1051/J XXVII. GP

Eingelangt am 27.02.2020
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Peter Wurm, Mag. Gerald Hauser, Mag. Harald Stefan

und weiterer Abgeordneter

an die Bundesministerin für Justiz

 

betreffend den Innsbrucker Datenschutzskandal

 

„Die Innsbrucker Grünen“ (GRÜNE), „Für Innsbruck“ (FI), „Die Volkspartei“ (ÖVP), „Tiroler Seniorenbund“ (TSB), „Sozialdemokratische Partei Österreichs“ (SPÖ) haben für die Arbeitsperiode des Innsbrucker Gemeinderates in den Jahren 2018 bis 2024 ein Koalitionsübereinkommen geschlossen in dem eine sogenannte „Leerstandserhebung“ vereinbart wurde.

 

In einer Aussendung vom 18.02.2020 berichtet das Büro des Bürgermeisters, dass eine Vollerhebung des Leerstandes derzeit auf zwei Hürden stoßen würde. Zum einen fehle die rechtliche Grundlage, zum anderen gäbe es sogenannte „Klärungsfälle“ im Gebäude- und Wohnungsregister. Als „Klärungsfälle“ gelten solche, bei welchen Mieter nicht genau angeben, in welchem Top sie wohnen.

 

Weiters wird ausgeführt, dass Bürgermeister Georg Willi über die exakte Zahl an leerstehenden Wohnungen informiert ist: „Die Daten zeigen: Es gibt einen Kern an langfristigem Leerstand. Aktuell sind das 2.031 Wohnungen, die seit mindestens zwei Jahren leer stehen – abgeleitet aus der Tatsache, dass die Innsbrucker Kommunalbetriebe AG (IKB) so gut wie keinen Stromverbrauch feststellen kann. Solche Wohnungen häufen sich in St. Nikolaus, Blockwilten, Blocksaggen und Pradl. Der kurzfristige Leerstand lässt sich mit der heutigen Datenlage nur schwer verorten.“[1]

 

Die Leerstandsdaten der einzelnen Gebäude wurden sodann weiterverarbeitet und mit anderen Daten abgeglichen: „Wenn man nun mehrere Datensätze übereinanderlegt (Gebäudealter, Alter der Eigentümer) ist ein erster Zusammenhang erkennbar. Leerstand findet sich vor allem in jenen Gebieten, deren Gebäude eine alte Baustruktur aufweisen. Die Eigentümer sind im Durchschnitt über 58 Jahre alt. Das heißt: neben dem spekulativen Leerstand gibt es einen größeren Teil an gebäudespezifischem Leerstand.“

 

In der Aussendung sowie in anderen Medienberichten[2] werden Fotos gezeigt, auf welchen einzelne Häuser in von Bürgermeister Georg Willi präsentierten Grafiken als so solche mit „so gut wie keinem Stromverbrauch“ erkennbar sind.

 

Die Tiroler Tageszeitung berichtet, „dass es einen „harten Kern“ von aktuell 2031 Wohnungen gibt, die seit mindestens zwei Jahren leer stehen (ca. 2,5 % des Wohnungsbestandes): Denn dort liegt der Stromverbrauch laut Innsbrucker Kommunalbetrieben (IKB) bei unter 100 kwH jährlich, erklärten BM Georg Willi und sein Projektverantwortlicher Julius Weiskopf gestern.“[3]

 

Auch wenn im selben Artikel beteuert wird man habe die Daten der Häuser mit einem jährlichen Stromverbrauch von unter 100 kwH dem Bürgermeister nur je Straßenzug mitgeteilt, sind in den von Willi präsentierten Grafiken einzelne Häuser als Geringverbraucher ausgewiesen – auch mehrere Häuser pro Straßenzug. Er erscheint zudem lebensnaher, dass die Innsbrucker Kommunalbetriebe AG (IKB) die Daten über den Stromverbrauch je Haus, als je Straßenzug erhebt.

 

Da es sich in vielen Fällen nicht um Einfamilienhäuser handelt, sondern um Mehrparteienhäuser, steht zudem die Frage im Raum ob in den Daten identifizierte Wohnungen mit geringem Energiebedarf mit Daten des Zentralen Melderegisters verarbeitet wurden und wie der Bürgermeister auf diese Zugriff erlangen konnte.

 

Die IKB behauptet in einer späteren Klarstellung, „dass keine personenbezogenen Daten weitergegeben wurden.

 

„Die IKB hat jene Einheiten in einem bestimmten Bereich gezählt, die einen sehr geringen Stromverbrauch aufweisen. Als „Zählbereich“ wurde jeweils ein gesamter Straßenzug im Innsbrucker Stadtgebiet definiert. Die Summen dieser Wenig-Verbraucher wurden weitergegeben und lassen somit keine Rückschlüsse auf einzelne Wohnungen oder Einzelpersonen zu.“[4]

 

Datenschutzexperte Hans G. Zeger von der ARGE Daten spricht gegenüber der Tiroler Tageszeitung dennoch von einem „massiven Anschlag auf die Grundrechte“.[5]

 

Zukünftig will Willi jedoch überdies noch mehr Daten der Bürger gewinnen: „Laut Willi braucht es einerseits Veränderungen bei den rechtlichen Rahmenbedingungen, um eine Vollerhebung des Leerstandes durchführen zu können: erstens eine „Topnummernverordnung“ seitens des Landes, die sicherstellt, dass die Tops in den Häusern nach einheitlichem Muster vergeben werden – und es der Stadt damit erleichtert wird, das Wohnungs- und Gebäuderegister zu „bereinigen“. Zweitens müsse das Tiroler Statistikgesetz geändert werden, um die gewonnenen Daten auch verwenden zu dürfen.

 

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Justiz folgende

 

Anfrage

 

1)    Ermittelt die Staatsanwaltschaft, da Amtsmissbrauch (§302 StGB) aufgrund des geschilderten Sachverhalts nicht auszuschließen ist, gegen den Bürgermeister von Innsbruck?

a.    Wenn ja, wegen welcher strafrechtsrelevanten Tatbestände noch?

b.    Wenn nein, warum?

2)    Ermittelt die die Staatsanwaltschaft, gemeinsam mit dem Bundeskriminalamt?

a.    Wenn ja, gegen wen werden welcher strafrechtsrelevanten Tatsachen ermittelt?

3)    Hat die Staatsanwaltschaft wegen der Weitergabe von personenbezogenen und nicht-personenbezogenen Daten Ermittlungen aufgenommen?

a.    Wenn ja, arbeitet die Staatsanwaltschaft mit der Datenschutzbehörde zusammen?

b.    Wenn nein, warum?

4)    Gab es verbotene Interventionen (§308 StGB), um an die Daten heranzukommen, die vom Innsbrucker Bürgermeister präsentiert wurden?

5)    Werden in Bezug auf die oben genannten Sachverhalte wegen folgender Delikte ermittelt:

a.    Widerrechtlichem Zugriff auf ein Computersystem gern § 118a StGB

b.    Missbräuchlichem Abfangen von Daten gern § 119a StGB

c.    Missbrauch von Tonaufnahme- oder Abhörgeräten gern § 120 StGB

d.    Verletzung von Berufsgeheimnissen gern § 121 StGB

e.    Datenbeschädigung gern § 126a StGB

f.      Störung der Funktionsfähigkeit eines Computersystems gern § 126b StGB

g.    Missbrauch von Computerprogrammen oder Zugangsdaten gern § 126c StGB

h.    Schwerem Betrug gern § 147 StGB

i.     Betrügerischer Datenverarbeitungsmissbrauch gern § 148a StGB

j.      Datenfälschung gern § 225 StGB

k.    Datenverarbeitung in Gewinn-oder Schädigungsabsicht gern§ 63 DSG



[1] https://ibkinfo.at/leerstand-wohnungen-innsbruck

[2] https://tirol.orf.at/stories/3035172/

[3] https://www.tt.com/artikel/16654940/leerstand-in-innsbruck-vor-allem-bei-aelterer-bausubstanz

[4] https://www.ikb.at/newsdetail/klarstellung-zum-leerstand-in-innsbruck-ikb-wahrt-datenschutz?Array=&cHash=0a2bff8dfbe8c5cc28424ba031b5f907

[5] https://www.tt.com/artikel/16659459/leerstandserhebung-in-innsbruck-als-anschlag-auf-grundrechte