10179/J XXVII. GP

Eingelangt am 10.03.2022
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Anfrage

 

des Abgeordneten Mario Lindner, Genossinnen und Genossen,

an die Bundesministerin für Justiz

 

betreffend Zugang zu Archivdaten für historische Aufarbeitung von Verbrechen

 

Historiker*innen leisten bei der Aufarbeitung von geschichtlich relevanten Gerichtsprozessen eine enorm wichtige Arbeit. Viele historisch dokumentierte Ungerechtigkeiten, würden ohne den Einsatz von Historiker*innen niemals an das Tageslicht kommen und damit Eingang in die österreichische Erinnerungskultur finden oder sogar etwaige Diskussionen um Entschädigungen für entstandenes Unrecht auslösen.

 

Insbesondere die Verfolgung vieler Menschen im Nationalsozialismus oder eben auch die Strafverfolgung homosexueller Personen in der 2.Republik, sind wichtige geschichtliche Ereignisse, die transparent aufgearbeitet werden müssen. Justizopfer und deren Angehörige verdienen volle Aufklärung. Gerade nach Ihrer öffentlichen Entschuldigung bei den Opfern homophober Strafgesetze in Österreich im vergangenen Juni, schien diese wichtige Aufarbeitung auch Ziel Ihres Ministeriums zu sein.

 

Doch nach einer Weisung des Justizministeriums vom 16. Dezember 2019 ist über die Akteneinsicht von ehemals aktenführenden Gerichten bzw. für wissenschaftlichen Zwecke ausnahmsweise von den Behörden der Justizverwaltung zu entscheiden. Es wird daher für die Einsicht relevanter Archivakten auch über die etwaigen Datenschutzgrenzen hinaus eine entsprechende gerichtliche Erlaubnis verlangt – ein Vorgehen, das europaweit weitgehend einzigartig ist. Leider werden somit nationalen, sowie internationalen Historiker*innen und anderen Wissenschaftler*innen der Zugang zu österreichischen Archiven unnötig bürokratisch erschwert. Der konkrete Fall eines international renommierten Historikers, dem dadurch die Aufarbeitung der Verfolgungsgeschichte Homosexueller im Nationalsozialismus im Landesarchiv Klagenfurt verwehrt wird, zeigt die Unsinnigkeit und Wissenschaftsfeindlichkeit dieser aktuellen Bestimmung, die von Ihrem Ministerium trotz mehrmaliger Hinweise darauf bisher noch nicht verändert wurde.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

Anfrage:

 

1.    Sind Ihnen die Problematiken von Historiker*innen in Bezug auf deren Forschungen nach der Weisung des Justizministeriums vom 16.Dezember bekannt?

a.    Wenn ja, mit welchen Einrichtungen und Stellen gab es diesbezüglich schon Gespräche? Welche entsprechenden Beschwerden sind dazu in Ihrem Ministerium eingelangt?

b.    Wenn ja, welche Schritte haben Sie unternommen, um diese Problemlage zu beseitigen?

c.    Wenn nein, warum nicht?

2.    Ist von Ihrer Seite geplant die genannte Weisung zu evaluieren bzw. zurückzunehmen?

a.    Wenn ja, bis wann soll dieser Schritt gesetzt werden?

b.    Wenn nein, warum nicht?

3.    Welche weiteren Maßnahmen planen Sie, um Historiker*innen die Forschungsarbeit in den österreichischen Archiven zu erleichtern?