Eingelangt am 21.03.2022
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen
und Kollegen
an die Bundesministerin für
Justiz
betreffend Reaktion auf die
Veröffentlichung von Sidelettern und das dort dokumentierte geplante
gesetzwidrige Verhalten
Im Zuge der Einvernahme des amtierenden
Klubdirektors der FPÖ Norbert Nemeth bei der WKStA im Verfahren gegen
Sebastian Kurz wegen vermuteter Falschaussage im
"Ibiza"-Untersuchungsausschuss, legte dieser unter anderem einen
sogenannten "Sideletter" bestehend aus geheimen Nebenvereinbarungen
zum türkis-blauen Regierungsprogramm von 2017 vor. Dabei handelt es sich
um einen Beleg für politischen Postenschacher in seiner reinsten Form:
Justiz, Staatsunternehmen, Europäische Institutionen, ORF,
Bundespräsident - bis ins kleinste Detail wurden Vereinbarungen für Postenvergaben
getroffen und dabei sogar konkrete Namen (sogar für Nach-Nachfolger von
Verfassungsrichter_innen) vorgesehen. Qualifikation spielte dabei wohl nur eine
Nebenrolle und Unparteilichkeit scheint sogar ungewünscht gewesen zu sein
(siehe dazu etwa: https://www.profil.at/oesterreich/postenschacher-und-orf-umbau-das-geheimpapier-von-tuerkis-blau/401887412).
Nur kurz nach dem Auftauchen des
türkis-blauen Sideletters wurde den Medien eine korrespondierende
Vereinbarung zwischen der ÖVP und den Grünen zugespielt. Sie ist
kürzer, behandelt nur Personalfragen und entspricht im Aufbau dem
türkis-blauen Papier aus 2017. Bisher wurde offenbar alles weitgehend nach
Plan umgesetzt (https://www.derstandard.at/story/2000132992684/was-vom-tuerkis-gruenen-sideletter-schon-realitaet-ist?ref=rec).
Auch wenn in diesem Sideletter keine konkreten Namen genannt werden ist zu
hinterfragen, wann das BMJ von welchen Vereinbarungen wusste und wie jeweils
darauf reagiert wurde.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher
folgende
Anfrage:
- Wann gelangten Ihnen die
jeweiligen Sachverhalte zur Kenntnis, insbesondere
- die Existenz des
türkis-blauen "Sideletters" und den darin enthaltenen
Vereinbarungen;
- die Existenz des türkis-grünen
"Sideletters" und den darin enthaltenten Vereinbarungen;
- die parteipolitisch motivierte Beeinflussung von
Postenvergaben im Bereich des BMJ;
- welche der weiteren unter dem Schlagwort
"Sideletter" bzw. sonst wie in diesem Zusammenhang stehenden,
veröffentlichten Sachverhalte?
- Sah bzw. sieht man im Ministerium anlässlich der
jüngst veröffentlichten "Sideletter" Handlungsbedarf?
- Wenn ja, inwiefern? Welcher (mögliche) Missstand
wurde identifiziert, dem man es nachzugehen gilt?
- Wenn ja, welche Maßnahmen wurden wann ergriffen
um den Missständen auf den Grund zu gehen bzw. diese zu beheben?
- Wenn ja, welche (weiteren) Maßnahmen werden
geplant?
- Wenn nein, warum nicht?
- Welche Maßnahmen setzten Sie wann in der Folge
(bitte nach Sachverhalt chronologisch auflisten)?
- Welche Maßnahmen setzte wer in Ihrem Hause in
wessen Auftrag wann in der Folge (bitte nach Sachverhalt chronologisch
auflisten)?
- Sind Anzeigen bzw. Beschwerden im
Zusammenhang mit den oben beschriebenen Sachverhalten eingelangt?
- Wenn ja, wann jeweils zu welchem Sachverhalt?
- Wenn ja, wie wurde mit diesen jeweils wann wie durch
wen im Auftrag von wem verfahren?
- Sind in Zusammenhang mit den oben beschriebenen
Sachverhalten bereits Anzeigen bei einer Staatsanwaltschaft eingelangt?
- Wenn ja, gegen wie viele und welche Personen richten
sich diese Anzeigen?
- Kam es zur Einleitung von strafrechtlichen
Ermittlungen?
- Kam es zur Einleitung von
disziplinarrechtlichen Verfahren?
- Wenn ja, (bitte nach Sachverhalt chronologisch
auflisten) gegen wen wann durch wen im Auftrag von wem?
- Kam es zur Einleitung von anderen
Maßnahmen?
- Wenn ja, (bitte nach Sachverhalt chronologisch
auflisten) welche wann durch wen im Auftrag von wem?
- Gab es nach den oben beschriebenen Enthüllungen
Änderungen bei Postenbesetzungen im Ministerium?
- Wenn ja, wie viele und welche Stellen sind von
welcher wann vorgenommenen Änderung konkret betroffen?
- Wenn nein, warum nicht?
- Im Jahr 2022 soll die
Position des BVwG-Präsidenten besetzt werden, die laut
türkis-grünem Sideletter der ÖVP zugeordnet wurde. Wie ist
der Anspruch der ÖVP auf die Besetzung dieser Position im Lichte der
Rechtslage zu beurteilen?
- Ist die entsprechende
Vereinbarung aus Sicht des Justizministeriums weiter aufrecht?
- Wenn ja, wie gedenken
Sie, den Anspruch der ÖVP auf diese Besetzung umsetzen zu lassen?
- Wenn nein, gedenken
Sie, entsprechende Ansprüche oder Einflussnahmen der ÖVP bzw.
ihr zuzurechender Regierungsmitglieder zu unterbinden?
- Ist geplant, einzelne
oder mehrere Mitglieder der gemäß § 2 Abs. 3 BVwGG zur
Beurteilung der Bewerber_innen zu bildenden Kommission durch die ÖVP
nominieren zu lassen?
- Ist geplant in der
durchzuführenden Ausschreibung offenzulegen, dass das
Nominierungsrecht für diese Position der ÖVP zugeordnet wurde?