10315/J XXVII. GP

Eingelangt am 24.03.2022
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

des Abgeordneten Hannes Amesbauer

und weiterer Abgeordneter

an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie

betreffend Asbest-Skandal erschüttert Pernegg

 

Am 20. März 2022 enthüllte die Kronen Zeitung unter dem eindringlichen Titel „Neben der Schnellstraße tickt die Asbest-Bombe“ einen Skandal der Sonderklasse. Offenbar lagern auf einer Deponie im steirischen Pernegg Tonnen an hochgefährlichem Tunnel-Aushubmaterial. Der Journalist fragt im Artikel zurecht: „Wurde beim Bau der S35 gepfuscht?“

 

Bei Probeschürfungen auf der mittlerweile stillgelegten sogenannten Tieber-Deponie seien offenbar derart hohe Gefahrenwerte ermittelt worden, dass die Behörde das Gebiet zur Sperrzone erklärte. Zudem sei die sogenannte Nachsorgedauer auf zumindest 30 Jahre festgesetzt sowie die gesamte Nutzung der Deponiefläche dauerhaft untersagt worden. Die Vorgeschichte, bis sich das Land zu diesem drastischen Schritt entschloss, ist ein längere. Laut eigenen Angaben würden der „Krone“ umfangreiche Dokumente vorliegen, die den Schluss nahelegen würden, dass beim Bau des S-35-Abschnitts Kirchdorftunnel Fragen zum Thema Umweltschutz völlig ignoriert worden wären. Unter Berufung auf unabhängige Gutachter wird berichtet, dass die erlaubten Asbest-Grenzwerte einer Bodenaushubdeponie um das bis zu 500-Fache überschritten wurden und dass das Material weit über das rechtlich Erlaubte Maß hinausgehend Schwermetalle beinhalten, insbesondere Chrom und Nickel.

 

Gemäß Berichterstattung würden Asfinag und das Amt der steirische Landesregierung im Zentrum der Affäre stehen. Bei der betreffenden Abteilung 13 gibt es an anderer Stelle auch Ermittlungen aufgrund von dubios abgelaufenen Umweltverträglichkeitsprüfungen. Der gegenständliche Asbest-Skandal wird im Detail wie folgt beschrieben: „Am 15. Dezember 2006 startete der Tunnelvortrieb für den etwas mehr als zwei Kilometer langen Kirchdorftunnel. Laut Protokollen der Asfinag stieß man bereits am 14. Februar 2007 auf erste freigelegte Asbest-Fasern. Für Fachleute keine große Überraschung, denn schon Jahre davor, bei den ersten Standortuntersuchungen, wurde festgestellt, dass im Berg asbesthaltiges Gestein enthalten ist. Und doch war die Aufregung groß. Arbeiter weigerten sich aus gesundheitlichen Gründen weiterzugraben, Geologen wollten nicht mehr die Verantwortung übernehmen. Folge: Der Vortrieb wurde für neun Monate eingestellt und erst nach großen Sicherheitsanstrengungen fortgesetzt.

 

Die große Frage, welche die Verantwortlichen aber weiter beschäftigte: Wohin mit dem asbesthaltigen Bauschutt? Die Meinung von zu Rate gezogenen Experten wie einem Professor der Montanuniversität Leoben war klar: ‚Eine angedachte Ablagerung in einem Schotterteich unter der Grundwasseroberfläche (Anmerkung: eben in der eingangs erwähnten Deponie) ist definitiv nicht möglich und wäre strafbar.‘ Nun waren kreative Lösungen gefragt: Denn auch beim Land war man zunächst der Meinung, dass eine Entsorgung auf der Tieber-Deponie nicht möglich ist. ‚Die Ablagerung dieses Materials ist auf einer Bodenaushubdeponie gemäß Deponieverordnung nicht zulässig‘, hieß es aus der Abteilung 13 am 9. März 2007.

 

Am 5. Oktober 2007 dann die Kehrtwende: Per Bescheid wurde der Asfinag der Betrieb einer Bodenaushubdeponie genehmigt. Laut Gutachten des von der Asfinag beauftragten Geologen wurden keine Asbest-Fasern nachgewiesen - dazu seien bei der Bildung des arithmetischen Mittels der Analysewerte (Chrom, Nickel, Kobalt) für die gesamte Länge des Tunnels keine Überschreitungen der Grenzwerte festgestellt worden. Laut Fachleuten ein verbotenes Rechenspiel - da der asbesthaltige Serpentinit nur in den ersten gut 500 Tunnelmetern vorkommt und der Mittelwert nur daraus errechnet werden dürfte.

 

Trotz dieser und vorangegangen Expertisen gab man sich beim Land Steiermark mit den Ausführungen der Asfinag aber offenbar zufrieden. Und so war die Deponie bis zu ihrer Stilllegung per Bescheid vom 18. Dezember 2012 in Betrieb.

 

Erst im Februar 2019 kam wieder Bewegung in die Sache, als einem Mitarbeiter der Bezirkshauptmannschaft Bruck-Mürzzuschlag in einem Bericht des Verkehrsministeriums zur Nachkontrolle des S-35-Baus auffiel, dass abfallrechtliche Bescheide im Zusammenhang mit der Deponie nicht berücksichtigt wurden. Was die steirische Umweltanwältin Ute Pöllinger auf den Plan rief.

 

Sie schrieb an das Ministerium - beigelegt ein Gutachten, das die Grenzwertüberschreitungen bei der Tieber-Deponie belegt. Erstellt wurde dieses Gutachten in ihrem Auftrag von Christian Scholler, beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger. Der Experte schreibt darin etwa von ‚unkontrolliert im Grundwasser abgelagerten Tunnel-Ausbruchmaterial‘ oder von einer ‚potenziellen und aktuellen Gefährdung für Menschen, Tiere, Pflanzen, Boden und Grundwasser‘, die von der Deponie ausgeht. Dazu seien aus seiner Sicht die Genehmigungsverfahren, der Betrieb, die Kontrolle und zuletzt das Schließungsverfahren auf sehr unübliche Art und Weise durchgeführt worden.

 

Aufgrund dieses Gutachten veranlasste die Behörde dann doch Probeschürfungen auf dem Gelände der Deponie. Die Ergebnisse waren derart alarmierend, dass sich das Land zum eingangs erwähnten Bescheid gezwungen sah. Dass von den darin aufgetragenen Maßnahmen noch nichts zu sehen ist, liegt daran, dass sowohl die Asfinag als auch das Bauunternehmen Tieber als Grundstückseigentümer Beschwerde einlegten. ‚Der Akt wird aktuell bearbeitet - aller Voraussicht wird es zu einer mündlichen Verhandlung kommen‘, heißt es dazu auf ‚Krone‘-Anfrage vom Landesverwaltungsgericht.“

 

Seitens der Asfinag teilte ein Unternehmenssprecher mit, dass man die Aufregung nicht verstehe und wurde wie folgt zitiert: „Es handelt sich bei dem auf der Deponie Tieber abgelagerten Material um nichts anderes als um das Tunnel-Ausbruchsmaterial des benachbarten Berges. Das heißt, das Gestein ist ident mit jenem, das in dieser Gegend in der Natur vorkommt“

(Quelle: https://www.krone.at/2659374)

 

Am 22. März 2022 berichtete die Kronen Zeitung, dass das Land Steiermark wohl unabsichtlich bestätigt habe, dass gefährliches Material abgelagert wurde. Konkret wurde dies wie folgt dargelegt: „;Es besteht keine unmittelbare Gefahr.‘ Mit diesem Zitat begann eine gestrige Aussendung von Umweltlandesrätin Ursula Lackner (SPÖ) zum von der ‚Krone‘ enthüllten Asbest-Skandal von Pernegg. Offenbar vor allem zur Beruhigung der lokalen Bevölkerung gedacht, könnte sich diese Mitteilung zu einem ziemlichen Bumerang entwickeln.

 

Denn weiters heißt es in dem Schreiben: ‚Dort (Anm. in Pernegg) wurde vor 15 Jahren Gestein mit natürlichen Asbestvorkommen abgelagert, das beim Bau des Kirchdorf-Tunnels der Brucker Schnellstraße S 35 angefallen ist. Die Deponie wurde in weiterer Folge mit Bodenaushubmaterial abgedeckt. Solange diese Abdeckung nicht beschädigt wird, gelangen keine Asbestfasern in die Luft und es kommt zu keiner Gefährdung der Umwelt und der Bevölkerung.‘

 

Damit sei nun auch von offizieller Seite bestätigt, dass asbesthaltiges Aushubmaterial dort – mutmaßlich illegal – abgelagert wurde. Ergänzend wurde ein Fachmann befragt, der meinte, es würde ihn sehr beunruhigen, dass asbest- und schwermetallhältiges Material auf einer ungesicherten Bodenaushubdeponie liege.

(Quelle: https://www.krone.at/2661078)

 

Die in ihrer Zuständigkeit liegende Asfinag steht zumindest im Verdacht, in dieser Causa eine unrühmliche Rolle zu spielen. Sie dürften wohl mindestens seit einigen Monaten über diesen Sachverhalt informiert sein. Die Bevölkerung von Pernegg hat ein Recht auf volle Transparenz in dieser Angelegenheit!

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität´, Innovation und Technologie folgende

 

Anfrage

 

1.    Wann haben Sie konkret das Schreiben von Umweltanwältin Ute Pöllinger samt beiliegendem Gutachten erhalten?

2.    Was war, im Wesentlichen, der Inhalt sowie die Intention dieses Schreibens und welche Werte konnten dem beiliegendem Gutachten entnommen werden?

3.    Wie haben Sie auf dieses Schreiben reagiert?

4.    Welche Schritte, Maßnahmen bzw. Veranlassungen haben Sie aufgrund dieses Schreibens gesetzt?

5.    War Ihnen der Sachverhalt, dass asbest- und schwermetallhältiges Material mutmaßlich illegal auf einer Bodenaushubdeponie im steirischen Pernegg abgelagert wurde, bereits vor diesem Schreiben bekannt?

6.    Wenn ja, seit wann?

7.    Wenn ja, weshalb war Ihnen der Sachverhalt bereits bekannt?

8.    Wenn ja, in welchem Umfang war Ihnen der Sachverhalt bereits bekannt?

9.    Wenn ja, welche Schritte, Maßnahmen bzw. Veranlassungen haben Sie bis zum Einlagen dieses Schreibens schon gesetzt?

10. Warum wurde die Öffentlichkeit bis zur Berichterstattung nicht über die potentiellen Gefahren informiert, die von dieser Deponie ausgehen könnten?

11. Haben Sie bereits Gespräche mit den Verantwortlichen bei der Asfinag diesbezüglich geführt?

12. Wenn ja, wann und wie oft?

13. Wenn ja, wurden dabei auch die im Bescheid aufgetragenen Maßnahmen erläutert?

14. Wenn nein, warum nicht?

15. Was haben Sie bisher getan bzw. was werden Sie tun, um im Sinne der Sicherheit für Umwelt, Tiere und Menschen auf die schnellstmögliche Umsetzung der im Bescheid aufgetragenen Maßnahmen einzuwirken?

16. Welchen Kenntnisstand haben Sie aktuell zu den Vorgängen, wie es dazu kommen konnte, dass das Material dort mutmaßlich illegal abgelagert wurde und die konkrete Rolle der Asfinag bei diesem Skandal?

17. Welche Bemühungen wurden seitens Ihres Ministeriums bereits unternommen um dem Sachverhalt nachzugehen, wie es dazu kommen konnte, dass das Material dort mutmaßlich illegal abgelagert wurde und welche konkrete Rolle die Asfinag bei diesem Skandal spielt?

18. Welche Gutachten liegen Ihnen insgesamt betreffend der mutmaßlich illegal abgelagerten asbest- und schwermetallhältigen Materialien in der Bodenaushubdeponie in Pernegg vor?

19. Von wem und wann wurden diese Gutachten jeweils erstellt?

20. Seit wann liegen Ihnen diese Gutachten jeweils vor?

21. Was sind jeweils die wesentlichen Aussagen dieser Gutachten im Hinblick auf Grenzwerte und Gefahren für Umwelt, Tiere und Menschen?

22. Werden seitens der Asfinag und Ihnen bereits konkrete Schritte zur Lösung der umweltpolitischen Problematik gemeinsam mit dem Land Steiermark erarbeitet?

23. Falls ja, wie stellen sich diese konkret dar und welche Kosten entstehen dadurch?

24. Fanden in dieser Angelegenheit seit der medialen Berichterstattung Unterredungen zwischen Ihnen bzw. dem Ministerium, der Asfinag und den Verantwortlichen des Landes Steiermark statt?

25. Falls ja, was waren die konkreten Ergebnisse dieser Unterredungen?