Eingelangt am 01.04.2022
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Anfrage
der Abgeordneten Mag. Martina Künsberg
Sarre, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für
Bildung‚ Wissenschaft und Forschung
betreffend Frühkindliche
Sprachförderung und Deutschförderklassen
Der Erwerb der deutschen Sprache ist eine
Grundvoraussetzung für eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen
Leben in Österreich und eine erfolgreiche Bildungslaufbahn. Eine
entsprechende Sprachförderung sowohl der jeweiligen Erstsprache, als auch
der Bildungssprache Deutsch muss daher bereits im Kindergarten ansetzen. Das
Thema frühkindliche Sprachförderung nimmt daher auch in der
Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den
Ländern über die Elementarpädagogik für die
Kindergartenjahre 2018/19 bis 2021/221 eine wichtige Rolle ein. Dort
wird in Art. 14 u.a. festgehalten, dass die Bundesländer jeweils
mindestens 25% des Bundeszuschusses für frühe sprachliche
Förderung verwenden müssen. Art. 4 sieht außerdem vor, dass
"frühe sprachliche Förderung [...] in den letzten beiden Jahren
vor Schuleintritt systematisch durchgeführt und besser mit der
Schnittstelle zur Schule abgestimmt" wird. Zur Feststellung des
Förderbedarfs von Kindern im elementarpädagogischen Bereich wurde das
Beobachtungsinstrument BESK eingeführt. Der Übergang von Kindergarten
zu Schule wurde durch die Einführung eines Übergabeformulares
basierend auf dieser BESK-Evaluierung des Sprachstands verbessert. Durch dieses
Übergabeformular sollen die Pädagog_innen der Primarstufe einen
raschen Überblick über die sprachlichen Fähigkeiten bzw. den Förderbedarf
ihrer Schüler_innen bei Schuleintritt erhalten.
Kinder mit Deutsch als Zweitsprache
müssen bei Verdacht auf mangelhafte Sprachkenntnisse in der
Bildungssprache Deutsch außerdem seit September 2018 bei Schuleintritt
den sog. MIKA-D (Messinstrument zur Kompetenzanalyse – Deutsch) Test zur
Sprachstandsfeststellung absolvieren. Basierend auf dessen Ergebnissen werden
Schüler_innen als ordentliche Schüler_innen den Regelklassen bzw. als
außerordentliche Schüler_innen den Deutschförderklassen
(Primarstufe 15 Wochenstunden / Sekundarstufe 20 Wochenstunden statt
Regelunterricht) bzw. Deutschförderkursen (6 Wochenstunden parallel zum
Regelunterricht) zugeteilt. Diese Deutschförderklassen und
Deutschförderkurse sollen Schüler_innen unterstützen, die dem
Regelunterricht aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse nicht folgen können
und stehen aufgrund fehlender umfassender Evaluierungsergebnisse, der
defizitorientierten Stigmatisierung, Mehrbelastung und der segregierenden
Wirkung in starker Kritik, integrationshemmend und daher kontraproduktiv zu
wirken und nicht aussagekräftig zu sein.
Die oben genannte Vereinbarung zur
Elementarpädagogik läuft mit Ende August 2022 aus, eine neue
Folgevereinbarung wird in den kommenden Wochen und Monaten zwischen Bund und
Ländern verhandelt und auch die Deutschförderklassen bzw.
-förderkurse existieren bald 4 Jahre. Daher scheint es notwendig, v.a. im
Hinblick auf die neue Bund Länder-Vereinbarung darzulegen, inwiefern diese
Maßnahmen zur Verbesserung der Deutschförderung von der Elementarpädagogik
aufwärts beigetragen haben.
1 https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20010549
2 https://www.bmbwf.gv.at/dam/jcr:dc3a144a-7cef-4a48-ac8c-4c09b6ca14ad/dfk_eval.pdf
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher
folgende
Anfrage:
- Wie viele außerordentliche
Schüler_innen gab es von 2011 bis 2021 jährlich pro Bundesland
(bitte um Angabe in absoluten Zahlen und Prozent, Deutschförderklasse
und Deutschförderkurs bzw. Sprachstartgruppen und Sprachförderkurse
oder alternative Formen der Organisation der Deutschförderung)?
- Lassen sich im Hinblick auf den Anteil ao.
Schüler_innen seit 2018 positive Effekte aus der aktuellen
Bund-Länder-Vereinbarung zur Elementarpädagogik ablesen, die
mind. 25% des Bundeszuschusses pro Bundesland für den Bereich
"frühe sprachliche Förderung" veranschlagt, das
Beobachtungsinstrument BESK weiterentwickelt und die sog.
Übergabedokumente zum Schuleintritt vorsieht?
- Wenn ja, welche positiven Effekte sind das
und wie gedenken Sie, diese zu verstärken?
- Wenn nein, welche Ursachen sehen Sie
für den ausbleibenden positiven Effekt und welche weiteren
Maßnahmen werden Sie setzen?
- Der Rechnungshof kritisiert in seinem
Bericht zum Thema "Frühe sprachliche Förderung in
Kindergärten" aus Mai 2021 die große Diskrepanz zwischen
den Ergebnissen der Sprachstandserhebungen durch BESK im Kindergarten und
MIKA-D bei der Schuleinschreibung. Es gibt offenbar bereits in den Jahren
2015/16 bis 2018/19, also als MIKA-D noch freiwillig war, einen
beträchtlichen Anteil an Kindern, die bei MIKA-D aufgrund mangelnder
Deutschkenntnisse nur als außerordentliche Schüler_innen
eingestuft werden, die aber davor im Kindergarten auf Basis des BESK als
nicht deutschförderungsbedürftig eingestuft wurden und daher
keine Sprachförderung erhalten haben. Inzwischen ist der BESK
überarbeitet, MIKA-D verpflichtend und ein Übergabedokument vom
Kindergarten zur Volksschule vorgesehen.
- Wie viele Kinder im letzten
Kindergartenjahr galten 2019/20 laut BESK-Einstufung als
deutschförderbedürftig? Wie viele Schüler_innen der
darauffolgenden 1. Schulstufe wurden basierend auf den Ergebnissen des
MIKA-D im Schuljahr 2020/21 als außerordentliche Schüler_innen
eingestuft und einer Deutschfördermaßnahme zugeteilt (Bitte um
Aufschlüsselung nach Bundesländern)?
- Wie viele Kinder im letzten
Kindergartenjahr galten 2020/21 laut BESK-Einstufung als
deutschförderbedürftig? Wie viele Schüler_innen der
darauffolgenden 1. Schulstufe wurden basierend auf den Ergebnissen des
MIKA-D im Schuljahr 2021/22 als außerordentliche Schüler_innen
eingestuft und einer Deutschfördermaßnahme zugeteilt (Bitte um
Aufschlüsselung nach Bundesländern)?
- Wie viele Kinder im letzten
Kindergartenjahr gelten 2021/22 laut BESK-Einstufung als
deutschförderbedürftig (Bitte um Aufschlüsselung nach
Bundesländern)?
- Wie erklären Sie sich etwaige immer
noch bestehende Diskrepanzen zwischen der Anzahl der Feststellungen des
Förderbedarfs im Kindergarten durch den BESK und zum Schuleintritt
durch MIKA-D?
- Welche Maßnahmen werden Sie wann
setzen, um dieser Diskrepanz weiter entgegenzuwirken?
- Am MIKA-D wird häufig kritisiert, dass
es aufgrund des Settings nicht dazu geeignet ist, den Sprachstand eines
Kindergartenkindes - das es ja zum Zeitpunkt der Schuleinschreibung noch
ist - verlässlich abzubilden. Das Kind kommt für die
Schulreifefeststellung in ein ihm fremdes Gebäude und wird dort ohne
Eltern zu einer fremden erwachsenen Person in einen fremden Raum gebracht,
um seine Deutschkenntnisse unter Beweis zu stellen. Dass in dieser
Situation auch Faktoren wie Schüchternheit, Nervosität und
Ablenkung die Ergebnisse prägen und nicht nur die tatsächlichen
Kenntnisse, liegt auf der Hand. Gibt es Überlegungen, das Setting
und/oder den Test zu verändern, etwa in den Kindergarten zu
verlagern, um zu aussagekräftigeren Ergebnissen zu gelangen und wenn
nein, warum nicht?
- Um eine Deutschförderklasse bzw. einen
Deutschförderkurs zu eröffnen, müssen außerdem
mindestens 8 Schüler_innen pro Schule einen solchen Förderbedarf
aufweisen. Wird diese Anzahl unterschritten, werden die jeweiligen
Schüler_innen integrativ, also innerhalb der Regelklassen
zusätzlich gefördert. Lassen sich die MIKA-D Ergebnisse nach
integrativem bzw. vom Regelunterricht getrennten
Sprachförderunterricht differenzieren?
- Wie viele ao. Schüler_innen konnten
die Deutschförderklassen bzw. Deutschförderkurse seit deren
Einführung im September 2018 bis ins Schuljahr 2021/22 nach nur
einem Semester verlassen und in Deutschförderkurse bzw. den
ordentlichen Status wechseln (bitte um Angabe nach Bundesländern,
Schuljahren, in absoluten Zahlen sowie Prozent und ggf. nach integrativem
bzw. additivem Unterricht)?
- Wie viele der ao. Schüler_innen
konnten die Deutschförderklassen bzw. Deutschförderkurse seit
deren Einführung im September 2018 bis ins Schuljahr 2021/22 nach
zwei Semestern verlassen und in Deutschförderkurse bzw. den
ordentlichen Status wechseln (bitte um Angabe nach Bundesländern,
Schuljahren, in absoluten Zahlen sowie Prozent und ggf. nach integrativem
bzw. additivem Unterricht)?
- Wie viele der ao. Schüler_innen konnten
die Deutschförderklassen bzw. Deutschförderkurse seit deren
Einführung im September 2018 bis ins Schuljahr 2021/22 nach drei
Semestern verlassen und in Deutschförderkurse bzw. den ordentlichen
Status wechseln (bitte um Angabe nach Bundesländern, Schuljahren, in
absoluten Zahlen sowie Prozent und ggf. nach integrativem bzw. additivem
Unterricht)?
- Wie viele der ao. Schüler_innen
konnten die Deutschförderklassen bzw. Deutschförderkurse seit
deren Einführung im September 2018 bis ins Schuljahr 2021/22 erst nach
der maximal erlaubten Dauer von vier Semestern verlassen und in
Deutschförderkurse bzw. den ordentlichen Status wechseln (bitte um
Angabe nach Bundesländern, Schuljahren, in absoluten Zahlen sowie
Prozent und ggf. nach integrativem bzw. additivem Unterricht)?
- Welche Schlüsse ziehen Sie hinsichtlich
der Zahlen aus Frage 2.) und 3.) in Bezug auf die Budgetmittel für
die neue Bund-Länder-Vereinbarung zur Elementarpädagogik,
für die bereits im Regierungsprogramm wesentlich mehr Mittel angekündigt
wurden?
- Welche Schlüsse ziehen Sie hinsichtlich
der Zahlen aus Frage 2.) und 3.) in Bezug auf die Ausgestaltung und
Umsetzung der Deutschförderklassen und Deutschförderkurse, die
immer wieder in der Kritik stehen, segregierend, stigmatisierend und integrationshemmend
zu wirken?
- Im Juni 2021 wurden die Ergebnisse einer
wissenschaftlichen Evaluation im Rahmen eines "Vorprojekts zur
Evaluation der Deutschförderung" bekanntgegeben.2
Darin werden von Expert_innen aus Schulen, Schulaufsicht,
Bildungsministerium und Hochschulen sowohl Ziele, Wirkung als auch
Mängel und Verbesserungsvorschläge der aktuellen
Sprachfördermaßnahmen genannt. Welche dieser Empfehlungen und
Verbesserungsvorschläge werden Sie konkret umsetzen und in welcher
Form?
- Wann werden diese
Verbesserungsvorschläge umgesetzt werden?
- Welche dieser Verbesserungsvorschläge
werden Sie nicht umsetzen und warum nicht?
- Wann ist mit den Ergebnissen einer
umfassenden Evaluierung der Deutschförderklassen und
Deutschförderkurse konkret zu rechnen und wer führt diese
Evaluierung genau durch?
- Für die Einrichtung einer
Deutschförderklasse bzw. eines Deutschförderkurses braucht es
mind. 8 Schüler_innen mit entsprechendem Förderbedarf, gibt es
auch eine maximale Schüler_innen-Obergrenze pro Klasse und Kurs, um
einen qualitativ hochwertigen Förderunterricht gewährleisten zu
können?
- Wird bei der Einrichtung der
Deutschförderklassen bzw. Deutschförderkurse darauf Bedacht
genommen, Schüler_innen mit gleicher Muttersprache möglichst
zusammenzufassen und wenn nein, warum nicht?
- Wird bei der Evaluierung der
Deutschförderklassen und Deutschförderkurse auch untersucht,
welchen Einfluss Klassengröße und homogene/heterogene
sprachliche Zusammensetzung der Schüler_innen auf den
Förderunterricht haben und wenn nein, warum nicht?
- Welche spezifischen Qualifikationen
müssen Lehrende in den Deutschförderklassen und
Deutschförderkursen mitbringen, welche spezifischen Schulungsangebote
für Lehrende gibt es und sind diese verpflichtend?
- Inwiefern sind die Ergebnisse des
"Vorprojekts zur Evaluierung der Deutschförderung“ in das
Forschungsdesign der Studie eingeflossen? Welche Ergebnisse und Anregungen
aus dem Vorprojekt wurden aufgegriffen? Welche Ergebnisse und Anregungen
wurden nicht aufgegriffen und warum nicht?
- In der Kritik an den
Deutschförderklassen wird angenommen, dass diese
Deutschfördermaßnahme negative soziale Effekte hat und sich
Schüler_innen der Deutschförderklassen ausgeschlossen und
stigmatisiert fühlen. Werden diese Annahmen in der Evaluation
überprüft und wenn ja, wie? Wenn nein, warum nicht?
- Um Laufbahnverluste der ao.
Schüler_innen nach Möglichkeit zu vermeiden oder gering zu
halten, wird die Verschränkung von fachlichem und sprachlichem Lernen
in Deutschfördermaßnahmen empfohlen. Wird in der Evaluierung
der Deutschförderklassen überprüft, ob und wie diese
Verschränkung gelingt? Wenn nein, warum nicht?
- Die Effekte der Deutschförderklassen
betreffen Kinder bzw. Jugendliche (sowohl jene in Deutschförderklassen
bzw. Deutschförderkursen als auch jene in sog. Regelklassen) ebenso
wie Lehrer_innen, Schulleiter_innen und Eltern. Werden die genannten
Gruppen in der Evaluierung der Deutschförderklassen
berücksichtigt und wenn ja, wie werden deren Erfahrungen und
Einschätzungen erhoben? Wenn nein, welche Gruppen nicht und warum
nicht?
- Wie hoch sind die Kosten der Evaluierung der
Deutschförderung im Auftrag des BMBWF (bitte um möglichst
detaillierte Aufschlüsselung der Kosten)?