
beratungen des
hauptausschusses in
Angelegenheiten der
Europäischen Union
iV-10 der Beilagen zu den stenografischen
protokollen
des nationalrates XXVII. GP
Auszugsweise Darstellung
Mittwoch, 23. Juni 2021
(Auszugsweise Darstellung)
Mittwoch, 23. Juni 2021
§ 8270/21
European Council meeting (24 and 25 June 2021)
– Draft guidelines for
conclusions (63997/EU/XXVII.GP)
Die Agenda des Europäischen Rates
Beim Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs kommenden Donnerstag und Freitag in Brüssel werden vor allem die Bewältigung der COVID-19-Pandemie und die Umsetzung des "Grünen Passes", der EU-Wiederaufbaufonds, die Perspektiven für den Westbalkan sowie die Beziehungen zur Türkei, Russland und Belarus behandelt werden, teilten sowohl Bundeskanzler Sebastian Kurz als auch Europaministerin Karoline Edtstadler in der Sitzung des EU-Hauptausschusses mit. Nachdem die Kritik am ungarischen Gesetz zur Einschränkung von Informationen über Homosexualität auch nach der gestrigen Anhörung beim Rat in Luxemburg nicht ausgeräumt werden konnte, unterstütze Österreich die gemeinsame Erklärung der Mitgliedsstaaten, wiederholte Edtstadler ihren Standpunkt in dieser Frage. Grundrechte und Rechtstaatlichkeit seien für sie nicht verhandelbar.
Keine Mehrheit fand ein FPÖ-Antrag auf Stellungnahme, in dem es um eine restriktivere Migrations- und Asylpolitik in der EU ging. In Anlehnung an den dänischen Vorstoß sollte sich nach Auffassung der Freiheitlichen auch die österreichische Regierung dafür einsetzen, dass etwa Asylzentren in Drittländer errichtet werden. Außerdem sollten Teile Syriens als sicheres Rückkehrgebiet eingestuft und an den EU-Außengrenzen keine Asylanträge mehr aus den fünf Staaten Somalia, Pakistan, Afghanistan, Syrien und Bangladesch akzeptiert werden.
Die Bewältigung der COVID-19-Pandemie werde beim nächsten Treffen der europäischen Staats- und Regierungschefs am 24. und 25. Juni in Brüssel abermals eine zentrale Rolle spielen, erklärte Bundeskanzler Kurz. Auch wenn man die Delta-Variante sehr ernst nehmen müsse, gebe es keinen Grund, in Panik zu verfallen. Alle wissenschaftlichen Erkenntnisse würden darauf hindeuten, dass die zur Verfügung stehenden Impfstoffe gut wirken. Dass es bei der Pandemie extrem starke saisonale Effekte gebe, habe schon der letzte Sommer gezeigt. Auch die früheren Öffnungsschritte etwa in Vorarlberg hätten keine großen Auswirkungen auf die Inzidenzzahlen gehabt, führte Kurz ins Treffen. Wenn das Virus im heurigen Herbst wieder auftrete, dann seien aber – im Gegensatz zum Vorjahr - schon bis zu sechs Millionen ÖsterreicherInnen geimpft. Was den "Grünen Pass" angeht, so vertrete Österreich die Position, dass eine möglichst einheitliche Regelung in ganz Europa gefunden werden sollte. Man nehme daher beim Europäischen Rat einen erneuten Anlauf, eine Einigung zu erreichen, um maximale Reisefreiheit zu ermöglichen.
Um auf wirtschaftlicher Ebene die negativen Auswirkungen der Corona-Krise zu bekämpfen, habe die EU den Wiederaufbaufonds ins Leben gerufen, führte Kurz weiter aus. Er zeigte sich erfreut darüber, dass es nun grünes Licht für den österreichischen Plan in der Höhe von 3,5 Mrd. € gibt. Besonderer Fokus wurde dabei auf die Bereiche Klimaschutz und Digitalisierung, die einen überproportionalen Anteil einnehmen, gelegt.
Bezüglich der
außenpolitischen Themen, die beim Europäischen Rat auf der Agenda
stehen, vertrat Kurz die Auffassung, dass man bei Russland einen dualen
Ansatz verfolgen müsse. Einerseits brauche es klare Sanktionen, wenn es zu
Menschenrechtsverletzungen kommt, andererseits müsse Europa einen Weg des
Dialogs beschreiten. Dies wäre auch angesichts des Treffens zwischen Biden
und Putin mehr als angebracht. Das in Sachen Belarus angenommene Sanktionspaket
sei richtig, ähnliche Maßstäbe sollten aber auch bei anderen
Ländern angelegt werden, merkte der Kanzler an. So dürfe man
nicht vergessen, dass etwa in der Türkei JournalistInnen verfolgt werden
oder OppositionspolitikerInnen seit Jahren in Haft sitzen.
Im Hinblick auf den generellen Umgang mit der Türkei betonte der Bundeskanzler, dass es wichtig sei, sich solidarisch mit Zypern zu zeigen. Die EU dürfe sich nicht auseinanderdividieren lassen.
Ebenso wie Kurz hält es die Bundesministerin für EU und Verfassung Karoline Edtstadler für wichtig, dass die Heranführung der Westbalkan-Staaten weiter auf dem Radar der EU sein müsse. Österreich sei seit Jahren in dieser Angelegenheit aktiv, nunmehr werde ein schnellerer Fortschritt im Erweiterungsprozess auch von der Mehrheit der Mitgliedsstaaten unterstützt, wie sich erst gestern beim Ratstreffen in Luxemburg gezeigt habe. Dabei wurde ihr zufolge auch intensiv über die Rechtsstaatlichkeitsverfahren gegen Polen und Ungarn diskutiert. Besonders im Fokus stand das umstrittene ungarische Gesetz zur Einschränkung von Informationen über Homosexualität in Ungarn, berichtete sie. Als gelernte Richterin wollte sie zunächst die Anhörung abwarten und sich dann ein Urteil bilden, erklärte Edtstadler. Die Besorgnis über das Gesetz konnte aber keineswegs entkräftet werden, sondern habe sich im Gegenteil bestätigt. Solche diskriminierenden Gesetze, die Homosexualität mit Pädophilie vermischen, dürfe es im 21. Jahrhundert nicht geben, unterstrich die Kanzleramtsministerin, Grundrechte und Rechtstaatlichkeit seien nicht verhandelbar. Aus diesem Grund habe sich Österreich der Kritik der anderen Staaten angeschlossen und das gemeinsame Statement unterstützt.
Ein weiteres wichtiges Anliegen der Kanzleramtsministerin ist die Umsetzung der EU-Zukunftskonferenz in den einzelnen Mitgliedsstaaten. In Straßburg habe es bereits das erste Plenum dazu gegeben, nun müssen weitere Fortschritte erzielt werden. Für wichtig erachtete Edtstadler in diesem Zusammenhang, dass auch die Staaten des Westbalkans einbezogen werden.
Nach Ansicht des Abgeordneten Robert Laimer (SPÖ) sei eine nachhaltige Entwicklung in der Türkei nicht erkennbar, zumal nun auch ein Verbotsverfahren gegen die zweitstärkste Oppositionspartei sowie 500 PolitikerInnen eingeleitet wurde. In Erinnerung rief der SPÖ-Mandatar zudem den Austritt der Türkei aus der Istanbul-Konvention. Als überraschend stufte er die Pläne bezüglich der Modernisierung der Zollunion ein, da sich der EU-Ausschuss des Bundesrats klar dagegen ausgesprochen habe. Sein Fraktionskollege Christian Drobits sprach die Beziehungen zu Russland sowie Schwierigkeiten bei der Realisierung des "Grünen Passes" an.
Abgeordnete Petra Steger (FPÖ) thematisierte erneut den EU-Wiederaufbaufonds, der laut dem renommierten Universitätsprofessor Michael Geistlinger nicht nur eine Verletzung der Gründungsverträge der Europäischen Union darstelle, sondern sogar eine Gesamtänderung der Bundesverfassung. Überdies wurde durch die Zustimmung zum EU-Eigenmittelbeschluss der Weg zu einer neuen Schuldenunion geebnet. Kritik übte sie auch am "Grünen Pass", der ihrer Meinung die Unfreiheiten nur noch einzementiere. Reinhard Eugen Bösch (FPÖ) plädierte für eine Stärkung der Frontex-Behörde sowie einen effizienteren Schutz der EU-Außengrenzen.
Abgeordnete Ewa
Ernst-Dziedzic (Grüne) zeigte sich froh darüber, dass Ministerin
Edtstadler im Ausschuss erneut klar gestellt habe, dass Österreich die
ungarische Gesetzgebung in Sachen LGBTIQ-Community verurteile. Ihr
Parteikollege Michel Reimon kündigte die Ablehnung des
freiheitlichen Antrags an und gab zu bedenken, dass einzelne Teile von Syrien
nicht als sichere Herkunftsländer eingestuft werden könnten.
Die Umsetzung des "Grünen Passes" in Europa müsse so einheitlich wie möglich erfolgen, war Abgeordneter Nikolaus Scherak (NEOS) überzeugt. Ebenso wie NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger hielt er es für wichtig, dass die österreichische Regierung nun klare Worte zum ungarischen Gesetz zur Einschränkung von Informationen über Homosexualität gefunden habe.
Abgeordneter Martin Engelberg (ÖVP) erinnerte daran, dass Bundeskanzler Kurz beim Thema Türkei immer eine klare Haltung vertreten habe. Was die Beziehungen zur Schweiz angeht, so sei es positiv, wenn auch nach dem Scheitern des Rahmenabkommens versucht werde, eine neue Lösung zu finden.
Da laut Frontex die Flüchtlingszahlen auf allen Routen massiv ansteigen, sei eine nächste große Migrationswelle in die EU zu befürchten, gab Abgeordnete Petra Steger (FPÖ) zu bedenken. Dabei habe sich das Geschehen vom östlichen Mittelmeer auf die zentrale Mittelmeerroute von Nordafrika aus verlagert; in Italien und Malta seien bereits in den ersten vier Monaten zweieinhalbmal so viele MigrantInnen angekommen wie 2020. Während die EU in Sachen Migration komplett versagt habe, sollte man sich ein Beispiel an Dänemark nehmen, schlug sie vor. Dänemark will Asylzentren in Drittländern errichten, in denen die AsylwerberInnen auf die Bearbeitung ihres Antrags warten sollen. Darüber hinaus sollen sie dann laut Medienberichten im betreffenden Land bleiben oder in einer Einrichtung der UN untergebracht werden. Auch Griechenland setze die richtigen Akzente und lasse keine Asylanträge mehr aus Somalia, Pakistan, Afghanistan, Syrien und Bangladesch zu. Asyl sei grundsätzlich Schutz auf Zeit und sollte eigentlich keine Form der Migration darstellen. Außerdem sollten die Anträge nur in den jeweiligen Nachbarländern gestellt werden dürfen, fordert Steger.
Nur die Zustimmung der Freiheitlichen fand folgender Antrag auf Stellungnahme der FPÖ; er wurde somit abgelehnt:
ANTRAG AUF STELLUNGNAHME
gemäß Art. 23e Abs. 3 B-VG
der Abgeordneten Petra Steger und weiterer Abgeordneter
betreffend TOP 1: 1. RAT: 8270/21 European Council meeting (24 and 25 June 2021) – Draft guidelines for conclusions (063997/EU XXVII.GP)
eingebracht in der Sitzung des Hauptausschusses EU am 23. Juni 2021
Der EU droht die nächste Migrationswelle. Die Zahlen auf allen Routen steigen massiv an, meldet die EU-Behörde Frontex. Insgesamt haben sich die illegalen Grenzübertritte an den EU-Außengrenzen von Jänner bis April im Vergleich zum Vorjahr um ein Drittel erhöht. Während in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates für den 24./25. Juni zu lesen ist, dass „the measures taken by the EU and Member States have brought down the overall number of illegal border crossings in recent years“ lagen die illegalen Grenzübertritte im April sogar viermal so hoch wie noch vor einem Jahr. Dabei hat sich das Geschehen vom östlichen Mittelmeer auf die zentrale Mittelmeerroute von Nordafrika aus verlagert. In Italien und Malta sind heuer in den ersten vier Monaten zweieinhalbmal so viele Migranten angekommen wie 2020.
Die Europäische Union hat im Umgang und der Bewältigung der Migrationskrise komplett versagt. Statt die aus rein wirtschaftlichen Gründen nach Europa kommenden Migranten umgehend abzuschieben und die Migration unter dem Deckmantel des Asyls zu unterbinden, geht es der EU vornehmlich darum, Migrationsströme besser zu verwalten und die Asylwerber „gerechter“ zu verteilen.
Anders als die EU denkt Dänemark. Dänemark will Asylzentren in Drittländern errichten, in denen die Asylwerber auf die Bearbeitung ihres Antrags warten sollen. Darüber hinaus sollen sie dann laut Medienberichten im betreffenden Land bleiben oder in einer Einrichtung der UN untergebracht werden. Daran muss sich Österreich und auch die EU orientieren. "Wenn man keinen Schutzbedarf mehr hat, weil die Gefahr nicht mehr besteht, sollte man in sein Heimatland zurückkehren und dort beim Wiederaufbau helfen", wurde Dänemarks sozialdemokratische Regierungschefin Mette Frederiksen in deutschen Medien zitiert.
Dänemark und Griechenland haben die Zeichen der Zeit im Hinblick auf die drohende Migrationskrise endlich verstanden, indem Teile Syriens als sichere Rückkehrländer eingestuft wurden sowie der griechische Stopp für Asylanträge aus fünf Staaten, Somalia, Pakistan, Afghanistan, Syrien und Bangladesch bei Übertritt aus der Türkei.
Die ÖVP präsentiert sich gegenüber der Bevölkerung in der Asyl- und Fremdenpolitik gerne im „Blauen Gewand“ indem sie FPÖ-Vorschläge verbal übernimmt, aber nicht zur Umsetzung bringt. So sah Innenminister Nehammer im Unterausschuss am 18.03.2021 Teile des Migrationspaketes angeblich kritisch, bislang kamen auf EU-Ebene jedoch keine dezidierten Einwände.
Asyl ist grundsätzlich Schutz auf Zeit und sollte eigentlich keine Form der Migration darstellen. Wenn es die ÖVP mit ihrem angeblich harten Kurs ernst meinen sollte, wären die handelnden Akteure der derzeitigen schwarz-grünen Regierung gut beraten, sich mit ihren dänischen Amtskollegen in Verbindung zu setzen, um sich umgehend mit deren Migrations- und Asylpolitik abzustimmen und es ihnen im Zusammenhang mit Asylzentren in Drittländern gleichzutun und dies auf EU-Ebene auch zu artikulieren.
Das Ziel muss sein: De
facto null Asylanträge auf österreichischem Boden bzw. auf dem Boden
der EU. Dies würde dem Anspruch des neuen Migrationspaketes
tatsächlich genügen, doch ist zu befürchten, dass die darin
geplanten Maßnahmen nicht dazu führen werden, sondern im Gegenteil,
zu einer massenhaften Migrantenverteilung. Die Intention der Genfer
Flüchtlingskonvention war es sicher nicht, dass sich illegale Migranten
tausende Kilometer von Schleppern in die EU bringen lassen, um dann im Land
ihrer Wahl Asyl zu verlangen. Niemand mehr, der über ein sicheres
Transitland kommt, darf in Österreich oder in der EU Asyl verlangen.
Anträge dürfen in der EU nur mehr von Personen, die aus den
unmittelbaren EU-Nachbarländern stammen, gestellt werden. Das entspricht
auch der Intention der Genfer Flüchtlingskonvention und ist eine weitaus
praktikablere Lösung, als die geplanten Grenzlager des Migrationspaketes.
Vor diesem Hintergrund stellen die unterfertigten Abgeordneten daher folgenden
ANTRAG AUF STELLUNGNAHME
gemäß Art. 23e Abs. 3 B-VG
„Die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler werden aufgefordert, sich auf europäische Ebene