10216/J XXVII. GP
Eingelangt am 23.03.2022
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Anfrage
der Abgeordneten Alois Schroll, Genossinnen und Genossen
an die Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus
betreffend Sicherstellung der österreichischen Gasversorgung
Seit Monaten sehen wir einen rasanten Anstieg im Bereich der Energiepreise. Strom und Gas erzielen an den internationalen Handelsplätzen ungeahnte Höchstpreise und eine Ende der Preisspirale ist nicht in Sicht. Gleichzeitig hat die aktuelle Krise in der Ukraine und der kriegerische Angriff Russlands die derzeitige Problemlage schlagartig massiv verschärft.
Neben allen menschlichen Verheerungen und der humanitären Katastrophe, die der Krieg in der Ukraine offenbart, zeigen sich spätestens jetzt auch die weitreichenden Folgen für eine engmaschig vernetzte Weltwirtschaft. Der Krieg im Gastransit-Land Ukraine, begonnen durch das Gas, Öl und Kohle exportierende Russland, hat weltweit die ohnehin schon volatilen Energiepreise endgültig in schwindelerregende Höhen geführt - mit enormen Auswirkungen auch und vor allem für Österreich und unsere Gasversorgung.
Die westlichen Länder befinden sich auf Grund der dringend benötigten Gaslieferungen in einem engen Abhängigkeitsverhältnis zu Russland. Während in den USA vor allem die Folgen eines langjährigen Ölpreishochs sichtbar werden, sind es in Europa extreme Gaspreise, die durch die Unsicherheit in Bezug auf die Gasversorgung entstehen. Ankündigungen eines Importstopps auf der einen Seite und abwechselnd Drohungen möglicher Exportstopps auf der anderen Seite heizen die Preisspekulation zusätzlich an. Mittlerweile erreichten die Gaspreise je MWh bereits 375 Euro, was ungefähr dem 30-fachne Wert zum Vergleichszeitraum 2021 entspricht. Schaut man sich die importierten Gasmengen in Europa an, dann kann man hier schon fast von einer Geiselhaft sprechen, denn EU-weit kommen 40% der Erdgasimporte aus Russland - überwiegen über Erdgaspipelines. Besonders hoch ist die Abhängigkeit von russischen Gasimporten mit rund 80 bis 85 Prozent aber in Österreich, das vor über 60 Jahre als erstes westeuropäisches Land langfristige Gaslieferverträge mit Russland abgeschlossen hat, die über alle politischen Krisen hinweg eingehalten wurden und im Jahr 2018 zuletzt erneuert wurden.
Zwar fließen nach wie vor die vertraglich vereinbarten Mengen an Erdgas aus Russland auch nach Österreich, aber aktuell sind die österreichischen Gasspeicher nur zu 15 Prozent gefüllt – ein besorgniserregend niedriger Wert. Denn sollte es zum Worst-Case-Szenario kommen und aus irgendeinem Grund kein Gas mehr Richtung Westen fließen, dann wäre die Gasversorgung in Österreich laut den Aussagen von AGGM (Austrian Gas Grid Management) nur mehr für wenige Tage gesichert. Seitens der Bundesregierung wurde zwar wiederholt betont, dass unter normalen Bedingungen mit den derzeitigen Erdgasreserven auch bei einem völligen Lieferstopp bis zum Ende der Heizsaison das Auslangen zu finden sein sollte. So richtig glaubhaft waren diese Beteuerungen aber nicht. Darüber hinaus entfallen nur 20 Prozent der benötigten Gasmengen in Österreich auf Haushalte, den größten Bedarf hat die Wirtschaft und Industrie, was an dieser Stelle immer wieder unerwähnt bleibt.
Die Entwicklung bei den Gasspeichermengen hat sich in diesem Zusammenhang aber bereits lange vor der Ukraine-Krise abgezeichnet. Obwohl die Füllstände bereits Ende Oktober auffallend und besorgniserregend niedrig waren und hier auch von Seiten der SPÖ auf die gefährdete Versorgung hingewiesen wurde, beteuerte Kurzzeit-Bundeskanzler Schallenberg, dass die Speicher „prall gefüllt“ seien.
Die anhaltende Schockstarre der Bundesregierung wirft in weiterer Folge die Frage auf, warum die Gasspeicher über den Sommer 2021 nicht wie sonst üblich befüllt wurden. Wie in der nachfolgenden Grafik deutlich zu erkennen ist, wurde hier das Speicherniveau der vorangegangenen Jahre bei weitem nicht erreicht. Die Vermutung liegt nahe, dass hier auf Grund der im Sommer 2021 vorliegenden Marktpreise die eigentlich benötigten Gasmengen nicht eingekauft wurde. Man hat sich hier wohl schlicht und einfach verkalkuliert – ein Glücksspiel auf Kosten der Österreicherinnen und Österreicher, das ihnen jetzt umso teurer zu stehen kommt.
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Abbildung 1: Füllstand der österreichischen Gasspeicher[1]
Der Ernst der Lage wurde damals von der Bundesregierung entweder nicht erkannt oder bewusst ignoriert. Auch jetzt, Monate später, ist das Thema scheinbar noch nicht vollends bei den Regierungsparteien angekommen. Anders ist es nicht zu erklären, dass die Bundesregierung weiterhin wertvolle Zeit verstreichen lässt, während etwa Deutschland mit der gesetzlichen Grundlage für die Erdgasbevorratung bereits konkrete Schritte gesetzt hat und um 1,5 Milliarden Euro zusätzliches Gas eingekauft hat.
Unmittelbare Maßnahmen oder Pläne, um eine solche Situation wie zurzeit im nächsten Winter zu vermieden, sind bislang überschaubar geblieben. Europäische Initiativen für eine gemeinsame Erdgasbeschaffung hat die Bundesregierung bis zum Kriegsausbruch nicht unterstützt, sondern darauf vertraut, dass das der Markt schon irgendwie regeln wird. Die auf Grund der Klimakrise notwendige Ausrichtung hin zu einer dekarbonisierten Energieversorgung ohne fossile Energieträger ist unbestritten, dennoch sind gegenwärtig und mittelfristig Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Versorgung notwendig.
In der derzeitigen prekären Situation hinsichtlich der Absicherung der Gasversorgung in Österreich geht es um klare und transparente Kommunikation für die Haushaltskundinnen und Haushaltskunden sowie Industrie und Wirtschaft. Es soll und darf keine Panik verbreitet werden, jedoch eines ist klar: der Hut brennt! Und die hastig angetretene Pseudo-Beschaffungsreise der Bundesregierung in die Vereinten Arabischen Emirate untermauert die aktuelle angespannte Lage.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE
1. War dem Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus und Ihnen als zuständige Rohstoffministerin die Problematik mit den niedrigen Gasspeicherfüllständen im Jahr 2021 bekannt?
a. Wenn nein, warum war das niedrige Gasspeicherniveau nicht bekannt.
b. Wenn nein, ist es nicht Aufgabe Ihres Ministeriums, einen ständigen Überblick über die Füllstände zu haben?
c. Wenn ja, ab wann war die Thematik mit den schlecht gefüllten Gasspeichern bekannt?
2. Wenn die bereits damals prekäre Situation bekannt war, wovon man ausgehen sollte, wurden in diesem Zusammenhang Maßnahmen ergriffen?
a. Wenn Gegenmaßnahmen ergriffen wurde, wie sahen diese aus?
b. Wenn keine Maßnahmen trotz der Kenntnis über die geringen Gasbestände getroffen wurden, warum wurde hier nicht eingegriffen?
3. Hat sich Ihre Einschätzung zu den besorgniserregend niedrigen Gasfüllständen in der Zwischenzeit geändert?
a. Wenn ja, warum erst jetzt?
b. Warum hat die Bundesregierung noch im Herbst bei bereits besorgniserregend niedrigen Füllständen behauptet, die Speicher wären „prall gefüllt“?
4. Haben Sie sich mit den Gefahren der österreichischen Abhängigkeit vom russischen Gas befasst?
a. Wenn ja, wann haben Sie sich damit zum ersten Mal befasst, in welchen Zusammenhang und in welcher Form?
b. Wenn nein, warum nicht?
5. Wurden vor Ausbruch des Krieges in der Ukraine von Ihrer Seite aus oder von Ihrem Ministerium Initiativen gestartet, um die Abhängigkeit von russischen Gasimporten zu reduzieren?
a. Wenn ja, welche Initiativen wurden gestartet und wann?
b. Wenn nein, warum wurde nicht auf die Abhängigkeit reagiert?
6. Wer beziehungsweise welche Gremien oder Personenkreise sind bei Entscheidungen zu Gasankäufen beteiligt und eingebunden?
7. Ist Ihr Ministerium an den Entscheidungen beteiligt, ob und in welcher Menge Gas eingekauft wird?
a. Wenn ja, in welcher Weise?
b. Wenn nein, warum nicht?
8. Hat es von Ihrem Ministerium einen Auftrag oder eine Weisung gegeben, wonach im Sommer 2021 eine geringere Mengen an Gas beschafft werden sollte, als dies in den vorangegangenen Jahren üblich war?
a. Wenn es eine Weisung gegeben hat, warum?
9. Welche Rolle kommt der Österreichischen Beteiligungs AG ÖBAG im Zusammenhang mit dem Import von Gas zu, immerhin ist der Staat über die ÖBAG mit 31,5% an der OMV beteiligt.
a. Gibt es hinsichtlich der Gasbeschaffung durch die OMV Mitspracherechte der Republik über die Beteiligung der ÖBAG und wenn ja, wie sehen diese aus?
b. Wenn nein, warum hat man hier keine Mitsprache?
10. Gab es in der Vergangenheit strategische Besprechungen mit der OMV, in der etwaige Problemlagen – wie die vorliegende – vorausschauend besprochen wurden?
a. Wenn nein, warum nicht?
b. Wenn nein, wäre es nicht die Aufgabe Ihres Ministeriums?
c. Wenn ja, wann und wo?
d. Wenn ja, welche Szenarien wurden besprochen?
11. Das Erdgas wird im Inland vor allem für die produzierenden Bereich (41,5%) und für den Energiesektor (29,7%) benötigt. Gibt es für diese beiden Bereiche konkrete Pläne und Strategien hinsichtlich der Gasknappheit sowie den hohen Gaspreisen?
a. Wenn ja, wie sehen diese aus?
b. Wenn nein, warum gibt es keine Strategien?
12. Seitens der Europäischen Kommission gibt es Pläne zur drastischen Reduktion (um 2/3) der europäischen Gasimporte aus Russland?
a. Unterstützen Sie als Ministerin diese Pläne, auch wenn auf Grund kurzfristiger Maßnahmen (z.B. Ersatz von Erdgas durch Kohle und Öl) sich die CO2-Emissionen erhöhen könnten?
13. Die EU-Kommission hat eine umfassende Mitteilung zur Reduktion russischer Gasimporte veröffentlicht, in der es detaillierte Potentialabschätzungen der einzelnen Maßnahmen gibt. Existieren solche Abschätzungen auch für Österreich?
a. Wenn ja, wie sehen die Analysen aus?
b. Wenn nein, warum sind derartige Abschätzungen für Österreich nicht vorhanden?
14. Stehen für russische Gaslieferungen Alternativen bereit?
a. Wenn ja, welche Alternativen und in welchen Mengen?
b. Wenn ja, in welcher Frist stehen diese im Notfall zur Verfügung?
c. Wenn nein, warum nicht?
15. Zuletzt waren Sie Teil einer Delegation in den Emiraten. Was war hierbei das Ziel der PR-Reise und was das Ergebnis, denn kurzfristig waren dabei keine konkreten Lösungen zu erwarten.
a. Die Emirate stehen auf Grund ihres Umganges mit den Menschenrechten häufig in der öffentlichen Kritik. Wie stehen Sie dazu, hier nach neuen Quellen für Gaslieferungen zu suchen?
b. Welche Verträge wurden abgeschlossen, wieviel Gas und ab wann werden Alternativen zum russischen Gas geliefert?
16. Was genau wurde bei der Unterzeichnung des „Memorandum of Understanding“ in den VAE vereinbart und was ist bzw. soll das Ziel hierbei sein?
17. Sämtliche Szenarien zur Reduktion der russischen Gaslieferungen gehen von einem deutlich höheren LNG-Import aus. Wo sollen diese Lieferungen herkommen?
18. Hat Ihr Ministerium Vorkehrungen getroffen oder Pläne für das Worst-Case-Szenario entwickelt, sollten die Gaslieferungen aus Russland plötzlich ausfallen?
a. Wenn ja, wie sehen diese aus?
b. Wenn ja, wer war daran beteiligt?
c. Wenn nein, warum nicht?
19. In Deutschland hat Bundesminister Habeck die Beschaffung von Erdgas in Höhe von 1,5 Mrd. Euro in Auftrag gegeben, werden Österreich ähnliche Schritte setzen?
a. Wenn ja, gibt es bereits Pläne dazu?
b. Wenn nein, warum wird hier nicht gehandelt?
20. Deutschland hat laut Bundesminister Habeck im Herbst noch Maßnahmen ergriffen, die Speicher nachträglich zu füllen, um Engpässe zu vermeiden. Hat das Österreich auch getan?
a. Wenn ja, um welche Maßnahmen hat es sich gehandelt?
b. Wenn nein, warum ist Österreich hier untätig geblieben?
21. Sollte nun in großen Mengen Gas eingekauft werden, gibt es Vorkehrungen, dass hier keine exorbitanten Preise gezahlt werden oder kaufen wir zu jedem Preis ein? Immerhin werden am Ende des Tages die EndkonsumentInnen dafür zahlen müssen.
22. Entsprechend der SOS-Verordnung ist ein Drittel der noch-vorhandenen Gasmengen für Deutschland reserviert. Was passiert, wenn gespeichertes Gas nicht für den Inlandsverbrauch zur Verfügung gestellt wird? Wie wird darauf reagiert?
23. Offenkundig gibt es nur ein „Solidaritätsabkommen“ gemäß SOS Verordnung mit den Nachbarländern, nämlich mit Deutschland?
a. Wie sehen dieses aus?
b. Warum gibt es mit den übrigen Nachbarländern keine ähnlichen Abkommen?
[1]https://www.momentum-institut.at/system/files/2022-03/Vergleich_Varianten_Energiekostenausgleich_1.pdf, 08.03.2022, 15:30 Uhr