletzt hat. Auch mit Russland gab es eine ganze Reihe von Problemen mit der Umsetzung von EGMR-Urteilen.

 

Der Vertrag von Lissabon sieht den Beitritt der EU zur EMRK vor. Damit soll erreicht werden, dass Unionsrechtsakte auch auf Basis von Individualbeschwerden vom EGMR auf ihre Vereinbarkeit mit der EMRK überprüft werden können. Ein 2013 finalisiertes Abkommen über den Beitritt wurde vom EuGH in mehreren Punkten beanstandet und muss daher nachverhandelt werden. Der Beitrittsprozess erhielt unter dem österreichischen und folgenden EU-Ratsvorsitz neuen Anstoß. Im September 2020 wurden schließlich die Verhandlungen in der Gruppe 47+1, der 47 Europarats-Mitglieder und der EU, wiederaufgenommen. 2021 fanden dazu fünf Sitzungen in hybridem Format statt, es konnte noch nicht zu allen offenen Punkten eine Einigung erzielt werden.

 

Das MDK befasst sich regelmäßig mit der vollständigen und weltweiten Abschaffung der Todesstrafe und nahm zwei Erklärungen dazu an. Anlässlich des Internationalen Tages gegen die Todesstrafe am 10. Oktober wurde erneut eine gemeinsame Erklärung der Generalsekretärin des Europarates und des HV/VP der EU veröffentlicht.

 

Die Menschenrechtskommissarin des Europarates Dunja Mijatović absolvierte Länderbesuche in Malta und Polen, sowie eine Kontaktmission in die Ukraine. Ihre ansonsten rege Reisetätigkeit war durch COVID-19 erneut stark eingeschränkt, sie legte aber eine Reihe von Stellungnahmen zur Situation gefährdeter Gruppen vor. Ihre jeweiligen Berichte und Stellungnahmen zu länderspezifischen und thematischen Entwicklungen tragen dazu bei, die Bewusstseinsbildung für Menschenrechte in den Mitgliedstaaten zu stärken. Ein besonderer Schwerpunkt wird regelmäßig auf den Schutz von Menschenrechtsverteidigerinnen und Menschenrechtsverteidiger gelegt. Ihr bereits 2020 vorgesehener Besuch in Österreich fand im Dezember statt und widmete sich schwerpunktmäßig Flüchtlingsthemen und Frauenfragen.

 

3.6.5 Internationaler Strafgerichtshof

 

Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag ist ein durch das Römer Statut (RS) von 1998 geschaffenes, ständiges internationales Strafgericht. Seine Zuständigkeit umfasst die Tatbestände Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Verbrechen der Aggression. Das RS normiert eine komplementäre Zuständigkeit des IStGH, die nur dann greift, wenn die zur Strafverfolgung zuständigen Staaten nicht willens oder nicht in der Lage sind, die Verbrechen zu untersuchen bzw. zu verfolgen. Dem Gerichtshof gehören 123 Vertragsstaaten an.

 

Am 16. Juni folgte Karim Khan als neuer Ankläger des IStGH Fatou Bensouda nach. Khan war am 12. Februar von den Vertragsstaaten des RS zum neuen Ankläger gewählt worden. Das Amt des Präsidenten des Gerichtshofs übernahm im März Richter Piotr Hofmański, neue Präsidentin der Versammlung der Vertragsstaaten ist seit Februar Silvia Fernández de Gurmendi.

 

16 Situationen waren Ende des Jahres beim IStGH anhängig: Uganda, Demokratische Republik Kongo, Darfur/Sudan, Zentralafrikanische Republik I und II, Kenia, Libyen, Elfenbeinküste, Mali, Georgien, Burundi, Bangladesch/Myanmar, Afghanistan, Palästina, Philippinen und Venezuela I. Darüber hinaus führt die Anklagebehörde in fünf Situationen Vorprüfungen durch (Guinea, Nigeria, Ukraine, Venezuela II und Bolivien).

 

Die 20. IStGH-Vertragsstaatenversammlung (ASP) fand von 5.-10. Dezember in Den Haag statt und wurde auf Grund der COVID-19-Pandemie im hybriden Format abgehalten. Der 2020 durch eine Resolution der ASP eingerichtete Mechanismus, der die Umsetzung der im Bericht der unabhängigen Expertinnen und Experten zur Überprüfung des Gerichtshofs enthaltenen 384 Empfehlungen begleiten und koordinieren soll, wurde um ein Jahr verlängert. Die ASP wählte Frau Nazhat Shameen Khan (Fidschi) und Herrn Mame Mandiaye Niang (Senegal) zu stellvertretenden Anklägerinnen und Anklägern des IStGH. Außerdem wurden fünf neue Mitglieder des Verwaltungsrats des Opfertreuhandfonds und neun neue Mitglieder des Beratenden Ausschusses betreffend die Nominierung von Richterinnen und Richtern gewählt.

 

3.7 Klimaschutz, Umwelt und Energiefragen

 

3.7.1 Klimawandel und Klimapolitik

 

Nach COVID-19-bedingter Unterbrechung 2020 konnten die internationalen Klimaverhandlungen bei der COP26 in Glasgow vom 31. Oktober bis 13. November wiederaufgenommen werden. Über die noch offenen Punkte zur Ausgestaltung des Übereinkommens konnte in Glasgow Einigkeit erzielt werden. Österreich ist eines der ambitioniertesten Länder im Klimaschutz und nahm mit Bundeskanzler Alexander Schallenberg in Begleitung von Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung, auch am World Leaders Summit der COP26 am 1. und 2. November teil. Damit setzte Österreich ein Zeichen für die Zusammenarbeit mit Unternehmen. Zu den wichtigsten Entscheidungen der COP26 zählen die Regeln für Marktmechanismen in Art. 6 des Pariser Übereinkommens – Bundesministerin Leonore Gewessler verhandelte für die EU – und für das Berichtswesen. Ein weiterer Erfolg war das klare Bekenntnis zum 1,5-Grad-Ziel. Dieses Ziel des Pariser Übereinkommens schien zwischenzeitlich angesichts der in Summe zu wenig ambitionierten nationalen Beiträge (NDCs) und der bereits tatsächlich erfolgten globalen Erwärmung von 1,1 Grad gefährdet. Das nahezu ungebremste Fortschreiten des Klimawandels wurde erst im August im jüngsten Sachstandsberichts des VN-Klimarats (IPCC) erneut dokumentiert. Umso wichtiger ist daher das Netto-Null Emissionsziel und somit langfristig das Erreichen von Klimaneutralität. Zahlreiche große Volkswirtschaften, die gemeinsam rund 90 % der globalen Treibhausgasemissionen verursachen, haben sich bei der COP26 oder bereits im Vorfeld dazu bekannt. Erstmals wurde in der Rahmenentscheidung die Kohle als Hauptverursacher des Klimawandels genannt, wenngleich die diesbezügliche Formulierung noch einen unzureichenden Kompromiss darstellte („phase-down“ statt „phase-out“).

 

Die EU möchte mit der grünen Wachstumsstrategie des European Green Deal (EGD) bis 2050 gänzlich klimaneutral wirtschaften. Verankert wurde das langfristige Klimaneutralitätsziel bis 2050 im europäischen Klimagesetz im April. Darüber hinaus einigte sich der Europäische Rat im Dezember 2020 auf ein ambitionierteres mittelfristiges Klimaziel, nämlich die Treibhausgasemissionen der EU bis 2030 netto um mindestens 55 % unter das Niveau von 1990 zu senken. Zur Umsetzung des EGD und des 2030-Ziels präsentierte die Europäische Kommission im Juli den ersten Teil des „Fit-for-55“-Pakets. Das umfassende Maßnahmenpaket enthält neue Bestimmungen bzw. Anpassungen in den Bereichen Emissionshandelssystem, erneuerbare Energien, Energieeffizienz, Lastenverteilung in der EU, CO2-Emissionsnormen für Personenkraftwagen, Ladeinfrastruktur, Energiebesteuerung, CO2-Grenzausgleichssystem (Carbon Border Adjustment Mechanism), nachhaltige Treibstoffe für den Luft- und Seeverkehr sowie Schaffung eines sozialen Klimafonds. Mit einem Verhandlungsabschluss des Fit-for-55 Pakets ist 2022-2023 zu rechnen. Darüber hinaus setzte sich die EU für gemeinsame, globale Aktionen im Klimaschutz und einen grünen Wiederaufbau nach der COVID-19-Pandemie in Drittstaaten ein. Diese Bemühungen wurden von Österreich nachdrücklich unterstützt. Unter anderem beteiligte sich Österreich an den EU Demarchen im Vorfeld der COP26. Darüber hinaus widmete Österreich 59 % der genehmigten nationalen „Next Generation EU“ Mittel dem Klimaschutz.

 

3.7.2. Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP)

 

Wegen der COVID-19-Pandemie wurde die von 22.-26. Februar geplante 5. Tagung der Vollversammlung von UNEP (UNEA) auf zwei Jahre aufgeteilt. Am 22. und 23 Februar fand im virtuellen Format der erste Teil statt. Themen waren administrative und budgetäre Fragen sowie ein online Leadership Dialogue auf Ebene der Umweltministerinnen und -minister, an dem Bundesministerin Leonore Gewessler teilnahm. Der zweite Teil wurde auf 2022 verschoben. Zusätzlich liefen die Vorbereitungen für die 2022 geplanten Feierlichkeiten zum 50-Jahr-Jubiläum der Gründung von UNEP (1972 Stockholm).

 

3.7.3. Globale Umweltschutzabkommen und –initiativen

 

Wegen der COVID-19-Pandemie wurde die 15. Konferenz der Vertragsparteien zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD) mehrmals verschoben. Schlussendlich wurde sie in zwei Teile geteilt: Der erste Teil fand in einem virtuellen Format vom 11.-15. Oktober statt. Der zweite wird voraussichtlich zwischen 25. April und 8. Mai 2022 in Kunming (China) stattfinden. Insofern wird der Beschluss neuer globaler Biodiversitätsziele post-2020 erst 2022 erfolgen.

 

Der Beschluss für die nationale Biodiversitätsstrategie 2030 wurde noch nicht gefasst. Sie wird den Rahmen vorgeben, wie die Biodiversitätskrise in Österreich gestoppt und der Biodiversitätsverlust möglichst rückgängig gemacht werden kann.

 

Das Stockholmer Übereinkommen über persistente organische Schadstoffe (POP)  das sind Chemikalien mit schädlichen Auswirkungen auf Umwelt und menschliche Gesundheit – wird regelmäßig aktualisiert. Das erste Segment des 10. Treffens der Vertragsparteien fand online vom 26.-30. Juli statt. Dabei wurden Arbeitsprogramm und Budget beschlossen. Vom 6.-17. Juni 2022 soll das zweite Segment abgehalten werden. Die Vertragsstaatenkonferenz wird über die Aufnahme neuer Chemikalien in das Übereinkommen entscheiden.

 

Im Rahmen des Rotterdamer Übereinkommens über Prior Informed Consent (PIC) befasste sich der 17. Prüfungsausschuss für Chemikalien (8.-11. September) mit Empfehlungen zur Aufnahme weiterer Industriechemikalien und Pestizide, insbesondere mit dem Fungizid Iprodion und dem Insektizid Terbufos.

 

Covid-19-bedingt fand der erste Teil der 15. Vertragsstaatenkonferenz des Basler Übereinkommens über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung als virtuelle Sitzung vom 26.-30. Juli statt. Es wurden das Budget und ein Arbeitsprogramm beschlossen. Diese Tagung soll vom 6.-17. Juni 2022 als Präsenztreffen fortgesetzt werden.

 

Im Rahmen regionaler Plattformtreffen wurde die im Mai 2022 geplante 7. Sitzung der Globalen Plattform zur Verringerung des Katastrophenrisikos (Sendai Framework for Disaster Risk Reduction 2015-2030) inhaltlich vorbereitet. Das diesbezügliche Europäische Forum für Katastrophenvorsorge fand im November in Portugal statt. Im Rahmen der 76. VN-GV verständigten sich die Staaten auf eine Halbzeitüberprüfung des Rahmenwerks, die für 2023 angesetzt wurde. Österreich beteiligte sich aktiv beim nun angelaufenen Monitoring der Zielvereinbarungen.

 

Die inhaltliche Vorbereitung der 15. Vertragsstaatenkonferenz der VN-Konvention zur Bekämpfung der Wüstenbildung (UNCCD) im Rahmen des Ausschusses zur Überprüfung der Implementierung des Übereinkommens wurde COVID-19-bedingt virtuell vom 15.-19. März abgehalten, bei dem Informationsaustausch im Mittelpunkt stand. Die für September vorgesehene 15. Vertragsstaatenkonferenz der UNCCD wurde auf das Frühjahr 2022 verschoben. Österreich ist für die Jahre 2019-2022 wieder, wie schon in den Jahren 2009-2013, einer der Vizepräsidenten dieser Konvention.

 

Am 16. Juni startete das Sekretariat für den Strategischen Ansatz zum Internationalen Chemikalienmanagement (SAICM) eine Umfrage zu den Erfahrungen der Interessengruppen. Aufgebaut wurde auf einem Prozess der virtuellen Arbeitsgruppe, der zwischen Oktober 2020 und Februar 2021 durchgeführt worden war. Er diente zur Unterstützung des inter-sessionalen Prozesses zum strategischen Konzept und dem soliden Management von Chemikalien und Abfällen nach 2020. Die Umfrage wurde am 16. Juli abgeschlossen. Aufgrund der COVID-19-Pandemie wurden die 4. Sitzung des inter-sessionalen Prozesses (IP4) sowie die 5. Internationale Chemikalien-Management- Konferenz (ICCM5) verschoben. Soweit absehbar wird IP4 im Herbst 2022 und ICCM5 erst im Jahr 2023 abgehalten werden.

 

Die ebenfalls COVID-19-bedingt verschobene 19. Tagung der Konferenz der Vertragsparteien des Übereinkommens über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen (CITES) wird voraussichtlich vom 14.-25. November 2022 in Panama stattfinden.

 

Vom 8.-10. September fand eine Sondertagung der Internationalen Walfangkommission (IWC) virtuell statt. Der Schwerpunkt der Tagung lag auf dem Budget für das kommende Jahr. Die 68. Tagung der IWC soll nunmehr vom 13.-21. Oktober 2022 in Slowenien stattfinden. Österreich hat in den letzten Jahren wesentlich zur Einbringung von umweltrelevanten Themen bei Tagungen der IWC beigetragen und daher an der Neuorientierung der IWC von einer rein walfangbezogenen zu einer stärker an Umweltthemen orientierten Organisation mitgewirkt. Am 2. Dezember feierte die IWC ihr 75-jähriges Jubiläum.

 

Vom 23.-29. Oktober fand der zweite Teil der 12. Konferenz der Vertragsparteien des Wiener Übereinkommens zum Schutz der Ozonschicht und die 33. Tagung der Vertragsparteien zum Montrealer Protokoll über Stoffe, die zum Abbau der Ozonschicht führen virtuell statt. Es wurden vor allem Entscheidungen im Hinblick auf den Aufschub der Wiederauffüllung des Multilateralen Fonds getroffen. Diese soll nun in einem physischen Treffen 2022 vorgenommen werden. Des Weiteren wurden Entscheidungen zur Überwachung von Emissionen verabschiedet. Die im Jahr 2018 beobachteten Emissionen von Trichlorfluormethan (FCKW-11) sind aufgrund von Maßnahmen Chinas deutlich zurückgegangen, jedoch erscheint eine weitere Beobachtung der Entwicklungen erforderlich.

 

Seit Dezember 2020 hatte die Schweiz den Vorsitz im Rahmen der Alpenkonvention, die am 7. November ihr 30-jähriges Bestehen feierte, inne und setzte weiterhin auf die Schwerpunktthemen Klima, nachhaltiger Verkehr und Alpenstädte. Das Zusammenspiel von Umwelt und Verkehr im Alpenraum soll im Wege zweier Ministertreffen 2022 noch vertieft werden. Darüber hinaus fand am 5. Juni, dem Umwelttag, erstmalig eine „Klimastunde“ ganz im Zeichen des Klimawandels im Alpenraum statt. Der Alpine Klimabeirat der Alpenkonvention, die Arbeitsgruppe „Bodenschutz“ und die Arbeitsgruppe zu Naturgefahren (PLANALP) setzten ihre Arbeiten unter österreichischem Vorsitz fort. Dabei liegt der Schwerpunkt im Alpinen Klimabeirat aktuell in der Umsetzung des Alpinen Klimazielsystems 2050 und vor allem des aus 30 Umsetzungspfaden entwickelten Klimaaktionsplans 2.0.

 

Aufgrund der COVID-19-Pandemie wurde die 4. Vertragsparteienkonferenz zum Übereinkommen von Minamata über Quecksilber in zwei Segmente aufgeteilt: Das erste Segment fand online vom 1.-5. November statt. Der Schwerpunkt lag auf Budget und Finanzierung, Wirksamkeitsüberprüfung und Berichtswesen. Das zweite Segment soll im März 2022 in Bali, Indonesien, durchgeführt werden.

 

Das 7. Treffen der Vertragsparteien des Übereinkommens von Aarhus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten fand vom 18.-22.Oktober in Genf in hybrider Form statt. Beim hochrangigen Segment konzentrierten sich die Delegationen auf die Rolle des Aarhus-Übereinkommens und seines Protokolls bei der Förderung einer nachhaltigen Infrastruktur und Raumplanung. In diesem Sinn verabschiedeten die Vertragsparteien und ein breites Spektrum von Interessengruppen die Genfer Erklärung zur Umweltdemokratie für eine nachhaltige, integrative und widerstandsfähige Entwicklung. Schwerpunkt der Verhandlungen im Rahmen der Konvention war die Annahme eines Mechanismus zum Schutz von Umweltaktivistinnen und Umweltaktivisten (environmental rights defenders) vor Verfolgung in Anwendung von Art. 3 Abs. 8 der Konvention. Österreich und Irland erklärten, während der nächsten inter-sessionalen Periode von 2021-2025 als „lead country“ zur Verfügung zu stehen und den Mechanismus auch finanziell zu unterstützen.

 

3.7.4. Nachhaltige Energie

 

Der Energiesektor verursacht global noch etwa drei Viertel aller Treibhausgasemissionen und trägt somit wesentlich zur Erderwärmung bei. Eine weltweite Abkehr von fossilen Energieträgern hin zu emissionsfreien, erneuerbaren Energieformen ist daher für Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung zentral. Am Standort Wien, dem „Vienna Energy Hub“, wurde die globale Energiewende insbesondere von zehn im Energiebereich tätigen Organisationen vorangetrieben. Die Mitglieder des „Vienna Energy Club“ organisierten ein Side-Event im Rahmen der COP26.

 

Sustainable Energy For All (SEforALL) ist eine 2011 durch den damaligen Generalsekretär der VN Ban Ki-Moon initiierte Quasi-Internationale Organisation mit Sitz in Wien. Inhaltlich setzt sich SEforALL im Rahmen der nachhaltigen Entwicklungsziele für die Umsetzung von SDG 7 (leistbare und saubere Energie für alle) ein, das als wichtiger Hebel für Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung gilt. Dabei arbeitet SEforALL mit Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Privatwirtschaft und Zivilbevölkerung zusammen und trägt so zur globalen Bewusstseinsbildung bei. Geschäftsführerin war die Nigerianerin Damilola Ogunbiyi, die gleichzeitig als Sonderrepräsentantin des Generalsekretärs der VN und Kovorsitzende von UN Energy in New York fungierte. In dieser Doppelrolle war sie maßgeblich für den Erfolg des High Level Dialogue on Energy (HLDE) im Rahmen der VN-GV im September verantwortlich. Der HLDE war die erste Konferenz der VN zum Thema Energie seit 1981 und stand unter dem Motto „Charting the path forward to 2030 – mobilising capital for accelerated action on SDG 7“. Die beiden Hauptergebnisse des HLDE umfassten freiwillige „Energy Compacts“ sowie eine „Global Roadmap“ zur Umsetzung von SDG 7 bis 2030. Sie setzten ein starkes Zeichen im Vorfeld der COP26, bei der SEforALL erstmals einen Stand für Side-Events betrieb.

 

Das Vienna Energy Forum (VEF) fand nach COVID-19-bedingter Pause 2020 schließlich vom 5.-7. Juli unter dem Motto „Where Action Meets Ambition“ virtuell statt. Erstmals widmete sich der erste Konferenztag der jungen Generation. Die sektorenübergreifende Konferenz zu Energie, Klima, nachhaltiger Entwicklung wurde von den Initiatoren BMEIA, ADA, dem Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA), und der UNIDO veranstaltet und mündete in fünf konkreten Empfehlungen, u.a. für den im September folgenden HLDE: (1) Finanzierung für Research& Development und Innovation erhöhen, (2) Zugang zu grünen Technologien ausbauen (3) Ausbildungsprogramme an Energiewende anpassen, (4) Datenverfügbarkeit (inkl. Gender-desaggregierte Daten) verbessern und (5) kohärente Strategien entwickeln und umsetzen. Inhaltliche Akzente setzte Österreich beim VEF 2021 mit dem Launch einer globalen Wasserstoffpartnerschaft und mit einem Konferenzsegment zu small island developing states (SIDS). Insgesamt nahmen am VEF über 2200 registrierte Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus 146 Ländern und über 330 Rednerinnen und Redner teil.

 

3.7.5. Nukleare Sicherheit

 

Österreich erkennt das Recht jedes Staates an, seinen Energiemix zu wählen. Gleichzeitig machte Österreich seine entschiedene Ablehnung der Kernkraft, sowohl bilateral als auch im Rahmen der EU, der IAEO und anderer internationaler Organisationen klar. Kernkraft ist aus österreichischer Sicht weder eine nachhaltige Form der Energieversorgung noch ein geeignetes Mittel zur Bekämpfung des Klimawandels. Schon auf Grund der langen Genehmigungs- und Bauzeiten ist ein nennenswerter Beitrag der Atomenergie bei der zwingend erforderlichen Dekarbonisierung innerhalb des Zeitrahmens, den sich die EU gesetzt hat (Klimaneutralität 2050), ausgeschlossen. Auch die immer wieder ins Treffen geführten neuen Konzepte – die sogenannten „Small Modular Reactors“ (SMR) - die vorgeben, alle Bedenken ausräumen zu können, existieren ausschließlich auf dem Papier. Für einen Beitrag zum Klimaschutz, der heute beginnen muss, kommen auch diese Konzepte nicht in Frage, weil sie deutlich zu spät kämen. Unter Berücksichtigung des gesamten Brennstoffzyklus sowie des Aufwandes für Bau, Betrieb und den Rückbau der Anlagen erweisen sich Kernkraftwerke (KKW) zudem als unwirtschaftlich. Auch die Kosten der weltweit ungelösten Endlagerungsfrage sind völlig offen. Betreiberländer sind daher gezwungen, vermehrt öffentliche Förderungen zur Verfügung zu stellen.

 

Bereits 2018 hatte Österreich Nichtigkeitsklagen gegen Beschlüsse der Europäischen Kommission eingebracht, wonach staatliche Beihilfen für den Bau von Reaktorblöcken im britischen KKW Hinkley Point und im ungarischen KKW Paks II mit dem Unionsrecht vereinbar seien. Der Klage gegen die Beihilfen für das britische KKW Hinkley Point wurde auch letztinstanzlich am 22. September nicht stattgegeben. Die Klage zum KKW Paks II war für die Dauer des Verfahrens zu Hinkley Point ruhend gestellt worden und wurde wiederaufgenommen.

 

Österreich trat auch im EU-Rahmen konsequent der direkten und indirekten Förderung der Kernenergie entgegen. Dies gilt insbesondere für die EURATOM-Forschung sowie im Rahmen der „Taxonomie“-Verordnung, welche Vorgaben für ökologisch nachhaltige Investitionen macht. Für Österreich kommt eine Klassifizierung der Kernenergie als „grüne“ Energieform nicht in Frage. Diese Position wurde durch ein wissenschaftliches sowie durch ein Rechtsgutachten einer renommierten internationalen Kanzlei untermauert. Beide Gutachten wurden an die zuständigen Mitglieder der Europäischen Kommission übermittelt. Österreich wies außerdem darauf hin, dass – sollte die Kernenergie in die Taxonomie-Verordnung aufgenommen werden – die Glaubwürdigkeit des Taxonomie-Systems schweren Schaden nehme. Eine Aufnahme zeichnete sich jedoch durch den von der Europäischen Kommission am Silvesterabend vorgelegten Entwurf eines delegierten Rechtsakts dennoch ab. Österreich kündigte daraufhin an, eine Klage vor dem EuGH zu prüfen.

 

Insbesondere bei kerntechnischen Anlagen, die negative Auswirkungen auf Österreich haben könnten, nutzte Österreich sämtliche rechtliche Möglichkeiten zur Wahrung seiner Sicherheitsinteressen. So hat sich Österreich beispielsweise an folgenden grenzüberschreitenden UVP-Verfahren beteiligt: zur Fertigstellung der Blöcke 3 und 4 des KKW Mochovce, zum Neubau am Standort des KKW Dukovany, zur Errichtung von zwei Kernkraftwerksblöcken am Standort Paks, zur Errichtung des KKW Hinkley Point C, zur Errichtung eines Trockenlagers für abgebrannte Brennelemente am Standort Krško sowie zur Laufzeitverlängerung des KKW Doel 1&2 und des KKW Loviisa 1&2.

 

Österreich war auch in die Peer Review über den nationalen Aktionsplan für das belarussische KKW Astravets durch die European Nuclear Safety Regulators Group (ENSREG) eingebunden, zu der Belarus eingeladen hatte. Österreich stellte den Vorsitzenden des ENSREG-Boards für Stresstests in Drittländern und einen Experten im Peer Review Team. Die ENSREG Peer-Review Mission wurde COVID-19-bedingt in zwei Phasen, im Februar und Ende August bis Anfang September durchgeführt. Der gesamte ENSREG Peer-Review Bericht wurde im November von der ENSREG angenommen.

 

Weltweit wurde bisher kein einziges Endlager (geologisches Tiefenlager) für hochradioaktive Abfälle und abgebrannte Brennelemente in Betrieb genommen. In einigen Nachbarstaaten wie Ungarn, der Schweiz und Tschechien werden konkrete Standorte erwogen. Die tschechische Regierung hatte im Dezember 2020 die Reduktion von ursprünglich neun auf vier potenzielle Standorte beschlossen. Diese vier Standorte befinden sich nicht in unmittelbarer Grenznähe (weniger als 30 Kilometer) zu Österreich. Die Entscheidung für einen konkreten Standort wird nicht vor 2025 getroffen werden. Für die Errichtung wird ein UVP-Verfahren durchzuführen sein. Österreich forderte eine angemessene Einbindung schon im Standortauswahlverfahren.

 

Die Einhaltung höchster Sicherheitsstandards bei Neubau und Laufzeitverlängerungen von Kernkraftwerken bleibt ein Anliegen Österreichs, das auf internationaler, europäischer und bilateraler Ebene konsequent vertreten wurde und wird. Auf bilateraler Ebene geschieht dies durch regelmäßig stattfindende Treffen im Rahmen der „Nuklearinformationsabkommen“. COVID-19-bedingt konnten nicht alle diese bilateralen Treffen stattfinden. Im Oktober gab es jedoch eine Tagung mit Slowenien in Laibach. Einige drängende Fragen konnten mit Tschechien, Ungarn, Deutschland, Polen, der Slowakei und der Schweiz per Videokonferenz besprochen werden. Es gab nach wie vor keine Hinweise darauf, dass sich die COVID-19-Pandemie konkret negativ auf die Sicherheit von Kernanlagen ausgewirkt hätte. Dies wird jedoch weiter sehr genau zu beobachten sein.

 

3.8 Internationale Abrüstung und Rüstungskontrolle

 

3.8.1 Risiken von Massenvernichtungswaffen

 

Vertrag über das Verbot von Nuklearwaffen (Treaty on the Prohibition of Nuclear Weapons - TPNW)

 

Das Streben nach einer Welt frei von Atomwaffen ist ein Schwerpunkt der österreichischen Außen- und Sicherheitspolitik. Die Risiken dieser Kategorie von Massenvernichtungswaffen und die verheerenden humanitären Konsequenzen ihres Einsatzes sind untragbar. Österreich vertritt die Position, dass nur ein Verbot und die vollständige Vernichtung dieser Waffen diese Risiken verhindern kann.

 

Aufbauend auf der „Humanitären Initiative für Nukleare Abrüstung,“ zuletzt 2014 mit einer Konferenz in Wien, kam es auf Betreiben Österreichs und einiger weiterer Staaten zur Verhandlung eines völkerrechtlichen Verbots von Atomwaffen im VN-Rahmen. Diese Verhandlungen wurden am 7. Juli 2017 in New York mit der Annahme des Vertrages über das Verbot von Kernwaffen (Treaty on the Prohibition of Nuclear Weapons, TPNW) erfolgreich abgeschlossen. Seit 20. September 2017 steht der Vertrag in New York zur Unterzeichnung offen.

 

Mit der Ratifikation von Honduras am 24. Oktober 2020 erreichte der TPNW den historischen Meilenstein von 50 Ratifikationen. Neunzig Tage nach der 50. Ratifikation, am 22. Jänner 2021, trat der Vertrag in Kraft, womit ab diesem Zeitpunkt Nuklearwaffen offiziell völkerrechtlich verboten sind. Mit Stand 31. Dezember haben den Vertrag 86 Staaten unterzeichnet und 59 Staaten ratifiziert.

 

Österreich hat den Vertrag am 20. September 2017 unterzeichnet und am 8. Mai 2018 ratifiziert. Das erste Vertragsstaatentreffen wird auf Vorschlag Österreichs voraussichtlich von 22.-24. März 2022 am Sitz der VN in Wien unter österreichischem Vorsitz stattfinden. Auch weiterhin wird sich Österreich dafür einsetzen, möglichst viele Staaten für einen Beitritt zu gewinnen.

 

Der eine Präambel und 20 Artikel umfassende Vertrag ist das erste konkrete Ergebnis multilateraler Abrüstungsverhandlungen seit Annahme des Vertrages über das Umfassende Verbot von Nuklearversuchen (Comprehensive Nuclear Test Ban Treaty, CTBT) im Jahr 1996 (der noch nicht in Kraft getreten ist). Der TPNW stärkt und ergänzt das bestehende internationale Regime zur nuklearen Abrüstung und Nichtweiterverbreitung. Er leistet einen wesentlichen Beitrag zur Umsetzung des Abrüstungsgebotes in Artikel VI des Vertrags über die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen (Non-Proliferation Treaty, NPT), dessen Umsetzung weitere Instrumente, wie den TPNW, voraussetzt. Eine Welt ohne Atomwaffen ist ohne eine völkerrechtliche Verbotsnorm nicht erzielbar. Im Zentrum des Vertrags steht das Verbot des Erwerbs, des Besitzes, des Einsatzes und anderer mit Atomwaffen zusammenhängender Tätigkeiten. Ebenso enthalten sind Bestimmungen zur Opferhilfe und zur Sanierung der durch den Einsatz bzw. Test von Atomwaffen entstandenen Umweltschäden.

 

Der Vertrag über das Verbot von Kernwaffen ebnet Atomwaffenstaaten den Weg für eine unumkehrbare und überprüfbare Eliminierung ihrer Arsenale.

 

Vertrag über die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen

 

Der 1970 in Kraft getretene Vertrag über die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen (NPT) stellt mit 191 Vertragsstaaten das völkerrechtliche Fundament des internationalen Nuklearregimes und einen Eckpfeiler der nuklearen Nichtweiterverbreitung dar. Der Vertrag verpflichtet seine Vertragsparteien – mit Ausnahme der fünf Atomwaffenstaaten China, Frankreich, Vereinigtes Königreich, Russland und USA – zum Verzicht auf Atomwaffen und schreibt gleichzeitig das Recht auf friedliche Nutzung der Atomenergie fest. Die fünf Atomwaffenstaaten des NPT verpflichten sich ihrerseits zur nuklearen Abrüstung und zum Ziel der vollständigen Eliminierung von Atomwaffen. Dieses Ziel haben sie jedoch noch nicht erreicht, vielmehr entwickelt sich eine erneute nukleare Aufrüstungsspirale. Die nuklear bewaffneten Staaten Indien, Israel und Pakistan sind dem NPT nicht beigetreten. Nordkorea hat 2003 den Austritt aus dem Vertrag erklärt. Die Vertragsstaaten treffen alle fünf Jahre zu einer Überprüfungskonferenz zusammen, um den Stand der Umsetzung des NPT zu prüfen.

 

Die zehnte Überprüfungskonferenz hätte von 27. April bis 22. Mai 2020 stattfinden sollen, musste aufgrund der COVID-19-Pandemie mehrfach verschoben werden und wird nun voraussichtlich im Sommer 2022 in New York stattfinden. Dabei steht der NPT nicht nur durch die COVID-19-Pandemie vor großen Herausforderungen. Die mangelnde bzw. rückläufige Umsetzung der Abrüstungszusagen der Atomwaffenstaaten gemäß Artikel VI sowie die fehlenden Fortschritte zur Einrichtung einer massenvernichtungswaffenfreien Zone im Nahen Osten trugen bereits 2015 dazu bei, dass kein Konsens über ein Abschlussdokument erzielt werden konnte. Ebenso besorgniserregend ist die Verbreitung von hochangereichertem Nuklearmaterial und Raketentechnologien in mehreren Weltregionen. Die sicherheits- und proliferationsrelevanten Aspekte des trilateralen Bündnisses der USA, Australien und dem Vereinigten Königreich AUKUS werden bei der kommenden Überprüfungskonferenz ebenso ein wichtiges Thema sein.

 

Österreich nimmt an einer Reihe von Initiativen teil, die darauf abzielen, trotz der derzeitigen internationalen Spannungen Fortschritte bei der Überprüfungskonferenz zu erzielen.

 

Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen

 

Der Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (Comprehensive Nuclear-Test-Ban-Treaty, CTBT) sieht ein Verbot aller nuklearen Explosionen vor. Seit der Annahme des Vertragsentwurfs durch die VN-GV im Jahr 1996 unterzeichneten 185 und ratifizierten 170 Staaten den CTBT. Durch sein globales Überwachungssystem soll der CTBT nach seinem Inkrafttreten die geheime Entwicklung von einsatzfähigen Atomwaffen unmöglich machen. Für das Inkrafttreten fehlen allerdings noch die Ratifikationen durch acht der in Annex 2 des Vertrages aufgezählten Schlüsselstaaten (Ägypten, China, Indien, Iran, Israel, Nordkorea, Pakistan, USA).

 

Die Vorbereitende Kommission hat große Fortschritte beim Aufbau des Verifikationssystems erzielt, dessen weltweites Netz von Messstationen zu über 90 % fertiggestellt und weitgehend einsatzbereit ist. Es verwendet Hochtechnologie für Seismik, Hydroakustik, Ultraschall und Radionuklidmessung. Es liefert bereits jetzt zivile Dienstleistungen, wie z.B. für die Tsunami Frühwarnung und für radiologische Messungen nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima/Japan. Die Fähigkeiten der internationalen Überwachungsstationen wurden auch anlässlich der von Nordkorea durchgeführten Atomwaffentests wiederholt bewiesen. In Österreich befindet sich in Seibersdorf eines der durch die CTBTO zertifizierten Labore für die Auswertung von Proben von Radionuklidstationen des Verifikationssystems.

 

Österreich nimmt an den Bemühungen zur Förderung der Vorbereitenden Kommission teil und setzt sich unter anderem für eine nachhaltige Finanzierung von CTBTO-Projekten im Rahmen der EU-Unterstützung ein. Derzeit läuft ein dreijähriges finanzielles Unterstützungsprogramm in Höhe von etwa sechs Millionen Euro, das 2020 vom Rat der EU beschlossen wurde. Bislang wurden EU-Mittel zur Errichtung des „Technology Support and Training (TeST) Centre“ in Seibersdorf eingesetzt, das die Lagerung und Wartung von spezialisierter Ausrüstung ermöglicht.

 

Genfer Abrüstungskonferenz

 

Die Genfer Abrüstungskonferenz (Conference on Disarmament, CD) fungiert seit 1979 als ständiges multilaterales Forum der VN für die Verhandlung von Abrüstungsverträgen mit 65 Mitgliedstaaten, darunter seit 1996 Österreich.

 

Bundesminister Alexander Schallenberg wies mit einer Videobotschaft auf die zunehmenden Risiken hin, die von Nuklearwaffen für die Menschheit ausgehen. Trotz intensiver Bemühungen der Präsidentschaften gelang es auch dieses Jahr – wie in den vergangenen 24 Jahren – aufgrund des Konsensprinzips nicht, sich auf die Aufnahme von konkreten Vertragsverhandlungen zu einigen.

 

Chemiewaffenkonvention

 

Die 1997 in Kraft getretene Chemiewaffenkonvention (CWK) verbietet sämtliche Chemiewaffen und schreibt für Staaten, die im Besitz dieser Waffen sind, deren phasenweise Vernichtung vor. Mit 193 Vertragsstaaten nähert sich die CWK universeller Geltung. Die Umsetzung der CWK wird durch die in Den Haag ansässige Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) überwacht und begleitet. Grundsatzentscheidungen werden dabei von der jährlichen Vertragsstaatenkonferenz (VSK) getroffen. Der Exekutivrat (EC) steuert die Arbeit der OPCW in drei ordentlichen Sitzungen (März, Juli und Oktober) pro Jahr sowie nötigenfalls in außerordentlichen Sitzungen. Er bereitet die Entscheidungen, welche von der CSP getroffen werden, vor. Österreich ist von Mai 2020 bis Mai 2022 Mitglied des EC und leistet damit einen effektiven Beitrag zum Ziel einer chemiewaffenfreien Welt.

 

Die 26. VSK fand von 29. November bis 2. Dezember statt. Dabei wurde erstmals ein Budget für zwei Jahre (2022 und 2023) beschlossen und das Mandat von Generaldirektor Fernando Arias González (Spanien) wurde um eine zweite vierjährige Amtszeit verlängert. Die VSK beschloss auch eine von Österreich unterstützte Entscheidung, durch welche klargestellt wurde, dass der Einsatz von aerosolierten Nervengasen im Rahmen von Polizeieinsätzen nicht mit der CWK vereinbar ist.

 

Der Einsatz von Chemiewaffen im syrischen Bürgerkrieg stellte die OPCW vor ihre bisher größte Herausforderung. Aber auch die Zunahme des Einsatzes von Chemiewaffen gegen Regimegegnerinnen und Regimegegner mancher Staaten ist zu verzeichnen. Der Anschlag auf den russischen Oppositionsführer Alexei Nawalni im Jahr 2020 führt den Trend von ähnlichen Zwischenfällen der letzten Jahre fort und signalisiert eine höchst besorgniserregende Erosion des Tabus gegen den Gebrauch von Chemiewaffen. Österreich kritisierte in aller Klarheit die Überschreitung dieser roten Linie. Gemeinsam mit 44 weiteren Vertragsstaaten brachte Österreich in der OPCW im Oktober eine Anfrage gemäß Artikel IX (2) CWK an Russland ein, in welcher diese zur Beantwortung relevanter Fragen aufgefordert wurde.

 

Übereinkommen über das Verbot von biologischen und Toxinwaffen

 

Das Übereinkommen von 1972 umfasst ein Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung von biologischen Waffen und Toxinwaffen (Biological and Toxin Weapons Convention, BTWK). Derzeit zählt die Konvention 183 Vertragsstaaten sowie 109 Signatarstaaten. In jährlich stattfindenden Experten- und Vertragsstaatentreffen werden Maßnahmen zur Erhöhung der Biosicherheit, Überwachung und Ausbildung behandelt.

 

Das für 8.-26. November 2020 vorgesehene Vertragsstaatentreffen der BTWK fand von 22.-26. November in Genf statt. Die ursprünglich für 2021 vorgesehene X. Überprüfungskonferenz wurde COVID-19-bedingt auf August 2022 verschoben.

 

Ballistische Raketen

 

Der Haager Verhaltenskodex zur Verhinderung der Verbreitung ballistischer Raketen (The Hague Code of Conduct against the Proliferation of Ballistic Missiles, HCoC) ist das Resultat verstärkter Bemühungen der internationalen Staatengemeinschaft, den Bereich der ballistischen Raketen, die Trägersysteme für Massenvernichtungswaffen sein können, international zu regeln. Der HCoC ist neben dem Raketentechnologiekontrollregime (Missile Technology Control Regime, MTCR) das einzige multilaterale Instrument in diesem Bereich. Das 20. reguläre Staaten-treffen fand am 7. und 8. Juli in Wien unter argentinischem Vorsitz statt.

 

Österreich ist seit 2002 mit der Funktion der Zentralen Kontaktstelle (Exekutivsekretariat) betraut und fungiert somit als Schnittstelle für den gesamten Informationsaustausch im Rahmen des HCoC, der mittlerweile 143 Staaten vereint. Österreich nimmt führend an den Universalisierungsbemühungen teil.

 

3.8.2    Umgang mit konventionellen Waffen

 

Der Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten ist einer der thematischen Schwerpunkte der österreichischen Außenpolitik. Das langjährige Engagement Österreichs gegen Antipersonenminen und Streumunition ist ein wichtiger humanitärer Beitrag, da diese Waffen auch noch Jahrzehnte nach dem Ende von Kampfhandlungen eine akute Gefahr für die Zivilbevölkerung darstellen und zahlreiche Opfer fordern.

 

Antipersonenminen-Verbotskonvention

 

Die Antipersonenminen-Verbotskonvention (Ottawa-Konvention) trat 1999 in Kraft und umfasst 164 Vertragsparteien. Der Erfolg der Ottawa-Konvention zeigt sich darin, dass in den letzten Jahren Antipersonenminen nur mehr von einem Staat eingesetzt wurden, der Handel fast vollständig erloschen ist, bedeutende Lagerbestände bereits vernichtet sind und große Gebiete verminten Landes geräumt wurden. Die Zahl der Personen, die weltweit jährlich Opfer von Antipersonenminen werden, sank über die Jahre kontinuierlich. Zuletzt führte jedoch insbesondere der Einsatz von nicht-industriell hergestellten Antipersonenminen durch nichtstaatliche Gruppierungen zu einem Wiederanstieg an jährlichen Opfern, die insbesondere in Afghanistan, Kolumbien, Indien, Libyen, Myanmar, Syrien und Pakistan zu verzeichnen waren. Das 19. Vertragsstaatentreffen der Konvention fand von 15.-19. November virtuell statt. Es bot Vertragsstaaten Gelegenheit, Bilanz über den Fortschritt in der Erreichung der Ziele des bei der 4. Überprüfungskonferenz 2019 beschlossenen Osloer Aktionsplanes zu ziehen, sowie weitere Schritte zur vollständigen Umsetzung des Vertrages zu setzen. Österreich hat drei Millionen Euro für Minenrisikoerziehungs-, Minenräum- und Opferhilfeprojekte in Syrien und der Ukraine bereitgestellt.

 

Übereinkommen über das Verbot von Streumunition

 

Das Übereinkommen über das Verbot von Streumunition (Oslo-Konvention) trat 2010 in Kraft. Mittlerweile haben 110 Staaten die Oslo-Konvention ratifiziert, weitere 13 Staaten haben das Übereinkommen unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert. Die Konvention umfasst ein kategorisches Verbot von Einsatz, Entwicklung, Herstellung, Lagerung und Transfer von Streumunition, die unsagbares Leid in der Zivilbevölkerung verursacht. Im Bereich Opferhilfe wurden, nicht zuletzt durch den Einsatz Österreichs, neue zukunftsweisende Standards gesetzt. Die 2. Überprüfungskonferenz fand COVID-19-bedingt in zwei Teilen statt: der erste Teil wurde von 25.-27. November 2020 virtuell abgehalten. Der zweite Teil fand am 20. und 21. September in hybridem Format in Genf statt.

 

Einsatz von Explosivwaffen in besiedelten Gebieten

 

Explosivwaffen fordern beim Einsatz in besiedelten Gebieten weltweit eine besonders hohe, steigende Anzahl ziviler Opfer. Nach internationalen Statistiken sind 90 % der Opfer Zivilistinnen und Zivilisten. Dazu zählen Fliegerbomben, Artilleriegranaten, Raketen, aber auch improvisierte Sprengkörper (improvised explosive devices – IEDs). In rezenten bewaffneten Konflikten (Syrien, Irak, Jemen, Ukraine) ist der Einsatz von Explosivwaffen in besiedelten Gebieten eine der Hauptursachen für Leiden der Zivilbevölkerung. Hinzu kommt die Zerstörung ziviler Infrastruktur (Verkehr, Schulen, medizinische Versorgung, Wasser- bzw. Elektrizitätsversorgung), wodurch die Lebensgrundlagen der betroffenen Bevölkerung nachhaltig beeinträchtigt werden. Explosive Weapons in Populated Areas (EWIPA) stellen somit auch einen der Hauptgründe für konfliktbedingte Migration oder Flucht dar. Leid und Schaden durch den Einsatz von Explosionswaffen in besiedelten Gebieten ist, laut Umfragen renommierter NGOs, z.B. in Syrien die primäre Ursache, dass Menschen ihr Zuhause verlassen müssen. 2020 wurden weltweit mindestens 18.747 Menschen durch Explosivwaffen getötet. Die tatsächliche Opferzahl dürfte um einiges höher liegen.

 

Österreich setzt sich mit einer Gruppe von gleichgesinnten Ländern für eine stärkere Behandlung dieses Themas zur Vermeidung von menschlichem Leid und Einhaltung des Humanitären Völkerrechts ein und unterstützt den Vorschlag des VN-Generalsekretärs und des Präsidenten des IKRKs zur Ausarbeitung einer politischen Erklärung.

 

Nach ersten Regionalinitiativen in Afrika und Lateinamerika (Maputo und Santiago Communiqués) veranstaltete Österreich 2019 die Wiener Konferenz „Protecting Civilians in Urban Warfare“, die erste globale Konferenz zu dem Thema. An dieser Veranstaltung nahmen 133 Staaten und über 500 Delegierte teil. Auf Grundlage der bei der Sitzung vorgebrachten Hauptelemente wurde in darauffolgenden von Irland organisierten Konsultationen im November 2019 und Februar 2020 ein Textentwurf einer politischen Erklärung erarbeitet. Die ursprünglich für 2020 geplante Annahme der Erklärung musste COVID-19-bedingt verschoben werden. Jüngste virtuelle Verhandlungen fanden von 3.-5. März statt.

 

Autonome Waffensysteme

 

Autonome Systeme und Künstliche Intelligenz haben nicht nur für zivile Zwecke einen sehr breiten Anwendungsbereich, sondern werden zunehmend auch im militärischen Bereich eingesetzt. Der technologische Fortschritt ermöglicht es, an der Entwicklung autonomer Waffensysteme (AWS) zu arbeiten, welche ohne menschliche Eingreifmöglichkeiten Ziele selbständig auswählen und angreifen könnten. Dies – vor allem wenn es tödliche autonome Waffensysteme (Lethal Autonomous Weapons Systems, LAWS) betrifft, wirft zahlreiche moralische, ethische, rechtliche, militärische und sicherheitspolitische Bedenken auf. Eine Regulierung zu schaffen, bevor solche AWS ohne menschliche Kontrolle einsatzbereit sind, stellt eine der aktuellsten und dringlichsten Abrüstungsherausforderungen dar. Im Rahmen des Vertragsstaatentreffens der Konvention über bestimmte konventionelle Waffen (KWK) wurde im Jahr 2013 erstmals eine eigene Untergruppe zu AWS eingesetzt, die seit 2017 als Regierungsexpertengruppe (GGE LAWS) mit wiederholt erneuertem Mandat in Genf tagt.

 

Bisher konnte man sich auf keine einheitliche Definition von AWS einigen. Es herrscht jedoch Übereinstimmung, dass Humanitäres Völkerrecht grundsätzlich auch auf solche Systeme anwendbar ist und dass ein Mindestausmaß an menschlicher Kontrolle bei Waffensystemen beibehalten werden muss. Österreich gehört zu den Staaten, die für ein rechtlich bindendes Instrument eintreten, das AWS ohne sinnvolle menschliche Kontrolle präventiv verbieten würde.

 

Bei der Vertragsstaatenkonferenz der KWK im November 2018 brachte Österreich mit einigen gleichgesinnten Staaten einen Entwurf für den Verhandlungsbeginn eines rechtlich bindenden Protokolls vor. Aufgrund des in der KWK geltenden Konsensprinzips konnte kein entsprechendes Mandat angenommen werden. Auch die Idee einer rechtlich nicht bindenden Politischen Deklaration zum Thema hatte keine Aussicht auf Konsens. In der erstmals für zwei Jahre eingesetzten GGE LAWS konnte 2020-2021 keine inhaltliche Einigung erzielt werden. Vom 13.-17. Dezember fand in Genf die 6. Überprüfungskonferenz der KWK statt. Mangels inhaltlicher Einigung der Regierungsexpertengruppe wurde lediglich beschlossen, dass die Gruppe 2022 wieder tagen soll.

 

Bundesminister Alexander Schallenberg hatte in der 75. VN-GV die Staatengemeinschaft zum Handeln aufgefordert, ehe sogenannte Killerroboter die Schlachtfelder dieser Erde erreichen. Die Entscheidung über Leben und Tod dürfe keiner Maschine, keinem Algorithmus, überlassen werden. Um die Diskussionen um die Regulierung von LAWS anzutreiben, veranstaltete Österreich am 15. und 16. September eine virtuelle internationale Konferenz in Wien mit dem Titel „Safeguarding Human Control over Autonomous Weapons Systems“. Hochrangig eröffnet wurde die Konferenz durch eine Podiumsdiskussion mit Bundesminister Alexander Schallenberg, dem neuseeländischen Abrüstungsminister Phil Twyford, der Hohen Repräsentantin für Abrüstungsfragen der VN Izumi Nakamitsu und dem Vizepräsidenten des IKRK Gilles Carbonnier. In drei Tagungssegmenten beleuchteten Expertinnen und Experten die völkerrechtlichen, ethischen und sicherheitspolitischen Aspekte mit dem Ziel, die menschliche Kontrolle zu gewährleisten, und stellten sich den Fragen der 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

 

3.8.3 Multilaterale Exportkontrolle

 

Exportkontrollregime

 

Die fünf bestehenden Kontrollregime verfolgen das Ziel, durch die Koordination nationaler Exportkontrollen sicherzustellen, dass sensible Technologien und Know-how nur unter Einhaltung strikter Standards und im Einklang mit geltendem Völkerrecht international weitergegeben werden. Hauptinstrumente dieser Regime sind Listen mit relevanten Waren bzw. Substanzen sowie Richtlinien betreffend den Export in Nicht-Mitgliedstaaten. Österreich gehört allen fünf Regimen an. Die innerstaatliche Umsetzung ihrer Regeln erfolgt im Wesentlichen im Rahmen des Außenwirtschaftsgesetzes sowie des Kriegsmaterialgesetzes.

 

Im Nuklearbereich bestehen in Wien das 39 Mitglieder umfassende Zangger-Komitee (ZC) und die 48 Mitglieder umfassende Gruppe Nuklearer Lieferländer (Nuclear Suppliers Group NSG). Diese führen Kontrolllisten sensibler nuklearer Güter und Ausrüstungen mit dem Ziel, Urananreicherung und Plutoniumverarbeitung für nichtfriedliche Zwecke zu verhindern. Die 30. NSG Plenarsitzung sollte von 22.-26. Juni 2020 in Brüssel stattfinden, wurde aber aufgrund der COVID-19-Pandemie auf 24.-25. Juni verschoben. Die 43 Mitglieder umfassende Australien-Gruppe (AG) bemüht sich durch Exportkontrollen sicherzustellen, dass bestimmte Produkte nicht zur Entwicklung von chemischen und biologischen Waffen beitragen. Das Raketentechnologiekontrollregime (Missile Technology Control RegimeMTCR) mit 35 Mitgliedern kontrolliert die Verbreitung von atomwaffenfähiger Raketentechnologie. Österreich hatte im Jahr 2020 den Vorsitz des Regimes übernommen und diesen 2021 an Russland übergeben. Ziel des 1996 gegründeten und 42 Mitglieder umfassenden Wassenaar Arrangements (WA) ist es, durch Koordination nationaler Exportkontrollen sowie erhöhte Transparenz eine destabilisierende Anhäufung konventioneller Waffen und doppelverwendungsfähiger Güter und Technologien zu verhindern. Das von Philip Griffiths (Neuseeland) geleitete Sekretariat hat seinen Sitz in Wien. Die Plenartagung des WA, das dieses Jahr sein 25-jähriges Bestehen feierte, fand im Dezember statt.

 

Waffenhandelsvertrag (ATT)

 

Die VN-GV nahm 2013 mit überwältigender Mehrheit den Text des Waffenhandelsvertrages (Arms Trade Treaty – ATT) an, der Regeln für den internationalen Handel mit konventionellen Waffen aufstellt. Österreich hatte sich für einen robusten ATT eingesetzt und war unter den ersten Unterzeichnerstaaten. Inzwischen zählt der am 24. Dezember 2014 in Kraft getretene Vertrag 130 Vertragsstaaten und 110 Unterzeichner.

 

Der Vertrag legt erstmals internationale Standards für den Transfer konventioneller Waffen fest und leistet damit einen Beitrag zur Bekämpfung bzw. Begrenzung der negativen Auswirkungen des illegalen und verantwortungslosen Waffenhandels auf Stabilität, Sicherheit und Menschenrechte, aber auch auf nachhaltige Wirtschafts- und Entwicklungspolitik. So werden Waffenexporte in Staaten mit massiven Verstößen gegen Humanitäres Völkerrecht und Menschenrechte verboten, bei Exportentscheidungen sind Kriterien wie die Auswirkungen auf Frieden und Sicherheit, Weiterleitungsgefahr (einschließlich Informationsaustausch zu Korruption) oder geschlechtsspezifische Gewalt zu berücksichtigen. Der ATT enthält jedoch kein Waffenverbot und auch keine Verpflichtung, bestehende Waffen zu zerstören. Das Recht auf Selbstverteidigung gemäß Art. 51 der Satzung der VN bleibt durch den Vertrag unberührt.

 

Österreich setzte sich dafür ein, dass der Waffenhandelsvertrag höchstmöglichen Standards entspricht. Dazu zählen insbesondere die Schaffung zwingender menschenrechtlicher Genehmigungskriterien, ein lückenfreier Anwendungsbereich und effiziente Durchsetzungsmechanismen. Das siebte Vertragsstaatentreffen des ATT fand vom 30. August bis 3. September in hybridem Format statt.

 

Nationale Exportkontrolle

 

Das Außenwirtschaftsgesetz (Federführung des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, BMDW) und das Kriegsmaterialgesetz (Federführung Bundesministerium für Inneres, BMI) bilden in Österreich die Rechtsgrundlage für die Ausfuhr von konventionellen Waffen. Das BMEIA sowie das Bundesministerium für Landesverteidigung (BMLV) sind in das Bewilligungsverfahren eingebunden. Bewilligungspflichtige Rüstungsgüter werden einerseits durch das Außenwirtschaftsgesetz 2011 bzw. die Militärgüterliste der EU und die Zweite Außenwirtschaftsverordnung 2011 einschließlich Anlage, andererseits durch die Kriegsmaterialverordnung bestimmt. Darüber hinaus ist Österreich zur Einhaltung des gemeinsamen Standpunktes der EU betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern vom Dezember 2008 verpflichtet. Dieser rechtsverbindliche gemeinsame Standpunkt trägt wesentlich zur Harmonisierung der nationalen Ausfuhrregime und Umsetzungsmaßnahmen bei.

 

3.9 North Atlantic Treaty Organisation (NATO)

 

Österreich ist seit 1995 Mitglied der Partnerschaft für den Frieden (PfP) und seit 1997 Mitglied des Euro-Atlantischen Partnerschaftsrats (EAPC), des Dialog- und Konsultationsforums zwischen der NATO und den euro-atlantischen Partnerstaaten. Die Zusammenarbeit mit der NATO dient einerseits der Behandlung wichtiger sicherheitspolitischer Themen in einem transatlantischen Rahmen und andererseits der Weiterentwicklung der Kapazitäten des Österreichischen Bundesheers. Österreich nahm an diversen zukunftsweisenden Programmen der NATO teil (z.B. im Cyberbereich) und ist ein wichtiger und anerkannter Truppensteller für NATO-geführte Friedensoperationen.

 

Bezüglich der EU-NATO-Zusammenarbeit identifizierte die gemeinsame Erklärung von EU- und NATO-Spitzen 2016 sieben Kooperationsbereiche (Bewältigung hybrider Bedrohungen, operative Kooperation einschließlich in maritimen Fragen, Cybersicherheit und -verteidigung, Verteidigungsfähigkeiten, Verteidigungsindustrie und -forschung, Übungen und Kapazitätenaufbau in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit). Aufbauend auf der Erklärung wurde im Juli 2018 eine zweite gemeinsame Erklärung von EU- und NATO-Spitzen verabschiedet, welche einen zusätzlichen Fokus auf Militärische Mobilität, Terrorismusbekämpfung und Widerstandsfähigkeit gegenüber atomaren, biologischen und chemischen Bedrohungen vorsieht. Für 2022 ist die Ausarbeitung einer dritten gemeinsamen Erklärung in Aussicht genommen.

 

Insgesamt stellte Österreich mit rund 290 Soldatinnen und Soldaten weiterhin das größte Kontingent eines Partnerstaates im Rahmen der NATO-geführten Friedensoperation im Kosovo (KFOR). Gemeinsam mit der kosovarischen Polizei und der zivilen EU-Rechtsstaatlichkeitsmission EULEX Kosovo trägt KFOR zur Sicherstellung eines sicheren Umfelds und der Bewegungsfreiheit aller Volksgruppen bei. KFOR unterstützt auch die Entwicklung professioneller, demokratischer und multiethnischer Sicherheitsstrukturen im Kosovo.

 

An der Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsmission Resolute Support in Afghanistan (RSM), die Anfang September beendet wurde, beteiligte sich Österreich zuletzt mit bis zu 20 Soldatinnen und Soldaten.

 

Vor dem Hintergrund der grundlegenden Veränderung der geopolitischen Lage und der sicherheits- und verteidigungspolitischen Herausforderungen wurde beim NATO-Gipfel in Brüssel im Juni beschlossen, ein neues Strategisches Konzept – das strategische Grundlagendokument der NATO – auszuarbeiten. Ziel ist die Anpassung der NATO an die Herausforderungen der nächsten Dekade.

 

 

4. Österreichische Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Angelegenheiten

 

Die österreichische Entwicklungspolitik leistet einen fundamentalen Beitrag zur Sicherheit, Prosperität und Stabilität in näherer und weiterer Nachbarschaft und ist schon deshalb ein wesentlicher Pfeiler unserer Interessens- und Außenpolitik. Entsprechend den Prioritäten des Regierungsprogramms legt auch die Entwicklungspolitik einen besonderen Fokus auf die Bereiche wirtschaftliche Zusammenarbeit, Migration und konkrete Hilfe vor Ort.

 

Die Österreichische Entwicklungszusammenarbeit (OEZA) schafft Perspektiven vor Ort. Grundlage für die österreichische Entwicklungspolitik bildet das Entwicklungszusammenarbeitsgesetz (EZA-G). Wichtigste Ziele sind die Bekämpfung der Armut, die Sicherung des Friedens und der menschlichen Sicherheit sowie die Erhaltung der Umwelt und der Schutz natürlicher Ressourcen. Das BMEIA koordiniert die Entwicklungspolitik und ist für die strategische Ausrichtung der OEZA verantwortlich. Die Austrian Development Agency (ADA) plant, finanziert und begleitet Programme und Projekte in den Schwerpunktländern und -regionen. Als Mitglied der EU, OECD, VN und der Weltbankgruppe gestaltet Österreich in den entsprechenden Gremien auch die internationale Entwicklungspolitik mit.

 

Budget für Entwicklungszusammenarbeit

 

Die öffentlichen Entwicklungshilfeleistungen (ODA) beliefen sich 2021 auf 1.234 Millionen Euro bzw. 0,31 % des Bruttonationaleinkommens (BNE). Dies entspricht einer Steigerung um über 120 Millionen Euro bzw. 0,02% des Bruttonationaleinkommens (BNE) gegenüber dem Vorjahr.

 

Politikkohärenz

 

Eine aktive, verantwortungsvolle Entwicklungspolitik ist eine gesamtstaatliche Aufgabe – ein Prinzip, das in Österreich in § 1 Abs. 5 EZA-G gesetzlich verankert ist. Mit der Verabschiedung der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung hat das Thema Politikkohärenz stark an Bedeutung gewonnen. Politikkohärenz erfolgt unter anderem durch die Teilhabe aller relevanten Akteure sowie Interessensvertreterinnen und Interessensvertreter an strategischen Planungsprozessen, wie dem Dreijahresprogramm der österreichischen Entwicklungspolitik, Landes- und Regionalstrategien sowie thematisch-strategischen Leitlinien. Österreich nimmt an den Netzwerken für Politikkohärenz der EU und der OECD teil.

 

Förderung zivilgesellschaftlichen Engagements

 

Zivilgesellschaftliche Organisationen „Civil Society Organisations“ (CSOs) sind wichtige Partner der OEZA. Österreich unterstützte mit einem Mix aus maßgeschneiderten Förderinstrumenten und einem Budget von 15,4 Millionen Euro rund 100 Programme und Projekte in 40 Ländern in Afrika, Lateinamerika und Asien sowie in Südost- und Osteuropa.

 

Elf CSOs hatten Verträge für Rahmenprogramme und Strategische Partnerschaften mit einer Gesamtvertragssumme von rund 32 Millionen Euro für drei bis fünf Jahre. Im Bereich der Personellen EZA wurde der Einsatz von Fachkräften zum Kapazitätsaufbau von lokalen Entwicklungsorganisationen gefördert. Im Rahmen der Förderinstrumente Einzelprojekte Süd und Einzelprojekte Ost wurden rund 45 Projekte in Entwicklungsländern des Südens sowie in Südosteuropa, Osteuropa und im Südkaukasus umgesetzt. Des Weiteren wurden rund 35 laufende EU-Kofinanzierungsprojekte von der ADA unterstützt. Sechs Projekte österreichischer CSOs zum Thema „Migration und Entwicklung/Flucht-Asyl-Rückkehr“ wurden in einer zweiten Phase mit insgesamt rund 4 Millionen Euro mitfinanziert. Vier Projekte wurden im Rahmen des Calls „FGM/Weibliche Genitalverstümmelung, Frauengesundheit und Familienplanung“ mit insgesamt 1,2 Millionen Euro gefördert.

 

Mit dem österreichischen CSO-Dachverband AG Globale Verantwortung wurde ein dreijähriges Programm erfolgreich umgesetzt. Ziel war die Stärkung der Kompetenzen österreichischer CSOs sowie die aktive Mitgestaltung der entwicklungspolitischen Rahmenbedingungen auf europäischer und internationaler Ebene.

 

Förderung unternehmerischen Engagements

 

Der Privatsektor ist ein wichtiger entwicklungspolitischer Akteur, nicht nur bei unmittelbar wirtschaftlichen Zielsetzungen, sondern auch für andere Bereiche der Agenda 2030. Die OEZA arbeitet daher in verschiedenen Sektoren mit Marktsystemen und Unternehmen. Mit dem Ansatz der inklusiven Marktsystementwicklung wird die Voraussetzung dafür geschaffen, dass Unternehmen einen Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung und zur Erreichung der Nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) 2030 leisten können.

 

Für die unmittelbare Zusammenarbeit mit Unternehmen setzt die ADA auf Wirtschaftspartnerschaften. Rund 40 solcher Projekte befanden sich Ende des Jahres in Durchführung. Dafür waren Fördermittel in der Höhe von insgesamt 15,2 Millionen Euro zugesagt.

 

Seit 2012 sind insgesamt 160 Wirtschaftspartnerschaften sowie zahlreiche Machbarkeitsstudien entstanden. Rund 77.600 lokale Unternehmen und Institutionen erhalten durch diese Projekte zusätzliche Chancen und Vorteile. Mehr als 8.800 neue Arbeitsplätze wurden geschaffen und rund 3,3 Millionen Menschen wird ein besseres Leben ermöglicht.

 

An afrikanische Social Entrepreneurs, die mit digitalen oder technologischen Lösungen die Gesundheit der Menschen in Afrika unterstützen und somit einen Beitrag im Sinne des SDG 3 (Gesundheit und Wohlergehen) leisten, richtet sich der „Kofi Annan Award for Innovation in Africa“. Das BKA hat diesen Award gemeinsam mit der Kofi Annan Foundation initiiert und mit Unterstützung des Innovation Accelerator des World Food Programme (WFP) und der ADA verwirklicht. Die Auslobung des Preises fand große Resonanz bei Bewerbern, potenziellen Investoren und in den Medien. Neun nominierte Preisträgerinnen und Preisträger werden eine fachliche Unterstützung im Rahmen eines Bootcamps des WFP und die drei besten zusätzlich eine finanzielle Förderung durch die ADA in Höhe von 250.000 Euro erhalten.

 

Evaluierung

 

Strategische Evaluierungen der OEZA werden vom BMEIA gemeinsam mit der ADA geplant und gesteuert und von unabhängigen, externen Evaluatorinnen und Evaluatoren durchgeführt. Die seit 1999 durchgeführten strategischen Evaluierungen können in Entsprechung internationaler Standards transparent auf der Homepage der ADA abgerufen werden. Es wurden zwei strategische Evaluierungen abgeschlossen: die Evaluierung des menschenrechtsbasierten Ansatzes (MRBA) in der OEZA sowie die Evaluierungs- und Evidenzsynthese zur Umsetzung des gesamtstaatlichen Ansatzes (WGA) in der österreichischen Entwicklungspolitik. Eine weitere strategische Evaluierung der OEZA-Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, insbesondere Wirtschaftspartnerschaften (WIPA), wurde weiter umgesetzt. Ebenso wurde der Umsetzungsplan (Management Response) für die abgeschlossene Evaluierung MRBA erarbeitet und jene für die Evaluierung des WGA begonnen. Ziel ist es, Nutzen und Lernprozess aus Evaluierungen zu fördern und eine möglichst zeitnahe Umsetzung zu gewährleisten.

 

Mit der „Evaluierungspolicy OEZA Plus“ liegt erstmals eine ressortübergreifende Evaluierungspolicy vor. Ziel ist die Festlegung der qualitativen Anforderungen auf Basis internationaler Standards der OECD sowie der United Nations Evaluation Group (UNEG). Hierbei handelt es sich um ein wichtiges Rahmendokument für die österreichische Entwicklungsevaluierung, welches nicht nur für die beteiligten Ressorts, sondern auch für andere entwicklungspolitische Akteure (z.B. Bundesländer, NGOs) von Relevanz und Interesse ist und ihnen zur Anwendung offensteht. Darüber hinaus ist sie Ausdruck gelebter Politikkohärenz und für die OECD/DAC Peer Review Österreichs von Bedeutung.

 

Das BMEIA und die ADA waren gemeinsam in den für Fragen der Evaluierung relevanten Gremien der OECD-DAC (EvalNet) sowie der erweiterten DACH Gruppe (Deutschland, Österreich, Schweiz plus Belgien und Niederlande), als auch in der EU-Head of Evaluation Services vertreten.

 

DAC Peer Review und Management Response

 

Der Bericht der DAC Peer Review über die OEZA wurde Anfang 2020 veröffentlicht. Die Peer Reviews werden vom Development Assistance Committee (DAC) der OECD gemeinsam mit zwei DAC Mitgliedstaaten durchgeführt. Sie zielen darauf ab, die Qualität und Wirksamkeit der EZA durch gegenseitiges Lernen zu verbessern. Im Bericht wird Österreich als verlässlicher, berechenbarer und flexibler Partner in der EZA beschrieben. Der Großteil der elf Empfehlungen der Peer Review befasst sich mit Punkten zu Kohärenz, Finanziellem und Personellem, wobei die Stärkung eines gesamtstaatlichen Ansatzes besonders hervorgehoben wird.

 

Als Antwort auf den Bericht hat die OEZA eine Management Response ausgearbeitet, die beschreibt inwieweit und wie die OEZA die Empfehlungen umsetzen kann und wird. Alle betroffenen Akteure wurden in die Ausarbeitung der Management Response einbezogen. Sie wurde dem DAC im Februar übermittelt.

 

4.1 Schwerpunkte

 

Die COVID-19-Pandemie stellte die OEZA weiterhin vor Herausforderungen. Alle Sektoren und Themenbereiche, in denen die OEZA in Entwicklungsländern tätig ist, waren bzw. sind von den Folgen der Pandemie betroffen. Bei den geförderten bzw. umgesetzten Programmen und Projekten lag daher großes Augenmerk auf der Stärkung der sozialen und wirtschaftlichen Resilienz von Bevölkerungsgruppen in schwierigen Lebensumständen.

 

Die Geschlechtergleichstellung und die Ermächtigung von Frauen und Mädchen (SDG 5) ist ein zentrales Handlungsziel der OEZA und findet auf allen Ebenen Berücksichtigung. Die OEZA bekennt sich dementsprechend zu den Zielen und Prinzipien des EU- Aktionsplans zu Gender und Entwicklung III.

 

Bilateral ist Österreich im Bereich Wasser und Siedlungshygiene (SDG 6) in Albanien, Moldau, Mosambik, Uganda sowie Palästina aktiv. In Moldau arbeitet Österreich gemeinsam mit der Schweiz in einem Programm zur Stärkung der Institutionen in diesem Sektor und leitete in Zusammenarbeit mit der Gemeindeverwaltung und mit Finanzierung der EU erfolgreich den Bau einer Abwasserbehandlungsanlage in der Kleinstadt Cantemir. In Afrika unterstützt die ADA ein groß angelegtes Programm der Globalen Wasserpartnerschaft zur Förderung der Geschlechtergleichstellung im Wassersektor in bis zu 18 Ländern (SDG 5). Nicht minderbedeutend ist die Arbeit der African Water Facility der Afrikanischen Entwicklungsbank, die ebenfalls von der ADA unterstützt wird. Über diese Finanzierungsfazilität werden Wasser- und Siedlungshygieneinvestitionen vorbereitet. Ein neu begonnenes Kooperationsprojekt unterstützt die stärkere Zusammenarbeit der Länder im Becken des Volta Flusses in Westafrika und die Entwicklung eines Masterplans für das nachhaltige Wassermanagement im Einzugsgebiet.

 

Im Bereich nachhaltige Energie (SDG 7, 13) engagierte sich die OEZA gemeinsam mit UNIDO weiter beim Aufbau und Betrieb regionaler Zentren für Erneuerbare Energie und Energieeffizienz. Politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen für die verstärkte Nutzung nachhaltiger Energielösungen in den Regionen sollen gefördert, lokale und regionale Kapazitäten gestärkt und regionale Märkte und Wertschöpfungsketten aufgebaut werden. Die Regionalzentren in West- und Ostafrika, im südlichen Afrika, im Himalaya-Hindukusch, der Karibik und im Pazifik sind mittlerweile operativ tätig. Vorbereitungen zum Aufbau eines weiteren regionalen Energiezentrums in Zentralamerika sind im Gang. Andere Partner im Energiebereich sind die UN Sustainable Energy for All (SEforALL) Initiative sowie die Energy and Environment Partnership (EEP) im südlichen und östlichen Afrika mit dem Nordic Development Fund (NDF).

 

Bei Strategien und Programmen zu Ernährungssicherheit und nachhaltiger ländlicher Entwicklung (SDG 1, 2, 10, 13, 15) liegt der Schwerpunkt auf der Reduktion von Auswirkungen des Klimawandels, Erhöhung der Widerstandsfähigkeit von Haushalten und Gemeinden gegenüber Krisen, Stärkung der lokalen Wertschöpfung sowie nachhaltiger Nutzung und gleichberechtigtem Zugang zu Land und natürlichen Ressourcen. Die OEZA unterstützt diese Ansätze unter anderem in Äthiopien, Burkina Faso und Mosambik sowie in Landwirtschaftsprojekten in Armenien und Georgien. Einige dieser Projekte, die unter anderem den Fokus auf Förderung des ökologischen Landbaus und Privatsektorentwicklung legen, setzt die OEZA mit Finanzierung der Europäischen Kommission um.

 

Die OEZA unterstützt Partnerländer dabei, effektive, rechenschaftspflichtige und inklusive Institutionen aufzubauen, die Menschenrechte zu verwirklichen und eine lebendige Zivilgesellschaft zu fördern (alle SDGs, insbesondere SDG 16). Zur Qualitätssicherung der Umsetzung vor Ort wurden Informationspapiere zu Kinderrechten, dem Recht auf Wasser und Siedlungshygiene sowie ein Handbuch zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen überarbeitet. Bewusstseinsbildung zu Menschen mit Behinderungen wurde beispielsweise im „Bridging the Gap“-Projekt in Äthiopien gefördert, das erfolgreich abgeschlossen werden konnte. Die EZA-relevanten Staatenprüfungen Österreichs betreffend Kinderrechte, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte (WSK-Rechte), Menschen mit Behinderungen und die Universelle Staatenprüfung (UPR) wurden intensiv fortgeführt.

 

Für Friedensförderung und Konfliktprävention (SDG 16) setzt sich die OEZA besonders in den Regionen Westafrika, Ostafrika/Horn von Afrika, Westbalkan, Südkaukasus und im Nahen und Mittleren Osten ein. In einem Gemeinschaftsprojekt mit dem BMLV und dem Österreichischen Studienzentrum für Frieden und Konfliktlösung (ASPR) werden zivile, militärische und polizeiliche Einsatzkräfte in der Region Westafrika am Kofi Annan International Peacekeeping Training Center (KAIPTC) in Accra/Ghana, für humanitäre Einsätze und zivilmilitärische Zusammenarbeit trainiert. Besonderer Fokus der OEZA gilt der Konfliktprävention: Das West Africa Network for Peacebuilding (WANEP) ist die tragende Stütze des Konfliktfrühwarnsystems der Regionalorganisation Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS). Mit mehr als 500 lokalen Organisationen der Zivilgesellschaft als WANEP Partnerinnen und Partnern in der Region wird die Einbeziehung von zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren sichergestellt.

 

Eine wichtige Voraussetzung für Konfliktprävention und Friedensförderung in fragilen Kontexten ist eine koordinierte, kohärente und komplementäre Herangehensweise von Entwicklungszusammenarbeit, humanitärer Hilfe und Friedenssicherung. Ein aktueller Schwerpunkt liegt auf der gender-sensiblen Anwendung dieser Verbindung, zu der die OEZA in Palästina gemeinsam mit der Europäischen Kommission und bilateralen Gebern aktiv beiträgt. Die OEZA lancierte heuer mehrere Projekte zivilgesellschaftlicher Akteure in der Sahel Region, die diese „Triple-Nexus“- Herangehensweise verfolgen.

 

Im Bereich Bildung und Wissenschaft (SDG 4) liegen die Schwerpunkte in der Hochschul- und Berufsbildung. Mit dem Hochschulkooperationsprogramm Austrian Partnership Programme in Higher Education and Research for Development (APPEAR) werden mehrjährige Partnerschaften zwischen Hochschulen in Schwerpunktländern der OEZA und Österreich ermöglicht. Ziel ist die Kapazitätsentwicklung. 2020 wurde eine weitere Phase dieses international anerkannten Programms nach einer sehr positiv ausgefallenen Evaluierung eingeläutet. Nunmehr erfolgte die Auswahl der ersten 26 Partnerschaften, die in dieser neuen Phase in den Genuss einer Förderung bzw. eines Zuschusses für die konkrete Planung kommen. In Kooperation mit dem Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) unterstützt die OEZA zudem die Länder des Donauraums/Westbalkans bei der Annäherung an bzw. Integration in den Europäischen Hochschul- und Forschungsraum. Darüber hinaus werden Partnerländer dieser Region sowie Moldau und Burkina Faso bei der Reform des Berufsbildungssektors unterstützt.

 

Umwelt und Klimaschutz (SDG 1, 9, 13, 15) verfolgt die OEZA auf verschiedenen Ebenen. Sie unterstützt die Schwerpunktländer und -regionen dabei, Umwelt- und Klimafragen im Einklang mit dem Pariser Übereinkommen, dem Sendai-Rahmenwerk für Katastrophenrisikominderung und den SDGs in Entwicklungsplänen besser zu verankern und ökologisch nachhaltige Wachstumswege einzuschlagen. Dies geschieht unter anderem im Rahmen der Zusammenarbeit mit dem Poverty Environment Action Programme des UNDP. Ressourceneffizienz, Klimaschutz, Katastrophenrisikovorsorge (Disaster Risk Reduction) und Ökosystemerhalt werden holistisch in allen Projekten und Programmen thematisiert. Österreich engagiert sich außerdem seit vielen Jahren stark im Umweltnetzwerk des Entwicklungsausschusses der OECD, dessen Vize-Vorsitz die ADA seit Oktober 2018 innehat.

 

4.2 Bilaterale Entwicklungszusammenarbeit

 

Gerade für Entwicklungsländer hat die COVID-19-Pandemie schwerwiegende Folgen. Die ärmsten Länder der Welt sind laut internationalen Berichten – wie etwa der WTO oder Weltbank - am härtesten von der Pandemie und ihren Auswirkungen betroffen. Sie haben große Rückschritte in der wirtschaftlichen Entwicklung und Armutsbekämpfung zu verzeichnen. Durch die Ausgangsbeschränkungen und Wirtschaftseinbrüche wurden laut VN bzw. Weltbank 119 bis 124 Millionen Menschen zusätzlich in extreme Armut getrieben, davon rund 60 % in Südasien. Die weltweite Quote der extremen Armut ist damit zum ersten Mal seit 1998 von 8,4 % im Jahr 2019 auf 9,5 % im Jahr 2020 gestiegen. Somit ist fast jeder zehnte Mensch auf der Welt von extremer Armut betroffen. Davon am stärksten betroffen sind junge Menschen und Frauen. Dies gilt auch für die elf Schwerpunktländer der OEZA und die durch die OEZA unterstützten fragilen Staaten und Regionen (insbesondere Naher und Mittlerer Osten). Sie leiden stark an der COVID-19-Pandemie, den damit einhergehenden sozioökonomischen Auswirkungen, und den politischen Folgewirkungen. Die OEZA unterstützt die Schwerpunktländer und -regionen seit Beginn der Krise im Umgang mit diesen massiven Auswirkungen. Dies erfolgt einerseits durch konkrete Projektfinanzierungen sowie über die Unterstützung globaler Maßnahmen über internationale Organisationen oder Fonds, sowie im Rahmen der EU.

 

Seit Ausbruch der COVID-19-Pandemie hat Österreich insgesamt über 268 Millionen Euro für den internationalen Kampf gegen COVID-19 zur Verfügung gestellt, etwa als Beiträge zur globalen Impfallianz COVID-19 Vaccines Global Access (COVAX), zum UN COVID-19 Response & Recovery Multi-Partner Trust Fund (MPTF), zum UN Global Humanitarian Response Plan zur Bekämpfung von COVID-19, zu verschiedenen UNDP COVID-19 Integrated Response Plans und ICRC/IFCR COVID Response Appeals, im Wege von OEZA Projekten sowie durch Beteiligung an der Impfstoffforschung und mittels Garantien der Österreichischen Entwicklungsbank. So konnten zum Beispiel über COVAX seit Ende Februar mehr als 600 Millionen Impfdosen an mehr als 140 Länder geliefert werden, darunter an 92 Staaten mit mittlerem und niedrigem Einkommen (BNE pro Kopf und Jahr geringer als 1.045 US-Dollar). Alle OEZA Schwerpunktländer (Albanien, Kosovo, Armenien, Georgien, Moldau, Uganda, Mosambik, Burkina Faso, Äthiopien, Bhutan und Palästina) profitieren dabei von COVAX: Albanien, Georgien, Armenien über Kaufoptionen, andere über Geber-finanzierte Impfdosen. Bisher erfolgten COVAX Impfstofflieferungen an OEZA Schwerpunktländer Burkina Faso (1,37 Millionen Dosen), Äthiopien (11,13 Millionen Dosen), Uganda (12,54 Millionen Dosen), Mosambik (5,62 Millionen Dosen), Kosovo (739.620 Dosen), Palästina (909.020 Dosen), Moldau (535.590 Dosen) und Bhutan (505.850 Dosen).

 

Team Europe

 

Zu Beginn der COVID-19-Pandemie einigten sich die EU Entwicklungsministerinnen und Entwicklungsminister darauf, ihre Unterstützung der Partnerländer im Umgang mit der COVID-19-Pandemie zu koordinieren und durch gemeinsames Auftreten nach außen die Sichtbarkeit der EU als größter Geber weltweit zu erhöhen. Die Hilfen und Mittel der EU und all ihrer Mitgliedstaaten, Institutionen, Agenturen und Akteure inklusive der Europäischen Investitionsbank (EIB) und der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) werden seitdem unter dem Schlagwort „Team Europe“ gebündelt. Die Initiative ist auch in Zusammenhang mit den Bemühungen der EU zu sehen, ihre Kräfte in der Entwicklungszusammenarbeit generell im Sinne der gemeinsamen Programmierung „Joint Programming“ zu bündeln. Seit Beginn der COVID-19-Pandemie hat Team Europe 46 Milliarden Euro an Unterstützung für Partnerländer bereitgestellt. Gemeinsam mit den EU Delegationen, Vertretern multilateraler Foren und Vertretungen der EU Mitgliedstaaten vor Ort wurden außerdem in den Partnerländern maßgeschneiderte „Team Europe“ Flagship Projekte, sogenannte „Team Europe Initiatives“ (TEIs) in den Sektoren Green Deal, Technik/Digitalisierung, Wachstum, Arbeitsplätze, Migration, Governance/Friede/Sicherheit und humanitäre Entwicklung erarbeitet.

 

Bilaterale Entwicklungszusammenarbeit

 

Gemäß Dreijahresprogramm der Österreichischen Entwicklungspolitik 2019–2021 war die OEZA in drei Kategorien von Ländern tätig: 1) Ärmste Entwicklungsländer „Least Developed Countries“ (LDCs), 2) Länder in Südosteuropa/Südkaukasus, 3) Krisenregionen und fragile Staaten.

 

Ärmste Entwicklungsländer (Least Developed Countries)

 

In der Unterstützung ärmster Entwicklungsländer fokussiert die OEZA auf Länder und Regionen in Subsahara Afrika sowie Bhutan.

 

Im Schwerpunktland Äthiopien liegt der Fokus gemäß der Landesstrategie 2019–2025 auf der Stärkung der Resilienz und inklusiver Regierungsführung. Geografische Schwerpunktregion ist die Region Amhara, wobei der Fokus auf ländlichen Gebieten und ländlicher Entwicklung liegt. Aufgrund der Kriegshandlungen im Norden Äthiopiens mussten jedoch einige laufende Projekte eingestellt oder soweit als möglich auf die Bereitstellung humanitärer Hilfe umgestellt werden. Im Schwerpunktland Burkina Faso ist Österreich gemäß der Landesstrategie 2019–2025 in den Bereichen nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung in ländlichen Gebieten sowie technisches Schulwesen und Berufsbildung tätig. Geografischer Fokus liegt auf der Region Boucle du Mouhoun. In diesen Bereichen wird auch ein vom EU-Treuhandfonds für Notfälle in Afrika (EUTF) finanziertes Drittmittelprojekt sowie ein Projekt gemeinsam unterstützt mit dem Land Vorarlberg umgesetzt. In Uganda werden im Rahmen der Landesstrategie 2019–2025 Projekte in den Schwerpunktsektoren Wasserversorgung und Siedlungshygiene sowie im Zugang zu Justiz implementiert. Seit 2012 konnten drei EU-finanzierte Drittmittelprojekte realisiert werden. Schwerpunktregion ist das nördliche Uganda. Das OEZA-Engagement im Schwerpunktland Mosambik fokussiert im Rahmen der Landesstrategie 2019–2024 auf die Sektoren nachhaltige Landwirtschaft und Ernährungssicherheit sowie ländliche Wasserversorgung und Siedlungshygiene. Geografischer Fokus liegt in der Provinz Sofala, wo auch ein EU-finanziertes Drittmittelprojekt umgesetzt wird.

 

Komplementär zum OEZA-Engagement in den Schwerpunktländern werden in Subsahara-Afrika regionale Akteure unterstützt. Als Partner der OEZA in Subsahara-Afrika sind dies neben der Afrikanischen Union die Regionalorganisationen ECOWAS, die Ostafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (EAC), die zwischenstaatliche Behörde für Entwicklung (IGAD), die über ein EU-finanziertes Drittmittelprojekt unterstützt wird und die Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (SADC).

 

Inhaltlich konzentriert sich die OEZA in der regionalen Kooperation in Subsahara Afrika auf die thematischen Schwerpunkte Frieden und menschliche Sicherheit sowie integriertes grenzüberschreitendes Wasserressourcenmanagement. Darüber hinaus werden im Sinne eines gesamtstaatlichen Ansatzes Synergien zwischen sämtlichen österreichischen Akteuren, insbesondere in den Bereichen Wissenschaft und Forschung, humanitäre Hilfe, Migration und Mobilität, Wirtschaft und Entwicklung sowie nachhaltige Energie und Energieeffizienz genutzt.

Die Übergangsstrategie für das Schwerpunktland Bhutan 2019–2023 begleitet Bhutan auf dem Weg seiner Graduierung zu einem Land mit mittlerem Einkommen und konzentriert sich auf die Schwerpunktsektoren gute Regierungsführung, insbesondere im Justizbereich, und nachhaltige Energieversorgung.

 

Der Umsetzung des Nexus zwischen humanitärer Hilfe, Entwicklungszusammenarbeit und Friedensförderung wird besondere Bedeutung zugemessen. Durch regionale und multilaterale Kooperation in allen Phasen des Konfliktzyklus sollen Beiträge zu Frieden und menschlicher Sicherheit auch nachhaltig abgesichert werden. Integriertes Wasserressourcenmanagement soll räumliche und sektorielle Zusammenarbeit sowie den Zusammenhang zwischen Ernährungssicherheit/Landwirtschaft, Gewerbe und Industrie, Gesundheit, Umwelt- und Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit im Sinne von „Leaving no one behind“ („Niemanden zurücklassen“) fördern. Die Bekämpfung von Armut, Verbesserung der Lebensgrundlagen und Schaffung von nachhaltigen Lebensperspektiven bleibt das Ziel der EZA. Die OEZA trägt dadurch auch zur Reduktion der Migration bei. Der Unterstützung von Rahmenbedingungen wie Rechtssicherheit, Kapazitätsentwicklung in der Forschung, Innovation sowie Investitionen in erneuerbare Energie und Finanzierung für Mikro-, Klein- und Mittelbetriebe wird besonderes Augenmerk gewidmet. Im Bereich Wissenschaft und Forschung wird der Fokus auf die Ermöglichung des Zugangs für junge Menschen zu Forschung und Wissenschaft sowie Berufsbildung gelegt.

 

Im Rahmen aller Schwerpunkte wird explizit auf die Situation von Frauen und Mädchen eingegangen. Für die Ermächtigung von Frauen legt die OEZA Minimumstandards fest, die bei der Förderung von Bildungsinitiativen zu Familienplanung und reproduktiver Rechte der Frauen sowie bei der Lösung von Konflikten, der Friedenskonsolidierung und der Friedenssicherung zu beachten sind. Die OEZA unterstützt die Gleichheit der Geschlechter, den Kampf gegen Genitalverstümmelung und die Ermächtigung von Frauen und Mädchen.

 

Länder in Südosteuropa/Südkaukasus

 

Die Schwerpunktländer der OEZA in Südosteuropa und im Südkaukasus werden in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung mit Fokus auf Beschäftigung, Berufs- und Hochschulbildung sowie Regierungsführung, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Institutionenaufbau unterstützt. Dabei sollen auch die ärmsten Menschen nicht zurückgelassen werden. Derzeit wird an einer neuen OEZA-Strategie für den Westbalkan gearbeitet, die insbesondere die Heranführung der Westbalkanstaaten an die EU durch eine Neuausrichtung der OEZA noch zielgerechter und sichtbarer als bisher unterstützen und gleichzeitig die regionale Kooperation stärken soll.

 

In Albanien werden Regierungsführung und Rechtsstaatlichkeit, arbeitsmarktorientierte Berufsbildung/Beschäftigungsfähigkeit sowie integriertes Wassermanagement gefördert, im Kosovo Bildung mit Fokus Hochschulbildung sowie Wirtschaft und Entwicklung mit Fokus auf den ländlichen Raum. Besonders hervorzuheben ist das EU-Projekt International Monitoring Operation (IMO), welches von der ADA in Albanien durchgeführt wird. Sie begleitet dabei einen Prozess internationaler Experten, bei dem ca. 800 albanische Richterinnen und Richter und Staatsanwältinnen und Staatsanwälte dahingehend geprüft werden, ob sie ihre Tätigkeiten im Einklang mit Antikorruptions- und Rechtsstaatlichkeitsprinzipien durchführen.

 

Die mit Moldau abgestimmte Landesstrategie unterstützt die Entwicklung und die EU-Assoziierung der Republik. In Ergänzung dazu setzte die ADA ein EU-finanziertes Drittmittelprojekt in Moldau zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der landwirtschaftlichen Produktion sowie zur Verbesserung der Trinkwasserversorgung und der Siedlungshygiene in ländlichen Regionen erfolgreich um.

 

Das österreichische Engagement im Südkaukasus unterstützt die beiden OEZA-Schwerpunktländer Georgien und Armenien. Österreich fokussierte dabei auf Kooperation im Landwirtschaftsbereich. Hervorzuheben ist das von EU und ADA finanzierte Projekt Local Empowerment of Actors for Development (LEAD4Shirak) zur Stärkung von inklusivem Wachstum in ländlichen Gebieten von Shirak in Armenien durch Unterstützung Gemeinde-basierter Entwicklungs- und Partnerschaftsinitiativen.

 

Krisenregionen und fragile Staaten

 

Österreich unterstützt weiterhin Palästina. Im Einklang mit der „Europäischen Gemeinsamen Strategie zur Unterstützung Palästinas im Zeitraum 2021–2024“ und der palästinensischen „nationalen Policy Agenda 2017-2022“ ist Österreich im Rahmen seiner EZA insbesondere in den Bereichen Wasserversorgung und sozioökonomische Resilienz mit Fokus auf Frauen und Jugend engagiert und trägt im Sinne der Unterstützung für eine verhandelte Zwei-Staaten-Lösung zum Aufbau der Institutionen für einen palästinensischen Staat bei. Daneben ist Österreich ein langjähriger Unterstützer des Hilfswerks der VN für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA).

 

Darüber hinaus hat Österreich Unterstützungsmaßnahmen für fragile Staaten im Nahen und Mittleren Osten finanziert. In Syrien, Irak, Libanon und Jordanien werden unter anderem Programme der VN unterstützt. Für die humanitäre Krise in Afghanistan sowie die Unterstützung der afghanischen Flüchtlinge in den Nachbarstaaten stellte Österreich ein 20 Millionen Euro schweres Soforthilfepaket zur Verfügung.

 

4.3 Multilaterale Entwicklungszusammenarbeit

 

Entwicklungszusammenarbeit der Europäischen Union

 

Die EU (Mitgliedstaaten und Europäische Kommission) ist der größte Geber von internationalen ODA-Leistungen. Österreichs finanzieller Beitrag zur EZA der EU stellt einen der größten Einzelposten der österreichischen ODA dar. Österreich trug im Jahr 2021 347 Millionen Euro zur Entwicklungszusammenarbeit im Rahmen des EU Haushalts und des Europäischen Entwicklungsfonds (EEF) bei, das sind 28 % der gesamten ODA Österreichs.

 

Für den Mehrjährigen Finanzrahmen der EU von 2021 bis 2027 wurde ein neues Instrument für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Partnerschaften – Europa in der Welt (NDICI-GE) geschaffen. Das Instrument fügt bisher eigenständige Instrumente zusammen und deckt alle Drittstaaten mit Ausnahme der Kandidatenländer ab. Die budgetäre Ausstattung beträgt 70,46 Milliarden Euro für den Gesamtzeitraum. Die Zielsetzung ist insbesondere die Förderung der Werte, Grundsätze und Interessen der EU weltweit, von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten, nachhaltiger Entwicklung, Multilateralismus (einschließlich SDGs, Agenda 2030 und Übereinkommen von Paris) und Partnerschaften mit Drittländern. Darüber hinaus soll ein Beitrag zur Minderung und langfristigen Beseitigung der Armut, zur Bekämpfung des Klimawandels und von irregulärer Migration und Vertreibung geleistet werden. Die Verhandlungen zum Post-Cotonou Abkommen zwischen der EU und den Mitgliedern der Organisation der afrikanischen, karibischen und pazifischen Staaten (OAKPS) konnten am 15. April mit der Paraphierung des Abkommens abgeschlossen werden.

 

Agenda 2030

 

Österreichs erster „Freiwilliger Nationaler Bericht zur Umsetzung der Nachhaltigen Entwicklungsziele/SDGs“ (FNU) wurde 2020 den Vereinten Nationen vorgestellt und verdeutlicht anhand der Schwerpunktsetzungen Digitalisierung, Klimaschutz und Klimawandelanpassung sowie Frauen, Jugend und „Leaving no one behind“ sowie zahlreicher konkreter Erfolgsgeschichten das hohe Engagement zur Umsetzung der SDGs.

 

Das Jahr stand im Zeichen des Ausbaus der Koordinierung der SDG- Umsetzung in Österreich sowie der Intensivierung des Dialogs und der Öffentlichkeitsarbeit zur Agenda 2030. Basierend auf den Mitgliedern des Redaktionsteams für den FNU wurde eine Steuerungsgruppe ins Leben gerufen, in der das BKA, BMEIA, das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK), das BMDW sowie das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) zusammenarbeiten.

 

Zur Intensivierung des Dialogs wurde am 28. September das erste österreichische SDG Dialogforum gemeinsam mit dem Ban Ki-moon Centre for Global Citizens und SDG Watch Austria organisiert. Es stand im Zeichen von Handlungsoptionen und Innovationen nach COVID-19, sowie von Partnerschaften zur Erreichung der 17 SDG Ziele. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer (Regierungsmitglieder, Expertinnen und Experten sowie wichtige Stakeholder aus Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung und Zivilgesellschaft) diskutierten die aktuellen Herausforderungen, Innovationen und Lösungsansätze der Nachhaltigen Entwicklung nach COVID-19 auf Basis der im FNU enthaltenen Schwerpunktthemen.

 

4.4 Humanitäre Hilfe und Katastrophenhilfe

 

Ziel der humanitären Hilfe ist, Leben zu retten, menschliches Leid zu lindern und Schutz und Versorgung aller betroffenen Menschen in einer humanitären Notlage (Naturkatastrophen, bewaffnete Konflikte, Pandemien) sicherzustellen sowie die Grundlage für eine Rückkehr zu akzeptablen und menschenwürdigen Lebensbedingungen zu schaffen. Zentrales Instrument der österreichischen humanitären Hilfe ist der Auslandskatastrophenfonds (AKF). Seine Finanzmittel wurden um 19,5 Millionen Euro auf 69,5 Millionen Euro erhöht, wobei der Großteil der Erhöhung für das größte Soforthilfepaket in der Geschichte der Zweiten Republik verwendet wurde, für die humanitäre Hilfe in Afghanistan nach der Machtübernahme der Taliban.

 

4.4.1 Bilaterale humanitäre Hilfe

 

Die bilaterale humanitäre Hilfe Österreichs wird vom BMEIA, anderen Bundesministerien wie dem BMI, dem BMLRT, dem BMLV, von Ländern und Gemeinden sowie von anderen öffentlichen Stellen finanziert und abgewickelt. Die schrittweise Erhöhung des AKF ermöglicht es, auf den weltweit steigenden humanitären Bedarf umfangreicher als bisher zu antworten.

 

Die bilaterale humanitäre Hilfe reagiert auf außergewöhnliche Krisensituationen, die zumeist durch Naturkatastrophen oder bewaffnete Konflikte ausgelöst werden. Massive Flüchtlingsströme und Hungersnöte sind die augenscheinlichsten Folgen solch extremer Krisensituationen. Dazu gehörten die Flüchtlingskrisen in Syrien und den Nachbarländern, in Afghanistan und seiner Region wie auch die COVID-19-Pandemie in Südosteuropa und die Hungersnot in Afrika.

 

Für Syrien und die Region wurden an Basisversorgung, Minenaktion und Rehabilitation von Minenopfern insgesamt rund 18,2 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Auch der Afghanistankonflikt war ein Schwerpunkt. Um schnelle und effektive humanitäre Hilfe vor Ort zu leisten wurde ein Soforthilfepaket im Umfang von 20 Millionen Euro beschlossen.

 

Neben diesen langandauernden Krisen stand die humanitäre Hilfe stark im Zeichen der COVID-19- Pandemie. Österreich zeigte sich auch in der Pandemie solidarisch und versorgte bedürftige Staaten mit Impfdosen. Dabei standen die Länder unserer Nachbarschaft im Vordergrund (Westbalkan und Länder der europäischen Nachbarschaft), sowie darüber hinaus alle Länder mit einer niedrigen Durchimpfungsrate. Humanitäre Krisengebiete wie die Region um Afghanistan werden dabei besonders berücksichtigt. Die Auswahl der Länder sowie die Abwicklung der Lieferungen erfolgten in enger Abstimmung des BMEIA mit dem Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz sowie mit dem Bundesministerium für Inneres. Um die akute Notsituation zu lindern, übernahm Österreich die Funktion des Regionalkoordinators für die Lieferung von 651.000 COVID-19-Impfdosen von BioNtech/Pfizer aus dem EU Vaccine Sharing Mechanism für die sechs Staaten des Westbalkans. Weiters wurden mit Unterstützung des BMI 1.000.000 Impfdosen an den Iran, 50.000 Impfdosen an Costa Rica, 50.000 Impfdosen an Vietnam, 50.000 Impfdosen an Tajikistan, 150.000 Impfdosen an Usbekistan und 956.550 Impfdosen an Bangladesch geliefert.

 

Österreich unterstützte auch Indien, das besonders schwer von der COVID-19-Pandemie betroffen war, mit 2 Millionen Euro aus dem AKF. Zur Bekämpfung der Hungersnot, Linderung der Flüchtlingssituation und Unterstützung der fragilen Gesundheitssysteme wurden 14 Millionen Euro für Staaten in Subsahara Afrika (Burkina Faso, Mali, Äthiopien, Uganda, Mosambik) bereitgestellt. Auch für Südamerika (Venezuela, Kolumbien) wurden 2 Millionen Euro zur Linderung der Flüchtlingssituation und der dadurch verschärften humanitären Krise zur Verfügung gestellt.

 

Die jährlichen AKF - Beiträge an österreichische NGOs in Höhe von 13,5 Millionen Euro konnten bereits im März gebündelt beschlossen werden und dadurch die Planungssicherheit erhöht werden.

 

Aus Mitteln des AKF und der ADA wurden humanitäre Programme und Projekte im Nahen und Mittleren Osten (inklusive Syrien, Palästina, Jemen, Afghanistan), Afrika, und in Ländern des Westbalkans über Organisationen der VN, der Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung und der Zivilgesellschaft unterstützt. Die gesamte bilaterale humanitäre Hilfe betrug 78,3 Millionen Euro. Die Mittel wurden sowohl im Wege humanitärer Organisationen der VN, der Rotkreuzbewegung als auch österreichischer NGOs abgewickelt.

 

Internationale Katastrophenhilfe

 

Österreich leistete aufgrund von Hilfeersuchen im Rahmen des Unions-Mechanismus in direkter Koordination mit der Europäischen Kommission und dem Zentrum für die Koordination von Notfallmaßnahmen (ERCC) auch internationale Katastrophenhilfe.

 

Zur Unterstützung der Eindämmung der COVID-19-Pandemie und deren Folgen leistete auch das BMI einen beträchtlichen Beitrag an Sachleistungen, u.a. mehrere Millionen Mundschutzmasken, Untersuchungshandschuhe, Desinfektionsmittel und Schutzanzüge an China, Italien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Nordmazedonien, Montenegro, Moldawien, Albanien, Tschechien, Armenien, Indien, Nepal, Fidschi, Tunesien, Rumänien, Lettland, Sierra Leone, Tajikistan, Usbekistan und Iran. Kroatien wurde in Folge des schweren Erdbebens im März mit Sachspenden unterstützt.

 

Diese Auslandskatastrophenhilfseinsätze wurden vom BMI im Rahmen der Zuständigkeit für die internationale Katastrophenhilfe und das staatliche Krisen- und Katastrophenschutzmanagement organisiert, mit Logistikunterstützung des Österreichischen Roten Kreuzes, des Samariterbundes, der Landesfeuerwehrverbände Niederösterreich und Oberösterreich, der Bundesländer Steiermark, Niederösterreich und Kärnten und des BMSGPK. Von 40 Auslandseinsätzen des BMI im Zeitraum von 2020 bis 2021 hatten 22 Einsätze einen direkten Bezug zu COVID-19.

 

Nahrungsmittelhilfe Österreichs

 

Die wachsende Bedeutung, die Österreich der internationalen Nahrungsmittelhilfe beimisst, zeigt sich unter anderem in seinen deutlich gestiegenen Beiträgen an Humanitärer Hilfe für Nahrungsmittel, die aus Mitteln des AKF alleine 7,5 Mio. Euro betrugen. Weiters zeigt sie sich in der aktiven Mitgliedschaft im Ernährungshilfe-Übereinkommen (Food Assistance Convention, FAC), durch das sich Österreich verpflichtet, jährlich Nahrungsmittelhilfe zugunsten ernährungsunsicherer Drittländer zu leisten. Im Zusammenhang mit der FAC unterstützt auch das BMLRT in Abstimmung mit dem BMEIA und der ADA regelmäßig Nahrungsmittelhilfsprojekte des WFP, der FAO oder des IKRK in den akuten globalen Krisenregionen.

 

4.4.2 Multilaterale humanitäre Hilfe und Europäische Union

 

Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten

 

Das Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (OCHA) ist für die internationale Koordination der humanitären Hilfe und Katastrophenhilfe, für die Entwicklung der humanitären Politiken der VN und deren Förderung im Verhältnis zu anderen VN-Stellen zuständig und verfügt neben Sitzen in Genf und New York über ein Netzwerk von Feld- und Regionalbüros. Der Finanzbedarf von OCHA wird nur zu rund fünf Prozent aus Mitteln des ordentlichen VN-Haushalts bedeckt, der Rest stammt aus freiwilligen Beiträgen der Mitgliedstaaten. Österreich ist seit 2010 Mitglied der Donor Support Group von OCHA, einem Forum der wichtigsten Geber an OCHA.

 

Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen

 

Das Amt des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) ist als eine der größten Hilfsorganisationen der VN in 123 Ländern operativ tätig und finanziert seine Aktivitäten überwiegend durch freiwillige Beiträge der Staaten. Österreich leistete wie in den vorangegangenen Jahren einen ungebundenen Kernbeitrag für UNHCR. 14,6 Millionen Euro wurden aus dem AKF geleistet. Österreich unterstützte die Arbeit des UNHCR zur Basisversorgung von Binnenvertriebenen, Flüchtlingen und Rückkehrenden sowie der Aufnahmegemeinden in Tunesien, Syrien, Jordanien, Kolumbien, Burkina Faso und Afghanistan. Weiters leistete die OEZA 1,5 Millionen Euro an UNHCR. Das BMSGPK trug zusätzlich 310.000 Euro als Unterstützung bei.

 

Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen

 

Das Welternährungsprogramm World Food Programme (WFP) ist die größte humanitäre Organisation der VN. Österreich unterstützt regelmäßig Nahrungsmittelhilfeprojekte des WFP. Aus Mitteln des AKF wurden zuletzt 7,5 Mio. Euro bereitgestellt, darunter für Afghanistan, Syrien, Äthiopien, Burkina Faso und Jordanien. Die OEZA trug darüber hinaus rund 5,4 Millionen Euro zum WFP bei. Das BMLRT leistete 800.000 Euro.

 

Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten

 

Österreich leistete wie in den vergangenen Jahren einen Kernbeitrag an das UNRWA für Projekte im Westjordanland und im Gazastreifen. Darüber hinaus leistete die ADA finanzielle Unterstützung im Gesundheits- und Bildungssektor für palästinensische Geflüchtete in Syrien. Die OEZA trug insgesamt 5,8 Millionen Euro zu UNRWA bei.

 

Internationales Komitee vom Roten Kreuz und Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften

 

Das IKRK ist die einzige Organisation, der die Überwachung der Einhaltung des Humanitären Völkerrechts (HVR) obliegt. Das IKRK ist in mehr als 80 Ländern operativ tätig und leistet damit weltweit gemeinsam mit der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRK) sowie den nationalen Gesellschaften einen wesentlichen Beitrag zur Linderung humanitärer Notlagen. Österreich ist seit 2017 Mitglied der Donor Support Group des IKRK, einem informellen Forum der wichtigsten Geber an das IKRK.

 

Österreich unterstützte die operative Arbeit des IKRK für die Basisversorgung der betroffenen Menschen, unter anderem für Nahrung, Trinkwasser sowie Gesundheitsversorgung und Bargeldhilfe in Syrien, Jemen, Afghanistan, Libanon, Burkina Faso, Venezuela und der Region Berg-Karabach sowie Minenaktionsprogramme in der Ukraine. Zudem wurden 9,5 Millionen aus dem AKF als ungebundener Beitrag zum Kernbudget des IKRK geleistet. Die OEZA unterstützte das IKRK mit zwei Millionen Euro, das BMLRT trug 800.000 Euro bei.

 

Humanitäre Hilfe im Rahmen der Europäischen Union

 

Österreich leistete über das Amt für humanitäre Hilfe der Europäischen Kommission (ECHO), dessen operatives Budget mit 1,4 Milliarden Euro festgesetzt wurde, seinen entsprechenden Anteil für weltweite humanitäre Hilfe. Der weltweite humanitäre Bedarf hat sich aufgrund der Folgen von COVID-19 und der Auswirkungen des Klimawandels dramatisch verschärft, die Europäische Kommission nahm daher eine Steigerung von mehr als 60 % gegenüber dem Anfang 2020 beschlossenen humanitären Budget von 900 Millionen Euro vor.

 

4.5. Humanitäres Völkerrecht

 

Österreich setzt sich regelmäßig in multilateralen Foren und in bilateralen Kontakten für die Einhaltung des Humanitären Völkerrechts (HVR) ein. So gelang etwa auf Initiative Österreichs in den Verhandlungen einer UNHCR Resolution der VN-GV die Aufnahme eines Vorschlags zur verstärkten Betonung des HVR im Kontext der Bedrohungen der Sicherheit humanitärer Einsatzkräfte.

 

Die Open-ended Working Group der VN-GV zum Einsatz digitaler Technologien im Bereich der internationalen Sicherheit hielt von 8.-12. März ihre dritte formelle Sitzung ab und schloss ihre Arbeit durch Annahme eines Berichts im Konsens erfolgreich ab. Durch den Bericht wurde die Geltung des Völkerrechts im Cyberspace, insbesondere der VN-Satzung, erstmals von allen VN-Mitgliedstaaten direkt bestätigt, was – auch ohne, dass dies ausdrücklich erwähnt wird – das HVR umfasst. Österreich setzte sich in seinen Stellungnahmen mehrmals für eine ausdrückliche Bezugnahme auf die Anwendbarkeit des HVR auf Cyberoperationen im Rahmen bewaffneter Konflikte ein.

 

Die seit 1988 bestehende österreichische Nationale Kommission zur Umsetzung des HVR traf sich zwei Mal, pandemiebedingt im Frühjahr virtuell und im Herbst in hybridem Format. Die Kommission erörterte Entwicklungen in den Bereichen Abrüstung (u.a. Inkrafttreten des Kernwaffenverbotsvertrags, Diskussionen und Verhandlungen in der Gruppe der Regierungsexperten zu tödlichen autonomen Waffensystemen (LAWS), Kulturgüterschutz in bewaffneten Konflikten (insbesondere die Beratungen des Ad hoc-Subkomitees zu Monitoring and supervision of the implementation of the 1999 Second Protocol to the 1954 Hague Convention) und humanitäre Hilfe und fasste den Grundsatzbeschluss, einen freiwilligen Bericht über die Umsetzung des HVR in Österreich zu erarbeiten. Vertreterinnen und Vertreter der Nationalen Kommission nahmen dazu auch an einem im Juni von der Schweiz organisierten virtuellen staatlichen Expertentreffen teil.

 

Es besteht eine ausgezeichnete Zusammenarbeit der österreichischen Behörden mit dem IKRK, die in Angelegenheiten des HVR insbesondere zwischen dem Völkerrechtsbüro des BMEIA und der Vertretung in Genf sowie der Rechtsabteilung des IKRK stattfindet. Aufgrund seiner erhöhten finanziellen Beiträge gehört Österreich seit 2017 der Donor Support Group des IKRK an. Die aufgrund eines österreichischen Pledges bei der 33. Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondkonferenz geplante Europäische Regionalkonferenz der Nationalen Kommissionen zur Umsetzung des HVR, die in Kooperation mit dem IKRK in Wien abgehalten werden soll, musste COVID-19-bedingt erneut verschoben werden. Das zuvor jährlich von BMEIA und ÖRK, gemeinsam mit den Universitäten Linz und Graz, organisierte Seminar zur Verbreitung des HVR konnte ebenfalls aufgrund der COVID-19- Pandemie nicht stattfinden, soll aber im Herbst 2022 wiederaufgenommen werden.

 

Im Rahmen der EU werden HVR-Themen in unterschiedlichen Foren regelmäßig behandelt, insbesondere in den Ratsarbeitsgruppen Völkerrecht, Völkerstrafrecht, Humanitäre Hilfe sowie im Politischen und Sicherheitspolitischen Komitee (PSK). Österreich übernimmt eine führende Rolle in einer Gruppe gleichgesinnter Staaten auf PSK-Ebene, die sich für eine institutionelle Stärkung der EU und insbesondere des Europäischen Auswärtigen Dienstes im Bereich des HVR und des internationalen Strafrechts einsetzt.

 

Österreich setzt sich weiterhin dafür ein, dass Verletzungen des HVR nicht ungestraft bleiben. Für die Bekämpfung der Straflosigkeit ist auch die objektive Feststellung von Fakten und Sicherung von Beweisen essentiell. Aus diesem Grund unterstützt Österreich Ermittlungs- und Untersuchungskommissionen, wie den durch VN-GV-Resolution 71/248 initiierten Internationalen, Unparteiischen und Unabhängigen Mechanismus zur Unterstützung der Ermittlung der Verantwortlichen für die seit März 2011 in Syrien begangenen schwersten völkerrechtlichen Verbrechen und deren strafrechtliche Verfolgung (IIIM) und die Internationale Humanitäre Ermittlungskommission (IHFFC) gemäß Art. 90 des Zusatzprotokolls I aus 1977 zu den Genfer Abkommen. Am 19. November nahm Österreich an der Wahl der neuen Mitglieder der IHFFC in Bern teil.

 

5. Außenwirtschaft

 

Für Österreich als offene Volkswirtschaft ist der Außenhandel von entscheidender Bedeutung. Die österreichische Exportwirtschaft schafft und sichert Arbeitsplätze, Wohlstand und Steuereinnahmen. Rund 60 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) werden von Exportunternehmen geschaffen und fast jeder zweite Arbeitsplatz ist direkt oder indirekt vom Export abhängig. Die Zahl der Exporteure hat sich in den vergangenen 25 Jahren von 12.000 auf rund 62.000 mehr als verfünffacht; rund 80 % der im Export tätigen Unternehmen sind Klein- und Mittelbetriebe, über viele Branchen und Sektoren hinweg. Die COVID-19-Pandemie ließ die Warenexporte im Jahr 2020 um -7,1 % auf 143 Milliarden Euro sinken; 2021 kam es aber wieder zu einem starken Anstieg der Exporte um 16,1% auf 165 Mrd. Euro.

 

Zum Erfolg der „Exportnation Österreich“ trägt das BMEIA – auch über sein Vertretungsnetzwerk im Ausland – wesentlich bei und spielt eine wichtige Rolle bei der Gestaltung nachhaltiger und fairer Außenwirtschaftsbeziehungen, der Erbringung von Serviceleistungen und als Türöffner und Problemlöser für österreichische Unternehmen. Die „Sicherstellung der wirtschaftspolitischen Interessen Österreichs in Europa und in der Welt“ ist Auftrag und Wirkungsziel des Bundesministeriums, die Abteilungen für Außenwirtschaft und Unternehmensservice beschäftigen sich laufend mit Fragen und Anliegen der Außenwirtschaft und von einzelnen Unternehmen.

 

Mit dem Projekt ReFocus Austria zur Förderung des österreichischen Wirtschaftsstandorts als größte wirtschaftsdiplomatische Kampagne in der Geschichte, trägt das BMEIA in Kooperation mit dem BMDW, der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) und anderen Stakeholdern seit September 2021 mit mehr als 100 Veranstaltungen weltweit zum Comeback-Plan der Bundesregierung bei.

 

Das BMEIA und sein Vertretungsnetz setzen jährlich mehr als 2.500 konkrete Maßnahmen im Interesse der Wirtschaft und des Standorts: Vorsprachen bei Behörden, Übergabe von Firmenmemoranden, Bewerbung des österreichischen Wirtschafts- und Tourismus-Standortes, Beratung, Informationsbeschaffung und Kontaktherstellung. Dies erfolgt jeweils in enger Kooperation mit den AußenwirtschaftsCentern der WKÖ. Das Fundament dieser Kooperation bildet eine am 28. September geschlossene Vereinbarung zwischen BMEIA und WKÖ, „Gemeinsam für die österreichische Wirtschaft im Ausland“, welche die Vereinbarung aus 1995 grundlegend modernisiert und an aktuelle Erfordernisse angepasst. Ziel ist es, sich noch effizienter für die österreichische Wirtschaft im Ausland, als Konjunkturmotor und tragende Säule des heimischen Wirtschafts- und Sozialsystems einzusetzen.

 

Gerade in schwierigen Zeiten benötigen Österreichs Unternehmen bestmögliche Unterstützung, um neue Märkte zu erschließen und neues Wachstum zu schaffen. Außenwirtschaftspolitik ist integraler Bestandteil österreichischer Außenpolitik, dessen Bedeutung durch weltweit zunehmende geopolitische und geoökonomische Konflikte, den Bedarf an einer krisensicheren Wirtschaft und den Einsatz von Zukunftstechnologien künftig noch steigen wird. Das Programm der Bundesregierung und die Außenwirtschaftsstrategie enthalten Leitlinien für die Ausgestaltung des wirtschaftspolitischen Profils des BMEIA.

 

5.1 Außenwirtschaftsstrategie

 

Das Regierungsprogramm 2020–2024 fordert die konsequente Umsetzung der Außenwirtschaftsstrategie (AWS). Sie enthält 63 konkrete Maßnahmen zur weiteren Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Außenwirtschaft und des Standorts Österreich sowie deren Weiterentwicklung im Lichte des Regierungsprogramms. Die Zielsetzungen und konkreten Maßnahmen der Strategie werden von den zuständigen Institutionen unter Federführung des BMEIA, BMDW sowie der WKÖ umgesetzt.

 

Übergeordnetes Ziel der Strategie ist es, den Wohlstand und die Interessen der österreichischen Bevölkerung in einem sich ständig und immer schneller verändernden globalen Umfeld zu sichern. Vorausschauend sollen Trends und neue Wachstumsmärkte erkannt, Chancen wie die Digitalisierung genutzt und entsprechende wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen für die österreichische Wirtschaft und den Standort Österreich geschaffen werden. Dies ist für die wirtschaftliche Erholung von der COVID-19-Pandemie besonders bedeutend. Viele aus außenpolitischer Sicht wichtige Aspekte wie Nachhaltigkeit, Politikkohärenz und Werteorientierung, Menschenrechte und verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln im Sinne der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen sind integraler Bestandteil der Strategie. Besondere Bedeutung kommt auch dem Abschnitt „Nachhaltigkeit als Chance für Unternehmen und Standort“ zu. Der globale Trend zu Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft und Umwelt-Technologien bietet der österreichischen (Außen-)Wirtschaft in diesem Bereich große Chancen und Möglichkeiten.

 

Im Juli wurde mit der Ausarbeitung eines Post-COVID-Maßnahmenpakets für die österreichische Außenwirtschaft die Weiterentwicklung der AWS unter den drei Schwerpunkten Außenwirtschaftspolitik mit Resilienzfokus, Exportstrategie „Green Economy“ sowie Export-Champion durch strategische Besuchsdiplomatie beschlossen. Die Etablierung eines umfassenden und proaktiven Informationsaustausches über die Reisetätigkeit bzw. Besuchsdiplomatie aller relevanten Akteurinnen und Akteure auf politischer Ebene ist ein Umsetzungsschwerpunkt des BMEIA.

 

Als Mitglied im Lenkungsausschuss zur Unterstützung des österreichischen Nationalen Kontaktpunktes der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen ist das BMEIA auch in der Anwendung und Umsetzung der Leitsätze für verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln aktiv.

 

5.2 Bilaterale Außenwirtschaftspolitik

 

Österreich hat mit 58 Staaten bilaterale Investitionsschutzabkommen abgeschlossen, um für österreichische Unternehmen Investitionsumfeld und Rechtssicherheit in Drittstaaten zu verbessern. Das Urteil des EuGHs vom 6. März 2018 in der Rechtssache „Slowakische Republik gegen Achmea BV“ stellte fest, dass Investitionsschiedsklauseln in völkerrechtlichen Abkommen zwischen EU-Mitgliedstaaten nicht in Einklang mit Unionsrecht stehen.

 

In Umsetzung dieses Urteils hat Österreich die Beendigung seiner Investitionsschutzabkommen mit EU Mitgliedstaaten eingeleitet, um diese so rasch wie möglich und vollständig, einschließlich ihrer Rechtsfolgen, außer Kraft zu setzen.

 

Österreich setzt sich in diesem Zusammenhang dafür ein, dass auf EU-Ebene rasch Schritte gesetzt werden, um einen umfassenden und effektiven Rechtsschutz von Investitionen im EU-Binnenmarkt zu gewährleisten und die Attraktivität des europäischen Wirtschaftsstandorts zu erhalten.

 

Investitionskontrollgesetz

 

Am 25. Juli 2020 trat das neue Investitionskontrollgesetz in Kraft. Dies dient insbesondere zur Umsetzung der EU-Verordnung für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen (FDI Screening VO 2019/452 vom 19. März 2019) und trägt aktuellen Entwicklungen auf internationaler Ebene in diesem Bereich Rechnung. Das BMEIA wirkt als ständiges Mitglied des Investitionskontrollkomitees aktiv an der Umsetzung des Gesetzes mit.

 

5.3 Multilaterale Außenwirtschaftspolitik

 

EU Handelsabkommen mit Drittstaaten

 

Die EU hat aufgrund 45 abgeschlossener Handelsabkommen mit 77 Handelspartnern das umfassendste Handelsnetzwerk weltweit. 2021 hat die Europäische Kommission mit Australien, Neuseeland, Chile und Indonesien Verhandlungen über Handelsabkommen geführt.

 

Mit den USA wurde beim EU-US Gipfel im Juni die Einrichtung eines gemeinsamen EU-US Handels- und Technologierates zur Förderung der Zusammenarbeit einschließend den Handelsbereich vereinbart. Das erste Treffen fand am 29. September statt. Kurze Zeit später kam es auch zu einer Grundsatzeinigung im EU-USA-Stahl- und Aluminium-Zollstreit.

 

Nach der am 30. Dezember 2020 erzielten Grundsatzeinigung zwischen der EU und China über ein gemeinsames Investitionsschutzabkommen (CAI) liegen weitere Ratifizierungsschritte aufgrund von EU-Sanktionen gegen China wegen Menschenrechtsverstößen betreffend die Unterdrückung der Uiguren in der Region Xinjiang und die von China daraufhin verhängten Gegensanktionen gegen die EU derzeit auf Eis.

 

Seit den im April 2020 mit Mexiko abgeschlossenen Verhandlungen zur Modernisierung des gemeinsamen Globalabkommens werden die internen Verfahren und nächsten Schritte auf beiden Seiten durchlaufen, die zur Unterzeichnung und zum Abschluss des Abkommens führen sollen.

 

Nachdem am 28. Juni 2019 eine Grundsatzeinigung über den Handelsteil und am 18. Juni 2020 zum politischen und institutionellen Teil des seit 1999 verhandelten Assoziierungsabkommens der EU mit MERCOSUR (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay) erzielt worden war, hat eine Annahme bislang nicht stattgefunden. Das Abkommen kam durch die erneute Zunahme der Brandrodungen im Amazonas-Regenwald sowie mehrere, insbesondere mit Hinblick auf die Umweltauswirkungen des Abkommens negativ ausgefallene Folgenabschätzungen immer stärker in die Kritik. Die Europäische Kommission hat erneut Gespräche mit den MERCOSUR-Partnern bezüglich weiterer Instrumente zur Umsetzung des Nachhaltigkeitskapitels aufgenommen. Gemäß österreichischem Regierungsprogramm 2020–2024 lehnt Österreich das MERCOSUR-Handelsabkommen in seiner derzeitigen Form ab. Diese Ablehnung ist aufgrund einer Stellungnahme des EU-Unterausschusses des Nationalrats vom 18. September 2019 rechtlich bindend.

 

Auf dem EU-Indien Gipfel am 8. Mai wurde die Wiederaufnahme der seit 2013 pausierten Verhandlungen über ein umfassendes Handelsabkommen sowie ein Investitionsschutzabkommen erneut bekräftigt.

 

Die modernisierte EU-Handelsstrategie vom 18. Februar hat zum Ziel, einen Konsens über eine neue mittelfristige Ausrichtung der EU-Handelspolitik zu erzielen und dabei mit dem System einer Offenen Strategischen Autonomie auf neue globale Herausforderungen, wie die Digitalisierung oder die Diversifizierung von Lieferketten, zu reagieren. Mehrere Forderungen Österreichs, darunter jene nach stärkeren Nachhaltigkeits- und Klimaschutzbestimmungen, finden sich in der Mitteilung wieder. Ein Hauptanliegen der EU bleibt zudem auch die umfassende Reform der WTO.

 

Welthandelsorganisation (WTO)

 

Die WTO schafft völkerrechtlich verbindliche Regeln für den internationalen Handel. Sie hat derzeit 164 Mitgliedstaaten, welche etwa 96 % des Welthandels ausmachen. Seit dem 1. März ist die nigerianische Politikerin Ngozi Okonjo-Iweala neue Generaldirektorin. Die ursprünglich für Juni 2020 geplante und auf Dezember verlegte zwölfte Ministerkonferenz musste aufgrund der COVID-19-Pandemie erneut verschoben werden. Bei der Konferenz sollen unter anderem der Abschluss eines Abkommens zu Fischereibeihilfen, die Einrichtung einer Arbeitsgruppe für die WTO-Reform sowie Fortschritte bei mehreren gemeinsamen Initiativen (wie beispielsweise zu innerstaatlichen Regulierungen zum elektronischen Handel, zu Investitionserleichterungen) erzielt werden.

 

Im Bereich Handel und Gesundheit hat sich die EU als Hauptproduzentin /-Exporteurin von COVID-19-Vakzinen und Hauptgeber der COVAX-Fazilität anfangs gegen eine Aussetzung wesentlicher Teile des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums ausgesprochen und setzt sich dafür ein, dass geistiges Eigentum nicht als Hindernis, sondern als Teil der Lösung gesehen wird und ist in diesem Sinne um Kompromisslösungen bemüht.

 

Österreich und die gesamte EU setzen sich nachdrücklich für eine Modernisierung und Stärkung des multilateralen Handelssystems der WTO ein. Ein funktionierendes, regelbasiertes internationales Handelsregime ist für die Weltwirtschaft, insbesondere auch für kleinere und mittlere Volkswirtschaften wie Österreich von grundlegender Bedeutung. Eine handlungsfähige WTO ist auch für den wirtschaftlichen Wiederaufbau und die internationale Zusammenarbeit im Zuge der COVID-19-Pandemie essentiell.

 

Wirtschaftliche Versorgungssicherheit und Krisenresilienz

 

Die globale Ausbreitung von COVID-19 hat auch in Österreich zahlreiche Lieferschwierigkeiten bei kritischen Waren und Gütern, insbesondere bei medizinischen Gütern, aber auch vereinzelt bei Lebensmitteln sowie die (Auslands)-Abhängigkeit im Bereich der Versorgungssicherung offenbart. So waren eine Vielzahl von Interventionen und Hilfestellungen seitens des BMEIA und der österreichischen Vertretungsbehörden im Ausland nötig, um die Versorgung mit medizinischen Gütern im Zuge der Ausbreitung von COVID-19 sicherzustellen. Um für Krisensituationen künftig besser gerüstet zu sein, gibt es verschiedene Initiativen, die wirtschaftliche Krisenresilienz auf nationaler als auch auf europäischer und internationaler Ebene zu verbessern. An entsprechenden Maßnahmen wird unter Mitwirkung des BMEIA u.a. im Rahmen der interministeriellen Task Force zur wirtschaftlichen Krisenvorsorge gearbeitet, um künftig besser auf Lieferunterbrechungen vorbereitet zu sein und Versorgungsengpässen frühzeitig entgegenwirken zu können. Den österreichischen Botschaften im Ausland kommt hier eine wichtige Frühwarnfunktion zu.  

 

Österreich hat im Rahmen der internationalen COVID-19-Pandemiebekämpfung zudem auch zahlreiche Staaten im Bereich der Impfstoffsolidarität unterstützt und 2021 insgesamt ca. 4,8 Millionen Impfdosen, die in Österreich nicht mehr benötigt wurden, weitergegeben. Davon wurden rund 3,2 Millionen Dosen AstraZeneca (rund 66 %) bilateral und rund 1 Million (20,5 %) Johnson & Johnson Dosen über COVAX gespendet sowie die Weitergabe von rund 650.000 (13,5 %) BioNTech/Pfizer Impfdosen im Rahmen von Team Europe an die sechs Westbalkan-Staaten organisiert. Österreich gehört damit zur Gruppe der EU-Mitgliedstaaten, die im abgelaufenen Jahr besonders engagiert Impfsolidarität praktiziert haben.

 

 

5.4. Unternehmensservice

 

Die österreichische Diplomatie ist seit jeher für die österreichische Wirtschaft im Einsatz. Diese Servicefunktion wurde 2015 durch Gründung des Unternehmensservice als zentrale Anlaufstelle für österreichische Exportunternehmen optimiert.

 

Vorrangige Aufgabe des Unternehmensservice ist es, sich jener Probleme im Ausland anzunehmen, die offizieller bzw. diplomatischer Unterstützung bedürfen. Dabei kann es sich um Verstöße gegen die Regeln des europäischen Binnenmarktes, rechtsstaatlich bedenkliche Eingriffe, ungerechtfertigte Steuervorschreibungen, schlechte Zahlungsmoral ausländischer öffentlicher Auftraggeber oder eine Schlechterstellung österreichischer Investorinnen und Investoren handeln. In diesem Zusammenhang ist die Übergabe von Firmen-Memoranda im Rahmen hochrangiger Besuchsdiplomatie eine wichtige Maßnahme. In die breite Palette an Tätigkeiten im Dienste unserer Wirtschaft fallen auch die Weiterleitung von Ausschreibungen an die WKÖ sowie die Organisation von Informationsveranstaltungen, 2021 zu Themen wie BREXIT, Iran, Belarus oder das Beschaffungswesen der VN. Dabei kooperiert das Unternehmensservice mit anderen Bundesministerien, der WKÖ, der IV oder der Austrian Business Agency (ABA).

 

Beispielhaft für das Zusammenwirken diverser Akteure ist die Initiative Open Austria in San Francisco, bei der ein „Tech-Ambassador“ des BMEIA, sowie Expertinnen und Experten der WKÖ und der ABA für einen Austausch zwischen Österreich und dem Innovationszentrum Silicon Valley sorgen. Von Unternehmen und Interessensvertretungen gleichermaßen geschätzt wird auch das Besuchsprogramm Austrian Leadership Programme (ALPS), welches österreichischen Betrieben die Möglichkeit bietet, sich internationalen Führungskräften zu präsentieren. Die aktive Bewerbung der „Business Location Austria“ steht auch im Zentrum der Informationsveranstaltungen für das internationale Diplomatische Corps in Österreich, die das BMEIA-Unternehmensservice periodisch organisiert.

 

Zusätzlich startete das Unternehmensservice mit den Veranstaltungsreihen „Foreign Policy Insights“ und „Austrian Success Abroad“ zwei weitere Initiativen, die sowohl Expertise, Erfahrung und weltweite Kontakte der österreichischen Diplomatie der heimischen Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. In beiden Formaten werden aktuelle und zukunftsweisende Themen in einen geopolitischen Kontext gestellt und von Expertinnen und Experten aus dem BMEIA mit externen Expertinnen und Experten herausgearbeitet.

 

5.4.1. Die Initiative ReFocus Austria

 

Die Initiative ReFocus Austria wurde vom BMEIA gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium und anderen Bundesministerien, der Außenwirtschaft der Wirtschaftskammer, der Österreich Werbung sowie anderen Stakeholdern ins Leben gerufen, um die Erholung der österreichischen Exportwirtschaft nach der COVID-19-Pandemie zu unterstützen. ReFocus Austria ist der größte globale Outreach Österreichs und zentraler Bestandteil des Comeback-Plans der Bundesregierung zum wirtschaftlichen Wiederaufbau nach der COVID-19-Pandemie. Die österreichischen Botschaften und Generalkonsulate stellen ihre Netzwerke und ihr Know-how noch stärker in den Dienst der heimischen Wirtschaft.

 

Die Vertretungsbehörden des BMEIA hielten gemeinsam mit ihren Partnern vor Ort – etwa den AußenwirtschaftsCentern der WKÖ oder den Büros der Österreich Werbung –Veranstaltungen ab, um für österreichische Unternehmen im Ausland Türen zu öffnen und damit Arbeitsplätze zu sichern, um ausländische Investitionen in Österreich auszubauen und um den Tourismusstandort Österreich zu bewerben. Als thematische Schwerpunkte wurden die zukunftsweisenden Kernkompetenzen der heimischen Wirtschaft identifiziert: Erneuerbare Energien, E-Mobilität, Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft, digitale Transformation, Infrastruktur, Urban Technology und Tourismus. Mit Hilfe dieser Veranstaltungen hat sich Österreich weltweit als starker, stabiler und innovativer Standort im Herzen Europas präsentiert und gezeigt, dass „Made in Austria“ weiterhin für ausgezeichnete Qualität, Zuverlässigkeit und hohe Ingenieurs- bzw. Handwerkskunst bürgt.

 

Die gesamte Kampagne wurde durch hochrangige Reisen der Mitglieder der Bundesregierung und der Landesregierungen unterstützt. Bundesminister Alexander Schallenberg und Bundesminister Michael Linhart reisten jeweils mit großen Wirtschaftsdelegationen in die Golfregion und nach Zentralasien. Bundesministerin Margarete Schramböck stellte ihre Reisen nach Polen und zur EXPO nach Dubai unter das Motto von ReFocus Austria. Auch die Reise von Bundesminister Martin Kocher in die USA stand im Zeichen der Initiative. Bundesministerin Karoline Edtstadler nutzte ihrerseits Auslandsreisen zu Amtskolleginnen und -kollegen, um die Initiative auch bei hochrangigen Entscheidungsträgerinnen und -trägern innerhalb der EU bekannt zu machen. Bis Jahresende wurden weltweit über 100 Veranstaltungen organisiert und damit ein starkes und sichtbares Zeichen für den Wirtschaftsstandort Österreich gesetzt.

 

 

6. Konsularisches

 

6.1 Arbeitsfelder der Konsularsektion

 

Das Bürgerservice und die österreichischen Vertretungsbehörden bieten Österreicherinnen und Österreichern auf Reisen sowie jenen, die ständig oder für einen längeren Zeitraum im Ausland leben, konsularische Serviceleistungen an. Der im Regierungsprogramm enthaltene Auftrag, die Digitalisierung voranzutreiben, wird im BMEIA auch im konsularischen Bereich mit Nachdruck betrieben. Im Zusammenhang mit den von den jeweils zuständigen Bundesministerien geplanten Digitalisierungsmaßnahmen ist es dem BMEIA ein besonderes Anliegen, die Nutzung der laufend erweiterten elektronischen Dienste auch den im Ausland lebenden Österreicherinnen und Österreichern zu ermöglichen.

 

6.2 Bürgerservice und operatives Krisenmanagement im Ausland

 

Die COVID-19-Pandemie stand weiterhin im Mittelpunkt der Arbeit des Bürgerservice, das laufend Auskünfte zu Ein- und Ausreisebestimmungen, Quarantäneregeln sowie zur Covid-Situation in den jeweiligen Staaten erteilte.

Weitere Krisen, die zu vermehrten konsularischen Kontakten mit reisenden Österreicherinnen und Österreichern bzw. Auslandsösterreicherinnen und -österreichern führten, waren beispielsweise Erdbeben in Kroatien, Waldbrände im Mittelmeerraum und politische Unruhen in Myanmar und Äthiopien. Die rasche Machtübernahme der Taliban in Afghanistan im August und September sorgte zusätzlich für Herausforderungen im Bereich des operativen Krisenmanagements. Es wurden Krisenteams bestehend aus Mitarbeitern des BMEIA, des BMI und des BMLV an den Flughafen in Kabul entsandt sowie die Botschaften in der Region verstärkt.

 

Die laufend aktualisierten länderspezifischen Reiseinformationen und Sicherheitshinweise auf der Website des BMEIA wurden über 23 Millionen Mal abgerufen. Des Weiteren wurden rund 228.000 telefonische Anfragen beantwortet.

 

6.3 Allgemeine Konsular- und Rechtsfragen

 

Mit Stichtag 1. Dezember befanden sich 146 österreichische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger in ausländischen Haftanstalten. Die Staaten mit den höchsten Zahlen inhaftierter Österreicherinnen und Österreicher waren Deutschland (28 Fälle), Ungarn (24 Fälle) und die Türkei (11 Fälle). Die am häufigsten von im Ausland inhaftierten Österreicherinnen und Österreichern begangenen Deliktsgruppen waren Delikte gegen die öffentliche Sicherheit (99 Fälle), Drogendelikte (66 Fälle) und Delikte gegen Leib und Leben (52 Fälle).

 

Die Vertretungsbehörden führten mehr als 30 persönliche Haftbesuche durch. In regelmäßigen Abständen wird dabei geprüft, ob die Behandlung der Häftlinge gemäß den jeweiligen Landesvorschriften erfolgt, und es wird auch darauf geachtet, dass internationale Mindeststandards eingehalten werden und österreichische Häftlinge alle Erleichterungen genießen, die nach den bestehenden Vorschriften zulässig sind. Ein weiterer wichtiger Teil der Häftlingsbetreuung ist die Übernahme und Weiterleitung von Haftpaketen und kleineren Geldbeträgen (Haftdepots). Aufgrund der COVID-19-Pandemie waren Haftbesuche in den meisten Ländern nur stark eingeschränkt möglich. Daher fanden Betreuungsgespräche mit den Inhaftierten vermehrt telefonisch oder über Videokonferenzen statt.

 

Bei Kindesentziehungen ist im Rahmen des Haager Kindesentführungsübereinkommens 1980 (HKÜ) die direkte Zusammenarbeit zwischen den jeweiligen nationalen Zentralbehörden der Justiz vorgesehen. Bei Ländern, die nicht Vertragsparteien des HKÜ sind, unterstützen das BMEIA und die österreichischen Vertretungsbehörden den geschädigten Elternteil im Rahmen der konsularischen Möglichkeiten bei der Rechtsdurchsetzung im Ausland. Insgesamt wurden knapp 20 Fälle von Kindesentziehung betreut.

 

Das BMEIA bearbeitete über 5.000 Rechts- und Amtshilfeersuchen österreichischer und ausländischer Behörden. Im Bereich des Rechtsschutzes leistete die Konsularsektion des BMEIA und die österreichischen Vertretungsbehörden in weltweit insgesamt über 200 Fällen Hilfe.

 

Darüber hinaus leitet das BMEIA die Verhandlungen und koordiniert die österreichischen Positionen zu Abkommen in den Bereichen Rechtshilfe, Auslieferung und Überstellung von Strafgefangenen sowie polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit. Dabei wird eng mit den inhaltlich federführenden Ministerien und den österreichischen Vertretungsbehörden in den betroffenen Ländern zusammengearbeitet.

 

In diesen Bereichen wurden bi- und multilaterale Abkommen bearbeitet. Sieben Abkommen standen im Ratifikationsprozess, 13 Abkommen im Verhandlungsprozess. Zu weiteren sieben Abkommen wurden innerstaatliche Abstimmungsprozesse organisiert.

 

6.4 Die Auslandsösterreicherinnen und Auslandsösterreicher

 

Die Betreuung und Unterstützung der Auslandsösterreicherinnen und Auslandsösterreicher (AÖ) ist eine der Kernaufgaben der österreichischen Botschaften und (General-)Konsulate.

 

Die Serviceangebote für AÖ werden laufend ausgebaut. Zuletzt gab es insbesondere in den Bereichen Wahlrecht, Online-Registrierung und Informationen im Internet den veränderten Bedürfnissen angepasste Verbesserungen. Dies betraf etwa die schon durch das Wahlrechtsänderungsgesetz 2009 eingeführte und 2010 ausgedehnte Erleichterung der Beteiligung an Wahlen aus dem Ausland durch Vereinfachung der Briefwahl. Mit der Einführung des neuen Zentralen Wählerregisters 2018 ist es nunmehr auch für Österreicherinnen und Österreicher mit Hauptwohnsitz im Ausland möglich, Unterstützungserklärungen und Eintragungen für Volksbegehren online mittels qualifizierter digitaler Signatur (Bürgerkarte, Handy-Signatur, ID Austria) zu tätigen.

 

Mit der Novellierung des E-Government-Gesetzes im Sommer 2017 wurde der Grundstein für den neuen elektronischen Identitätsnachweis (ID Austria) gelegt. Die ID Austria verbindet die analoge und die digitale Welt mit einer neuartigen hoheitlichen Registrierung, die für jede Bürgerin und jeden Bürger freiwillig ist, einem innovativen digitalen Ausweissystem und einem sicheren Login – und ist damit in Europa wegweisend. Seit 13. Dezember nehmen alle Berufsvertretungsbehörden im Ausland an der Pilotphase 4 der ID Austria teil. Damit wird das Mobiltelefon zum digitalen Ausweis, mit dem man sich im Internet zur Erledigung von Behördenwegen eindeutig identifizieren kann.

 

Die österreichischen Vertretungsbehörden stellen ebenso wie die Webseite des BMEIA für AÖ (www.auslandsoesterreicherInnen.at) ein wichtiges Bindeglied zur Heimat oder zur früheren Heimat dar. Sie sind für diesen Personenkreis eine erste Anlauf- und Servicestelle für Pass-, Staatsbürgerschafts- und Wahlangelegenheiten, weitere Behördenkontakte und konsularischen Schutz, den Erhalt von Informationen mit Österreichbezug, für effektive Unterstützung in Krisensituationen sowie für die Organisation und Vermittlung von österreichbezogenen Veranstaltungen.

 

Erstmals wurden digitale AÖ-Treffen des Bundesministers gemeinsam mit den Botschaftern im Vereinigten Königreich, den USA und Deutschland abgehalten, bei denen Fragen einer großen Zahl von AÖ beantwortet wurden. Daneben veranstalteten auch die österreichischen Botschaften virtuelle Zusammenkünfte mit den in ihrem Amtsbereich wohnenden AÖ, um den direkten Austausch noch weiter zu intensivieren und Hilfestellung zu den verschiedensten Themenbereichen anzubieten.

 

Zur Erleichterung der Registrierung von AÖ an österreichischen Vertretungsbehörden ist diese auch per Internet möglich. Ein zeitgemäßes und weltweit einheitliches Erfassungssystem ermöglicht es den Vertretungsbehörden, die Zahl der Registrierten und die Qualität der Daten zu erhöhen, damit eine rasche und effiziente Kontaktnahme (per E-Mail oder SMS) sichergestellt ist.

 

Da aber keine Verpflichtung besteht, einen dauernden Aufenthalt im Ausland amtlich registrieren zu lassen, sind Angaben über die Zahl der AÖ zum Großteil Schätzungen. Belegbare Angaben drücken nicht die tatsächliche Zahl der im Ausland lebenden Landsleute aus. Es ist davon auszugehen, dass derzeit etwa 580.000 Österreicherinnen und Österreicher im Ausland leben.

 

Die mit Abstand meisten AÖ haben ihren Wohnsitz in Deutschland (257.000), gefolgt von der Schweiz (67.000). Zusammen mit dem Vereinigten Königreich (33.000), den USA (30.500), Australien (20.000), Spanien (12.000), Südafrika und Brasilien (je 10.000), Argentinien (9.400), Israel, den Niederlanden (je 9.000), Italien (8.700) und Frankreich (8.100) konzentrieren sich so über 80 % der AÖ auf einige wenige Länder. Bei den Vertretungsbehörden sind rund 216.000 AÖ registriert, davon sind etwa 204.000 im wahlberechtigten Alter.

 

2021 wurden 36.580 Reisepässe (34.635 gewöhnliche Reisepässe, 1.945 Notpässe) und 11.637 Personalausweise an österreichischen Berufsvertretungsbehörden ausgestellt. Gegenwärtig können an 139 Vertretungsbehörden, inklusive befugten Honorar(general)konsulaten, Reisepässe und Personalausweise beantragt werden. Die Zahl der „Herzensösterreicherinnen und Herzensösterreicher“ – das sind Personen, die früher die österreichische Staatsbürgerschaft besaßen, und Kinder österreichischer Staatsbürgerinnen und Staatsbürger mit anderer Staatsangehörigkeit – kann nur geschätzt werden.

 

Seit Inkrafttreten der Novelle zum Zentralen Personenstandsregister (ZPR) und zum Zentralen Staatsbürgerschaftsregister (ZSR) im Jahr 2014 besteht für AÖ die Möglichkeit, sich Personenstands- und Staatsbürgerschaftsurkunden an den Berufsvertretungsbehörden ausstellen zu lassen. 2021 wurden von den Botschaften und Berufskonsulaten im Ausland 3.743 Personenstandsurkunden sowie 9.079 Staatsbürgerschaftsnachweise und Bestätigungen ausgestellt. Das Büro für Konsularbeglaubigungen im BMEIA verzeichnete insgesamt 17.374 Beglaubigungen und Apostillen, mit denen österreichische Urkunden im Ausland internationale Anerkennung finden können. Die Vertretungsbehörden im Ausland haben 39.102 Beglaubigungen durchgeführt und 804 Apostillen ausgestellt.

 

Organisation der Auslandsösterreicherinnen und Auslandsösterreicher

 

Die Beziehung der Auslandsösterreicherinnen und Auslandsösterreicher zu Österreich wird insbesondere in AÖ-Vereinen und anderen Vereinigungen im Ausland mit Österreichbezug sowie zunehmend auch durch soziale Medien gepflegt. Es gibt circa 400 Vereinigungen in 61 Ländern. Dachverband, Interessensvertretung und Serviceorganisation der im Ausland bestehenden AÖ-Vereinigungen ist der Auslandsösterreicher-Weltbund (AÖWB) mit Sitz in Wien. Präsident ist Jürgen Em, Generalsekretärin Irmgard Helperstorfer. Der AÖWB unterhält eine eigene Webseite (www.weltbund.at) und gibt die Zeitschrift „ROTWEISSROT“ heraus. Darüber hinaus wird die Online-Präsenz über die Internet-Plattform www.austrians.org gestärkt.

 

Der AÖWB veranstaltet jährlich ein Treffen der AÖ in Österreich, das 2021 geplante Treffen musste COVID-19-bedingt neuerlich abgesagt werden. Die Unterstützung des AÖWB durch das BMEIA beträgt 100.000 Euro.

 

Auch einige Bundesländer unterhalten eigene Organisationen. So ist die Burgenländische Gemeinschaft der Dachverband der Burgenländerinnen und Burgenländer im Ausland. Ihr Ziel ist die Erhaltung und Vertiefung der Heimatverbundenheit in aller Welt. Dazu dient auch die Zeitschrift „Die burgenländische Gemeinschaft“ sowie das soziale Netzwerk „Burgenland Bunch“. Als Nachfolger von Walter Dujmovits wurde Eduard Nicka zum Präsidenten der Burgenländischen Gemeinschaft gewählt.

 

Die Bundesländer Oberösterreich (Netzwerk „Oberösterreich International“), Niederösterreich („Blau Gelb in der Welt“), Kärnten („Weltkärntner“) und die Steiermark („Büro für Auslandssteirer“) verfolgen ebenfalls Initiativen zur besseren Vernetzung von im Ausland lebenden Österreicherinnen und Österreichern mit ihrem Heimatbundesland.

 

Anliegen österreichischer Staatsbürgerinnen und Staatsbürger im Ausland

 

Für die Betreuung in Not geratener AÖ sorgt der im Jahr 1967 gegründete Auslandsösterreicher-Fonds.

 

Der jeweils zur Hälfte vom BMEIA und von den neun Bundesländern im Gesamtausmaß von 550.000 Euro geförderte Fonds leistete finanzielle Zuwendungen an 551 bedürftige AÖ in der Gesamthöhe von 544.050 Euro in 67 Ländern. Vorsitzender des von der Bundesregierung bestellten Kuratoriums des Fonds ist seit 16. September Botschafter i.R. Franz Josef Kuglitsch, die Geschäftsführung wird von Sabine Müstecaplıoğlu ausgeübt.

 

Im Rahmen der alljährlichen Weihnachtsaktion des BMEIA wurden Gelder und Sachspenden an 407 bedürftige AÖ in 54 Ländern in Höhe von insgesamt rund 45.850 Euro bereitgestellt.

 

Für betagte und dauernd hilfsbedürftige oder schwer erkrankte AÖ, die nicht mehr imstande sind, für sich selbst zu sorgen, versucht das BMEIA eine Rückkehr samt Unterbringung in einer entsprechenden Einrichtung in Österreich zu vermitteln. Voraussetzungen dafür sind u.a., dass nicht durch Verwandte oder eine lokale Organisation geholfen werden kann, der Zustand der Hilfsbedürftigen einen Transport gestattet und sie damit einverstanden sind. Rückkehranfragen wurden für acht Personen in Deutschland, Kanada, Südafrika, Ungarn und Vereinigtes Königreich gestellt, nach Österreich geholt wurden zwei Personen.

 

Auf nachdrücklichen Wunsch der AÖ steht Personen, die einen Passantrag stellen, mittlerweile an zahlreichen Vertretungsbehörden, bei denen dies rechtlich und organisatorisch möglich ist, die Möglichkeit der Beantragung eines „BMEIA-Express“-Reisepasses zur Verfügung. Im Unterschied zur normalen Passbeantragung wird dieser Reisepass bereits spätestens an dem der Antragstellung folgenden Werktag produziert und per DHL ins Ausland versendet. Die Zustellung kann direkt an die Vertretungsbehörde, aber auch an Honorarkonsulate oder direkt an eine Privatperson im Ausland erfolgen.

 

Das BMEIA und die Österreichische Botschaft London waren im Sinne des Regierungsprogramms auch weiterhin bemüht, den Anliegen der AÖ im Vereinigten Königreich im Zusammenhang mit Brexit durch größtmögliche Unterstützung Rechnung zu tragen.

 

Das österreichische Parlament beschloss im Oktober 2019 in Wahrnehmung der historischen Verantwortung gegenüber den Opfern des Nationalsozialismus und ihren Nachkommen einstimmig eine Novelle zum österreichischen Staatsbürgerschaftsgesetz. Seit 1. September 2020 können Nachkommen von NS-Verfolgten die österreichische Staatsbürgerschaft erwerben. Ein vom BMEIA und von der Magistratsabteilung 35 (MA 35) der Stadt Wien gemeinsam erstellter Online-Fragebogen stellt dafür eine einfach nutzbare digitale Hilfestellung dar. Bisher wurden 18.437 Online-Fragebögen ausgefüllt, knapp 11.840 Anzeigen bei der MA35 gelegt und knapp 8.653 Verfahren konnten bereits positiv abgeschlossen werden.

 

Teilnahme der Auslandsösterreicherinnen und Auslandsösterreicher an der politischen Willensbildung in Österreich und der Europäischen Union

 

Für AÖ und am Wahltag im Ausland aufhältige Inländer, die in der (Europa-)Wählerevidenz eingetragen sind, besteht das Wahlrecht bei Nationalrats- und Bundespräsidentenwahlen, das Teilnahmerecht an bundesweiten Volksabstimmungen und Volksbefragungen sowie an Volksbegehren. Auch an den Wahlen der österreichischen Abgeordneten zum Europäischen Parlament können AÖ teilnehmen.

 

Das Wahlrecht für AÖ ermöglicht die Teilnahme an Wahlen bereits ab dem vollendeten 16. Lebensjahr. Von der Briefwahl können alle Wahlberechtigten im In- und Ausland Gebrauch machen, wenn sie am Wahltag verhindert sind, die Stimme in einem Wahllokal abzugeben. Auslandsösterreicherinnen und Auslandsösterreicher haben ferner die Möglichkeit, Wahlkarten für die Dauer von zehn Jahren im Voraus zu bestellen (sogenanntes „Wahlkartenabo“), womit eine automatische Zusendung der Wahl-/Stimmkarten für alle bundesweiten Wahlen, Volksabstimmungen und Volksbefragungen in diesem Zeitraum sichergestellt ist.

 

Die österreichische Bundesverfassung räumt den Bundesländern die Möglichkeit ein, auch AÖ an den Wahlen zum Landtag ihres früheren Wohnsitz-Bundeslandes teilnehmen zu lassen. Bisher machten Niederösterreich, Tirol und Vorarlberg davon Gebrauch.

 

Working Holiday-Programme

 

Working Holiday-Programme (WHP) sind Vereinbarungen mit anderen Ländern, die jungen Menschen im Alter von 18 bis 30 Jahren einen sechs- bis zwölfmonatigen Aufenthalt im jeweils anderen Land und eine Arbeitsaufnahme ohne Arbeitserlaubnis ermöglichen. Während eines Ferienaufenthaltes können damit spontan kurze, befristete Arbeitsverhältnisse aufgenommen werden.

 

Diese Programme sollen auch der Sammlung von praktischen Berufserfahrungen im Ausland dienen und es können Ausbildungs- und Bildungsangebote, insbesondere in den Bereichen Sprache und Kultur, in Anspruch genommen werden.

 

Österreich hat bisher insgesamt zehn WHP abgeschlossen, und zwar mit Neuseeland und der Republik Korea (beide 2012), Hongkong und Taiwan (beide 2015), Japan (2016), Israel, Kanada und Chile (alle 2017), Australien (2018) und Argentinien (2019).

 

6.5. Visa und Aufenthaltsangelegenheiten

 

Mit Stichtag 31. Dezember konnten österreichische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger mit gewöhnlichen Reisepässen in 119 Staaten visumfrei einreisen. In 42 davon mit Personalausweis, in 17 Staaten auch mit einem bis zu fünf Jahre abgelaufenen Reisepass. Vier Staaten verlangten vor der Einreise eine elektronische Registrierung. Die Staatsangehörigen von 105 Staaten benötigten für die Einreise nach Österreich einen Sichtvermerk. Aufgrund der weltweiten COVID-19-Pandemie verschärften viele Staaten die Einreisebedingungen. Aufgrund dieser Umstände blieb die Zahl jener Staaten, die von österreichischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern (vorübergehend) Visa verlangten, volatil. Österreich bzw. die EU führten keine zusätzlichen Visapflichten ein.

 

Visa zur Einreise nach Österreich können nicht nur an österreichischen Vertretungsbehörden beantragt werden, sondern auch an Botschaften anderer Schengen-Staaten sowie in Visazentren eines externen Dienstleisters. Insgesamt gab es so 297 Standorte, an denen ein Visum zur Einreise beantragt werden konnte. Aufgrund der Pandemie wurden anlassbezogen Vertretungen in Visaangelegenheiten durch andere Schengen-Staaten bzw. einzelne Zentren temporär geschlossen bzw. zusammengelegt.

 

Die österreichischen Vertretungsbehörden bearbeiteten rund 75.000 Visumsanträge, was gegenüber dem Vergleichszeitraum 2019 (vor COVID-19) ein Minus von 79 % bedeutet. Gegenüber dem Pandemiejahr 2020 konnte eine leichte Erholung der Visazahlen (+13 %) beobachtet werden. 94 % der Visaanträge des Jahres 2021 wurden in weiterer Folge erteilt. 59,5 % davon waren Schengenvisa und 40,5 % nationale Visa für einen Aufenthalt von mehr als 90 Tagen. Im Rahmen der Vertretung für andere Schengen-Staaten wurden knapp 1.200 Visa bearbeitet (ein Anteil von 1,6 % des Gesamtaufkommens).

 

Von der Möglichkeit, gegen Entscheidungen der Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten das Bundesverwaltungsgericht anzurufen, wurde 70 Mal Gebrauch gemacht. Damit ist ein deutlicher Rückgang der Verfahren im Vergleich zum Vorjahr zu vermerken (79 Beschwerdeverfahren 2020). In 74 % der Beschwerdefälle handelt es sich um Beschwerden gegen die Verweigerung eines Einreisetitels gemäß § 35 AsylG 2005 (Familienzusammenführung). In 60 % der Fälle folgte das Bundesverwaltungsgericht der Rechtsansicht der Vertretungsbehörden.

 

Niederlassungs- und Aufenthaltsanträge

 

Im Verfahren nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) kommt den Vertretungsbehörden im Ausland die Aufgabe zu, Anträge anzunehmen, auf Vollständigkeit und Richtigkeit hinzuwirken und an die zuständige Landesbehörde zur Entscheidung weiterzuleiten. Werden auch nach Verbesserungsauftrag gewisse Formerfordernissen bzw. Voraussetzungen nicht erfüllt, so ist das Verfahren einzustellen. Von den Vertretungsbehörden im Ausland wurden 10.703 Anträge auf Aufenthalt nach dem NAG entgegengenommen. Davon wurden die meisten Anträge zum Zweck der Familienzusammenführung (5.596) und zur Aufnahme eines Studiums in Österreich (3.429) eingebracht. Die Mitwirkung an der Schaffung eines EDV-Programms, das u.a. die sichere elektronische Weiterleitung von Niederlassungs- oder Aufenthaltsanträgen von den Berufsvertretungsbehörden an die zuständige Landesbehörde ermöglichen soll, wurde fortgesetzt.

 

6.6. Asylfragen und externe Aspekte der Migration

 

Flucht und Migration nach Europa stellen weiterhin eine besondere Herausforderung dar. Hierbei ist klar zwischen Zuwanderung und Asyl zu trennen. Ziel Österreichs ist eine wirksame Migrationssteuerung, welche durch eine Reihe an Maßnahmen auf internationaler, EU- sowie nationaler Ebene erreicht werden soll. Österreich bekennt sich zu einer Asylpolitik, die in allen Bereichen des Asylverfahrens rechtsstaatlichen Grundsätzen entspricht.

 

Gemäß dem Regierungsprogramm gilt es Schutz primär so nahe wie möglich an der Herkunftsregion zu ermöglichen. Dafür bedarf es nachhaltiger Beiträge zur Reduktion von Flucht- und Migrationsursachen, wie etwa die Unterstützung in Herkunftsländern, um Perspektiven vor Ort zu schaffen. Außerdem muss ein effizienter EU-Außengrenzschutz sichergestellt und Schlepperei wirksam bekämpft werden mit dem Ziel, den unkontrollierten Zuzug von Migrantinnen und Migranten nach Europa sowie die unrechtmäßige sogenannte Sekundärmigration innerhalb Europas zu verhindern.

 

In der VN-Familie arbeitet Österreich in Migrations- und Asylfragen vor allem mit UNHCR, IOM, UNODC, ferner mit UNDP, UNICEF und WFP zusammen. Die Mittel für UNHCR konnten signifikant erhöht werden. Im Dezember 2021 fand das erste High Level Officials Meeting zur Implementierung des Globalen Flüchtlingspakts statt.

 

Die Zusammenarbeit mit dem International Centre for Migration Policy Development (ICMPD) mit Sitz in Wien wurde fortgeführt. Die von Generaldirektor Michael Spindelegger geleitete und weiterwachsende internationale Organisation mit Sitz in Wien organisiert jährlich die Vienna Migration Conference (VMC). Aufgrund der COVID-19-Pandemie wurde sie im hybriden Format abgehalten.

 

ICMPD führte die Migrationsdialoge im Rahmen des Budapest-, des Prag-, des Khartum- und des Rabat-Prozesses mit österreichischer Teilnahme fort. Die Treffen fanden COVID-19-bedingt virtuell statt.

 

Die Europäische Kommission legte im September 2020 ein Neues Migrations- und Asylpaket (New Pact on Migration and Asylum) vor. Die Verhandlungen über dieses Paket wurden auch 2021 fortgesetzt. Der Entwurf sieht u.a. einen gemeinsamen Europäischen Rahmen für Migrations- und Asylmanagement, ein robustes Krisenvorsorge- und Reaktionssystem, integriertes Grenzmanagement, die Verstärkung des Kampfes gegen Schlepperei, die Zusammenarbeit mit internationalen Partnerinnen und Partnern, Möglichkeiten der Zuwanderung von qualifizierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in die EU sowie die Unterstützung der Integrationsprozesse zur Förderung des sozialen Zusammenhalts in der Gesellschaft vor. Zentrale österreichische Anliegen wie die Hilfe möglichst nahe am Heimatstaat, der Fokus auf den Kampf gegen Schlepperei sowie die intensivere Zusammenarbeit mit Ursprungs- und Transitländern wurden berücksichtigt. Österreich setzt sich in diesem Zusammenhang auch weiterhin für die Schaffung von Lebensperspektiven vor Ort sowie für eine gemeinsame europäische Lösung der Asylfrage ein.

 

Bisher gab es in einzelnen Bereichen Fortschritte, etwa im Hinblick auf die Kooperation mit Drittstaaten. So nahm der Europäische Rat am 22. Oktober Aktionspläne für acht Drittstaaten an.

 

Am 7. Oktober wurde die revidierte Richtlinie über die „Blaue Karte“ verabschiedet, die neue Regeln für die Einreise und den Aufenthalt hochqualifizierter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vorsieht. Damit wurde ein wichtiges Ziel des neuen Migrations- und Asylpakets erreicht.

 

Beschlossen wurde weiters die Umwandlung des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) in eine Asylagentur der EU. Die entsprechende Verordnung wurde am 9. Dezember angenommen. Die Agentur erhält eine Reserve von 500 Expertinnen und Experten, die zur Unterstützung in Mitgliedstaaten entsandt werden können.

 

Die Hochrangige Arbeitsgruppe zu Migration und Asyl beendete mit 30. Juni ihre Tätigkeit. Mit 1. Juli nahm die Working Party on External Aspects of Asylum and Migration (EMWP) ihre Arbeit auf. Diese Arbeitsgruppe fokussiert sich auf die Analyse der Migrationsströme auf den drei wichtigsten Migrationsrouten Richtung Europa sowie die Ursprungsländer der Migration. Im Auftrag des Europäischen Rates überarbeitete sie die oben genannten acht Aktionspläne für Drittstaaten. Österreich brachte sich aktiv in die Verhandlungen ein. Diese Pläne wurden vom Europäischen Rat am 22. Oktober indossiert. Wichtige Elemente sind die Bekämpfung von Fluchtursachen in den Herkunftsstaaten, die Versorgung von Vertriebenen nahe der Heimat, verbesserte Kooperation gegen das Schlepperwesen und die Besserung der Bereitschaft von Drittstaaten zur Rückübernahme von Migrantinnen und Migranten.

 

Die Ankünfte in Spanien über die westliche Mittelmeerroute bewegten sich in einer ähnlichen Größenordnung wie 2020, die Ankünfte über die zentrale Mittelmeerroute stiegen stark an. Auch auf der Westbalkanroute war ein Anstieg zu verzeichnen. Die Zahl der Ankünfte auf der östlichen Mittelmeerroute nahm ab. Die Implementierung des EU-Türkei-Abkommens wurde fortgesetzt. Mittel dafür kommen aus dem Haushalt der EU.

 

Im Mehrjährigen Finanzrahmen 2021–2027 sind 71,8 Milliarden Euro für das Instrument für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit (NDICI-GE) vorgesehen, davon 10 % für Migrationsprojekte. Es wurden maßgeschneiderte Programme für einzelne Länder und Regionen ausgearbeitet.

 

 

Darüber hinaus engagiert sich Österreich im Rahmen von Missionen der GASP der EU für die Verbesserung der Rücknahmekooperation und intensivierte Polizeikooperation (u.a. die Entsendung von Polizistinnen und Polizisten zum Grenzschutz) sowie für Fortschritte im Grenzmanagement am Westbalkan.

 

Im Sommer begann Belarus mit der gezielten Heranführung von migrationswilligen Drittstaatsangehörigen an die Grenze zu Litauen, und später auch an jene zu Lettland und Polen. Die EU wertete diese Vorgangsweise als hybride Bedrohung und verurteilte die Instrumentalisierung von Migrantinnen und Migranten. Es wurden neue Sanktionen gegen Belarus verhängt. Durch Kontaktnahmen mit den wichtigsten Herkunfts- und Transitländern wurden Reisen aus diesen Ländern nach Belarus sehr stark eingeschränkt. Der Irak organisierte den Rücktransport von über 4.000 Migrantinnen und Migranten. Türkei, Libanon, Jordanien und die Vereinigten Arabischen Emirate unterstützen die europäischen Bemühungen und sagten zu, bei Flügen nach Belarus die Kontrollen zu verstärken. Die EK hat Maßnahmen gegen Transportunternehmen vorgeschlagen, die Menschenhandel oder Schlepperei im Zusammenhang mit illegalen Einreisen in die EU ermöglichen oder unterstützen.

 

Es bestehen 40 rechtsverbindliche und sechs politisch verbindliche Rückübernahmeabkommen, die für Österreich anwendbar sind. Das BMEIA strebt in enger Abstimmung mit dem BMI den Abschluss weiterer Abkommen an. In den Verhandlungen zum Post-Cotonou-Abkommen wurde eine Einigung über die Bestimmungen zu Migrations- und zu unmittelbar anwendbaren Rückübernahmebestimmungen erzielt.

 

2021 erfolgten 8.946 Außerlandesbringungen. COVID-19-bedingt war die Durchführung von Rückübernahmen fallweise erschwert. Seit der Machtübernahme der Taliban im August sind Rückführungen nach Afghanistan ausgesetzt.

 

EU-weit wurden 545.140 Asylanträge gestellt. In Österreich wurden 38.638 Asylanträge gestellt, 161,5 % mehr als 2020. Im EU-Vergleich befand sich Österreich bei den Asylantragszahlen pro Kopf auf dem zweiten Platz hinter Zypern. Personen aus Syrien, Afghanistan, Marokko, Somalia und Irak machen den größten Anteil an den Asylwerberinnen und Asylwerbern aus.

 

In Österreich wurden 24.894 rechtskräftige Entscheidungen zu Asyl, subsidiärem Schutz und humanitärem Aufenthalt gefällt. Davon waren 11.672 rechtskräftig positive und 13.222 negative Asylentscheidungen sowie 13.134 Entscheidungen zu subsidiärem Schutz, 17.603 humanitäre Aufenthaltstitel und 8.536 sonstige Entscheidungen. Die meisten Asylgewährungen erfolgten für syrische Staatsangehörige (6.861 rechtskräftige Asylgewährungen), gefolgt von afghanischen Staatsangehörigen (2.568 rechtskräftige Asylgewährungen). Auf Rang drei und vier befanden sich iranische (611 rechtskräftige Asylgewährungen) sowie somalische Staatsangehörige (565 rechtskräftige Asylgewährungen). 4.262 Personen wurde subsidiärer Schutz gewährt, in 9.306 Fällen wurde ein diesbezüglicher Antrag abgelehnt. Anträge auf einen humanitären Aufenthaltstitel wurden in 3.130 Fällen positiv und in 15.016 Fällen negativ entschieden.

 

An den österreichischen Berufsvertretungsbehörden wurden 7.233 Anträge auf Familienzusammenführung nach §35 des Asylgesetzes gestellt. Österreich erfüllte somit weiterhin seine internationalen Verpflichtungen, die sich unter anderem aus der Genfer Flüchtlingskonvention 1951 ergeben.

 

6.7. Grenzangelegenheiten im Zeichen der COVID-19-Pandemie

 

Aufgrund der Ausbreitung von COVID-19 bzw. dem Auftreten von neuen Virusvarianten kam es in Österreich mehrmals zu vorübergehenden Binnengrenzkontrollen und epidemiologisch begründeten Einreisebeschränkungen. Auch in Österreichs Nachbarstaaten kam es zu temporären Grenzschließungen aus gesundheitspolitischen Gründen.

 

Wie schon 2020 wurden eine Vielzahl von COVID-19-bedingten Reisewarnungen ausgesprochen, zuletzt aufgrund der Omikron-Variante für einige Länder im südlichen Afrika.

 

Für die Einreise aus dem Ausland wurde im März 2020 die inzwischen oftmals novellierte COVID-19-Einreiseverordnung des Gesundheitsministeriums erlassen, welche Beschränkungen bei der Einreise nach Österreich nach epidemiologischen Kriterien vorsieht. Für Pendlerinnen und Pendler, Geschäftsreisende, Studierende oder Personen, die aus medizinischen oder besonders berücksichtigungswürdigenden familiären Gründen einreisen, bestanden Ausnahmen.

 

Auf EU-Ebene wurde 2020 eine Ratsempfehlung zur schrittweisen Aufhebung der vorübergehenden Beschränkungen, welche eine sogenannte „Positivliste“ von Drittstaaten enthält, eingeführt. Der Großteil der EU-Mitgliedsstaaten, darunter auch Österreich, hat die Empfehlung teilweise umgesetzt. Im Juli wurde das „Digital Green Certificate“ (der Grüne EU-Pass) realisiert, der Impf- und Testzertifikaten in allen EU-Mitgliedstaaten eine einheitliche Form bzw. einheitliche Standards verleiht und damit die gegenseitige Anerkennung der Dokumente erleichtert.

 

7. Internationale Kulturangelegenheiten

 

Die Vermittlung und Vernetzung von österreichischem Kunst- und Kulturschaffenden sowie wissenschaftlicher Leistungen stand ein weiteres Jahr unter dem Einfluss der COVID-19- Pandemie, mit zum Teil deutlichen Auswirkungen auf die internationalen Reise- und Veranstaltungsmöglichkeiten. Diesen oft nachhaltigen Einschränkungen zum Trotz haben die Österreichischen Kulturforen und Vertretungen im Ausland Wege und Lösungen gefunden, internationale Vernetzung mit den Mitteln der Kulturdiplomatie weiter zu ermöglichen. Mit neuen Mitteln und Methoden konnte somit eine möglichst große internationale Sichtbarkeit des österreichischen Kulturschaffens und der österreichischen Wissenschaftslandschaft gewährleistet werden.

 

7.1 Schwerpunkte und Projekte

 

Das Ende 2020 veröffentlichte Dokument „Die kulturellen Auslandsbeziehungen des BMEIA. Grundlagen, Schwerpunkte und Programme“ definiert zwei neue Bereiche, die in Zukunft in der Arbeit der Auslandskultur eine verstärkte Rolle spielen: Ökologie und neue Arten des nachhaltigen Wirtschaftens sowie Digitalisierung und deren Bedeutung für die Arbeits- und Lebenswelten von morgen. Diese Themen in den Blick nehmend kooperierte die Auslandskultur im Rahmen der Initiative Reparatur der Zukunft mit dem Radiosender Ö1.

 

Mit Unterstützung der österreichischen Vertretungen wurde eine weltweite Suche nach Initiativen gestartet, die Österreich und die Welt positiv verändern und gestalten wollen. Bei diesem globalen Casting neuer Ideen wurden innovative Konzepte oder bereits realisierte Projekte gesucht, die sich globalen Problemen widmen, im ganz großen oder ganz kleinen Kontext. Herausgekommen sind mehr als 330 Projekte aus Österreich und über 20 Ländern.

 

Im Bereich der Digitalisierung spielt der „Digitale Humanismus“, ein Ansatz, bei dem der Wert des Menschen die Entwicklung der Technologie bestimmen soll, und nicht umgekehrt, eine wachsende Rolle. In diesem Spannungsfeld zwischen Mensch und Maschine bzw. Algorithmen kann die Auslandskultur wichtige Beiträge in Kunst, Kultur und Wissenschaft leisten. Am 30. Juni unterzeichneten die Außenminister Österreichs, Tschechiens und der Slowakei dazu die „Poysdorfer Erklärung“, die u.a. vorsieht, das Thema des „Digitalen Humanismus“ auch in zwischenstaatlichen Foren wie der EU, den VN, einschließlich UNESCO, und der OSZE verstärkt einzubringen.

 

Einen aktuellen Schwerpunkt der Auslandskultur bildete das bereits im Herbst 2019 eröffnete „Jahr des Nachbarschaftsdialogs Österreich – Slowenien“. Mit pandemiebedingt großer Verzögerung konnten zwei Flaggschiff-Projekte realisiert werden: Die Ausstellung „Wenn die Geste zum Ereignis wird“ war vom 8. Dezember 2020 bis 7. April im Wiener Künstlerhaus und vom 30. April bis 21. Juni in der Stadtgalerie Laibach zu sehen. Am 16. September eröffnete im Weltmuseum Wien die Ausstellung „Alma M. Karlin - Einsame Weltreise“, zu Leben, Wirken und ethnographischer Sammlungsarbeit dieser wohl bekanntesten Reiseschriftstellerin der 1920er Jahre.

 

Im Rahmen der „Österreichisch-Arabischen Kultursaison“ fand am 6. November im Festsaal des Wiener Rathauses ein Abend mit Musik, Kunst und Kulinarik aus 16 arabischen Ländern statt. Das „Jahr der Literatur und des Theaters Österreich – Russland 2020/21“ wartete mit der Teilnahme Russlands als Gastland an der „BUCH Wien“ 2021, dem Ganymed-Projekt „Flora“ in der Eremitage St. Petersburg im September sowie einem Gastspiel des Ensembles des Volkstheaters mit „Drei Schwestern“ beim Moskauer NET („New European Theatre“) - Festival im November auf. Aus Anlass 50 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen der Volksrepublik China und Österreich fanden in China wie auch in Österreich diverse kulturelle Veranstaltungen statt. Allen diesen Schwerpunkt- und Jubiläumsjahren gemeinsam war, dass einige geplante Projekte in den virtuellen Raum verlegt werden konnten, während manche verschoben oder sogar abgesagt werden mussten.

 

Die Bestrebungen, die Digitalisierung der Auslandskulturarbeit voranzutreiben und neue Wege im Rahmen der pandemiebedingt mehrheitlich online stattfindenden Aktivitäten der Kulturforen und Vertretungen zu beschreiten, wurden fortgesetzt. Dazu zählen u.a. der Newsletter der Auslandskultur im Außenverhältnis oder regelmäßig abgehaltene Webinare zur Weiterbildung und zum Erfahrungsaustausch für die österreichischen Vertretungen. Ein zentrales Element der digitalen kulturellen Öffentlichkeitsarbeit ist weiterhin die Online-Plattform www.austriakulturdigital.at, die die digitalen und online verfügbaren Projekte der österreichischen Vertretungen einem breiten nationalen wie internationalen Publikum digital zugänglich macht.

 

Die österreichische Auslandskultur ist weltweit mit 30 Österreichischen Kulturforen und einem Kooperationsbüro in Lemberg, 89 Botschaften und Generalkonsulaten, 65 Österreich-Bibliotheken, zehn Österreich-Instituten und zwei Wissenschafts- und Technologiebüros (Office of Science and Technology Austria, OSTAs) vertreten.

 

In Zahlen ausgedrückt beliefen sich die insgesamt stark von der COVID-19-Pandemie betroffenen Leistungen auf 4.370 Veranstaltungen an 1.730 Orten im Ausland, mit 3.806 Partnerinnen und Partnern und unter Teilnahme von 6.896 Künstlerinnen und Künstlern sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.

 

Die österreichische Auslandkultur verfolgt im Bereich der Musik das Ziel, das Musikland Österreich mit seinen neuen Talenten zu präsentieren. Dabei werden musikalische Darbietungen in einem sehr weiten Spektrum von der Klassik über Jazz, Weltmusik und Pop bis hin zu Neuer Musik und experimentellen Ansätzen (Elektronik, Klanginstallationen) unterstützt. Im Fokus stehen Musikerinnen und Musiker, die in das biennale Nachwuchsprogramm für junge Solistinnen, Solisten und Ensembles aus Österreich „The New Austrian Sound of Music“ (NASOM), aufgenommen wurden. NASOM wurde im Jahr 2002 vom BMEIA in Zusammenarbeit mit „mica – music austria“ initiiert und hat sich mittlerweile zu einer etablierten österreichischen Musikmarke entwickelt, auch wenn 2020 und 2021 leider viele Konzerte aufgrund der COVID-19-Pandemie abgesagt werden mussten. Eine überaus erfolgreiche Kooperation bestand mit der österreichischen digitalen Plattform „konzertsaal.at“. Zudem initiierte die Kultursektion des BMEIA Anfang Jänner den „Virtuellen Konzertsaal Außenministerium“, eine Plattform über welche die Botschaften und Kulturforen Konzerte österreichischer Musikerinnen und Musiker weltweit streamen konnten. Die Initiative Internationale Musikdialoge, die auch musikalische Begegnungen im digitalen Raum fördert, wurde fortgesetzt.

 

Die Kultursektion im BMEIA setzte pandemiebedingt auch im Bereich der Bildenden Kunst neue digitale und innovative Formate um. Anfang des Jahres erfolgte – erstmalig – die internationale Ausschreibung des BMEIA „On the road again“, die sich an zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler aus Österreich richtete. Aus über 480 Bewerbungen wurden 23 künstlerische Positionen ausgewählt, die 2022 an den Kulturforen und 2023 in einer Gruppenausstellung im Wiener Künstlerhaus präsentiert werden. In Kooperation mit dem Land Oberösterreich wurde außerdem ein „Artist-in-Residence-Programm“ entwickelt, welches Künstlerinnen und Künstlern aus Oberösterreich einen Aufenthalt an den Österreichischen Kulturforen in Belgrad, Budapest, Laibach, Rom und Warschau ermöglicht. Die Kultursektion organisierte in Kooperation mit österreichischen Institutionen wie dem Kunsthistorischen Museum oder dem Stift Admont virtuelle Führungen, die von den Botschaften und Kulturforen weltweit angeboten wurden. Das Format der digitalen Wanderausstellung wurde von den österreichischen Botschaften und Kulturforen verstärkt genutzt. Auf einer eigenen Online-Plattform (www.online-exhibitions.at) können diese virtuell besichtigt werden. In Kooperation mit der Ars Electronica Linz wurde der vom BMEIA gestiftete „Digital Humanity Award“, der kreative Projekte im Bereich der digitalen Medien auszeichnet, ins Leben gerufen. Zudem wurden vom BMEIA verstärkt Künstlerinnen und Künstler unterstützt, die im Bereich „Digitaler Humanismus“ arbeiten.

 

Die Teilnahme von österreichischen Filmschaffenden mit ihren Filmen an europäischen und internationalen Filmfestivals ist ein wichtiger Unterstützungsbeitrag des BMEIA. Zudem organisieren die Kulturforen und Botschaften regelmäßig österreichische oder deutschsprachige Filmfestivals im Ausland. Die weltweiten, oftmals sehr kurzfristig verhängten Einschränkungen aufgrund der COVID-19-Pandemie erforderten auch im Filmbereich ein flexibles Handeln. Gerade die Präsentation österreichischer Filme fand daher oft im Internet oder in Hybridformaten statt. Die seit 2011 bestehende Kooperation des BMEIA mit der Ars Electronica Linz im Bereich des Animationsfilms wurde etwa erstmals ausschließlich online umgesetzt. Dabei präsentierten die Botschaften und Kulturforen ausgewählte Filme in den Kategorien Computer Animation, Film und Visual Effects. Die seit 2013 bestehende Kooperation des BMEIA mit der Akademie des Österreichischen Films, in deren Rahmen ausgewählte Filme als „Österreichische Kurzfilmschau“ durch das Netzwerk der österreichischen Auslandskultur präsentiert werden, wurde ebenfalls erstmals online gezeigt. Dabei konnte ein noch größeres Publikum in bereits über 40 Ländern weltweit erreicht werden. Auch die seit 2014 bestehende Kooperation des BMEIA mit dem Tricky Women/Tricky Realities Festival, das ausschließlich Animationsfilme von Filmemacherinnen präsentiert, wurde online umgesetzt. Ein Schwerpunkt dieser Kooperation ist die internationale Vernetzung des Teams von Tricky Women und einiger Regisseurinnen im Wege von Workshops und Diskussionen mit Festivals und Filmschaffenden im Ausland. Diese Begegnungen fanden online statt. Die Zusammenarbeit der Kultursektion im BMEIA mit Sixpackfilm ermöglichte es den Kulturforen und Botschaften, österreichische Filme online auf deren Websites zu präsentieren. Das Angebot wurde auf 23 Filme erweitert, die sowohl vom Genre her als auch thematisch sehr breit gefächert sind.

 

Auch im Literaturbereich wurden digitale Formate gefördert, um österreichische Autorinnen und Autoren, die nicht reisen konnten, im Ausland zu präsentieren. Zu Jahresbeginn entwickelte die Kultursektion im BMEIA gemeinsam mit der österreichischen Gesellschaft für Literatur die „Internationalen Literaturdialoge“. Ziel dieser Ausschreibung war, kreative und innovative Projekte österreichischer Literaturschaffender in Kooperation mit Kulturschaffenden im Ausland anzustoßen und zu unterstützen. Im März zeichnete eine Fachjury aus den über 50 Einreichungen österreichischer Autorinnen und Autoren und deren Kooperationspartner in über 28 Ländern 16 Projekte mit hohem literarischen Anspruch aus. Die Themen waren breit gefächert, die internationale Beteiligung reichte von Ägypten über eine Reihe europäischer Länder bis nach Mittel- und Nordamerika. Die bereits im Jahr 2020 etablierte Online-Literatur-Programmschiene „SchreibART Austria online“, in deren Fokus die österreichische Gegenwartsliteratur steht, wurde erfolgreich weitergeführt. Lesungen und Werkstattgespräche mit österreichischen Autorinnen und Autoren werden in der österreichischen Gesellschaft für Literatur ohne Publikum durchgeführt und mitgefilmt – und in weiterer Folge den Kulturforen, Botschaften und Österreich-Bibliotheken als Stream zur Verfügung gestellt. Mit dem Literaturmuseum der österreichischen Nationalbibliothek wurden drei Videos über die Ausstellungen „Utopien und Apokalypsen“ sowie „Stefan Zweig - Weltautor“ bzw. die Dauerausstellung über Literatur produziert, welche die Botschaften und Kulturforen weltweit zeigten. Einige Vertretungen übersetzten die Videos zusätzlich in die jeweilige Landessprache, um so ein noch größeres Publikum zu erreichen. Das seit 2010 bestehende „Writer-in-Residence“-Programm mit dem Quartier21 im Museumsquartier Wien wurde ebenfalls weitergeführt. Neben Autorinnen und Autoren werden hier auch Übersetzerinnen und Übersetzer nach Wien eingeladen. Die Zusammenarbeit mit dem Literaturhaus Wien unter dem Titel „Crossing Borders“ wurde fortgeführt. Im Rahmen dieser Veranstaltungsreihe tritt eine Gastautorin gemeinsam mit einer österreichischen Autorin auf, was zur Vernetzung der österreichischen Literaturszene mit dem Ausland beiträgt. Im November erschien im Residenzverlag die Publikation „Erklärung für alles. Neue Texte aus Mitteleuropa, Osteuropa, Südosteuropa und dem Schwarzmeerraum“ mit insgesamt 45 Beiträgen von Gastautorinnen und Gastautoren, die zwischen 2010 und 2020 vom BMEIA unterstützt wurden. Das BMEIA engagierte sich auch weiterhin in dem seit 2008 bestehenden Übersetzungsprogramm bzw. Netzwerk Traduki, das inzwischen 14 Länder (Albanien, Bosnien und Herzegowina, Bulgarien, Deutschland, Kosovo, Kroatien, Liechtenstein, Nordmazedonien, Montenegro, Österreich, Rumänien, die Schweiz, Serbien und Slowenien) umfasst. Dieses als nachhaltiges Friedensprojekt für den Westbalkan ausgelegte Literatur-und Übersetzungsförderprogramm ist in den Jahren 2020–2023 mit dem Titel „Common Ground“ zentrales Thema bei der Leipziger Buchmesse. Das BMEIA war in diesem Jahr erstmals mit einem eigenen Stand und einem vielfältigen literarischen Programm mit Lesungen und Buchpräsentationen auf der Buch Wien vertreten. Am Stand des BMEIA wurden die Publikationen der österreichischen Auslandskultur zu den verschiedenen Schwerpunktprogrammen sowie zahlreiche wissenschaftliche Publikationen der Österreich-Bibliotheken präsentiert.

 

7.2 Wissenschaft, Bildung und Sprache

 

Neben Kulturaustausch und Dialog ist auch die Wissenschaft ein Schwerpunkt der Auslandskultur. Diplomatie bedeutet, Beziehungen zwischen Ländern aufzubauen und zu pflegen und dabei ist „Science and Technology Diplomacy“ jener Beitrag, den Wissenschaft, Technologie, Bildung und die Nutzung von Wissen zu internationalen Beziehungen und globalem Engagement leisten können. Wissenschaft und Technologie berühren das Leben aller Menschen: Alle globalen Zukunftsthemen haben eine wissenschaftliche oder technologische Komponente und sind nur in internationaler Zusammenarbeit umzusetzen.

 

Wissenschaftsdiplomatie wurde deshalb zu einem wichtigen Arbeitsfeld des BMEIA, das in enger Zusammenarbeit mit den Fachressorts und Wissenschaftseinrichtungen gestaltet wird. Im Fokus stehen Allianzen zwischen Wissenschaft und Politik mit dem Ziel der steten Verbesserung der internationalen Beziehungen.

Die langjährige Zusammenarbeit mit dem International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA) wurde erfolgreich weitergeführt. Als vertrauensbildende Maßnahme mittels internationaler wissenschaftlicher Zusammenarbeit zwischen Ost und West gegründet und in Laxenburg angesiedelt, setzt das IILASA auf diesem Gebiet nach wie vor internationale Akzente. Darüber hinaus konnte das BMEIA auch in den bilateralen Dialogen mit Iran, Indonesien und China und der Arbeit der Österreichisch-Russischen Historikerkommission und der Ständigen Konferenz Österreichischer und Tschechischer Historiker weitere wichtige Akzente in der Wissenschaftsdiplomatie setzen.

 

Die österreichische Wissenschaftsdiplomatie hat sich über die Jahre als stabilisierendes und weiterführendes Element in der Politik erwiesen, indem sie Brücken zwischen Gesellschaft und Wissenschaft schlägt. Sie trägt zum Abbau von Vorurteilen bei, stellt Vertrauen her und ist damit eine weitere wichtige Grundlage für Dialog und Zusammenarbeit. Das Wissenschaftskonzept der Auslandskultur analysiert diese Erfahrungen und skizziert den Rahmen, innerhalb dessen die österreichische Kulturdiplomatie im wissenschaftlichen Bereich bestmöglich wirken kann. Das Konzept wurde mit den für Bildung, Wissenschaft, Forschung, Digitalisierung, Innovation und Technologie zuständigen Ressorts abgestimmt.

 

Eine zentrale Rolle in der „Science Diplomacy“ kommt den Vertretungen zu. Als „Facilitators“ und „Matchmakers“ unterstützen sie die jeweiligen Ressorts und Wissenschaftseinrichtungen bei deren internationalen Kooperationen, schaffen Gelegenheiten für Begegnungen und Vernetzung und initiieren selbst Diskurse zu neuen Themen und interdisziplinären Schnittstellen wie Kultur und nachhaltigen Entwicklungszielen (Sustainable Development Goals, SDGs) oder „Art and Tech“. Sie setzen unterschiedlichste Schwerpunkte, beispielsweise mit Wissenschaftsnetzwerken, in der archäologischen Forschung, in der Bildungszusammenarbeit oder auch zum Zukunftsthema Smart Cities. Die strategische Weiterentwicklung der Wissenschaftsdiplomatie zur Einbindung der Wissenschaft in politische Entscheidungsprozesse und zur Übersetzung wissenschaftlicher Ergebnisse in der Politik ist auch international ein wichtiges Thema: Österreich ist Mitglied im wachsenden internationalen Netzwerk der Foreign Ministry Science and Technology Advisers (FMSTAN), das sich zur Stärkung dieses Dialogs zwischen Wissenschaft und Politik im Rahmen von dem International Network for Government Science Advice (INGSA) 2016 etabliert hat.

 

Die Österreich Institut GmbH zur Durchführung von Deutschkursen, zur Unterstützung und Förderung des Deutschunterrichts im Ausland und zur Kooperation mit nationalen und internationalen Organisationen konnte erneut erfolgreich zur besseren interkulturellen Vernetzung beitragen. Ihre Aufgabe ist es, kulturelle Auslandsbeziehungen über das Medium der deutschen Sprache zu pflegen und dabei die deutsche Sprache in ihrer österreichischen Ausprägung als Zugang zu einem zeitgemäßen Österreichbild zu vermitteln. Die Zentrale befindet sich in Wien. Österreich Institute bestehen in Belgrad, Breslau, Brünn, Budapest, Krakau, Pressburg, Rom, Warschau, Sarajewo und Moskau. Die Österreich Institute sind auch Prüfungszentren des Österreichischen Sprachdiploms Deutsch (ÖSD) und kooperieren mit weiteren Prüfungspartnern in ihren Ländern.

 

An Universitäten in den USA, Kanada, Europa sowie in Israel bestehen Österreich- Lehrstühle und Studienzentren. Hier konnten auch 2021 im akademischen Leben des jeweiligen Gastlandes die Beschäftigung mit österreich- und europaspezifischen Themen vertieft und betreut werden sowie immer wieder auch wissenschaftliche Arbeiten samt Publikationen im jeweiligen Themenbereich angeregt werden. Regelmäßige Kooperationen der Lehrstühle und Studienzentren mit Botschaften, Generalkonsulaten und Kulturforen tragen zur Erfüllung dieser Kernaufgaben maßgeblich bei.

 

Die Agentur für Bildung und Internationalisierung (OeAD GmbH) ist ein wichtiger Partner für die österreichische Kultur- und Wissenschaftsdiplomatie. Neben der Betreuung von Stipendiatinnen und Stipendiaten, der Administration von verschiedenen Programmen, wie dem EU-Programm Erasmus+ oder bilateralen Stipendienprogrammen, beispielsweise jenem der OEZA, sowie der bilateralen Bildungskooperation und der wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit, leistet sie mit ihren Analysekompetenzen auch einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung der Bildungs- und Hochschulsysteme in Österreich.

 

Seit der Integration von KulturKontakt Austria (KKA) mit 1. Jänner 2020 betreibt die OeAD-GmbH nunmehr insgesamt sieben Kooperationsbüros im Ausland: Die OeAD Kooperationsbüros in Lemberg und Shanghai unterstützen die Wissenschaftskooperation. Die regionalen Kooperationsbüros in Sarajewo (Bosnien-Herzegowina, Montenegro, Serbien) und Tirana (Albanien, Kosovo, Nordmazedonien) sowie Kooperationsbüros in Chisinau, St. Petersburg und Odessa unterstützen die Bildungskooperation im vor-universitären Bereich. Diese Außenstellen sind wichtige Kooperationspartnerinnen bzw.
-partner für die österreichischen Vertretungen und konnten auch 2021 maßgeblich zur Zusammenarbeit  mit lokalen Behörden und Institutionen auf den Gebieten der Wissenschaft und Bildung beitragen. Die Büros mit Fokus Wissenschaftskooperation unterstützen akademische Mobilität („Incoming“ und „Outgoing“), die Anbahnung von Hochschulkooperationen, die Positionierung Österreichs als Bildungs- und Wissenschaftsstandort durch Teilnahme an Messen, Studien-, und Stipendienberatung sowie die Stärkung von Alumni Netzwerken. Sie unterstützen auch die Zusammenarbeit mit österreichischen und lokalen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Die fünf OeAD Kooperationsbüros mit Fokus auf dem vor-universitären Bereich unterstützen durch rund 20 Projekte pro Jahr nachhaltige Systemreformen in den Partnerländern. Die thematischen Schwerpunkte orientieren sich an gemeinsamen Entwicklungsprioritäten an der Schnittstelle zwischen nationalen Bildungsentwicklungen in den Partnerländern, in Österreich und jenen auf EU Ebene.

 

Im Auftrag des BMBWF unterstützt der OeAD mit dem Auslands-Lektoratsprogramm (rund 100 Lektorinnen und Lektoren in 30 Ländern), dem Sprachassistenzprogramm (rund 200 Sprachassistentinnen und Sprachassistenten in zehn Ländern) und den Angeboten von „Kultur und Sprache“ (Kultur und Sprache Partnernetzwerk, Fortbildungsangebote für Deutschlehrende weltweit und Unterrichtsmaterialien mit Österreichbezug via Open Educational Resources, der OER Plattform) die Vermittlung von Deutsch als Fremdsprache im Ausland. Dies erfolgt in enger Kooperation mit Österreich-Bibliotheken und den österreichischen Kulturforen. Derzeit gibt es acht Österreichische Auslandsschulen: Zwei in Budapest (Ungarn) und je eine in Prag (Tschechien), Istanbul (Türkei), Guatemala City (Guatemala), Shkodra (Albanien), Querétaro (Mexiko) und Liechtenstein. An diesen Schulen unterrichten vom BMBWF entsandte Lehrkräfte und es gilt der österreichische Lehrplan in Kombination mit Adaptierungen an das jeweilige Gastland.

 

7.3 Interkultureller und Interreligiöser Dialog

 

Die Task Force Dialog der Kulturen im BMEIA ist Konzeptgeberin und Anlaufstelle für die Umsetzung von Dialoginitiativen. Die Task Force verfügt über ein internationales Netzwerk von Kontakten und dient bei Bedarf als Schnittstelle zu österreichischen staatlichen Institutionen, Kirchen und Religionsgemeinschaften, NGOs sowie Vertreterinnen und Vertretern aus den Bereichen Wissenschaft, Kultur, Medien und Wirtschaft. Das Netzwerk der Task Force bietet umfassende Möglichkeiten zur Wissensbildung und zum Meinungsaustausch.

 

Die Task Force unterstützt die Kulturforen, Botschaften und Generalkonsulate bei der Konzeption und Durchführung von zivilgesellschaftlichen Dialogprojekten. Ein Merkmal dieser Dialoginitiativen soll die Förderung interkulturellen Verständnisses auf nationaler und internationaler Ebene sein. Auf multilateraler Ebene engagierte sich die Task Force zu Dialogthemen im Rahmen der VN, der OSZE, im Europarat, innerhalb der EU und in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Dialogzentrum (KAICIID).

 

Beim Dialog der Kulturen und Weltanschauungen handelt es sich um keine EU-Kompetenz, wiewohl bereits 2016 im EAD eine Beraterin für Religion und Dialog eingesetzt und ein Sonderbeauftragter der Europäischen Kommission für Religions- und Weltanschauungsfreiheit außerhalb der EU bestellt wurde, wobei sich Österreich für die Erneuerung des Mandats des Sonderbeauftragten einsetzt. Im Juli organisierte Österreich zum ersten Mal einen informellen Austausch mit ausgewählten EU-Mitgliedsstaaten im Rahmen der „Wiener Gruppe zu Religion und Diplomatie“.

 

Österreich ist aktives Mitglied beim Transatlantic Policy Network on Religion and Diplomacy (TPNRD), das sich mit der religiösen Dimension in den Außenbeziehungen beschäftigt. Als informelles, aber die wichtigsten staatlichen Akteurinnen und Akteure in und außerhalb der EU umfassendes Forum, ist TPNRD als gemeinsame Initiative des EAD sowie des US Department of State derzeit die einzige Plattform ihrer Art.

 

Österreich engagiert sich auch beim Schutz der Religions- und Glaubensfreiheit, als Mitglied der von Kanada koordinierten internationalen Kontaktgruppe für Religions- und Glaubensfreiheit sowie als Gründungsmitglied der Anfang 2020 ins Leben gerufenen Internationalen Religions- und Glaubensfreiheits- Allianz, die mittlerweile 33 Mitglieder zählt.

 

Der vom BMEIA initiierte, am 23. November zum achten Mal und aufgrund der COVID-19-Pandemie zum zweiten Mal online bzw. an den Vertretungen im Ausland verliehene Intercultural Achievement Award (IAA) hat sich zu einem Schlüsselprojekt entwickelt, das die erfolgreiche Anwendung von Dialog in zivilgesellschaftlichen Initiativen der Entwicklungsarbeit, des Medienbereichs sowie der Integration eindrücklich präsentiert. Die neue Webseite www.intercultural-achievement.com soll die im Rahmen des IAA  identifizierten best practice Projekte breiter bekanntmachen.

 

7.4 Bilaterale Abkommen in den Bereichen Kultur, Bildung und Wissenschaft

 

Österreich hat mit 33 Staaten Kulturabkommen abgeschlossen, die in der Regel nicht nur den Bereich Kultur, sondern auch Bildung und Wissenschaft umfassen, teilweise auch die Bereiche Sport, Jugend und Frauen. Diese Abkommen regeln die Zusammenarbeit unter anderem in der Sprach- und Bildungsarbeit, die Gewährung von Stipendien, den Austausch von Lektorinnen und Lektoren, die Vernetzungsförderung von Forscherinnen und Forschern, den Austausch in den Bereichen Kunst und Kultur und dienen generell der Förderung der Kooperation in allen Abkommens-Bereichen. 2021 wurde das Kulturabkommen mit der Republik Korea unterzeichnet, Kulturabkommen mit Brasilien und Indien sind in Planung.

 

Kulturabkommen sehen in der Regel die Einrichtung einer sogenannten „Gemischten Kommission“ beider Länder zur Förderung der Zusammenarbeit vor, die dafür periodische Arbeitsprogramme erarbeitet und beschließt. Dies erfolgt unter Federführung des BMEIA und in enger Abstimmung mit den betroffenen Fachressorts, jedenfalls immer unter Einbindung des BMKÖS und des BMBWF. Geplante Sitzungen mit Italien, Kroatien, Nordmazedonien und Rumänien wurden inhaltlich vorbereitet, konnten aber wegen der COVID-19-Pandemie nicht abgehalten und sollen alsbald nachgeholt werden. Das betraf auch das bestehende Arbeitsprogramm mit Ungarn, dessen Gültigkeitsdauer um ein Jahr verlängert wurde.

 

Mit 19 Staaten bestehen Abkommen über die wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit, sogenannte WTZ-Abkommen. Diese dienen dem Austausch über Schwerpunktsetzungen im wissenschaftlichen Bereich sowie zur Mobilitätsförderung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in gemeinsamen Forschungsprojekten mit Partnern im jeweiligen Vertragsstaat. Mit Brasilien wurde am 19. Juni das jüngste WTZ-Abkommen unterzeichnet. Das innerstaatliche Genehmigungsverfahren dieses Abkommens wurde auf österreichischer Seite bereits abgeschlossen, auf brasilianischer Seite läuft der Prozess noch, weshalb die Inkraftsetzung noch aussteht. Allerdings werden bereits vorbereitende Gespräche zur Umsetzung geführt, insbesondere zur Definition von zukünftigen Kooperationsschwerpunkten.

 

Weiters wurden neue Arbeitsprogramme auf Grundlage dieser Abkommen in enger Kooperation mit dem BMBWF und unter Einbindung des BMK mit Indien, Montenegro und der Ukraine verabschiedet. Mit Slowenien wurde das bestehende Arbeitsprogramm bereits frühzeitig um ein weiteres Jahr bis Ende 2022 pandemiebedingt verlängert.

 

7.5 Auslandskulturarbeit im Rahmen der Europäischen Union und der UNESCO

 

Im Rahmen der Zusammenarbeit der Nationalen Kulturinstitute der EU (EUNIC), anderer Kulturauslandsvertretungen und der Außen- sowie Kulturministerien der EU- Mitgliedsstaaten wurden die unter österreichischer Ratspräsidentschaft 2018 ausverhandelten Ratsschlussfolgerungen zur Strategie der EU für internationale Kulturbeziehungen (EU-Kulturstrategie) im Rahmen der bestehenden Programmschienen weiter konkret umgesetzt. Die Kulturstrategie gibt den Mitgliedstaaten sowie den EU-Institutionen (Europäische Kommission und EAD) einen Rahmen für die Gestaltung kultureller Projekte in und mit Drittstaaten vor. Österreich konnte als Mitbegründer von EUNIC im Jahr 2006 und als von 2017 bis November 2020 im Vorstand vertretenes Mitglied sicherstellen, dass eine an der Stärkung des Europäischen Projektes orientierte Auslandskulturpolitik und eine enge Kooperation zwischen EU-Delegationen, EUNIC und den eigenen Kulturforen und Vertretungen in Drittstaaten erfolgt. Kultur soll dabei als Dimension europäischen Handels auch Antriebskraft für eine nachhaltige, innovative, soziale und wirtschaftliche Entwicklung sein, die verstärkt bei der Behandlung von Zukunftsthemen, wie etwa der Digitalisierung, für den interkulturellen Dialog und zur Stärkung der Zusammenarbeit beim Schutz des kulturellen Erbes einbezogen wird. In allen diesen Bereichen verfügt Österreich über langjährige Erfahrungen im Rahmen der bilateralen Kulturarbeit bzw. über kulturelle Institutionen und Akteure, die sich bei gemeinsamen EU-Projekten und Kulturstrategien einbringen. Im Zuge der COVID-19- Pandemie erfolgte dies vor allem in verschiedenen digitalen Formaten, die eine innovative und dynamische Form der Kulturarbeit zeigten.

 

EUNIC gehören derzeit 35 europäische Kulturinstitute und Ministerien aller 27 EU- Mitgliedsstaaten an. Weltweit haben diese derzeit in 102 Ländern 133 sogenannte EUNIC-Cluster gebildet, die als Kooperationsnetzwerke der lokalen EU-Kulturinstitute wirken. Österreich ist mit seinen Vertretungen und an einigen Orten auch mit dem Österreich-Institut Mitglied in 64 EUNIC-Clustern; in 13 Clustern führte Österreich 2021 den Vorsitz.

 

Die EU-Kulturstrategie und ihre 2019 geschaffenen Richtlinien für die Zusammenarbeit zwischen EUNIC, Europäischer Kommission und den EU-Delegationen in Drittstaaten wird im Rahmen eines bei der Generalversammlung in Toledo unterzeichneten Memorandums of Understanding fortgesetzt. Zusätzlich zur Kulturarbeit der Cluster werden im Rahmen innovativer europäischer Kooperationsmodelle eigene EUNIC-Programmschienen umgesetzt. Im Bereich der European Spaces of Culture gelangte ein Projekt, das von einem unter österreichischem Vorsitz stehenden EUNIC-Cluster eingereicht wurde, in die vorletzte Runde.

 

Im Rahmen des EUNIC-Cluster-Funds, mit dem EUNIC-Global Clusterprojekte fördert, erhalten Cluster unter österreichischem Vorsitz regelmäßig Zuschläge für Ko-Finanzierungen von bis zu 50 %. In das vom slowenischen EU-Ratsvorsitz eingeführte neue EUNIC-Programm „EuropeReadr“ brachten sich neun der unter österreichischer Führung stehenden Cluster ein. Für die österreichischen Auslandskulturbeziehungen bietet die Mitarbeit bei EUNIC erhebliche neue Potenziale, sowohl thematisch als auch finanziell: Einerseits übersteigen die Zuschüsse aus dem Cluster-Fund die jährlichen Beiträge für die EUNIC-Mitgliedschaft (11.500 Euro) und den Cluster-Fund (10.000 Euro) deutlich; andererseits erzielen die im Rahmen von EUNIC gemeinsam durchgeführten Projekte eine viel größere Breitenwirkung.

 

Wiewohl Kultur primär Kompetenz der EU-Mitgliedsstaaten ist, beschäftigt sich die EU im Rahmen ihres EU-Kulturausschusses mit spezifischen Kulturfragen und Kulturförderungen, wie dem Programm Creative Europe, der Gemeinschaftsaktion der Europäischen Kulturhauptstädte, dem Kulturgüterschutz und mit Querschnittsmaterien im Zusammenhang mit Kultur (etwa Genderfragen). Die COVID-19-Pandemie und die Abfederung der Folgen im Kulturbereich stand 2021 dabei im Vordergrund.

 

13 der 30 österreichischen Kulturforen, 38 der 65 Österreich-Bibliotheken und sieben der zehn Österreich Institute sind innerhalb der EU tätig. Sie engagieren sich für den kulturellen Austausch, die Förderung der europäischen Mehrsprachigkeit –  vor allem der deutschen Sprache in ihrer österreichischen Ausprägung –  und unterstützen die Karrierechancen österreichischer Künstlerinnen und Künstler auf dem für sie besonders wichtigen europäischen Kunst- und Kulturmarkt.

 

Die Plattform-Kultur-Mitteleuropa (PCCE), eine auf Initiative Österreichs 2001 in Wien in Leben gerufene Plattform zur Förderung der Kultur der Region Mitteleuropa wie auch der kulturellen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsländern Österreich, Tschechien, Ungarn, Polen und der Slowakei, beging 2021 unter polnischem Vorsitz das 20-jährige Jubiläum. Pandemiebedingt konnte leider nur eine Veranstaltung organisiert werden, das am 6. Dezember in Reykjavik stattgefundene Konzert „Cinema in Music – Central European Composers for the Cinema“ mit Filmmusik von Komponistinnen und Komponisten aus den fünf Mitgliedsländern, darunter die in Österreich lebende ungarische (und Filmpreis-prämierte) Komponistin Judit Varga.

 

Anlässlich der 41. UNESCO-Generalkonferenz wurde Österreich mit 166 von 175 gültig abgegebenen Stimmen für die Funktionsperiode 2021–2025 in den UNESCO Exekutivrat gewählt. Damit kann Österreich, das seit seinem Beitritt im Jahr 1948 zum nunmehr vierten Mal im Lenkungsgremium der UNESCO vertreten ist, die nächsten vier Jahre die Agenda mitprägen. Dies zeigt auch die Wertschätzung der anderen Mitgliedsstaaten für die zahlreichen österreichischen Initiativen und Projekte der letzten Jahre. Aktuell ist Österreich in insgesamt sieben zwischenstaatlichen Lenkungsgremien vertreten: im Rat des Internationalen Hydrologischen Programms, im Rat zur Medienförderung, im Komitee zum Schutz von Kulturgütern in bewaffneten Konflikten, im zwischenstaatlichen Bioethik-Komitee, im Komitee für Leibeserziehung und Sport, im Koordinierungsrat des Programms für Biodiversität sowie im Komitee der Konvention über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen.

 

Österreich will durch konkrete Projekte die Arbeit der UNESCO sichtbar mitgestalten, insbesondere zu den Themen Menschenrechte und Menschenrechtsbildung, Schutz des Welterbes, Sicherheit von Journalistinnen und Journalisten, Gender Equality, Anti-Diskriminierung, Bildung als vorbeugende Maßnahme gegen gewalttätigen Extremismus, „Futures Literacy“, immaterielles Kulturerbe, Biodiversität sowie Wasser- und Flussmanagement.

 

Im Rahmen der „Palmyra-Gespräche“ wird regelmäßig der Schutz von Kulturgütern vor Raub und Zerstörung mit internationalen Expertinnen und Experten diskutiert und die Öffentlichkeit für dieses wichtige Thema sensibilisiert. Die Gesprächsreihe findet im Kunsthistorischen Museum in Wien mit der Präsidentin der Österreichischen UNESCO-Kommission, Sabine Haag, als Gastgeberin statt. Das Internationale Zentrum für die Förderung der Menschenrechte auf lokaler und regionaler Ebene unter UNESCO Schirmherrschaft (auf Basis des Europäischen Trainings- und Forschungszentrums für Demokratie und Menschenrechte – ETC Graz) wurde 2021 im Beisein von Bundesminister Alexander Schallenberg und der beigeordneten UNESCO Generaldirektorin für Sozial- und Humanwissenschaften, Gabriela Ramos eröffnet. Damit ist zum ersten Mal ein sogenanntes „UNESCO Kategorie 2 Zentrum“, eine rechtlich unabhängige, aber eng mit den Zielen der UNESCO verknüpfte Institution, in Österreich tätig.

 

7.6 Multilaterale wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit

 

Österreich legte auch 2021 weiterhin besonderes Augenmerk auf die multilaterale wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit inner- und außerhalb Europas zur Festigung seiner Rolle als Standort der Hochtechnologie und beteiligte sich an Programmen der Europäischen Weltraumbehörde (ESA) in Paris (bei der der Österreicher Josef Aschbacher seit 2020 als Generaldirektor fungiert), der Europäischen Organisation zur Nutzung meteorologischer Satelliten (EUMETSAT) in Darmstadt und vor allem der Europäischen Organisation für Kernforschung (CERN) in Genf. Derzeit sind mehr als 100 österreichische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit dem CERN-Programm verbunden. Österreich nimmt mit dem federführenden BMBWF und der Österreichischen Vertretung Genf an den Treffen des CERN-Rates sowie des CERN-Finanzausschusses teil. Österreich ist an der Europäischen Südsternwarte (ESO) und damit auch an dem Netzwerk führender Einrichtungen für bodengestützte astronomische Forschung (ALMA) beteiligt.

 

Das IIASA in Laxenburg ist ein langjähriger wichtiger Partner des BMEIA für die Arbeit im Bereich der „Science Diplomacy“. Darüber hinaus werden außenpolitische Belange in der Europäischen Konferenz für Molekularbiologie (EMBC) in Heidelberg, beim Europäischen Zentrum für Mittelfristige Wettervorhersage (ECMWF) in Reading (Vereinigtes Königreich) sowie beim Europäischen Institut für Weltraumpolitik (ESPI) in Wien wahrgenommen.

 

Die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) vertritt Österreich in der Weltorganisation für Meteorologie (WMO). Bis November fungierte Michael Staudinger als Präsident der Regionalassoziation Europa. Das beim 18. Kongress der WMO beschlossene Programm zur Reform der WMO-Struktur wurde umgesetzt. Die bisherigen themenzentrierten acht Kommissionen wurden auf zwei Kommissionen für Infrastruktur und Dienstleistungen reduziert, ein wissenschaftlicher Beirat etabliert und das Sekretariat mit Direktoraten neu gestaltet. Beim 19. außerordentlichen WMO-Kongress im Oktober wurden die Fortschritte bei der WMO-Reform, die WMO-Unterstützung für die globale Wasseragenda und wichtige Resolutionen zum Erdsystemdatenaustausch verabschiedet. Bei den neu beschlossenen Aufgaben sind neben klassischen Themen wie der Standardisierung der Messungen folgende Themen sowohl global wie auch für Österreich besonders relevant:

 

Das Global Basic Observation Network (GBON) schafft ein globales Raster von minimal notwendigen Beobachtungen (Bodenstationen, Radiosonden, Schiffsbeobachtungen), die für eine weitere Verbesserung der Vorhersagemodelle, Vorhersagen und Warnungen unbedingtes Minimum sind. Da die meisten Entwicklungsländer finanziell nicht in der Lage sind, das GBON-Netz zu installieren und zu betreiben, wurde das Systematic Observation Funding Facility (SOFF-Programm) zur Hilfe durch eine Gruppierung von Entwicklungsbanken und -agenturen etabliert, die langfristig das notwendige Beobachtungsnetz unterstützt. Österreich hat sich an der SOFF Initiative beteiligt.

 

Das im Global Multihazard Alert System (GMAS) standardisierte globale Warnsystem ist eine Erweiterung des europäischen Systems Meteoalarm, das von der ZAMG für Europa geleitet wird. GMAS ist für viele Projekte der Entwicklungszusammenarbeit eine praxisorientierte Zielvorstellung mit konkreten und quantifizierbaren Vorgaben.

 

Die ZAMG vertritt Österreich auch bei der Europäischen Organisation zur Nutzung meteorologischer Satelliten (EUMETSAT) und beim Europäischen Zentrum für Mittelfristige Wettervorhersage (ECMWF).

 

7.7 Österreich-Bibliotheken

 

Das Netzwerk der Österreich-Bibliotheken im Ausland wurde vor mehr als 30 Jahren auf Initiative der Sektion für Internationale Kulturangelegenheiten des BMEIA gegründet, um in den Ländern Mittelost- und Südosteuropas die kulturellen Kontakte mit Österreich und Europa zu verstärken. Heute verfügt das Netzwerk über 65 Österreich-Bibliotheken in 28 Ländern.

 

Durch die institutionelle Anbindung an Universitäten und Nationalbibliotheken in den jeweiligen Gastländern werden die Österreich-Bibliotheken von Studierenden und Lehrenden aus dem wissenschaftlichen Bereich, wie auch von der breiten Öffentlichkeit besucht. Neben ihrer Eigenschaft als „Österreichs Wissenschaftssatelliten im Ausland“ fungieren sie als Informations- und Kulturzentren, die in Kooperation mit den österreichischen Kulturforen und Botschaften kulturelle und wissenschaftliche Veranstaltungen durchführen. Die Österreich-Bibliotheken bilden einen unverzichtbaren Bestandteil der österreichischen Auslandskulturpolitik, die im mitteleuropäischen Raum zur Vermittlung und Förderung der österreichischen Kultur und Geisteswissenschaft wesentliche und nachhaltige Akzente setzt. Zahlreiche weitere Bibliotheken, in denen Publikationen mit Österreichbezug gesammelt werden, komplettieren den Zusammenschluss zu einem weltweiten Wissensnetzwerk. Durch regelmäßige Treffen wird die Vernetzung der Österreich-Bibliotheken untereinander gefördert. Auch Liechtenstein und die Schweiz beteiligen sich mittlerweile an dieser Kooperation.

 

Im Jahr 2020 hat sich die Zahl der Veranstaltungen aufgrund der Corona-Krise halbiert. 493 Veranstaltungen mit fast 32.000 Besucherinnen und Besuchern wurden durchgeführt. Auch der klassische Bibliotheksbetrieb musste an vielen Orten, zeitweise sogar ganz, eingestellt werden. Im Jahr 2020 besuchten an die 33.000 Personen die Österreich-Bibliotheken, deren Bestände auf über 470.000 Bücher und über 21.000 Audio - und Videomedien aufgestockt wurden. Die Zahlen für 2021 liegen aktuell leider noch nicht vor. Die Internet- und Medienpräsenz in den Bibliotheken wurden in den Pandemie-Jahren massiv ausgebaut, so auch 2021. Es fanden eine Vielzahl an virtuellen Bibliotheksführungen, Webinaren, digitalen Konferenzzyklen und Präsentationen von Übersetzungen statt. Es wurden Webplattformen mit Kooperationspartnern, wie zum Beispiel dem Literaturmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek oder der Frankfurter Buchmesse gestaltet. Parallel zur Online-Lehre an den Universitäten wurden viele Veranstaltungen auf unterschiedlichste Plattformen verlegt und die Social-Media-Kanäle weiter ausgebaut. Die über das Web-Portal der Österreich-Bibliotheken zugängliche Datenbank der Publikationen mit Österreichbezug (Auslands-Austriaca) umfasst bereits 17.534 Publikationen (ohne externe Datenbanken in Japan, Russland, Italien). Die im Umfeld von Österreich-Bibliotheken entstandenen Übersetzungen werden vielfach mit Übersetzerprämien des Bundeskanzleramtes sowie Auszeichnungen der Gastländer bedacht.

 

Die Österreich-Bibliotheken an den Germanistik-Instituten im Ausland werden meist von Lektorinnen und Lektoren des OeAD mitbetreut, die bei der Vermittlung österreichischer Kultur-, Bildungs- und Wissenschaftsarbeit wertvolle Dienste leisten. An einigen Standorten mit Österreich-Bibliotheken wird das Österreichische Sprachdiplom Deutsch (ÖSD)vorbereitet, geprüft und vergeben. In langjähriger Kooperation mit dem Programm „Kultur und Sprache“ werden Österreich-Tage an ausgewählten Veranstaltungsorten im Ausland und in Zusammenarbeit mit lokalen Institutionen zu österreich-spezifischen Themen abgehalten. Diese Kurzseminare mit Österreichschwerpunkt dienen der Fortbildung der Deutschlehrerinnen und Deutschlehrer im Ausland.

 

Für wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Österreich-Bibliotheken im Ausland, die sich zu gemeinsamen Forschungsprojekten thematisch zusammenschließen, wurde mit der mehr als 20 Bände umfassenden Schriftenreihe „Transkulturelle Forschungen an den Österreich-Bibliotheken im Ausland“ eine wichtige Publikationsplattform geschaffen. Einige Bibliotheken publizieren auch selbstständige Schriftenreihen. Das wöchentliche „Kaffeehaus Feuilleton“ auf der Webseite der Österreich-Bibliotheken informiert laufend und aktuell in Kurzform über die kulturpolitische Szene Österreichs. Durch eine Archivfunktion bietet dieses Kulturangebot mit bereits mehr als 2.000 Beiträgen einen Überblick über die wesentlichen Kulturthemen und intellektuellen Debatten der letzten fünfzehn Jahre. Das Webportal www.oesterreich-bibliotheken.at dient der Information interessierter Personen im In- und Ausland sowie der Vernetzung der Österreich-Bibliotheken untereinander und wird jährlich von rund 17.500 Nutzerinnen und Nutzern besucht.

 

7.8 Der historische Dienst im Außenministerium

 

Wesentliche Aufgaben des in der Sektion für Internationale Kulturangelegenheiten des BMEIA eingerichteten Historischen Referats „Rudolf Agstner“ sind u.a. die Bereitstellung, Sammlung und Aufbereitung von Informationen zu bilateralen Beziehungen und allgemein historischen Zusammenhängen für Zentrale und Vertretungen sowie die inhaltliche Unterstützung der Auslandskulturpolitik in historischen Zusammenhängen, etwa bei bilateralen oder sonstigen Jubiläen und damit zusammenhängenden Veranstaltungen.

 

Darüber hinaus werden Publikationen des BMEIA betreut und Projekte zur Geschichte der österreichischen Außenpolitik konzipiert und begleitet. Dies umfasst u.a. die Fortführung der systematischen Publikation wesentlicher Daten zur österreichischen Außenpolitik für die Jahre nach 1945. Das Projekt „1938 bis 1945 und danach: Das Schicksal der Angehörigen des österreichischen Auswärtigen Dienstes – Dokumentation und Aufarbeitung“ wurde im September ausgeschrieben.

 

7.9 International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA), Fragen der NS-Vergangenheit und Zukunftsfonds

 

Die International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA), eine zwischenstaatliche Institution mit Ständigem Sekretariat in Berlin, wurde 1998 auf schwedische Initiative gegründet. Ihr Ziel ist es, als internationales Netzwerk Bildung und Forschung auf dem Gebiet des Holocaust sowie das Gedenken daran sowohl auf nationaler wie auf internationaler Ebene zu fördern. Sie kann dabei auf namhafte internationale wissenschaftliche Expertinnen und Experten zurückgreifen.

 

Am 27. März trat die Verordnung über die Gewährung von Vorrechten und Befreiungen an die IHRA in Kraft, mit der die Allianz nach mehr als 12-jährigen Bemühungen eine ihrer Bedeutung entsprechende internationale Amtssitzregelung erhalten hat. Die IHRA hat bisher drei Arbeitsdefinitionen verabschiedet: Holocaustleugnung und –verzerrung (2013), Antisemitismus (2016) und Antiziganismus (2020). Im Rahmen des virtuellen Athener-Plenums im Juni wurde das Roma Genozid Komitee der IHRA mit der Erarbeitung von Richtlinien für den Unterricht betreffend den Völkermord an den Roma beauftragt. Damit wurde ein wichtiger Schritt zur Umsetzung der angenommenen Arbeitsdefinition von Antiziganismus gesetzt.

 

Österreich wurde im Jahr 2001 in die IHRA (damals ITF) aufgenommen, hatte im Gedenkjahr 2008 den Vorsitz inne und zählt seither innerhalb der Allianz zu deren zentralen Akteurinnen und Akteuren. Die österreichische Delegationsleitung wird vom BMEIA und dem Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus wahrgenommen. In den ständigen Arbeitsgruppen und Ausschüssen wirken sowohl österreichische Regierungsvertreterinnen und Regierungsvertreter als auch Expertinnen und Experten der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, des Nationalfonds, des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes, des Mauthausen Memorial und des BMBWF-Holocaust Education Instituts „_erinnern.at_“ mit. Österreichische Projekte im Bereich Bildung, Bewusstseinsbildung und Forschung auf dem Gebiet des Holocaust genießen innerhalb der IHRA hohes Ansehen.

 

Der Zukunftsfonds der Republik Österreich wurde Ende 2005 als ein verzehrender Fonds aus Restmitteln des im Jahr 2000 errichteten und mit 31. Dezember 2005 geschlossenen Fonds für Versöhnung, Frieden und Zusammenarbeit (Versöhnungsfonds) geschaffen. Seine Aufgabe umfasst die Förderung von Projekten und Initiativen, die den Interessen und dem Gedenken der Opfer des nationalsozialistischen Regimes, der Erinnerung an die Bedrohung durch totalitäre Systeme und Gewaltherrschaft sowie der internationalen Zusammenarbeit dienen und zu einer Förderung der Achtung der Menschenrechte und der gegenseitigen Toleranz sowie zur Stärkung des europäischen Bewusstseins beitragen. Seit seiner Einrichtung hat der Zukunftsfonds insgesamt rund 3.100 Projekte unterstützt.

 

Das BMEIA leistet dem Zukunftsfonds technische und administrative Unterstützung. Darüber hinaus besteht bei zahlreichen der vom Zukunftsfonds geförderten internationalen Projekte eine enge Zusammenarbeit mit dem BMEIA wie insbesondere bei der Neugestaltung der Ausstellung in der österreichischen Gedenkstätte im ehemaligen Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau, die am 4. Oktober eröffnet wurde und beim Intercultural Achievement Award (IAA). Darüber hinaus hat der Zukunftsfonds die Herausgabe des Klassikers "Pan-Europa" von Richard Coudenhove-Kalergi in hebräischer Sprache unterstützt. Auch die „Internationalen Lyriktage. Zum 70. Todestag von Paula von Preradović – Hymnen Österreichs“ der Germanistikabteilung der Universität Ljubljana wurden gefördert. Mit der Förderung des Programms Children Teaching Children von Givat Haviva in Israel möchte der Zukunftsfonds einen Beitrag zum gegenseitigen Verständnis von jüdischen und arabischen Schülerinnen und Schülern leisten.

 

Die in Zusammenarbeit mit der Diplomatischen Akademie veranstalteten Werkstattgespräche zur Präsentation ausgewählter, vom Zukunftsfonds geförderter Projekte wurden fortgesetzt. Am 10. Juni wurde der Essayband „Corona und die Welt von gestern“ vorgestellt, in welchem Expertinnen und Experten verschiedenster Disziplinen die Veränderungen analysieren, mit denen COVID-19 die Gesellschaft konfrontiert. Am 15. Juni stand die Präsentation der Biografie „Vom Kaiserreich zur Republik. Österreich aus Sicht der drei Generationen Carl, Nikolaus und Heinrich Pfusterschmid-Hardtenstein“ auf dem Programm. Die Trilogie von Herbert Lackner „Als die Nacht sich senkte“, „Die Flucht der Dichter und Denker“ und „Rückkehr in die fremde Heimat“ wurde am 19. Oktober präsentiert. Die letzte Veranstaltung am 1. Dezember fand virtuell statt. Vorgestellt wurden die beiden Bände „Europa in Mauthausen“, Band 1 „Mauthausen und die nationalsozialistische Expansions- und Verfolgungspolitik“ und Band 2 „Deportiert nach Mauthausen“.

 

Am 13. Oktober reiste Bundesministerin Karoline Edtstadler zum „Malmö International Forum on Holocaust Remembrance and Combating Antisemitism“ nach Schweden, um die Anliegen der IHRA in internationalem Diskurs voranzubringen.

 

Am 11. November fand die „Global Conference on Football’s Role in Combating Antisemitism” im Austria Wien Fußball-Stadion statt, bei welcher unter Beisein von Vizekanzler Werner Kogler und Bundesministerin Karoline Edtstadler die IHRA-Arbeitsdefinition vom Österreichischen Fußball-Bund (ÖFB) angenommen wurde.

 

8. Österreichischer Auswärtiger Dienst

 

Mit seinem weltweiten diplomatischen und konsularischen Vertretungsnetz sichert der österreichische auswärtige Dienst die Interessen der Republik Österreich in der Welt und schützt und unterstützt österreichische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger im Ausland.

 

Völkerrechtliche Grundlagen der internationalen Diplomatie bilden die Wiener Diplomatenrechtskonvention und die Wiener Konsularrechtskonvention. Die innerstaatlichen gesetzlichen Grundlagen sind das Bundesgesetz über die Aufgaben und Organisation des Auswärtigen Dienstes – Statut sowie das Bundesgesetz über die Wahrnehmung konsularischer Aufgaben.

 

Der abwechselnde Einsatz der Bediensteten im In- und Ausland und in allen außenpolitischen und konsularischen Aufgabenbereichen sowie moderne Informations- und Kommunikationstechnologien gewährleisten die Erfüllung des umfassenden außenpolitischen Auftrags und ermöglichen die weltweit umfangreichen Serviceleistungen für österreichische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger.

 

8.1 Arbeitgeber Außenministerium

 

Durch das Rotationsprinzip ist der regelmäßige Wechsel zwischen der Zentrale in Wien und den Vertretungen im Ausland ein wesentlicher Bestandteil des Berufslebens, was neben der Flexibilität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und deren Familien auch eine umfassende organisatorische und logistische Planung erfordert. Jedes Jahr werden im BMEIA mehrere hundert Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im In- und Ausland versetzt. Ende 2021 betrug der aktive Personalstand des BMEIA 1.064 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon waren in der Zentrale 517 Personen (48,9 %) und im Ausland 541 Personen (51,1 %) tätig.

 

Personalstand des Außenministeriums

(Stand 31.12.2021 exklusive Karenzierungen, Außerdienststellungen, Dienstfreistellungen und Dienstzuteilungen):

 

 

Verwendungsgruppe

Männer

Frauen

 

Summe

 

Frauenanteil

Inland

Ausland

Inland

Ausland

A1/v1, A/a

110

133

80

81

404

39,9 %

A2/v2, B/b

43

80

52

44

219

43,8 %

A3/v3, C/c, I/d (Fach- dienst);

A4/A5/v4/v5, E; H3 und H5

 

75

 

82

 

149

 

115

 

421

 

62,7 %

IT Expertinnen und Experten (ADV-SV)

14

0

6

0

20

30,0 %

Summe

242

295

287

240

1.064

49,2 %

Gesamt

537

527

 

An den Auslandsvertretungen arbeiten weltweit 855 Lokalangestellte, die nach den arbeitsrechtlichen Bestimmungen des jeweiligen Gastlandes beschäftigt werden. Davon sind 542 (63,4 %) weiblich und 313 (36,6 %) männlich.

 

Mit Ende 2021 waren im BMEIA 40 Personen mit Behinderungen angestellt.

 

Im höheren Dienst (A1/v1, A/a), aus dem sich die meisten Leitungsfunktionen rekrutieren, erreichte der Frauenanteil 40,1 %.

 

 

Darüber hinaus sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des BMEIA im Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD), in internationalen Organisationen oder in anderen Ressorts tätig.

 

In mehrstufigen Auswahlverfahren für den auswärtigen Dienst (sogenannte „Préalables“) wird in Kooperation mit Expertinnen und Experten die persönliche und fachliche Eignung der Bewerberinnen und Bewerber durch Auswahlkommissionen überprüft. Die strenge Auswahl der Kandidatinnen und Kandidaten stellt die Qualität der österreichischen Diplomatie auch in Zukunft sicher.

 

Verwaltungspraktikantinnen und Verwaltungspraktikanten verstärken – bis zu ein Jahr lang – den Personalstand des BMEIA. So absolvierten 228 Jungakademikerinnen und Jungakademiker, Studierende, Maturantinnen und Maturanten bzw. Absolventinnen und Absolventen einer Mittleren Schule oder eines Lehrberufs Verwaltungspraktika im Inland und im Ausland. Auf Grund der COVID-19-Pandemie war vor allem bei den Auslandspraktika ein starker Rückgang um fast die Hälfte der Plätze zu verzeichnen.

 

Dreiundzwanzig Schülerinnen und Schüler, Maturantinnen und Maturanten bzw. auch Akademikerinnen und Akademiker absolvierten ein einmonatiges Kurzpraktikum (Schnupperpraktikum), um die Aufgaben und Arbeitsweise des BMEIA kennenzulernen.

 

Inlands- und Auslandspraktikantinnen und -praktikanten (Anzahl der Personen) 01.01.2021–31.12.2021

 

Verwaltungspraktika

Männlich

Weiblich

Gesamt

Inland

56

61

117

Ausland

36

75

111

Kurzpraktika

 10

16

26

Gesamt

102

152

254

Verwaltungspraktika

Männlich

Weiblich

Gesamt

 

Seit 2009 bildet das BMEIA Lehrlinge zu Verwaltungsassistentinnen und Verwaltungsassistenten aus. Es befanden sich 24 Lehrlinge in einem solchen Ausbildungsverhältnis. Ein weiterer Lehrling absolviert seit 2018 eine Lehre für die Ausbildung zum IT-Spezialisten im Lehrberuf „Applikationsentwicklung-Coding“. Insgesamt befanden sich somit 25 Lehrlinge in Ausbildung. Jene Lehrlinge, die ihre Lehrabschlussprüfung erfolgreich abschließen, werden zu einem internen Aufnahmeverfahren im BMEIA eingeladen.

 

Das durchschnittliche Pensionsantrittsalter der Beamtinnen und Beamten des BMEIA betrug 64,5 Jahre und liegt damit deutlich über dem österreichischen Durchschnitt.

 

8.2 Budget des Außenministeriums

 

Der Bundesvoranschlag 2021 lautete auf 549,910 Millionen Euro. Davon wurden 85,673 Millionen Euro für die Zentralleitung inklusive 1,7 Millionen Euro für internationale Konferenzen, 192,374 Millionen Euro für die Vertretungsbehörden inklusive 5,469 Millionen Euro für kulturelle Vorhaben, 94,238 Millionen Euro für Beiträge an internationale Organisationen und 177,625 Millionen Euro für die ADA und den Auslandskatastrophenfonds -AKF- budgetiert.

 

Budget 2010–2021 in Millionen Euro

 

 

 

 

 

 

 

Jahr

Budget des BMEIA

Anteil des BMEIA-Budgets am Bundesbudget in %

2010

440,902

0,62 %

2011

427,100

0,61 %

2012

409,361

0,56 %

2013

402,654

0,54 %

2014

418,777

0,55 %

2015

409,141

0,55 %

2016

427,993

0,56 %

2017

551,914

0,71 %

2018

502,628

0,64 %

2019

508,417

0,64 %

2020

495,996

0,45 %

2021

549,910

0,53%


8.3 Weltweite Infrastruktur und Digitalisierung

 

Das BMEIA-Immobilienportfolio umfasst 220 Liegenschaften und mehr als 300 Objekte, die als Amtsräumlichkeiten für Botschaften, Generalkonsulate, Kulturforen und Vertretungen bei internationalen Organisationen sowie für Wohn- und Repräsentationszwecke genutzt werden. Etwas mehr als die Hälfte dieser Objekte ist angemietet, die übrigen Immobilien stehen im Eigentum der Republik Österreich. Das Immobilienmanagement umfasst sämtliche Aspekte der Liegenschaftsverwaltung, Grundsatzfragen der Unterbringung, An- und Verkauf von Immobilien, Adaptierungen und Sanierungen.

 

In der „Facility Management“-Strategie des BMEIA stehen die Grundsätze der Funktionalität, der Sicherheit und der Wirtschaftlichkeit im Vordergrund. Vor allem bei Sanierungen und im Fall von Neubauten wird der Energieeffizienz, dem Einsatz erneuerbarer Energie und ökologischen Aspekten ein großer Stellenwert eingeräumt. Das BMEIA ist bemüht, das Immobilienportfolio laufend zu optimieren und Kosten zu senken. Zur Erzielung von Synergieeffekten und zur besseren Auslastung der vorhandenen Flächen gibt es laufend Bemühungen, gemeinsame Unterbringungen sowohl mit anderen österreichischen Stellen als auch mit Vertretungen anderer europäischer Staaten und dem EAD zu realisieren. So gibt es derzeit sechs aktive Kollokationen und an 59 Standorten weltweit werden 105 österreichische Mitnutzer wie z.B. andere Ministerien, die WKÖ, das Österreich-Institut und ein OeAD- Kooperationsbüro beherbergt.

 

2021 bildet den Startpunkt einer nach Innen und Außen gerichteten Digitalisierungsinitiative des BMEIA. Durch die COVID-19-Pandemie wurde die rasche Implementierung moderner IT- und Kommunikationsverfahren notwendig. Aus dieser Dynamik konnten für das BMEIA aber auch wichtige Digitalisierungsimpulse für die Zukunft gesetzt werden.

 

Direkte Außenwirkung hatten insbesondere folgende Projekte:

 

-                     Das Portal für Auslandsservice und Sicherheit (PASS): Die vormalige Software für konsularisches Krisenmanagement wurde gänzlich erneut und deren Benutzerfreundlichkeit deutlich erhöht. Für Auslandsösterreicherinnen und Auslandsösterreicher sowie Reisende wurde die einfache Möglichkeit geschaffen, eine eigenständige Benutzerregistrierung durchzuführen, um langfristig oder während einer Auslandsreise mit dem BMEIA vernetzt zu bleiben bzw. im Krisenfall als Serviceleistung informiert und unterstützt zu werden.

-                     Digitalisierung im Konsularwesen: Die Einführung von eID in Form der „ID Austria“ wird Voraussetzung für die online Beantragung von Dokumenten wie Staatsbürgerschaften und Geburtsurkunden sein. Pilotbehörde ist die Österreichische Botschaft Berlin, sie stellt die ID Austria bereits mit neuen Reisepässen aus. Das Verfahren nach dem NAG wird ebenfalls digitalisiert.

-                     Elektronische Beantragung der Staatsbürgerschaft für Nachkommen von NS-Verfolgten: Nunmehr ist es weltweit möglich, einen elektronischen Antrag auf Ausstellung einer österreichischen Staatsbürgerschaft gem. § 58c Abs.1a StbG zu stellen.

-                     Antrag von Legitimationskarten: Für einen vollelektronischen Antrag durch internationale Organisationen und Botschaften wurde die Vorprojektphase abgeschlossen.

 

8.4 Vertretungsbehörden und Honorarkonsulate

 

Dienststellen des BMEIA

Stand 31.12.2021

Bilaterale Botschaften

82

Ständige Vertretungen bei Internationalen Organisationen

 6

Generalkonsulate

10

Selbständige Kulturforen

  1

Sonstige Vertretungsbehörden

  2

Gesamt

101

 

Das BMEIA unterhält 101 Berufsvertretungsbehörden. Hinzu kommen elf Koordinationsbüros der ADA.

 

Darüber hinaus werden die Berufsvertretungsbehörden weltweit von rund 340 Honorarkonsulaten unterstützt. Die Honorarfunktionärinnen und Honorarfunktionäre, Personen mit starkem Österreichbezug, sind ehrenamtlich tätig. Sie stellen aus eigenen Mitteln die erforderliche Infrastruktur für den Konsularbetrieb zur Verfügung. Durch ihren engagierten Einsatz erweitern sie die konsularische Präsenz und tragen zur Förderung der wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zwischen Österreich und dem jeweiligen Gastland bei.

 

2021 konnten einige Honorarämter neu- bzw. wiedereröffnet werden. Neueröffnungen gab es in Concepcion (Chile), Belfast (Vereinigtes Königreich), Casablanca (Marokko), Novi Sad (Serbien) und Taschkent (Usbekistan). Wiedereröffnet wurde das Honoraramt in Steinamanger (Szombathely, Ungarn).

 

Dauerhaft geschlossen wurden hingegen die Honorarkonsulate in Minsk (Belarus), Odense (Dänemark), Birmingham (Vereinigtes Königreich) und Stuhlweißenburg (Székesfehérvár, Ungarn).

 

8.5 Organigramm

 

Siehe Excel-File (separat)

 

8.6 Österreichische Dienststellen (Berufsvertretungen) und deren Leiterinnen und Leiter

 

ÄGYPTEN

Eritrea, Sudan

ÖB Kairo

Dr. Georg STILLFRIED

ALBANIEN

ÖB Tirana

Dr. Christian STEINER

ALGERIEN

Niger

ÖB Algier

Mag. Christine MOSER

ARGENTINIEN

Paraguay, Uruguay

ÖB Buenos Aires

Dr. Andreas MELAN

ASERBAIDSCHAN

Turkmenistan

ÖB Baku

Mag. Bernd Alexander BAYERL

ÄTHIOPIEN

Dschibuti, Kongo, Uganda, Südsudan

ÖB Addis Abeba

Mag. Roland HAUSER

AUSTRALIEN

Fidschi, Kiribati, Marshall-Inseln, Mikronesien, Nauru, Neuseeland,

Papua-Neuguinea, Salomonen, Samoa, Tonga, Tuvalu, Vanuatu

ÖB Canberra

Mag. Wolfgang Lukas STROHMAYER

 

BELARUS

ÖB Minsk

Mag. Aloisia WÖRGETTER

BELGIEN

ÖB Brüssel

Dr. Elisabeth KORNFEIND

BOSNIEN und HERZEGOWINA

 

ÖB Sarajewo

Dr. Ulrike HARTMANN

BRASILIEN

Suriname

ÖB Brasilia

Mag. Dr. Stefan SCHOLZ

BULGARIEN

ÖB Sofia

Mag. Andrea WICKE

CHILE

ÖB Santiago de Chile

Mag. Stephan VAVRIK

CHINA

Mongolei

ÖB Peking

GK Hongkong

GK Shanghai

GK Chengdu

Mag. Dr. Andreas RIECKEN
Karl ERNST

Helmut RAKOWITSCH

Dr. Martin ALLGÄUER

DÄNEMARK

Island

ÖB Kopenhagen

Mag. Dr. Alice IRVIN

DEUTSCHLAND

ÖB Berlin

GK München

Dr. Peter HUBER

Dr. Eva Maria ZIEGLER

ESTLAND

ÖB Tallinn

Dr. Julius LAURITSCH

FINNLAND

ÖB Helsinki

Mag. Maximilian HENNIG

FRANKREICH

Monaco

ÖB Paris

GK Strassburg

dzt. vakant

Dr. Alexander WOJDA, MA

GEORGIEN

ÖB Tiflis

Mag. Dr. Thomas MÜHLMANN

GRIECHENLAND

ÖB Athen

Mag. Hermine POPPELLER

GROSSBRITANNIEN und NORDIRLAND

Kanalinseln und Isle of Man

ÖB London

Dr. Michael ZIMMERMANN

HEILIGER STUHL

San Marino, Malteser Ritterorden

ÖB Heiliger Stuhl

Dr. Franziska HONSOWITZ-FRIESSNIGG

INDIEN

Bangladesch, Bhutan, Malediven, Nepal, Sri Lanka

ÖB New Delhi

Mag. Katharina WIESER

INDONESIEN

Timor-Leste

ÖB Jakarta

dzt. vakant

IRAN

ÖB Teheran

Mag. Wolf Dietrich HEIM

IRLAND

ÖB Dublin

Mag. Dr. Thomas NADER

ISRAEL

ÖB Tel Aviv

dzt. vakant

ITALIEN

ÖB Rom

GK Mailand

Mag. Jan KICKERT

Mag. Clemens MANTL

JAPAN

ÖB Tokio

Dr. Elisabeth BERTAGNOLI

JORDANIEN

Irak

ÖB Amman

Dr. Oskar WÜSTINGER

KANADA

Jamaika

ÖB Ottawa

Mag. Sylvia MEIER-KAJBIC

KASACHSTAN

Kirgisistan, Tadschikistan

ÖB Nur-Sultan

Dr. Willy KEMPEL

 

KATAR

ÖB Doha

Mag. Karin FICHTINGER-GROHE

KENIA

Burundi, Komoren, DR Kongo, Ruanda, Seychellen, Somalia, Tansania, Sambia, Malawi

ÖB Nairobi

Mag. Dr. Christian FELLNER

 

KOLUMBIEN

Barbados, Ecuador, Guyana, Panamá, Trinidad und Tobago

ÖB Bogotá

Dr. Gerhard DOUJAK

 

KOREA

DVR Korea

ÖB Seoul

Dr. Wolfgang ANGERHOLZER

KOSOVO

ÖB Pristina

Mag. Christoph WEIDINGER

KROATIEN

ÖB Agram

Dr. Markus Josef WUKETICH

KUBA

Dominikanische Republik, Haiti, Antigua und Barbuda, Dominica, Grenada, St. Kitts und Nevis, St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen, Venezuela

ÖB Havanna

Mag. Stefan WEIDINGER

KUWAIT

Bahrain

ÖB Kuwait

Mag. Marian WRBA

LIBANON

ÖB Beirut

Dr. René AMRY

LIBYEN

ÖB Tripolis

Mag. Christoph MEYENBURG

LUXEMBURG

ÖB Luxemburg

Mag. Melitta SCHUBERT

MALAYSIA

Brunei Darussalam

ÖB Kuala Lumpur

Mag. Andreas LAUNER

MAROKKO

Mauretanien

ÖB Rabat

Mag. Klaus KÖGELER

MEXIKO

Belize, Costa Rica, El Salvador, Guatemala, Honduras, Nicaragua

ÖB Mexiko

Dr. Elisabeth KEHRER

MOLDAU

ÖB Chisinau

Mag. Stella AVALLONE

MONTENEGRO

ÖB Podgorica

Dr. Karl MÜLLER

NIEDERLANDE

ÖB Den Haag

Mag. Astrid HARZ

NIGERIA

Äquatorialguinea, Benin, Gabun, Ghana, Kamerun, Togo, Tschad, São Tomé und Príncipe, Zentralafrikanische Republik

ÖB Abuja

MMag. Thomas SCHLESINGER, MSc

 

 

NORDMAZEDONIEN

ÖB Skopje

Dr. Georg WOUTSAS

NORWEGEN

ÖB Oslo

Mag. Wilhelm DONKO

OMAN

Jemen

ÖB Maskat

Mag. Christian BRUNMAYR

PAKISTAN

Afghanistan

ÖB Islamabad

Mag. Nicolaus KELLER

PERU

Bolivien

ÖB Lima

Mag. Dr. Gerhard ZETTL

PHILIPPINEN

Palau

ÖB Manila

Mag. Bita RASOULIAN

POLEN

ÖB Warschau

GK Krakau

Mag. Andreas STADLER

Mag. Philipp CHARWATH

PORTUGAL

Cabo Verde

ÖB Lissabon

Mag. Christoph MERAN

RUMÄNIEN

 

ÖB Bukarest

Mag. Adelheid FOLIE

RUSSLAND

ÖB Moskau

Mag. Dr. Werner ALMHOFER

SAUDI-ARABIEN

 

ÖB Riyadh

Mag. Georg PÖSTINGER

SCHWEDEN

ÖB Stockholm

Mag. Dr. Gudrun GRAF, MSc

SCHWEIZ

ÖB Bern

Dr. Maria ROTHEISER-SCOTTI

SENEGAL

Burkina Faso, Côte d’Ivoire, Gambia, Guinea, Guinea-Bissau, Liberia, Mali, Sierra Leone

ÖB Dakar

Dr. Gerlinde PASCHINGER

 

SERBIEN

ÖB Belgrad

Mag. Nikolaus LUTTEROTTI

SINGAPUR

ÖB Singapur

Mag. Peter GUSCHELBAUER

SLOWAKEI

ÖB Pressburg

Mag. Margit BRUCK- FRIEDRICH

SLOWENIEN

ÖB Laibach

Mag. Elisabeth ELLISON-KRAMER

SPANIEN

Andorra

ÖB Madrid

Mag. Christian EBNER

SÜDAFRIKA

Botsuana, Lesotho, Madagaskar, Mauritius, Namibia, Eswatini, Simbabwe, Mosambik, Angola

ÖB Pretoria

Dr. Johann BRIEGER, MBA

 

SYRIEN

ÖB Damaskus

Dr. Peter KROIS

THAILAND

Kambodscha, Laos, Myanmar

ÖB Bangkok

Dr. Eva HAGER

TSCHECHISCHE REPUBLIK

ÖB Prag

Dr. Bettina KIRBNAUER

TUNESIEN

ÖB Tunis

Mag. Ulla KRAUSS-NUSSBAUMER

TÜRKEI

ÖB Ankara

GK Istanbul

Dr. Johannes WIMMER

Josef SAIGER, BA, MA

UKRAINE

ÖB Kiew

Mag. Gernot PFANDLER

UNGARN

ÖB Budapest

Dr. Alexander GRUBMAYR, LL.M.

VEREINIGTE ARABISCHE EMIRATE

ÖB Abu Dhabi

Mag. Dr. Andreas LIEBMANN-HOLZMANN

VEREINIGTE STAATEN VON AMERIKA

Bahamas

ÖB Washington GK Los Angeles

 

GK New York

 

KF New York

Mag. Martin WEISS

Mag. Dr. Michael POSTL

 

Mag. Helene STEINHÄUSL

 

Dr. Michael HAIDER

VIETNAM

ÖB Hanoi

Dr. Hans-Peter GLANZER

ZYPERN

ÖB Nikosia

Mag. Dorothea AUER

ARMENIEN (Sitz in Wien)

USBEKISTAN (Sitz in Wien)

ÖB Armenien

 

ÖB Usbekistan

Dr. Alois KRAUT

LIECHTENSTEIN (Sitz in

Wien)

ÖB Liechtenstein

Mag. Georg DIWALD

 

LITAUEN (Sitz in Wien)

ÖB Litauen

Mag. Yvonne TONCIC-SORINJ

LETTLAND (Sitz in Wien)

ÖB Lettland

Mag. Doris DANLER

MALTA (Sitz in Wien)

ÖB Malta

Mag. Erika BERNHARD

 

 

 

Ständige Vertretung bei den VN in New York

Mag. Dr. Alexander MARSCHIK

Ständige Vertretung beim Büro der VN und den Spezialorganisationen in Genf

MMag. Dr. Elisabeth TICHY-FISSLBERGER

Ständige Vertretung bei den VN, IAEO, UNIDO und CTBTO in Wien

Mag. Dr. Gabriela SELLNER

Ständige Vertretung bei der EU in Brüssel

Mag. Dr. Nikolaus MARSCHIK

Ständige Vertretung bei der EU in Brüssel (Politisches und Sicherheitspolitisches Komitee)

 

Mag. Christina KOKKINAKIS

Ständige Vertretung beim Europarat in Strassburg

Mag. Dr. Gerhard JANDL, BSc

Ständige Vertretung bei der OECD in Paris

Mag. Thomas SCHNÖLL

Ständige Vertretung bei der UNESCO in Paris

dzt. vakant

Ständige Vertretung bei der OPCW in Den Haag

Mag. Astrid HARZ

Ständige Vertretung bei der NATO in Brüssel

Dr. Elisabeth KORNFEIND

Ständige Vertretung bei der Donaukommission in Budapest

Dr. Alexander GRUMBAYR, LL.M.

Ständige Vertretung bei der OMT in Madrid

Mag. Christian EBNER

Ständige Vertretung bei den VN, UNEP und HABITAT in Nairobi

Mag. Dr. Christian FELLNER

GK Guangzhou (China)

Zweigbüro des Handelsrates (WKÖ)

GK Sao Paulo (Brasilien)

Büro des Handelsrates (WKÖ)

Ständige Vertretung bei der WTO in Genf

untersteht dem BMDW

Ständiger Vertreter bei der FAO in Rom

untersteht dem BMLRT

 


 

8.7 Exkurs: Diplomatische Akademie Wien

 

Die 1754 unter Kaiserin Maria Theresia als Orientalische Akademie gegründete Diplomatische Akademie Wien (DA) ist die weltweit älteste Bildungseinrichtung ihrer Art. Sie wurde nach ihrer Schließung während des 2. Weltkriegs 1964 unter ihrem heutigen Namen als postgraduale Bildungseinrichtung wiedererrichtet und 1996 aus der Bundesverwaltung organisatorisch und finanziell ausgegliedert.

 

Eine deutliche rechtliche Stärkung der DA sowie ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit konnte mit einer Novelle zum Bundesgesetz über die Diplomatische Akademie Wien erreicht werden. Die Gleichwertigkeit der in Zusammenarbeit mit anerkannten in- und ausländischen Universitäten angebotenen Masterstudien im Sinne der Bologna-Architektur wurde damit nun auch ausdrücklich gesetzlich festgehalten. Erstmals überhaupt wurde mit dieser Novelle das Fachgebiet „Kultur“ in den gesetzlichen Auftrag der DA aufgenommen.

 

Im Studienjahr 2020/21 waren 209 Studentinnen und Studenten aus 54 Ländern und im Studienjahr 2021/22 sind 217 Studentinnen und Studenten aus 51 Ländern, aus allen Kontinenten, inskribiert. Sie umfassen folgende Lehrgänge:

 

Lehrgang

Teilnehmerinnen und Teilnehmer Anzahl

Davon Österreicherinnen und Österreicher

57. Diplomlehrgang

25 (24 mit positivem Abschluss, eine Verlängerung)

15

58. Diplomlehrgang

27

15

24. Master of Advanced International Studies (MAIS)-Programm; Durchführung gemeinsam  mit der Universität Wien

63 (davon 61 mit positivem Abschluss, eine Verlängerung)

22

25. MAIS-Programm

76

27

26. MAIS-Programm (1. Jahr)

63

22

13. ETIA-Programm (Master of Science in Environmental Technology and International Affairs); Durchführung gemeinsam mit der Technischen Universität Wien

16 (davon 10 mit erfolgreichem Abschluss, vier mit Verlängerung)

8

14. ETIA-Programm

21

16

15. ETIA-Programm (1. Jahr)

14

7

2. PhD-Programm (2017–21)

3

1

3. PhD-Programm (2018–22)

2

1

4. PhD-Programm (2019–23)

1

1

5. PhD-Programm (2020–24)

1

1

6. PhD-Programm (2021–25)

1

0

 

Neben den Kooperationsabkommen mit der Johns Hopkins University–SAIS Europe und der Fletcher School of Law and Diplomacy, werden im MAIS-Programm mehrmonatige Austauschprogramme mit der Stanford University, mit dem Moskauer Institut für Internationale Beziehungen (MGIMO Universität in Moskau), Korea University’s Graduate School of International Studies, China Foreign Affairs University und Hebrew University of Jerusalem angeboten. Die COVID-19-Pandemie schränkte die internationale Mobilität massiv ein und hat die Durchführung der Austauschprogramme im Studienjahr 2020/21 verhindert. Auch Studienreisen konnten aufgrund der COVID-19-Pandemie nicht stattfinden.

 

Im Programm zur diplomatischen Aus- und Fortbildung fanden Spezialkurse (Executive Training Programmes) bzw. Trainingsmodule vor allem für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung und Diplomatinnen und Diplomaten aus den folgenden Ländergruppen statt: Südosteuropa, Schwarzmeerregion/Südkaukasus, Subsahara-Afrika, Nordafrika sowie Naher Osten. Des Weiteren wurden Trainingsmodule für das BMEIA organisiert. In Kooperation mit dem Ban Ki-moon Centre for Global Citizens und der UNODC organisierte die DA ein Trainingsprogramm für „Young Women Leaders“ aus Lateinamerika. Die DA war zudem gemeinsam mit dem Ban Ki-moon Centre an der Entwicklung und Durchführung eines 20-wöchigen Trainings zum Thema „Climate Adaptation“ für junge Frauen aus Afrika beteiligt. Außerdem fand ein elfwöchiges Trainingsprogramm für saudische Jungdiplomatinnen und Jungdiplomaten statt. Weiters wurden Trainings für die Freie Universität Brüssel (Winter- und Sommerschule), das United Nations University Institute on Comparative Regional Integration Studies und die Long Island University organisiert. Mit Ausnahme der Kurse für Studierende der Long Island University wurden alle Programme online durchgeführt.

 

Im Rahmen der Konferenzaktivitäten fanden rund 80 öffentliche Veranstaltungen statt. Aufgrund der COVID-19-Pandemie und daraus resultierenden Beschränkungen wurden viele Veranstaltungen hybrid oder rein online (vor allem auf Facebook und YouTube) durchgeführt. Die Veranstaltungsvideos des YouTube-Kanals der DA wurden rund 20.000 Mal aufgerufen. Zu den Vortragenden zählten die Präsidentinnen der Republik Moldau und der Republik Kosovo, der Vizepremierminister von Montenegro, die Außenminister des Irak und von Costa Rica, der französische Staatssekretär für europäische Angelegenheiten, Botschafterinnen und Botschafter, Vertreterinnen und Vertreter internationaler Organisationen sowie renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Hervorzuheben sind auch die von bzw. an der DA veranstalteten Konferenzen „Die Außenpolitik Österreichs in der Zweiten Republik“, „Equality in Progress: Empowering Women“, „30 Years Dissolution of the Soviet Union – From the Perspective of the Signatories of the Belovezhkaya Pushcha Agreement“ (von denen vier teilnahmen) und das 25. Europaforum des Austria Institut für Europa und Sicherheitspolitik (AIES). Die DA war im November Partner von BKA und BMEIA bei der Durchführung einer internationalen Belarus-Konferenz in Wien. Weitergeführt wurden die DA-Online-Reihe „Diplomacy – Your Questions, Our Answers“, die Veranstaltungsreihe in Kooperation mit der Österreichischen Forschungsgemeinschaft und die Werkstattgespräche mit dem Zukunftsfonds der Republik Österreich. Zugleich wurde die neue DA-Online-Reihe „Big Rivers in International Politics“ gestartet.

 

Das jährliche Treffen des International Forum on Diplomatic Training (IFDT), einem Netzwerk der Direktorinnen und Direktoren Diplomatischer Akademien sowie ähnlicher Ausbildungsstätten unter dem Vorsitz der DA und dem Institute for the Study of Diplomacy der Georgetown University, fand vom 3.-7. November auf Einladung der Anwar Gargash Diplomatic Academy in Abu Dhabi statt. Insgesamt nahmen etwa 45 Vertreterinnen und Vertreter von mehr als 30 Institutionen aus fast 30 Ländern teil.

 

Die dritte Ausgabe der Publikationsreihe DIPLOMACY – Austrian Journal of International Studies erschien im Dezember zum Thema „Digital Diplomacy“. Weitere Planungsarbeiten erfolgten für einen räumlichen Ausbau der Diplomatischen Akademie Wien zur Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit.