10324/J XXVII. GP

Eingelangt am 24.03.2022
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Anfrage

der Abgeordneten Douglas Hoyos-Trauttmansdorff, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Landesverteidigung

betreffend Aufrüstung der Eurofighter

 

Unmittelbar nach Amtsantritt stellte Bundesministerin Tanner klar, dass sie die Ungereimtheiten rund um den Eurofighter Kauf aufrollen und aufklären wolle. Bei der Hubschrauberbeschaffung wurde Eurofighter Hersteller Airbus – das ehemalige EADS – nicht berücksichtigt. Die Ministerin zeigte sich damals "froh" darüber, dass der Generalstab Leonardo und nicht Airbus empfohlen habe (APA vom 21.09.2020). Auch im Standard vom 01.10.2020 (https://www.derstandard.at/story/2000120378097/noch-ein-konzern-zum-kennenlernen-fuer-ministerin-tanner) sprach die Bundesministerin kritisch über Airbus: "Gerade die Eurofighter-Beschaffung hat uns gezeigt, wie es nicht sein soll. Meine persönliche Meinung ist bekannt. Wir sind in verschiedenen Gerichtsverfahren."

Es folgte der Versuch, die Eurofighter an Indonesien zu verkaufen, um dieses Kapitel der Luftraumüberwachung abzuschließen. Zu diesem Zeitpunkt sprach die Ministerin auch von der Möglichkeit, LRÜ in Kooperation mit befreundeten Nachbarn durchzuführen, sofern dies verfassungsrechtlich zulässig sei. Ein nun vorliegendes Rechtsgutachten des BMLV bestätigt diese Möglichkeit. 

Die jüngste Entwicklung in Richtung gemeinschaftlicher Verteidigung kommt von der Europäischen Union. Die Regierungschefs der 27 Mitgliedsstaaten bekannten sich in Versailles am 10. und 11. März zur Verpflichtung, alle Mitgliedsstaaten im Falle eines Angriffs gemeinschaftlich zu verteidigen und bezog ausdrücklich aus Österreich, das seinerseits aufgrund der Neutralität von der militärischen Beistandspflicht ausgenommen ist, mit ein. Dieses europäische Bekenntnis sollte eine gemeinschaftliche Luftraumüberwachung erleichtern und nun sogar erstmals eine kooperative Luftraumverteidigung ermöglichen. 

Weitere zehn Tage später machte Brüssel einen weiteren Schritt in diese Richtung. Die Verteidigungsminister_innen kündigten die Schaffung einer gemeinsamen Einsatzgruppe an. Deutschland, ein Kandidat für eine gemeinsame Luftraumüberwachung, meldete sich auch gleich freiwillig, das erste Kontingent für eine derartige Truppe zu stellen. 

Statt die eingeschlagene Richtung nun mit verstärkter Energie weiterzugehen, wendet sich die Bundesregierung nun wieder ab. Das Bundesheer prüfe eine Aufrüstung der veralteten Tranche I Eurofighter, heißt es aus dem Verteidigungsministerium. Die Flieger sollen in den Zustand gebracht werden, den sie vor der vom damaligen Verteidigungsminister Norbert Darabos angeordneten Kostenersparnis gehabt hätten. Demnach würden Nachtsicht- bzw. Identifizierungsfähigkeit nachgerüstet werden, sowie Investitionen in den Selbstschutz. Auch fehlt die Bewaffnung mit radargelenkten Lenkwaffen über den Sichtbereich hinaus.

All diese Dinge sind teuer, und bei einem sehr alten Fluggerät wohl auch nicht mehr die Spesen wert. Allein die Nachtidentifizierungsfähigkeit – also ein Infrarot-Such- und Verfolgungssystem – und der elektronische Selbstschutz ersparten der Republik 2007 rund €250 Millionen. Fünfzehn Jahre später wird die Nachrüstung mit Inflation und die Adaptierung an eine veraltete Plattform wohl noch teurer zu stehen kommen. Bei der Nachtsichtfähigkeit gibt es mehrere Varianten, die zwischen zehntausenden und hunderttausenden Euro pro Flieger kosten, wobei es nicht klar ist, ob alle Geräte, die für eine Nachrüstung vonnöten wären, noch produziert werden. Bei moderner Bewaffnung gibt es mehrere Möglichkeiten, allerdings steigt mit der gewünschten Qualität auch der Preis. Und da Österreich aus Ersparnisgründen nur Tranche I Flieger kaufte, ist die computing power relativ beschränkt – im Zeitalter der Elektronik ein nicht zu ignorierender Nachteil.

Eine Nachrüstung könnte also einen guten Teil des versprochenen Zusatzbudgets kosten, und die Luftwaffe im besten Fall mit guter Nachrüstung auf einer alten Plattform dastehen lassen, im schlechteren mit einer alten Plattform mit erschwinglichen, aber nicht höchstqualitativen Upgrades. Jedenfalls muss der Kostenaufwand mit der Wertsteigerung für die Sicherheit der Republik begründet werden können. Hinzu kommt das verbleibende Problem der Quantität.

In welchem eintrittswahrscheinlichen Szenario wird Österreich mit 15 Eurofightern mit oder ohne Nachrüstung (von denen laut AB 9167 im Schnitt nur 4,3 im Jahr 2020 und 4,7 im Jahr 2021 zu einem gegebenen Zeitpunkt auch einsatzfähig) erfolgreich bestehen können? In welchen wahrscheinlichen Szenarien wird die Nachrüstung einen Unterschied ausmachen? Welche Einsatzszenarien gibt es für das EU- und NATO-Binnenland (mit Ausnahme der Schweiz) überhaupt, in österreichischen Luftraum in Luftkämpfe verwickelt zu werden? Welcher Angreifer wird nicht in einem Erstschlag die limitierte österreichische Bodeninfrastruktur ausschalten können? 

Um diesen Aufwand in einen realistischen Luftraumbedrohungskontext zu stellen: Im Jahr gibt es laut BMLV durchschnittlich 50 Identifizierungen durch österreichische Kampfflugzeuge, fast ausschließlich von zivilen Flugzeugen. Laut BMLV gab es für 2021 und 2021 zusammen genau einen Alarmstart, um ausländische Militärflugzeuge ohne Überflugerlaubnis abzuweisen. Dabei handelte es sich um zwei brasilianische Militärflugzeuge. Bei zwei Überflügen war eine Identifizierung durch Eurofighter notwendig. Zum Vergleich: Die Gesamtzahl der genehmigten militärischen Überflügen in diesen beiden Jahren belief sich auf 10.509.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. In AB 9167 werden die Luftraumverletzungen und Alarmstarts der Eurofighter der letzten zwei Jahre aufgelistet.
    1. Für wie viele dieser Alarmstarts waren Kampfjets der Klasse der Eurofighter notwendig? Wie viele hätten auch durch einen Unterschalljet wie die Saab 105 oder eine modernere Version davon bewerkstelligt werden können?
    2. Im über den Zeitraum von AB 9167 hinausreichenden Jahresdurchschnitt geht die Ministerin von etwa 50 Identifizierungen jährlich aus. Wie viele dieser Identifizierungen konnten nur von Kampfjets der Klasse der Eurofighter, und nicht mit einer billigeren Luftraumüberwachungsmaschine wie der Saab 105 erfolgreich bewerkstelligt werden? 

                                          i.    Bitte um die Gründe für die Notwendigkeit des Einsatzes der Eurofighter in diesen Fällen. 

  1. Seit Anschaffung der kampfwertverringerten Eurofighter, in wie vielen Missionen führte das Fehlen der folgenden Systeme dazu, dass die Mission nicht erfolgreich durchgeführt werden konnte:
    1. Infrarot-Such- und Verfolgungssystem
    2. elektronischer Selbstschutz
    3. Allwetter-Radarlenkwaffen
  1. In welchem Verhältnis stehen verbleibende Lebenserwartung der Eurofighter und Lebenserwartung der nachzurüstenden Technologien?
    1. Wenn nachbeschaffte Waffensysteme oder Elektronik nach Ausscheiden der Eurofighter noch länger nutzbar bleiben, können diese auch auf allen möglichen Nachfolgern der EF weiterhin genutzt werden?
  1. Für welche Bedrohungsszenarien wird die Aufrüstung der Eurofighter in der jetzigen Form und verfügbarer Quantität angedacht? 
  2. Die Schweiz ist der Meinung, dass zur Verteidigung ihres Luftraums (oder zur Abschreckung eines möglichen Eindringlings) zumindest 50 hochmoderne Kampfflugzeuge notwendig sind. Geht das BMLV davon aus, dass 15 Eurofighter mit den angeführten Upgrades für Österreich zu einer Verteidigung des Luftraums im Konfliktfall ausreichend wären?
  3. Es gibt mehrere Beispiele einer gemeinschaftlichen Luftraumverteidigung in Europa. So lässt bzw. ließ Slowenien seinen Luftraum von ungarischen und italienischen Fliegern patrouillieren, die Benelux Staaten überwachen gemeinsam, und die gegenüber Russland exponierten baltischen Staaten lassen NATO Partner ihren Luftraum schützen. Hat das BMLV studiert, welche Kostenersparnisse diesen Staaten aus den kooperativen Arrangements erwachsen?
    1. Wenn nein, warum nicht?
  1. Die EU Kommission schätzt das Einsparungspotential bei Rüstungsbeschaffung durch Pooling auf zumindest 25 Milliarden jährlich. Das sind 10% der jährlichen  Gesamtrüstungsausgaben. Hat das BMLV das Einsparungspotential von gemeinschaftlichen Beschaffungen und/oder gemeinschaftlichem Betrieb von den hochtechnologischen, teuersten Waffensystemen evaluiert?
  2. Vor einem Jahr hat die Bundesministerin von der Idee einer gemeinsamen Luftraumüberwachung gesprochen. Vor einem Monat hat sie den Strategischen Kompass der EU positiv evaluiert. Vor weniger als einer Woche hat sie klargestellt, Österreich wäre bei der europäischen Eingreiftruppe dabei und sie sehe keine neutralitätsrechtlichen Probleme. Aufgrund welcher neuen Analysen das Abweichen von der Politik der gemeinsamen Luftraumüberwachung – und nun, mit den angedachten Upgrades, wohl auch der gemeinsamen Luftraumverteidigung – trotz der Bewegung aller Akteure in Richtung einer europäischen Vergemeinschaftlichung der Verteidigung?