10262/J XXVII. GP
Eingelangt am 23.03.2022
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ANFRAGE
des Abgeordneten Peter Wurm
und weiterer Abgeordneter
an den Bundeskanzler
betreffend Südtirols Landeshauptmann Kompatscher bei Autonomie-Gesprächen in Wien
Folgende Pressemitteilung ist am 16. März 2022 der APA – Austria Presse Agentur zu entnehmen:
„Kompatscher traf Staatsspitze zu Autonomie-Gesprächen in Wien“
„Treffen mit Van der Bellen und Nehammer drehten sich vor allem um Autonomie“
„Innsbruck (APA) - Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) hat am Mittwoch Gespräche mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) in Wien geführt. Im Zentrum der Unterredungen stand die Südtirol-Autonomie, teilte Kompatscher im Anschluss mit. Er habe einmal mehr auf die negativen Auswirkungen der italienischen Verfassungsreform von 2001 auf die Autonomie hingewiesen, so Kompatscher, der auf entsprechende Reparaturmaßnahmen pochte.
Vor allem die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes würde sich negativ auf die Gesetzgebungsbefugnisse des Landes Südtirol auswirken, so dass dadurch einige problematische Situationen entstanden seien und wahrscheinlich weiterhin entstünden, erklärte der Landeshauptmann in einer Aussendung. Die Auslegungen würden Südtirols Kompetenzen aushöhlen, da sie dem Staat eine übergreifende Generalkompetenz zusprechen, wodurch autonome Gesetzgebungsbefugnisse Südtirols übergangen würden.
Sowohl gegenüber Van der Bellen als auch Nehammer habe er aber betont, dass man mit der Regierung in Rom einen konstruktiven Austausch pflege, so Kompatscher. Wichtig sei der aktuelle Informationsaustausch vor allem auch mit den Institutionen Österreichs, um eine "gemeinsame Vorgehensweise abzustecken". Darüber hinaus waren auch der Krieg in der Ukraine und die Flüchtlingsbewegungen Thema der Gespräche.
Der Landeschef nützte seinen Wien-Besuch nach eigenen Angaben auch, um die österreichische Staatsspitze zu zwei historischen Gedenkveranstaltungen einzuladen: Zum Jubiläum "30 Jahre Streitbeilegung" vor der UNO am 11. Juni sowie zu "50 Jahre Zweites Autonomie-Statut" am 5. September.“
Man fragt sich nun aber grundsätzlich, wie lange Kompatscher, selbst derzeit mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert, noch Landeshauptmann von Südtirol bleibt und ob etwaige Gespräche zur Autonomie Südtirols von ihm nicht nur für den bloßen „Showeffekt“ missbraucht werden. Wie „Die Dolomiten“, das Tagblatt der Südtiroler, in ihrer Ausgabe vom 21. März 2022 berichten, soll fast eine halbe Million Euro im Vorfeld der Landtagswahlen 2018 an die SVP geflossen sein – davon soll der persönliche Anwalt des Landeshauptmannes und Koordinator des Spendensammlerkomitees Karl Zeller, 250.000 Euro direkt an Kompatscher zugeschanzt haben. Wieder einmal steht ein nicht unbekannter Immobilienjongleur im Mittelpunkt eines mit den Spenden im Zusammenhang stehenden Bauprojekts für das Ötzi-Museum samt Seilbahn am Virgl – René Benko und seine Signa-Holding.
Doch nicht nur die im Raum stehenden Spendenvorwürfe rund um den Landeshauptmann werfen einen Schatten auf die Unterredungen zur Südtirol-Autonomie. Zweifel an Kompatschers‘ hehren Absichten könnten durchaus aufkommen, wenn man die Ergebnisse zur Forschung von Dr. Matthias Haller zur Autonomie betrachtet. Die in Buchform erschienene Dissertation mit dem Titel „Südtirols Minderheitenschutzsystem“ zeigt den engen Zusammenhang zwischen Völker- und Verfassungsrecht auf und zeichnet die Entwicklung des Schutzsystems von 1946 bis zur Streitbeilegungserklärung, die weitere Entwicklung seit 1992, sowie die Möglichkeiten der Wiederherstellung der durch die Verfassungsreform von 2001 begrenzten Kompetenzen nach:
„Durch Querschnittskompetenzen des Staates hätten sich Einschränkungen bei rund 50 Prozent der Landeskompetenzen ergeben, insbesondere durch Schutz des Wettbewerbs, Zivilrecht, Umweltschutz, Festlegung von Mindeststandards beim Schutz der bürgerlichen und sozialen Rechte. Es gebe zwei Möglichkeiten, darauf zu reagieren: die Änderung des Autonomiestatuts, die in einigen Fällen von grundlegender Bedeutung ist, oder der Erlass von Durchführungsbestimmungen, die ein einfacheres Instrument darstellen, aber mit konkreten oder sogar abgrenzenden Vorschriften ausgearbeitet werden müssen und die im Einzelnen die von der Provinz und die vom Staat geregelten Aspekte definieren. Haller mahnte, die neue Kompetenz der Digitalisierung nicht zu übersehen, bei der die Gefahr bestehe, dass die Autonomie weiter eingeschränkt werde.“
Der seit 2014 amtierende Landeshauptmann hätte seit seinem Amtsantritt ja bereits unzählige Möglichkeiten gehabt, um Einschränkungen, die sich in den letzten Jahren bei rund 50 Prozent der Landeskompetenzen ergaben, politisch zu verhindern und zum Wohle Südtirols und im Sinne seiner Autonomie zu handeln. Scheinbar wurde dies in der Praxis verabsäumt, wie sich in der jüngst verabschiedeten Gesetzesänderung gezeigt hat, wonach – entgegen dem Proporzsystem – nunmehr 100 Menschen in den Landesdienst aufgenommen werden können, auch wenn sie nur italienisch sprechen und nicht doppelsprachig sind.
In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundeskanzler folgende
ANFRAGE
1. Was war der Inhalt und die Ergebnisse der Gespräche zwischen Ihnen und Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher?
2. Was wurde bezüglich der Autonomie Südtirols genau besprochen bzw. worauf haben Sie sich mit Landeshauptmann Kompatscher geeinigt?
3. Welche Vereinbarungen hinsichtlich der Auswirkungen der italienischen Verfassungsreform von 2001 auf die Autonomie Südtirols wurden getroffen?
4. Wenn noch keine Vereinbarungen getroffen wurden, welche Maßnahmen zum Schutz der Autonomie Südtirols werden Sie setzen?
5. Wie bewerten Sie die Rechtsprechung des italienischen Verfassungsgerichtshofes, welche Südtirols Kompetenzen aushöhlt, indem sie dem Staat eine übergreifende Generalkompetenz zuspricht?
6. Welche weiteren Vereinbarungen wurden mit LH Kompatscher getroffen?
7. Welche Zugeständnisse wurden im Zuge dieses Gesprächstermins gemacht?
8. Waren die aktuellen Spendenvorwürfe im Zusammenhang mit dem Wahlkampf von Arno Kompatscher und dem Bauprojekt am Virgl Thema des Gesprächs und wenn ja, wie beurteilen Sie diese?
9. Kennen Sie die in Buchform aufgelegte Dissertation „Südtirols Minderheitenschutzsystem“ von Dr. Matthias Haller?
10. Wie beurteilen Sie die vorliegenden Ergebnisse zur Forschung von Dr. Matthias Haller im Buch „Südtirols Minderheitenschutzsystem“, wonach sich durch Querschnittskompetenzen des Staates Einschränkungen bei rund 50 Prozent der Landeskompetenzen ergeben haben?
11. Welche Initiativen haben Sie als Bundeskanzler der Republik Österreich – welche eine Schutzmachtfunktion gegenüber Südtirol innehat – vor dem Hintergrund gesetzt, dass 50 Prozent der Landeskompetenzen von Italien entweder abgeschafft oder eingeschränkt wurden?
12. Welche Initiativen werden Sie nun im Sinne dieser Schutzmachtfunktion setzen, um die Autonomie in Südtirol wiederherzustellen?
13. Wurden diese aktuellen Forschungsergebnisse bei den Autonomie-Gesprächen zwischen Ihnen und Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher thematisiert bzw. analysiert?
14. Wenn nein, warum nicht?
15. Wie beurteilen Sie die sich daraus ergebende Tatsache, dass seit 2014 seitens des amtierenden LH Kompatscher ganz offenbar keinerlei politische Maßnahmen gesetzt wurden, um zu verhindern, dass sich Einschränkungen für Südtirol bei rund 50 Prozent der Landeskompetenzen ergeben?
16. Werden weitere (Gesprächs)-Termine zum Thema Autonomie Südtirols noch dieses Jahr stattfinden?
17. Wenn ja, wann und mit welchen Gesprächsteilnehmern?
18. Werden Sie Herrn Prof. Dr. Thaler im Vorfeld der geplanten Jubiläen „30 Jahre Streitbeilegung“ bzw. „50 Jahre Zweites Autonomie-Statut“ kontaktieren, um auf dessen Expertise im Rahmen der Aufrechterhaltung der Schutzmachtfunktion Österreichs aufbauen zu können?