10225/J XXVII. GP
Eingelangt am 23.03.2022
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ANFRAGE
der Abgeordneten Rosa Ecker, MBA
und weiterer Abgeordneter
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend Bekämpfung des transnationalen Markts für Leihmutterschaft
Die schriftliche Anfrage Nr. 547/J an die Bundesministerin für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend „Leihmutterschaft in Österreich“ wurde am 10.03.2020 unter der Nummer 573/AB beantwortet. Gleichlautende Anfragen bzw. Folgeanfragen wurden zudem vom Bundesministerium für Finanzen (519/AB vom 06.03.2020), dem vormaligen Bundesministerium für Arbeit, Familie und Jugend (547/AB vom 10.03.2020) sowie vom Bundesministerium für Inneres (7464/AB vom 01.10.2021) beantwortet. Die Beantwortung Nummer 8259/AB vom 22.12.2021 an das Bundesministerium für Justiz beschäftigte sich ebenfalls mit dieser äußerst heiklen Thematik.
Sämtliche oben genannte Ministerien versicherten mehrfach, dass „die Bundesregierung sich in ihrem Regierungsprogramm zu einem Festhalten am Verbot der Leihmutterschaft und Maßnahmen gegen deren Kommerzialisierung bekannt [hat]“. Das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz hat in der Beantwortung Nr. 9063/AB vom 08.03.2022 betreffend „konkrete Maßnahmen gegen eine Kommerzialisierung der Leihmutterschaft in Österreich“ zudem ausdrücklich festgehalten, dass „[i]n Österreich ein Verbot der Leihmutterschaft [besteht]. Die Beibehaltung dieses Verbots ist ein wichtiges Anliegen, weshalb dieses auch im Regierungsprogramm entsprechend verankert ist.
Alle genannten Beantwortungen haben außerdem weiters gemeinsam, dass konkrete Daten und Zahlen – wenn überhaupt – nur äußerst spärlich vorhanden sind: Weder im Familienministerium werden „Statistiken zur Anzahl von Kindern aufgrund von Leihmutterschaft in Österreich“ (vgl. 547/AB zu 548/J) noch im Innenministerium „gesetzliche Anerkennungen aufgrund von Leihmutterschaft im Standesamtsregister“ (vgl. 7464/AB zu 7603/J) erfasst. Konkrete zielführende Maßnahmen bezüglich eines tatsächlich funktionierenden Verbots (ohne Umgehung über das Ausland) der Leihmutterschaft zu treffen, könnte sich aufgrund der scheinbar nicht vorhandenen Datenlage bzw. fehlender Statistiken als durchaus herausfordernd, nahezu unmöglich, herausstellen.
Das perfide „Geschäftsmodell“ mit der Leihmutterschaft, das eigentlich auch als „moderne Form des Kinderhandels“ angesehen werden kann, ist in Österreich, trotz scheinbar vorhandenem politischen Willen, leider seit Jahren gang und gebe. Der ORF Tirol berichtete bereits am 03.12.2019 in der Online-Ausgabe, dass es laut Entscheidung des Bezirksgerichts eine offizielle Anerkennung von Leihmutterschaft in Österreich gibt. In diesem Fall wurde der Prozess der Leihmutterschaft, inklusive Eintragung als Kind eines österreichischen Paares in das Geburtenregister, in der Ukraine vollzogen, wo dies legal ist.[1] Diese Form der „Adoption“ ist, gemäß vorliegenden Zahlen des Bundesministeriums für Justiz (vgl. Beilage zur Frage 13 zu 573/AB), allein in den letzten neun Jahren (2010 bis 2019) um 26,81 Prozent angestiegen. Beim Thema Leihmutterschaft werben vor allem osteuropäische (ukrainische) Agenturen sehr offensiv um österreichische Kundschaften. Eine dieser öffentlich auftretenden Vermittlungsagenturen ist beispielsweise „VittoriaVita“[2].
Durch den aktuellen Ukraine-Konflikt ist diese Thematik wieder brandheiß geworden. Zahlreiche Zeitungen, unter anderem die „Kleine Zeitung“, haben sich bereits in ihrer Berichterstattung mit diesem transnationalen Markt für Leihmutterschaft beschäftigt:
Auch österreichische Paare sind Kunden der ukrainischen Reproduktionskliniken und Leihmütter-Agenturen. Erst vergangene Woche ist ein burgenländisches Paar mit seiner von einer Leihmutter in der Ukraine geborenen Tochter nach Österreich zurückgekommen. Mitte Februar war das Paar in die Ukraine gereist und musste tagelang in einem Keller ausharren. Nach Ausbruch des Kriegs kam die Tochter zur Welt.
Die Kulturgeografin Carolin Schurr von der Universität Bern beschäftigt sich seit Jahren mit dem transnationalen Markt für Leihmutterschaft und den geopolitischen Rahmenbedingungen, die Länder zu Hotspots werden lassen. Sie fordert ein internationales Abkommen, vergleichbar mit der 1993 verabschiedeten Haager Konvention zur Regulierung internationaler Adoptionen. "Nationale Regelungen greifen zu kurz", sagt die Professorin. Notwendig seien internationale Standards, etwa wie Leihmütter im Fall von gesundheitlichen Schäden abgesichert werden.
"Die transnationale Leihmutterschaft in der Ukraine findet im Rahmen eines globalen kapitalistischen Wirtschaftssystems statt, das von der billigen Verfügbarkeit der reproduktiven Arbeit der Leihmütter in Krisenregionen wie dem Donbass profitiert", sagt die Wissenschaftlerin. Ein Komplettpaket mit einem von einer Leihmutter ausgetragenen Baby wird in der Ukraine für rund 40.000 Euro angeboten. Die Leihmütter erhalten nach Recherchen von Schurr ein Drittel bis ein Viertel davon.[3]
In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Justiz nachstehende
Anfrage
1. Ist Ihrem Ministerium die oben genannte Thematik, dass zahlreiche österreichische Kundschaften zur Umgehung des österreichischen Verbots der Leihmutterschaft Babys aus Osteuropa „adoptieren“, bekannt?
a. Wenn ja, welche bisherigen Konsequenzen wurden Ihrerseits daraus gezogen?
b. Welche zukünftigen Maßnahmen, Pläne etc. werden von Ihrem Ministerium ausgearbeitet?
c. Wann kann mit einem detaillierten Zeitplan diesbezüglich gerechnet werden?
2. Gibt es Ihrerseits aktive Bestrebungen, um ein internationales bzw. EU-weites Abkommen, wie im Zeitungsartikel erwähnt, zukünftig sicher stellen zu können?
a. Wenn nein, warum nicht?
b. Wenn ja, wie ist der aktuelle Stand dieser Bestrebungen?
c. Wann kann mit ersten Ergebnissen diesbezüglich gerechnet werden?
3. Wie viele positive Entscheidungen betreffend rechtliche Anerkennung der Elternschaft bei Kinder, die durch eine Leihmutter im Ausland geboren wurden, gab es bisher in Österreich? (Bitte um Auflistung nach Jahren, Geschlechtern und Bundesländern)
4. Wie viele Adoptionsverfahren wurden in den Jahren 2020 und 2021 in Österreich
eingeleitet? (Bitte um Auflistung nach Jahren und Bundesländern)
5. Wie viele Verfahren bezüglich der Annahme minderjähriger Wahlkinder an Kindesstatt gab es in den Jahren 2011 bis 2021? (Bitte um Auflistung nach Bundesländern und Geschlechtern)
6. Wie viele Verfahren bezüglich der Annahme volljähriger Wahlkinder an Kindesstatt gab es in den Jahren 2011 bis 2021? (Bitte um Auflistung nach Bundesländern und Geschlechtern)