10322/J XXVII. GP
Eingelangt am 24.03.2022
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Anfrage
der Abgeordneten Katharina Kucharowits, Eva-Maria Holzleitner, BSc., Ing. Reinhold Einwallner,
Genossinnen und Genossen
an den Bundesminister für Inneres
betreffend Informationen zu verschwundenen Kindern und Jugendlichen mit Fluchterfahrung
Die internationale Datenanalyse des Rechercheverbunds "Lost in Europe" (vgl. https://lostineurope.eu/file) zeigt: 18.292 unbegleitete geflüchtete Kinder und Jugendliche sind zwischen den Jahren 2018 und 2020 in Europa verschwunden. Da viele EU-Mitgliedstaaten hierzu kaum bzw. keine Daten erheben, liegt die Vermutung nahe, dass es sich bei dieser Zahl um eine Dunkelziffer handelt.
Das Thema "Missing Children", also verschwundene Kinder mit Fluchterfahrung, ist seit Jahren bekannt. Dennoch gilt es nach wie vor als ein Tabuthema, zu dem es kaum genaue Zahlen bzw. eine einheitlich umfassende Datenerhebung auf nationalstaatlicher und europäischer Ebene gibt. Laut den Erhebungen des Rechercheverbundes "Lost in Europe" sind 207 Kinder und Jugendliche aus Österreich betroffen.
Minderjährige Geflüchtete stellen eine der vulnerabelsten gesellschaftlichen Gruppen dar, die oft besonderen Risiken und Gefahren ausgesetzt sind, darunter Ausbeutung und sexuelle Gewalt, Menschenhandel, militärischer Ausbeutung oder Kinderarbeit. Daher müssen auch gemäß BVG Kinderrechte und der UN-Kinderrechtskonvention besondere Maßnahmen getroffen werden, um diese Kinder zu schützen und ihnen ein sicheres Leben zu ermöglichen. Der Krieg in der Ukraine macht dies drängender denn je.
Auf Basis des Entschließungsantrags 228/E zum Thema Verschwinden von Kindern und Jugendlichen mit Fluchterfahrung, der auf eine Initiative der SPÖ zurückgeht und in der Sitzung der Nationalrats vom 16.12.2021 angenommen wurde – und ganz besonders unter dem Blickwinkel der derzeitigen Situation von flüchtenden Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine, die das Recht auf ein schutzwürdiges und gutes Leben haben – stellen die unterfertigten Abgeordneten daher folgende
ANFRAGE
1. Wurde der Entschließungsantrag 228/E und die damit einhergehenden Forderungen bereits umgesetzt?
2. Wurde der Forderung des Entschließungsantrags 228/E „Informationen zu verschwundenen Kindern und Jugendlichen mit Fluchterfahrung, die im Innenministerium bereits jetzt [Anm. zum Zeitpunkt der Annahme des Entschließungsantrags] aufliegen, jährlich in geeigneter statistischer Form zu veröffentlichen“ bereits nachgekommen?
a. Falls ja, wann und wo genau wurden diese Informationen zu verschwundenen Kindern und Jugendlichen mit Fluchterfahrung veröffentlich?
b. Falls ja, in welcher statistischen Form wurden diese Informationen zu verschwundenen Kindern und Jugendlichen mit Fluchterfahrung aufbereitet und veröffentlich?
c. Falls nein, wann, wo und in welcher Form werden diese Informationen zu verschwundenen Kindern und Jugendlichen mit Fluchterfahrung veröffentlicht?
d. Falls nein, warum nicht?
3. Wurde der Forderung des Entschließungsantrags 228/E, „zu untersuchen, ob es Anhaltspunkte dafür gibt, dass dieses Phänomen möglicherweise mit kriminellen Handlungen (wie z.B. Entführung, Menschenhandel oder Gewaltdelikte) in Zusammenhang steht, und den Nationalrat zeitnah über die Ergebnisse dieser Untersuchung zu informieren.“ bereits nachgekommen?
a. Falls ja, wie wurde die Untersuchung, ob es Anhaltspunkte zu kriminellen Handlungen gibt, angelegt?
i. Welche Stellen/Behörden waren in die Untersuchung involviert?
ii. Welche Aspekte wurden konkret untersucht?
iii. Zu welchen Ergebnissen kam die Untersuchung? Wann wurden oder werden diese dem Nationalrat bereits präsentiert?
b. Falls nein, wann wird die Untersuchung stattfinden und abgeschlossen sein, welcher Stellen/Behörden werden involviert sein und wann werden die Ergebnisse dem Nationalrat vorgelegt?
c. Falls nein, warum nicht?
4. Wurde der Forderung des Entschließungsantrags 228/E, „zu prüfen, inwieweit die Erhebung und die Veröffentlichung von Informationen betreffend Herkunftsland, Geschlecht und Alter sowie Aufenthaltsstatus bzw. Stand des asyl- und fremdenrechtlichen Verfahrens der betroffenen Personen notwendig sind, um dieses Phänomen substantiiert beschreiben und bewerten sowie möglichen Handlungsbedarf auf Ebene der Vollziehung bzw. Gesetzgebung ableiten zu können“ bereits nachgekommen?
a. Falls ja, fand bereits eine Prüfung darüber statt, ob die Erhebung und Veröffentlichung von personenbezogenen Informationen zu Herkunftsland, Geschlecht, Alter, Aufenthaltsstatus und Stand eines asyl- und fremdenrechtlichen Verfahrens notwendig ist?
i. Von wem wurde diese Prüfung konkret durchgeführt und zu welchem Ergebnis kam die Prüfung? Welche der genannten personenbezogenen Informationen sollen notwendigerweise erhoben werden? Wurden/werden die Prüfungsergebnisse veröffentlicht oder dem Nationalrat zugänglich gemacht?
ii. Sollten diese Informationen erhoben werden, wer erhebt diese Informationen, wo und wie lange werden diese gespeichert?
iii. Sollten diese Informationen erhoben werden, wie wird gewährleistet, dass diese personenbezogenen Informationen dann in der Folge ausreichend geschützt und nicht missbräuchlich verwendet werden?
iv. Sollten diese Informationen erhoben werden, welcher konkrete Handlungsbedarf wird/wurde auf Ebene der Vollziehung einerseits und Gesetzgebung andererseits abgeleitet?
b. Falls nein, wann wird diese Prüfung stattfinden bzw. abgeschlossen sein, von wem wird diese Prüfung konkret durchgeführt und werden die Ergebnisse dieser Prüfung veröffentlicht oder dem Nationalrat zugänglich gemacht?
c. Falls nein, warum nicht?
5. Wurde der Forderung des Entschließungsantrags 228/E, „zu prüfen, inwieweit die Erhebung und die Veröffentlichung von Informationen betreffend den Umstand, ob die betroffenen Personen zum Zeitpunkt des Verschwindens in einer Einrichtung des Bundes oder eines Landes untergebracht waren, notwendig sind, um dieses Phänomen substantiiert beschreiben und bewerten sowie möglichen Handlungsbedarf auf Ebene der Vollziehung bzw. Gesetzgebung ableiten zu können.“ bereits nachgekommen?
a. Falls ja, fand bereits eine Prüfung darüber statt, ob die Erhebung und Veröffentlichung von Informationen zum Umstand, ob die betroffenen Personen zum Zeitpunkt des Verschwindens in einer Einrichtung des Bundes oder eines Landes untergebracht waren, notwendig ist?
i. Von wem wurde diese Prüfung konkret durchgeführt und zu welchem Ergebnis kam die Prüfung? Hat es sich als notwendig herausgestellt, die Informationen zur Unterbringung der betroffenen Person zum Zeitpunkt des Verschwindens zu erheben? Wurden/werden die Prüfungsergebnisse veröffentlicht oder dem Nationalrat zugänglich gemacht?
ii. Sollten die Informationen betreffend Unterbringung erhoben werden, werden diese Informationen dabei dezidiert nach Einrichtungen des Bund bzw. nach solchen der Bundesländern aufgeschlüsselt und unterschieden? Wie viele Kinder und Jugendliche sind im Jahr 2021 wo verschwunden? Bitte um Aufschlüsslung nach Einrichtungen des Bundes bzw. nach den neun Bundesländern getrennt.
iii. Sollten die Informationen betreffend Unterbringung erhoben werden, gibt es Hinweise darauf, dass Kinder und Jugendliche aus Einrichtungen eines bestimmten Bundeslandes überdurchschnittlich häufig verschwinden?
iv. Sollten die Informationen betreffend Unterbringung erhoben werden, wer erhebt diese Informationen, wo und wie lange werden diese gespeichert?
v. Sollten die Informationen betreffend Unterbringung erhoben werden, wie wird gewährleistet, dass diese (personenbezogenen) Informationen dann in der Folge ausreichend geschützt und nicht missbräuchlich verwendet werden?
vi. Sollten die Informationen betreffend Unterbringung erhoben werden, welcher konkrete Handlungsbedarf wird/wurde auf Ebene der Vollziehung einerseits und Gesetzgebung andererseits abgeleitet?
b. Falls nein, wann wird diese Prüfung stattfinden bzw. abgeschlossen sein, von wem wird diese Prüfung konkret durchgeführt und werden die Ergebnisse dieser Prüfung veröffentlicht oder dem Nationalrat zugänglich gemacht?
c. Falls nein, warum nicht?
6. Wurde der Forderung des Entschließungsantrags 228/E, „zu prüfen, inwieweit die Erhebung und die Veröffentlichung von Informationen betreffend den Aspekt der freiwilligen Migration dieser Personen in andere Länder der Europäischen Union oder Drittstaaten sowie der Gründe dafür notwendig sind, um dieses Phänomen substantiiert beschreiben und bewerten sowie möglichen Handlungsbedarf auf Ebene der Vollziehung bzw. Gesetzgebung ableiten zu können.“ bereits nachgekommen?
a. Falls ja, fand bereits eine Prüfung darüber statt, ob die Erhebung und Veröffentlichung von Informationen in Bezug auf die freiwillige Migration dieser Kinder und Jugendlichen in andere Länder der EU oder Drittstaaten sowie deren Gründe dafür, notwendig ist?
i. Von wem wurde diese Prüfung konkret durchgeführt und zu welchem Ergebnis kam die Prüfung? Hat es sich als notwendig herausgestellt, diese Informationen zu erheben? Wurden/werden die Prüfungsergebnisse veröffentlicht oder dem Nationalrat zugänglich gemacht?
ii. Sollten die Informationen betreffend Weiterreise erhoben werden: Wie hoch ist die Zahl jener Kinder und Jugendlicher, die freiwillig in andere Länder der EU oder ein Drittland weiterreisen und was sind deren Gründe dafür? Bitte um Auflistung für das Jahr 2021.
iii. Sollten die Informationen betreffend Weiterreise erhoben werden, wer erhebt diese Informationen, wo und wie lange werden diese gespeichert?
iv. Sollten die Informationen betreffend Weiterreise erhoben werden, wie wird gewährleistet, dass diese (personenbezogenen) Informationen dann in der Folge ausreichend geschützt und nicht missbräuchlich verwendet werden?
v. Sollten die Informationen betreffend Weiterreise erhoben werden, welcher konkrete Handlungsbedarf wird/wurde auf Ebene der Vollziehung einerseits und Gesetzgebung andererseits abgeleitet?
b. Falls nein, wann wird diese Prüfung stattfinden bzw. abgeschlossen sein, von wem wird diese Prüfung konkret durchgeführt und werden die Ergebnisse dieser Prüfung veröffentlicht oder dem Nationalrat zugänglich gemacht?
c. Falls nein, warum nicht?
7. Der Entschließungsantrag 228/E sieht eine jährliche Veröffentlichung der Informationen zum Verschwinden von Kindern und Jugendlichen mit Fluchterfahrung in geeigneter statistischer Form vor. Wann werden diese Informationen zum ersten Mal veröffentlicht und wann werden sie zukünftig veröffentlich? Gibt es einen Stichtag für die Veröffentlichung?
8. Sind die Informationen zum Verschwinden von Kindern und Jugendlichen mit Fluchterfahrung Grundlage für weitere politische Maßnahmen, beispielsweise Gewährleistung von Obsorge für Kinder und Jugendliche ab dem ersten Tag ihrer Ankunft in Österreich?
a. Falls ja, welche politischen Maßnahmen werden bereits ergriffen? Welche politischen Maßnahmen sind geplant?
b. Falls nein, warum nicht?
9. Welche Behörde/Stelle/Einrichtung des Bundes ist für die Erhebung dieser Informationen zuständig?
a. Wurden/werden dafür eigene oder zusätzliche Ressourcen zur Verfügung gestellt, personell, finanziell etc.? Bitte um detaillierte Beschreibung und Auflistung.
b. Wie hoch ist das jährlich zur Verfügung stehende Budget für die Erhebung dieser Informationen?
10. Konkret auf die derzeitige Situation von flüchtenden Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine bezogen:
a. Wie viele Kinder und Jugendliche sind bis zum Zeitpunkt der Einbringung dieser Anfrage, dem 24.03.2022, aus der Ukraine in Österreich angekommen?
i. Wie viele davon werden in Österreich bleiben? Wie viele der in Österreich bleibenden sind unbegleitet gekommen?
ii. Wie viele davon werden in ein anderes Land weiterreisen? Wie viele derjenigen, die weiterreisen wollen, sind unbegleitet bekommen?
iii. Was wird getan, um insbesondere unbegleitete Kinder und Jugendliche aus der Ukraine, die in Österreich bleiben, zu schützen?
iv. Was wird getan, um insbesondere unbegleitete Kinder und Jugendliche aus der Ukraine, die weiterreisen wollen, zu schützen?
b. Gibt es Hinweise, dass Kinder und Jugendliche, die vor dem Krieg in der Ukraine fliehen musste und in Österreich angekommen sind, bereits verschwunden sind?
i. Wenn ja, welche Stelle untersucht das Verschwinden und ist es angedacht, hier eine eigene Einheit zu schaffen, die das Verschwinden untersucht und nach Möglichkeit verhindert?
c. Welche präventiven Maßnahmen werden in dieser akuten Notsituation gesetzt, um ein Verschwinden von Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine zu verhindern?