1012/J XXVII. GP

Eingelangt am 25.02.2020
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Douglas Hoyos und Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesministerin für Justiz

betreffend Überlange Verfahrensdauer im Eurofighter-Verfahren

 

Die Arbeit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wurde laut "Falter" und nachfolgender Berichterstattung von Bundeskanzler Sebastian Kurz in einem "Hintergrundgespräch" vor Journalist_innen am 27.2.2020 massiv und in rechtsstaatlich bedenklicher Art und Weise diffamiert.

Doch bereits zuvor gab es Kritik: Bundesminister aD Josef Moser und insbesondere Sektionschef Christian Pilnacek thematisierten wiederholt die ihrer Ansicht nach zu lange Verfahrensdauer bei Wirtschaftsstrafverfahren. Insbesondere die WKStA wurde von Sektionschef Pilnacek diesbezüglich mehrfach ins Kreuzfeuer genommen und es wurde von diesem erwirkt, dass BM Josef Moser auch eine Projektarbeitsgruppe unter Leitung von Sektionschef Pilnacek zu diesem Thema einsetzte.

Diese Kritik blendet aber viele Punkte aus, die zu den in der Tat oft unbefriedigend langen Verfahren führen: das im Wirtschaftsbereich oft nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung stehende, entsprechend qualifizierte Personal der Polizei, jahrelang dauernde Rechtsmittel- und Sichtungsverfahren (vgl. etwa §112 StPO), langwierige Rechtshilfeersuchen an andere Staaten, sowie die nicht ausreichende personelle Ausstattung der WKStA. Schnellere Erledigungen (Einstellung, Diversion oder Anklage) nach umfassenden Ermittlungen sind rechtsstaatlich wünschenswert und notwendig. 

Ein Verfahren, dessen Dauer für besonderen Unmut in Politik, Justizkreisen und Bevölkerung sorgt, ist die Causa Eurofighter.

Seit dem Ankauf der Abfangjäger im Jahr 2002 (und der ersten Anzeige) sind mittlerweile rund 18 Jahre vergangen, und der überwiegende Teil der rund um diesen Kauf ventilierten Vorwürfe wurde immer noch nicht aufgeklärt, geschweige denn einer strafrechtlichen Erledigung zugeführt. Die Causa war bis 1. Februar 2019 bei der Staatsanwaltschaft Wien anhängig und wurde danach an die WKStA abgetreten. Bemerkenswert ist auch, dass bei der Staatsanwaltschaft Wien für lange Zeit lediglich ein einziger Staatsanwalt mit der enorm umfangreichen Causa betraut war. Erst mit der Betrugsanzeige im Jahr 2017 wurde Staatsanwältin Patricia Frank als zweite Staatsanwältin mit der Causa Eurofighter betraut, bevor sie mit Beginn 2019 "mit dem Verfahren"zur WKStA wechselte. Nachdem das Verfahren erst knapp 3 Monate bei der WKStA anhängig war, äußerte Sektionschef Pilnacek intern in einer Dienstbesprechung am 1. April 2019 massive Kritik an der Verfahrensdauer und der Arbeit der WKStA. SC Pilnacek machte sich dabei unter anderem dafür stark, Teile des Aktes einzustellen ("daschlogt's es"), und versprach dabei "ein Auge zuzumachen" - rechtsstaatlich höchst bedenkliche Äußerungen. Die Streitigkeiten zwischen der WKStA und SC Pilnacek gipfelten letztlich in einer Anzeige der Leiterin der WKStA gegen SC Pilnacek - dieses Verfahren wurde in Rekordtempo eingestellt. 

In einem Schreiben vom 25. April 2019 an den damaligen Justizminister Moser äußerte die Leiterin der WKStA (wie "profil" am 22. Feber 2020 berichtete), dass bereits am ersten Tag der Zuständigkeit der WKStA OStA Fuchs in einer Dienstbesprechung geäußert habe, dass die Verfahren in einem halben Jahr erledigt werden könnten- mit Verweis auf die Nichtdarstellbarkeit einer überwiegenden Verurteilungswahrscheinlichkeit (§ 210 StPO). Ein weiteres Glied einer Indizienkette dahingehend, dass in der Causa offenbar immer wieder von Seiten gewisser Netzwerke innerhalb der Justiz versucht wurde, das Verfahren "auszuhungern" oder dessen Einstellung zu erwirken. Wie nunmehr ebenfalls durch Berichte des "profil" bekannt wurde, soll bereits seit Ende 2019 tatsächlich ein Vorhabensbericht der WKStA über die OStA Wien ans Justizministerium gegangen sein, in dem die Einstellung von Verfahrensteilen avisiert wird. 

Doch was tut die Regierung: Bundeskanzler Sebastian Kurz äußerte sich im "Report" am 18.2.2020 zur aus seiner Sicht überlangen Verfahrensdauer und kritisierte einmal mehr die Arbeit der WKStA. Justizministerin Alma Zadic hingegen nahm die WKStA in Schutz und kündigte eine baldige Anklage an (ZIB2 vom 11.2.2020) - eine Ankündigung, die tags darauf mit Verweis auf die Unabhängigkeit der Justiz und noch ausstehenden Vorhabensberichten relativiert wurde. 

Ein weiterer Punkt, der in Zusammenhang mit den Ermittlungen rund um die Causa Eurofighter verwundert: Wie die "Krone" am 23.2.2020 berichtete (https://www.krone.at/2103666), soll Mensdorff-Pouilly Ende 2006 auf seinem Konto eine Zahlung der Eurocopter Deutschland GmbH, zählend zum Eurofighter-Geflecht EADS, in der Höhe von 137.957,12 Euro erhalten haben. Die selbe Summe taucht in Scheibners Geschäftsunterlagen auf. Zwischen 2009-2011 sollen über das Firmenkonstrukt S.I.T. FZE laut BMF insgesamt 689.785,60 Euro (u. a. von EADS) eingegangen sein. Die daraus resultierende Umsatzsteuer, also 20 Prozent, sei nicht ordnungsgemäß abgeführt worden, sie beträgt exakt 137.957,12 Euro. Dieser Umstand veranlasste die NEOS bereits 2019 die entsprechenden Dokumente an die WKStA zu übermitteln. Wie sich nunmehr herausstellte, sah die WKStA keine Notwendigkeit in diesem Zusammenhang zu ermitteln.

Ein Punkt, der in der Gesamtdiskussion rund um die Verfahrensdauer von Großverfahren zumeist zu Unrecht ausgespart wird, ist die Rolle der Fachaufsicht: Durch die nahezu ausufernde Art und Weise der Berichtspflicht und dadurch aufzuwendenden zeitlichen Ressourcen verschärft sich das Problem rund um die überlange Verfahrensdauer erheblich. So wurde zB in der Causa BVT beinahe jeder Verfahrensschritt als "vorhabensberichtspflichtig" erklärt, sodass über hundert Berichte erstattet werden mussten, wodurch die übrigen Akten noch länger im BMJ zur Bearbeitung liegen. Dies monierte auch die Leiterin der WKStA bei Ihrer Befragung vor dem BVT-Untersuchungsausschuss. Dieses Beispiel zeigt die Diskrepanz zwischen dem schon im Verfassungsrecht verankerten Recht auf ein (möglichst) rasches Strafverfahren und dem teilweise überbordenden Kontrollbedürfnis seitens des Ministeriums. 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:



1.    Gab es im gegenständlichen Ermittlungsverfahren zur Causa Eurofighter jemals Weisungen der OStA an die ermittelnden Staatsanwält_innen?

a.    Wenn ja, in welchem Zusammenhang, wann und wie lautete deren Inhalt?

2.    Wie viele Dienstbesprechungen mit Vertreter_innen der OStA und/oder des BMJ einerseits und den ermittelnden Staatsanwält_innen andererseits gab es insgesamt in der Causa seit der Zuständigkeit der WKStA? (bitte um möglichst detaillierte Auflistung nach Datum, TeilnehmerInnen, Anlass, Inhalt und Ergebnis.)

3.    Gab es in diesem Verfahren Dienstbesprechungen, in denen der WKStA Handlungen untersagt wurden?

a.    Wenn ja, wann?

b.    Wenn ja, wer nahm jeweils an den Dienstbesprechungen teil?

c.    Wenn ja, welche Handlungen wurden jeweils untersagt?

d.    Wenn ja, wer untersagte der WKStA konkrete Handlungen zu setzen? 

4.    Gab es in diesem Verfahren Dienstbesprechungen, deren Ergebnis das ursprüngliche Ansinnen der WKStA abänderte?

a.    Wenn ja, wann?

b.    Wenn ja, wer nahm jeweils an den Dienstbesprechungen teil?

c.    Wenn ja, was war das ursprüngliche Ansinnen der WKStA und was die abgeänderte Vorgehensweise?

d.    Wenn ja, wer gab den Auftrag zur Änderung des ursprünglichen Ansinnens der WKStA? 

5.    Gab es im gegenständlichen Ermittlungsverfahren Weisungen der Bundesministerin für Justiz oder sonstiger befugter Organe?

a.    Wenn ja, in welchem Zusammenhang und wie lautete deren Inhalt?

6.    Gab es sonstige Interventionsversuche, welcher Art auch immer, in dieser Causa?

a.    Wenn ja, wann, durch wen, bei wem, auf welche Art und Weise und mit welchem Inhalt?

7.    Wie lange dauerten die fachaufsichtlichen Prüfungen in diesem Verfahrenskomplex insgesamt und welche Verzögerung(en) trat(en) hier ein?

8.    Ist geplant, die Fachaufsicht von der Sektion Strafrecht funktionell und personell zu trennen?

9.    Ist es korrekt, dass der Leiter der OStA Wien, Johann Fuchs, bereits am 1. Februar 2019 gegenüber zwei Staatsanwältinnen gemeint habe, dass das Eurofighter Verfahren mit Blick auf die zu geringe Verurteilungswahrscheinlichkeit (§ 210 StPO) eingestellt werden könne?

a.    Wenn ja, seit wann ist Ihnen das bekannt?

                                  i.    Gab es für den Leiter der OStA Wien Konsequenzen aufgrund dieses Interventionsversuchs? 

10. Welche Reaktionen/Konsequenzen gab es in Folge des Schreibens der Leiterin der WKStA vom 25. April 2019?

11. In wie weit war die Leiterin der WKStA in die Entscheidung der Zusammensetzung des bei der WKStA eingesetzten Teams für das Eurofighter Verfahren eingebunden?

a.    Wurde diese Zusammensetzung durch einen Erlass der OStA Wien geregelt?

                                  i.    Wenn ja: durch wen wurde dieser Erlass wann mit welchem genauen Inhalt erlassen? 

                                ii.    Wenn ja: warum wurde die Leiterin der WKStA in dieser Frage nicht eingebunden?

                               iii.    Wenn ja: wurde dabei auch die Person des Teamleiters ausgetauscht?

1.    Wenn ja: aus welchen Gründen geschah dies?

                               iv.    Wenn ja: gab es diesbezüglich in Folge Beschwerden seitens der Leiterin der WKStA oder anderer Personen?

1.    Wenn ja: in welcher Form wurden diese Beschwerden wann jeweils an wen vorgetragen, und welchen Inhalt hatten diese?

a.    Welche Reaktionen gab es wann durch wen darauf?

12. Gab es anlässlich des aktuell von der WKStA erstellten Vorhabensberichtes, der die Einstellung von Verfahrensteilen vorsieht, irgendwelche Dienstbesprechungen mit SC Pilnacek und/oder VertreterInnen der OStA Wien?

a.    Wenn ja, was war der genaue Inhalt dieser Besprechungen?

b.    Drängten Pilnacek und/oder weitere Vertreter_innen der Fachaufsicht/des BMJ (erneut) darauf, das Verfahren zumindest teilweise einzustellen?

                                  i.    Wenn ja, mit welchen Argumenten?

                                ii.    Wenn ja, wer genau drängte auf die (teilweise) Einstellung des Verfahrens? 

                               iii.    Wenn ja, seit wann ist Ihnen das bekannt?

13. Traf sich SC Pilnacek mit Personen, gegen die in dieser Causa ermittelt wird? (Bitte um möglichst detaillierte Auflistung nach Datum, TeilnehmerInnen, Anlass, Inhalt und Ergebnis.)

a.    Wenn ja, seit wann ist Ihnen das bekannt?

14. Wie ist erklärbar, dass das auf einer Anzeige der Leiterin der WKStA beruhende Verfahren gegen SC Pilnacek bereit nach wenigen Wochen im Juni 2019 eingestellt wurde, während gegen jenen Staatsanwalt R., der bis 1. Februar 2019 den Akt über Jahre betraute, bis heute auf Betreiben der OStA Wien ermittelt wird?

15. Warum war bei der Staatsanwaltschaft Wien für die meiste Zeit lediglich ein einziger Staatsanwalt mit der Bearbeitung der Causa betraut?

a.    Warum wurde die zweite Staatsanwältin Patricia Frank erst mit Erstattung der Betrugsanzeige im Jahr 2017 als Unterstützung hinzugezogen?  

b.    Warum erfolgte die personelle Aufstockung erst so spät und nur mit einer zusätzlichen Staatsanwältin?

c.    Gab es davor Überlegungen, ein größeres Team an Staatsanwält_innen mit der Bearbeitung des Aktes zu beauftragen und woran scheiterte dies gegebenenfalls letztlich?

d.    Wurde Staatsanwalt R. angeboten, dass zusätzliche Kräfte ihm unterstützend zur Seite gestellt werden?

                                  i.    Wenn ja, wurde dies von R. abgelehnet?

1.    Wenn ja, aus welchen Gründen?

e.    Gab es jemals Überlegungen, dass das Verfahren so lange dauern könnte, weil es nicht ausreichend personelle Ressourcen gab? 

                                  i.    Wenn ja, warum wurde nicht viel früher ausreichend geschultes Personal mit dieser Causa betraut? 

16. Welche Berichtspflichten bestehen in der Causa aktuell, und inwieweit lähmt aus Ihrer Sicht das bestehenden oder vergangene Ausmaß an Berichtspflichten an die Fachaufsicht in dieser Causa das Vorankommen der ermittelnden Staatsanwält_innen?

17. Wie werden Sie sicherstellen, dass der WKStA ausreichend Ressourcen für zügige und umfassende Ermittlungen zur Verfügung stehen bzw. dass in keiner Art und Weise Druck auf deren unabhängige Ermittlungen ausgeübt wird?

18. Ist es korrekt, dass die WKStA in Zusammenhang mit den seitens der NEOS im Mai 2019 übermittelten Unterlagen betreffend Auffälligkeiten hinsichtlich mutmaßlichen Zahlungen an Mensdorff-Poulliy und Herbert Scheibner (https://www.krone.at/2103666) keinerlei Ermittlungshandlungen setzte?

a.    Warum wurde hier nicht ermittelt?

b.    War die Fachaufsicht in diese Entscheidung in irgendeiner Form eingebunden?