10524/J XXVII. GP

Eingelangt am 05.04.2022
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Anfrage

 

 

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, , Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Klimaschutz‚ Umwelt‚ Energie‚ Mobilität‚ Innovation und Technologie

betreffend Strategische Ausrichtung der OMV

 

In der Nacht vom 23. zum 24. Februar hat Russland die Ukraine auf mehreren Fronten mit massiver militärischer Gewalt angegriffen. Obgleich dieser Überfall nur eine weitere Etappe in einer Serie von unprovozierten Völkerrechtsverletzungen beginnend mit der Invasion der Halbinsel Krim 2014 darstellt, so repräsentiert sie doch eine neue Dimension in diesem Konflikt. Russland führt nun einen unverschleierten Krieg gegen ein völkerrechtlich – und bis vor kurzem auch von Russland – anerkanntes Nachbarland. Da der ukrainische Widerstand gegen diesen Angriffskrieg weit heftiger und kompetenter ist, als dies vonseiten Russlands wohl erhofft war und die internationale Reaktion auf die Invasion relativ geschlossen und konsequent war, kann sich die russische Führung unter Putin kaum noch gesichtswahrend zurückziehen. Dies hat innerhalb weniger Tage zu einer vollkommenen Eskalation des Kriegs geführt inklusive tausender ziviler und militärischer Toter, mehrerer Millionen Flüchtlinge und unfassbarem menschlichen Leid.

Der russische Angriffskrieg ist von der internationalen Staatengemeinschaft nahezu einstimmig verurteilt worden und Russland sowie seine Führung um Vladimir Putin wurden von der EU und vielen weiteren Staaten mit harten Wirtschaftssanktionen belegt, welche bereits nach wenigen Wochen erheblichen Druck auf Russland und seine Wirtschaft verursachen. Allerdings wurde schon im Vorfeld des Krieges klar, dass sich Europa in den letzten Jahrzehnten in eine viel zu große Abhängigkeit von russischen Energieimporten manövriert hat, was die Handlungsfähigkeit der EU deutlich reduziert, die wirtschaftliche und militärische Verwundbarkeit stark erhöht und Russland eine verlässliche Einnahmequelle zur Finanzierung des Angriffskriegs garantiert.

Österreich ist aufgrund des jahrelangen, kollektiven Versagens der österreichischen Energiepolitik in einer besonders prekären Lage. Entgegen zahlreicher Warnungen und mehrerer Völkerrechtsverletzungen vonseiten Putins (wie etwa der Besetzung der Krim) wurde im letzten Jahrzehnt nicht nur wenig bis gar nichts unternommen, um die Abhängigkeit von russischen Gasimporten zu reduzieren, sondern diese sogar ausgebaut. Bei einem plötzlichen Stopp der Gasversorgung - etwa bei einer weiteren Eskalation der Sanktionen oder als Folge eines Infrastrukturschadens im Zuge der Kampfhandlungen - wären aufgrund der am Ende des Winters fast leeren Speicher umgehend Lenkungsmaßnahmen notwendig und die österreichische Wirtschaft wäre gezwungen, den Betrieb deutlich zu reduzieren. Kurzfristige Alternativen für Gasimport in nennenswerten Mengen gibt es keine, weil unsere Gasinfrastruktur bewusst jahrelang ausschließlich auf Russland ausgerichtet worden ist.

Eine der Hauptursachen für dieses österreichische Versagen bei der Ausrichtung unserer Energiepolitik und Sicherung Wirtschaftsstandorts war die Unternehmensstrategie der OMV, an der die Bundesrepublik zu etwa einem Drittel beteiligt ist. In den letzten 15 Jahren scheiterten mehrfach Projekte zur Diversifizierung der Gasversorgung und zur Stärkung der Unabhängigkeit von Russland - etwa durch Beteiligungen in Norwegen, Rumänien oder durch die Schaffung der Nabucco-Pipeline - mehrfach an internem Widerstand. Ein ehemaliger OMV Chef sprach in einem Interview von "Russland-Verstehern" die dazu beigetragen haben, dass die Abhängigkeit von russischem Gas nicht reduziert, sondern aktiv erhöht wurde und so der österreichische Wirtschaftsstandort und die Versorgungssicherheit untergraben wurden. Auch verschiedene Finanzminister der Republik haben Eigentümervertreter des Bundes hier scheinbar keinerlei Interesse gezeigt hier entgegenzuwirken.

Aufgrund dieser Entwicklungen ist einerseits zu prüfen welche Rolle die Republik in Zukunft bzgl. OMV einnehmen wird und welche langfristige Strategie hier in Zusammenhang mit Versorgungssicherheit, aber auch Klimawandel geplant ist. Andererseits gibt es aufgrund der aktuellen Unsicherheiten und Preissteigerungen am Gas- und Ölmarkt zahlreiche kurzfristige Probleme, an deren Lösung sich die OMV - und so mit die Republik als Miteigentümer - beteiligen kann und muss.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

Anfrage:

 

 

  1. Welchen grundsätzlichen Nutzen und strategisches Ziel hat die Beteiligung der Republik Österreich an der OMV?
    1. Ist die Republik Österreich an der OMV beteiligt, da es sich bei der OMV um ein Infrastrukturunternehmen handelt und die Beteiligung die Versorgung mit Gas sicherstellen soll?
    2. Ist das Ziel der Beteiligung an der OMV, Gewinne für die Republik Österreich zu maximieren?
    3. Ist die OMV diesen Zielsetzungen im Zusammenhang mit der aktuellen Krise gerecht geworden?
    4. Wie beurteilt das BMF die strategische Beteiligung der Republik angesichts der Neuausrichtung der OMV als Chemiekonzern? 
  1. Welche Rolle hat das BMK bzw. die Bundesministerin für Klimaschutz‚ Umwelt‚ Energie‚ Mobilität‚ Innovation und Technologie seit Januar 2020 innerhalb der Regierung bei der strategischen Ausrichtung der OMV gespielt?
  2. Wurde die hohe Abhängigkeit von russischem Gas bzw. die entsprechende langjährige strategische Ausrichtung der OMV vonseiten des BMK bzw. der Bundesministerin für Klimaschutz‚ Umwelt‚ Energie‚ Mobilität‚ Innovation und Technologie seit Jänner 2020 als problematisch bewertet und innerhalb der Regierung thematisiert?
    1. Wenn ja, wann und wie?
    2. Wenn nein, warum nicht?
  1. Hat das BMK bzw. die Bundesministerin für Klimaschutz‚ Umwelt‚ Energie‚ Mobilität‚ Innovation und Technologie sich seit Januar 2020 für eine Anpassung der Unternehmensstrategie der OMV stark gemacht?
    1. Wenn ja, wann und wie?
    2. Wenn nein, warum nicht?
  1. War dem BMK bekannt, dass Beteiligungen an Importgasleitungen/inländischen Gasleitungen durch die OMV verkauft wurden (Allianz, Verbund …) während gleichzeitig in ausländische Leitungen, die kein Gas nach Österreich transportieren sollten (Nord Stream II) investiert wurde?
    1. Falls ja, seit wann und was war die Einschätzung der Expert_innen im BMK?
    2. Falls nein, warum nicht?
  1. Stellt die langjährig gewachsene hohe Abhängigkeit von russischem Gas und den damit verbundenen Problemen für Wirtschaftsstandort und Versorgungssicherheit aus Sicht des BMK ein Versagen des BMF dar, die Interessen der Republik innerhalb der OMV zu vertreten?
    1. Wenn nein, inwiefern hat das BMK versucht - in dieser Legislaturperiode und davor - die strategische Ausrichtung der OMV anzupassen?
  1. Welche mittel- und langfristigen strategischen Anpassungen wird das BMK bzw. die Bundesministerin für Klimaschutz‚ Umwelt‚ Energie‚ Mobilität‚ Innovation und Technologie bei der OMV aufgrund der aktuellen Ereignisse einfordern?
  2. Wird das BMK bzw. die Bundesministerin für Klimaschutz‚ Umwelt‚ Energie‚ Mobilität‚ Innovation und Technologie in punkto Versorgungssicherheit Maßnahmen ergreifen, um sich für die Diversifizierung der Gasversorgung bei der OMV einzusetzen?
    1. Wenn ja, welche Schritte werden hier gesetzt?
  1. Wird das das BMK bzw. die Bundesministerin für Klimaschutz‚ Umwelt‚ Energie‚ Mobilität‚ Innovation und Technologie Maßnahmen ergreifen, um sich für die Reduktion der Abhängigkeit von Russland bei der OMV einzusetzen?
    1. Wenn ja, welche Schritte werden hier gesetzt?
  1. Wird das BMK bzw. die Bundesministerin für Klimaschutz‚ Umwelt‚ Energie‚ Mobilität‚ Innovation und Technologie Maßnahmen ergreifen, um sich für die verstärkte Gasförderung im Inland bzw. der Beteiligung an entsprechenden Projekten bei der OMV einzusetzen?
    1. Wenn ja, welche Schritte werden hier gesetzt?
    2. Werden Leitungskapazitäten für den Import von Gas gebucht? Falls nein, warum nicht?
    3. Falls ja, wieviel ab Mai/ ab Juni & bis September?
  1. Wird das BMK bzw. die Bundesministerin für Klimaschutz‚ Umwelt‚ Energie‚ Mobilität‚ Innovation und Technologie Maßnahmen ergreifen, um das OMV Portfolio bzgl. Erdgasförderungen aus Norwegen nach Österreich zu fördern?
    1. Wenn ja, welche Schritte werden hier gesetzt?
  1. Wird das BMK bzw. die Bundesministerin für Klimaschutz‚ Umwelt‚ Energie‚ Mobilität‚ Innovation und Technologie Maßnahmen ergreifen, um die Errichtung einer Pipeline aus dem schwarzen Meer voranzutreiben?
    1. Falls ja, bis wann werden konkrete Pläne vorliegen?
    2. Falls nein, warum nicht?
  1. Wird das BMK bzw. die Bundesministerin für Klimaschutz‚ Umwelt‚ Energie‚ Mobilität‚ Innovation und Technologie Maßnahmen ergreifen, um das OMV Portfolio im Bereich LNG Importe auszubauen?
  2. Wird das BMK bzw. die Bundesministerin für Klimaschutz‚ Umwelt‚ Energie‚ Mobilität‚ Innovation und Technologie in der Rolle als Eigentümervertreter Maßnahmen ergreifen, um die bestehenden Gasspeicherkapazitäten für Österreich zu nutzen und somit die Versorgungssicherheit der österreichischen Bürgerinnen und des Wirtschaftsstandortes zu sichern?
  3. Welche kurzfristigen Schritte wird das BMK bzw. die Bundesministerin für Klimaschutz‚ Umwelt‚ Energie‚ Mobilität‚ Innovation und Technologie setzen, um den Gaspreis zu reduzieren?
  4. Welche kurzfristigen Schritte wird das BMK bzw. die Bundesministerin für Klimaschutz‚ Umwelt‚ Energie‚ Mobilität‚ Innovation und Technologie setzen, um auf einen etwaigen Versorgungsausfall im Zuge des Kriegs in der Ukraine reagieren zu können?
    1. Sind seit der Beginn des Ukraine-Krieges zusätzliche Pipeline Kapazitäten gebucht worden?
    2. Falls ja, wie viele? Von wo? Ab wann?
    3. Falls nein, warum nicht?
  1. Welche mittel- und langfristigen strategischen Anpassungen wird das BMK bzw. die Bundesministerin für Klimaschutz‚ Umwelt‚ Energie‚ Mobilität‚ Innovation und Technologie bei der OMV aufgrund der klimapolitischen Zielsetzungen der Bundesrepublik sowie der Europäischen Union einfordern?
  2. Welche Maßnahmen wird das BMK bzw. die Bundesministerin für Klimaschutz‚ Umwelt‚ Energie‚ Mobilität‚ Innovation und Technologie konkret setzen, um sicherzustellen, dass nächsten Winter nicht zwei Millionen Menschen in Österreich frieren müssen und die Industrieproduktion nicht zusammenbricht?
  3. Wie beurteilen das BMK die Einberufung eines Sonderaufsichtsrats der OMV, um die Versäumnisse aufzuarbeiten und schnellstmöglich Pläne für die Sicherung der Gasversorgung der Österreicher_innen für den nächsten Winter zu gewährleisten?
    1. Hat das BMK bereits Schritte dahingehend gesetzt?
    2. Wenn ja, welche und wann soll der Sonderaufsichtsrat stattfinden?
    3. Falls nein, welche anderen Schritte hat das BMK gesetzt, um die Versäumnisse in der OMV aufzuklären?