1006/J XXVII. GP

Eingelangt am 25.02.2020
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Anfrage

 

der Abgeordneten Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz

betreffend Fragen zu regionalen Unterschieden bei Amputationen

 

ÖSG - Österreichischer Strukturplan Gesundheit

Der "Österreichische Strukturplan Gesundheit" (ÖSG) bildet die bundesweite Grundlage für die integrative Gesundheitsplanung - abgestimmte Planung zwischen den Versorgungsbereichen - in Österreich. Wichtige Versorgungsbereiche sind dabei der niedergelassene Bereich und der stationäre Bereich. Neben Versorgungsstrukturstandards beinhaltet der ÖSG auch zahlreiche Daten über die aktuelle Versorgungsstruktur und Leistungsstruktur (Medizinisches Personal, KH-Betten, KH-Aufenthalte,...), sowie über den künftigen stationären Leistungsbedarf (KH-Aufenthalte). Diese Daten sind in der Planungs- und Versorgungsmatrix sehr detailliert dargestellt und lassen Vergleiche nach Diagnose-/Leistungsgruppen auf regionaler Ebene (32 Versorgungsregionen) zu. Konkret wird nach knapp Diagnose-/Leistungsgruppen unterschieden, den sogenannten MH-Gruppen (MHG). Beispielsweise erfährt man in der ÖSG-Versorgungsmatrix des "ÖSG 2017", dass in der Versorgungsregion Mostviertel (VR 35) 2014 insgesamt 708 Kniegelenksoperationen durchgeführt wurden. Vergleicht man mit dem "ÖSG 2012", erkennt man jedoch, dass damals für das Jahr 2015 im Mostviertel lediglich 553 Kniegelenksoperationen erwartet wurden. Diese deutlichen Abweichungen zwischen den tatsächlichen Operationen und dem Bedarf werfen natürlich Fragen auf. Treibt ein Überangebot an OP-Kapazitäten die Nachfrage nach oben ("Angebotsinduzierte Nachfrage") oder verursachen andere Faktoren die erhöhte Nachfrage (ein kalorienreicher Lebensstil, oder körperlich anstrengende Jobs, oder eine schlechte Versorgung in anderen Versorgungsbereichen,...).

 

Starke regionale Unterschiede bei der Amputationsrate

Relativ interessant ist die Leistungsgruppe "M14.j Amputationen". Diese Leistung wurde 2014 in Österreich 2870-mal durchgeführt, wobei man enorme regionale Unterschiede bei der Amputationshäufigkeit erkennen kann – gemessen mit der Kennzahl "KH-Aufenthalte je 100.000 Einwohner". Während in der Versorgungsregion „VR92 Wien-West"  knapp 20,4 Amputationen pro 100.000EW durchgeführt wurden, erfolgten diese Eingriffe in der VR44 Pyhrn-Eisenwurzen 61,7-mal pro 100.000EW (siehe Tabelle auf Seite 3). Die Standardisierung nach Alter und Geschlecht reduziert die Differenz nur unwesentlich. Sehr viele Amputation konnte man dabei im Grenzgebiet von NÖ und OÖ (VR32 Waldviertel, VR35 Mostviertel, VR44 Pyhrn-Eisenwurzen), im südöstlichen Österreich (VR12 Burgenland-Süd, VR64 Oststeiermark, VR65 West-/Südsteiermark) und in der Versorgungsregion „VR81 Rheintal-Bregenzerwald“ beobachten.

 

Anzahl der Amputationen im Fußbereich steigt stark an

In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass "Amputationen im Fußbereich ohne Trauma" - also jene, die nicht auf Unfälle zurückzuführen sind - seit 2011 stark angestiegen sind. Wurden 2011 noch 1494 Fußamputationen durchgeführt, waren es 2018 schon 2649.

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Bessere Diabetesversorgung, weniger Amputationen

Im internationalen Vergleich ist die österreichische Amputationsrate aufgrund der stark zunehmenden Zahl an Amputationen mittlerweile überdurchschnittlich stark ausgeprägt. Laut Schätzungen können jährlich 2000 Amputationen auf schwere Gefäßschäden aufgrund von Diabetes zurückgeführt werden. Davon könnte zumindest die Hälfte durch eine bessere Diabetes-Versorgung verhindert werden [1]. Aktuell befinden sich aber nur 13% der Diabetiker in einer strukturierten Diabetesversorgung, während es in Deutschland 50% sind [2].

 

[1] https://www.derstandard.at/story/2000056527142/haelfte-der-amputationen-bei-diabetikern-koennte-verhindert-werden

[2https://www.rechnungshof.gv.at/rh/home/news/Rechnungshof_Oesterreich_sieht_hohen_Verbesserungsbedarf_.html

 

 

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Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

1.    Wie haben sich die quellbezogenen, stationären KH-Aufenthalte für "M14.j Amputationen" (ÖSG-Definition) zwischen 2015 und 2019 entwickelt? (Darstellung je Jahr und Versorgungsregion)

a.    Wie haben sich die korrespondierenden (quellbezogenen) LKF-Punkte zwischen 2015 und 2019 entwickelt? (Darstellung je Jahr und Versorgungsregion)

2.    Welche MEL-Gruppen (z.B.: MEL14.16), inklusive Bezeichnung, umfasst die die MH-Gruppe "M14.j Amputationen" und welche Einzelleistungen (z.B.: NZ120), inklusive Bezeichnung, umfassen die entsprechenden MEL-Gruppen?

a.    Wie haben sich die quellbezogenen, stationären Aufenthalte für die entsprechenden MEL-Gruppen zwischen 2015 und 2019 entwickelt? (Darstellung je Jahr, Versorgungsregion und MEL-Gruppe)

b.    Welche individuelle LKF-Bepunktung haben die entsprechenden MEL-Gruppen 2020 jeweils?

3.    Wie hat sich die Einwohnerzahl gem. ÖSG-Definition "EW insgesamt" (siehe Planungsmatrix) zwischen 2015 und 2019 entwickelt? (Darstellung je Jahr und Versorgungsregion)

4.    Wie hat sich die Einwohnerzahl über 75 Jahren gem. ÖSG-Definition "EW > 75a" (siehe Planungsmatrix) zwischen 2015 und 2019 entwickelt? (Darstellung je Jahr und Versorgungsregion)

5.    Wie begründen Sie die hohe Amputationsrate im südöstlichen Österreich (West-/Südsteiermark, Oststeiermark, Burgenland-Süd)?

6.    Wie begründen Sie die hohe Amputationsrate im Grenzgebiet von NÖ und OÖ (Waldviertel, Mostviertel, Pyhrn-Eisenwurzen)?

7.    Wie begründen Sie die hohe Amputationsrate in der Versorgungsregion Rheintal-Bregenzerwald?

8.    Aus welchen Gründen sind die "Amputationen im Fußbereich (ohne Trauma)" (A-IQI-Kennzahl 27.10) zwischen 2011 und 2018 von 1494 auf 2649 angestiegen?

a.    Wie sehr führen Sie eine mangelhafte Diabetes-Versorgung auf überdurchschnittliche Amputationsraten zurück?

9.    Wie viele Fußprothesen wurden zwischen 2015 und 2019 von den Krankenkassen (teil-)erstattet? (Darstellung je Jahr, Versorgungsregion und KV-Träger)

a.    Welche KV-Träger erstatten Fußprothesen aktuell zur Gänze bzw. welche KV-Träger bezuschussen diese lediglich und in welcher Höhe? (Darstellung je KV-Träger)

10. Auf welche sonstigen Faktoren führen Sie die hohe Amputationsraten zurück?

11. Weshalb wurde im "ÖSG 2012" für das Jahr 2015 bundesweit von 11809 Amputationen ausgegangen und im "ÖSG 2017" der Bedarf für das Jahr 2020 auf 3204 Amputationen abgesenkt?

12. Wie wirkt das BMSGPK auf seine Zielsteuerungspartner (Länder, SV) ein, um Amputationen zu vermeiden?

13. Wie viele Bundesfinanzmittel wurden 2018 und 2019 an die Landesgesundheitsfonds überwiesen? (Darstellung je Jahr und LGF)

a.    Wie viele Finanzmittel waren dabei an das Erreichen von Gesundheitszielen gebunden? (Darstellung je Jahr, LGF und Gesundheitsziel)

                                  i.    Befinden sich darunter Gesundheitsziele, die auf die Vermeidung von Amputationen abzielen? Wenn ja, welche Ziele und wie viele Finanzmittel?

b.    Wie viele Finanzmittel wurden rein nach vorab vereinbarten Prozentsätzen bzw. vorab vereinbarten Beträgen überwiesen? (Darstellung je Jahr und LGF)