10323/J XXVII. GP
Eingelangt am 24.03.2022
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möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Katharina Kucharowits, Nurten Yilmaz, Ing. Reinhold Einwallner,
Genossinnen und Genossen
an den Bundesminister für Inneres
betreffend Festnahme eines tunesischen Staatsangehörigen mit ukrainischem Aufenthaltstitel
Nicht nur ukrainische Staatsbürger*innen suchen aktuell Schutz vor Putins Angriffskrieg in Europa. Auch nicht-ukrainische Drittstaatsangehörige, die in der Ukraine einen aufrechten Aufenthaltstitel haben, fliehen in der Hoffnung auf Sicherheit. Darunter sind viele Student*innen, die der Krieg aus ihrem Alltag gerissen hat. Darunter ist auch ein 21-jähriger tunesischer Student, der bis zum Ausbruch des Krieges in der Ukraine studiert hat und von dort zu seinem Onkel nach Österreich geflohen ist. Am 6. März kommt dieser Student in Österreich an, wo er sich bei der Polizei meldet, um ein Visum zu beantragen und weiter studieren zu können. Zu diesem Zweck zeigt er den Behörden seinen Pass und die ukrainische Aufenthaltsgenehmigung. Laut Bericht der ZIB 2[1] wird der Mann, dem man bescheinigt „illegal“ zu sein, daraufhin festgenommen und 24 Stunden inhaftiert. Ein Mann, der wie tausende andere auch, vor dem Krieg flüchtet, wird in Österreich eingesperrt. Darüber hinaus nimmt man ihm seine Dokumente weg, die er erst bei einem Flug nach Tunesien erhalten dürfe/solle.
Dieser Vorfall ist beschämend für die Republik.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE
1. Im oben genannten ZIB 2 Beitrag vom 20. März 2022 gibt die betroffene Person an, dass sie bei der Polizei um ein Visum ansuchen wollte und in diesem Zusammenhang festgenommen worden sei.
a. Auf welcher Polizeistation hat die betroffene Person um ein Visum angesucht?
b. Für welchen Aufenthaltstitel bzw. Visum hat die Person angesucht?
c. Durch welche Behörde wurde die Festnahme vollzogen?
d. Auf welcher rechtlichen Grundlage wurde die Festnahme vollzogen?
2. Wo wurde die betroffene Person inhaftiert?
3. Wie lange wurde die betroffene Person konkret festgehalten?
a. Wie wurde die betroffene Person während der Dauer der Festnahme versorgt?
b. Von welchen Rechten konnte die betroffene Person während der Inhaftierung Gebrauch machen? (Bitte um konkrete Darstellung und Auflistung).
4. Warum wurden der betroffenen Person die Ausweisdokumente und die ukrainische Aufenthaltsgenehmigung abgenommen?
a. Auf welcher rechtlichen Grundlage wurde das getan?
5. Wann wurden der betroffenen Person die Ausweisdokumente und die ukrainische Aufenthaltsgenehmigung abgenommen? War dies vor der Verhaftung?
6. Wurden diese Dokumente zum Zeitpunkt der Einbringung dieser parlamentarischen Anfrage bereits wieder an die betroffene Person zurückgegeben?
a. Falls ja, wie lange hat es ab dem Zeitpunkt der Abnahme der Dokumente gedauert, bis diese dem Besitzer wieder zurückgegeben wurden?
b. Falls nein, wann werden die Dokumente der betroffenen Person wieder zurückgegeben?
7. Gab es ähnliche Fälle, in denen Drittstaatangehörigen, die derzeit aus der Ukraine fliehen müssen, die Einreise und/oder der Aufenthalt in Österreich verweigert wurde, die in diesem Zusammenhang festgenommen oder gar abgeschoben wurden? Bitte um detaillierte Auflistung eines jeden einzelnen Falles.
8. Welchen Status haben Drittstaatsangehörige, die aufgrund der derzeitigen Lage aus der Ukraine fliehen müssen, in Österreich ganz konkret? Welche Rechte, Leistungen, Schutzstatus etc. wird diesen Menschen gewährt?
9. Im Durchführungsbeschluss des Rats der europäischen Union vom 4. März 2022 zur Feststellung des Bestehens eines Massenzustroms von Vertriebenen aus der Ukraine wird im Sinne des Art 2 der Richtlinie 2001/55/EG zur Einführung eines vorübergehenden Schutzes für Vertriebene den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit eingeräumt, den temporären Schutz auch auf jene Personen auszuweiten, die als Staatenlose oder Drittstaatsangehörige fliehen müssen.
a. Warum wurde diese Kann-Bestimmung nicht in die Vertriebenen-VO aufgenommen, wie es beispielsweise in Deutschland umgesetzt wurde?[2]
b. Welche Gespräche mit anderen Ministerien gab es im Vorfeld des Beschlusses der Vertriebenen-VO darüber, ob und wie diese Kann-Bestimmung des Durchführungsbeschlusses eventuell umgesetzt wird?
c. Auf welcher rechtlichen Grundlage basiert die Nichtgleichstellung von Ukrainer*innen und Drittstaatangehörigen aus der Ukraine, die in der derzeitigen Situation vor dem Krieg fliehen müssen?
d. Wie wird der Schutz von Drittstaatangehörigen, die in der derzeitigen Situation aus der Ukraine fliehen mussten, gewährleistet, wenn dies nicht durch die Vertriebenen-VO erfolgt?
10. Art 2 Abs 2 des Durchführungsbeschlusses des Rats vom 4. März 2022 stellt den Mitgliedsstaaten frei, ob sie Drittstaatsangehörige, die in der Ukraine einen gültigen, unbefristeten Aufenthaltstitel haben und fliehen mussten, ebenfalls unter die Richtlinie „temporären Schutz“ subsumieren, oder ob sie diesen einen anderen, „angemessenen Schutz nach ihrem nationalen Recht“ zukommen lassen.
a. Welchen Schutzstatus erhalten nicht-ukrainische Drittstaatsangehörige in Österreich, die in der Ukraine einen legalen, unbefristeten Daueraufenthalt haben und ebenfalls vor den Kriegswirren geflüchtet sind?
b. Wie viele Personen betrifft das bis zum heutigen Tag?
c. Warum hat sich das Innenministerium entschlossen, diese Personengruppe nicht unter die Richtlinie zu subsumieren? Was waren die Gründe dafür?
11. Wie viele ukrainische Staatsangehörige wurden bis zum Tag der Anfragebeantwortung registriert und haben somit mit dem Status „temporärer Schutz“ ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht erhalten? (Auflistung nach Geschlecht)
a. Wie viele Familienangehörige eben dieser Gruppe haben bis heute ebenfalls „temporären Schutz“ erhalten?
12. Wie viele nicht-ukrainische Drittstaatsangehörige oder Staatenlose mit „einem vor dem 24. Februar 2022 gewährten internationalen Schutzstatus oder vergleichbaren nationalen Schutzstatus jeweils gemäß ukrainischem Recht“ (§ 1 Abs 2 Vertriebenen-VO) wurden bis zum Tag der Anfragebeantwortung registriert und haben somit mit dem Status „temporären Schutz“ ebenfalls ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht erhalten? (bitte Auflistung nach Staatsbürgerschaft, Geschlecht)
a. Wie viele Familienangehörige dieser Personengruppe haben bis heute ebenfalls „temporären Schutz“ erhalten?
13. Ukrainische Staatsangehörige mit einem gültigen Aufenthaltstitel in Österreich können aufgrund des Krieges nicht in ihr Heimatland zurückkehren, weshalb ihnen § 3 der Vertriebenen-Verordnung ebenso ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht gewährt. Wie viele Personen haben aufgrund dieser Möglichkeit bis zum Tag der Anfragebeantwortung „temporären Schutz“ erhalten?
14. Wie unterstützt das Bundesministerium für Inneres jene nicht-ukrainischen Drittstaatsangehörigen, die aus der Ukraine nach Österreich geflüchtet sind und nun in ihre Herkunftsländer zurückkehren wollen?
a. Wie viele Personen wurden bis heute unterstützt?
b. Wie viele Personen haben Österreich bereits verlassen? (nach Staatsbürgerschaft, Geschlecht etc.)
[1] https://tvthek.orf.at/topic/Krieg-in-der-Ukraine/13869779/ZIB-2-am-Sonntag/14128763/Probleme-fuer-Studierende-aus-Ukraine/15132096 bzw. https://orf.at/stories/3254672/?fbclid=IwAR3ceO2hAJ_lMMy1nhXQbplIPtUtB4iraWUgdG6Lqjk2RIr4PjliiD-JnpU, (Zugriff 21.03.2022)
[2] BAnz%20AT%2008.03.2022%20V1.pdf (bundesanzeiger.de) (Zugriff 31.03.2022)