10275/J XXVII. GP

Eingelangt am 23.03.2022
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Anfrage

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend Aufnahme von Schutzsuchenden aus der Ukraine und Umsetzung der Vertriebenen-VO

 

Der bewaffnete Konflikt in der Ukraine hat dramatische Folgen für die Zivilbevölkerung. Seit der russischen Invasion am 24. Februar 2022 werden ukrainische Städte bombardiert und zivile Infrastruktur wird zerstört – es werden zahlreiche Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht gemeldet - hunderte Zivilist_innen sind bereits gestorben. Dadurch wurden viele Menschen dazu gezwungen, ihre Heimat zu verlassen, um sich in den Nachbarländern in Sicherheit zu bringen.

Nach Angaben des UNHCR sind mit Stand 15. März 2022 über 3 Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen. Laut UNO gab es seit dem zweiten Weltkrieg keine Fluchtbewegung, die so schnell gewachsen ist (https://www.theguardian.com/world/2022/mar/06/ukraine-fastest-growing-refugee-crisis-since-second-world-war). Und derzeit steht kein Ende des Konflikts in Sicht. Schätzungen zufolge könnte die Anzahl an Schutzsuchenden aus der Ukraine in den kommenden Wochen auf 5 oder sogar 10 Millionen ansteigen. Die Versorgung und Unterbringung von hunderttausenden Menschen birgt erhebliche logistische, finanzielle und institutionelle Herausforderungen für die Aufnahmestaaten, insbesondere für die Nachbarstaaten der Ukraine, in denen sich aktuell die meisten Schutzsuchenden aufhalten – allein in Polen halten sich 1,9 Millionen Menschen aus der Ukraine auf (Stand 17. März). Das Ausmaß der humanitären Krise wird nach wie vor unterschätzt. Es fehlt an einem gesamteuropäischen Vorgehen mit zahlreichen Flügen und einer entsprechenden logistischen Koordination, um die Nachbarstaaten der Ukraine zu unterstützen und, um die Schutzsuchenden innerhalb Europas zu verteilen. Auch in Österreich gilt es, für genügend Aufnahmekapazitäten zu sorgen, um im Umgang mit Schutzsuchenden organisiert, koordiniert und human vorzugehen: derzeit rechnet man mit 200.000 Schutzsuchenden aus der Ukraine. Es wird damit auch in unserem Lande dazu kommen, dass Bedarf an Versorgung die Möglichkeiten überschreitet - trotz der enormen Hilfsbereitschaft von Seiten der Zivilgesellschaft, die im Moment für den viel zu langsam und träge agierenden Staat einspringt, wo es nur geht. Das Innenministerium hat die Grundversorgung an sich nicht resistent und effizient aufgestellt, die mangelnde Qualität der Unterbringung im Sinne der Kinderrechte, insbesondere von unbegleiteten Minderjährigen steht schon seit vielen Jahren in der Kritik, ohne dass es zu einem Umdenken aufseiten des Innenministeriums gekommen wäre. 

Am 4. März haben die EU-Staaten den Durchführungsbeschluss 2022/382 (https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32022D0382&from=EN), basierend auf der Richtlinie 2001/55/EG, einstimmig angenommen. Dieser soll es ermöglichen, Schutzsuchenden aus der Ukraine schnell und unbürokratisch ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht zu gewähren. Der vorübergehende Schutz soll vorerst für ein Jahr gelten, kann jedoch um insgesamt zwei weitere Jahre verlängert werden. Zugang zu Arbeitsmarkt bzw. Bildung für Kinder sowie Sozialleistungen und medizinischer Versorgung sind ebenfalls vorgesehen. Innerstaatlich wurde dieser Beschluss durch die Annahme der Vertriebenen-VO am 11. März 2022 im Hauptausschuss des Parlaments umgesetzt. Diese sieht ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht für folgende Personengruppen, die ab dem 24.2.2022 aus der Ukraine vertrieben wurden, vor: 

Umfasst sind auch ukrainische Staatsangehörige, die vor dem 24.2.2022 in Österreich rechtmäßig aufhältig waren. Ausgeschlossen sind andere Drittstaatsangehörige, letztere dürfen aber gem Art. 6 Abs. 5 lit. c SGK legal einreisen (Einreise aus humanitären Gründen) und sich solange in Österreich aufhalten, bis sie weiter- oder heimreisen können bzw. bis zur Legalisierung ihres Aufenthalts bzw. steht ihnen auch die Möglichkeit offen, einen Asylantrag zu stellen. Für diese Zeit sollen sie auch Anspruch auf die Grundversorgung haben. 

Die fehlende Organisation in der Umsetzung der Vertriebenen-VO zeichnet sich bereits ab. Ankommende Personen wurden nicht sofort registriert, daher verzögert sich auch der Zugang zur Krankenversicherung, Grundversorgung sowie die Unterbringung in die Quartiere - desgleichen besteht das Risiko eines Verfahrensrückstaus. Zivilgesellschaftliche Organisationen, welche für den abwesenden Staat einspringen und die Erstaufnahme- und Versorgung übernehmen, müssen diese aus Spendengeldern finanzieren. In dieser Hinsicht ist das Vorgehen der österreichischen Bundesregierung in der Aufnahme von Schutzsuchenden aus der Ukraine und in der Umsetzung der Vertriebenen-VO von Interesse. 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Welche Zahlen konnte Ihr Ressort zu den Fluchtbewegungen nach Österreich erheben? Wie viele Personen erreichten seit 24.2.2022 Österreich?
  2. Wann wurde mit der Registrierung der unter die Vertriebenen-VO fallenden Schutzsuchenden nach des absehbaren Inkrafttretens der VO am 11.3.2022 begonnen? 
  3. Wieviele BeamtInnen bzw. MitarbeiterInnen des BMI wurden seit diesem für die Registrierung abgestellt (bitte um Aufschlüsselung der Anzahl pro Tag und Registrierungsstelle)?
  4. Wie viele Personen wurden pro Tag jeweils seitdem registriert (bitte um Aufschlüsselung der Anzahl pro Tag und Registrierungsstelle)? 
  5. Wann war der Rückstau dadurch abgebaut?
  6. Wie viele der Schutzsuchenden, die vor dem Krieg in der Ukraine geflohen sind, sind seit 24.2.2022 bis zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung in Österreich registriert worden?
  7. Wie viele von ihnen waren
    1. ukrainische Staatsangehörige?
    2. Staatenlose und Staatsangehörige anderer Drittländer als der Ukraine, die vor dem 24.2.2022 in der Ukraine internationalen Schutz oder einen gleichwertigen nationalen Schutz genossen haben?
    3. Familienangehörige der oben genannten Personen (a und b)?
  1. Wie viele Schutzsuchende, die vor dem Krieg in der Ukraine geflohen sind und seit 24.2.2022 bis zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung in Österreich registriert wurden, sind in die Grundversorgung aufgenommen worden (bitte um Aufschlüsselung der Anzahl pro Woche)?
  2. Wo wurden die Schutzsuchenden jeweils untergebracht (bitte um Aufschlüsselung der Anzahl pro Woche, nach Betreuungsstelle und Bundesland)? 
  3. Wie viele Drittstaatsangehörige, welche vor dem Krieg in der Ukraine geflohen sind, wurden seit 24.2.2022 bis zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung eine Einreise aus humanitären Gründen gem Art. 6 Abs. 5 lit. c des Schengener Grenzkodex gewährt (bitte um Aufschlüsselung der Anzahl pro Woche)?
  4. Wie viele Drittstaatsangehörige, welche vor dem Krieg in der Ukraine geflohen sind, wurden seit 24.2.2022 bis zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung trotz Vorweisen eines ukrainischen Aufenthaltstitel so wie im in der ZiB2 am 20.3.2022 berichteten Fall, inhaftiert, und dies
    1. Jeweils wann und wie lange (bitte um Aufschlüsselung der Anzahl pro Woche und Dauer der Inhaftierung)?
  1. Wie viele Drittstaatsangehörige, welche vor dem Krieg in der Ukraine geflohen sind und denen eine Einreise aus humanitären Gründen gem Art. 6 Abs. 5 lit. c des Schengener Grenzkodex gewährt worden ist, sind in die Grundversorgung aufgenommen worden (bitte um Aufschlüsselung der Anzahl pro Woche)? 
  2. Wann hat die Aufnahme in die Grundversorgung begonnen 
    1. von unter die Vertriebenen-VO fallenden Personen? 
    2. von Drittstaatsangehörigen, denen eine Einreise aus humanitären Gründen gem SGK gewährt wurde? 
  1. Welche Maßnahmen wurden von Ihnen bzw. von Ihrem Ressort gesetzt, um bei der Aufnahme, Versorgung und Unterbringung der Schutzsuchenden eine effektive Koordination mit den Bundesländern und welchen wichtigen Playern der Zivilgesellschaft inwiefern wann sicherzustellen?
  2. Welche Maßnahmen wurden von Ihnen bzw. von Ihrem Ressort gesetzt, um international und zivilgesellschaftlichen Organisationen bei der Aufnahme, Versorgung und Unterbringung zu unterstützen bzw. sich mit letzteren inwiefern wann zu koordinieren? 
    1. Welche finanzielle und logistische Mittel wurden welchen internationalen bzw. zivilgesellschaftlichen Organisationen hierfür jeweils wann zur Verfügung gestellt? 
  1. Sollte Österreich Schutzsuchende, die vor dem Krieg in der Ukraine geflohen sind, aus Nachbarstaaten der Ukraine organisiert aufgenommen haben: Welche Kriterien wurden angewandt, um auszusuchen, wie viele Schutzsuchende und welche Schutzsuchende aus welchem Land nach Österreich wann evakuiert und aufgenommen werden sollen?
  2. Wie viele Schutzsuchende, die vor dem Krieg in der Ukraine geflohen sind, hat Österreich seit 24.2.2022 bis zum Zeitpunkt der Anfragebeantwortung evakuiert und aufgenommen aus
    1. Polen, und zwar wann?
    2. Rumänien, und zwar wann?
    3. Ungarn, und zwar wann?
    4. der Slowakei, und zwar wann?
    5. Moldawien, und zwar wann?
  1. In der Woche des 14.3.2022 funktionierte die Koordination zwischen Aufnahmestellen für die Erstunterbringung und Verteilung auf die Privatunterkünften bzw. Quartieren in den Bundesländern noch nicht. Kinder wurden daher länger als nötig in inadäquaten Unterbringung untergebracht. Wie erfolgte die Unterbringung der evakuierten Personen? Bitte jeweils um Angabe der Anzahl an evakuierten Personen, Datum der Evakuierung und der Aufnahme, Datum der Zuweisung, Art der Unterbringung und Betreuungsschlüssel.