10525/J XXVII. GP

Eingelangt am 05.04.2022
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Strategische Ausrichtung der OMV

 

In der Nacht vom 23. zum 24. Februar hat Russland die Ukraine auf mehreren Fronten mit massiver militärischer Gewalt angegriffen. Obgleich dieser Überfall nur eine weitere Etappe in einer Serie von unprovozierten Völkerrechtsverletzungen beginnend mit der Invasion der Halbinsel Krim 2014 darstellt, so repräsentiert sie doch eine neue Dimension in diesem Konflikt. Russland führt nun einen unverschleierten Krieg gegen ein völkerrechtlich – und bis vor kurzem auch von Russland – anerkanntes Nachbarland. Da der ukrainische Widerstand gegen diesen Angriffskrieg weit heftiger und kompetenter ist, als dies vonseiten Russlands wohl erhofft war und die internationale Reaktion auf die Invasion relativ geschlossen und konsequent war, kann sich die russische Führung unter Putin kaum noch gesichtswahrend zurückziehen. Dies hat innerhalb weniger Tage zu einer vollkommenen Eskalation des Kriegs geführt inklusive tausender ziviler und militärischer Toter, mehrerer Millionen Flüchtlinge und unfassbarem menschlichen Leid.

Der russische Angriffskrieg ist von der internationalen Staatengemeinschaft nahezu einstimmig verurteilt worden und Russland sowie seine Führung um Vladimir Putin wurden von der EU und vielen weiteren Staaten mit harten Wirtschaftssanktionen belegt, welche bereits nach wenigen Wochen erheblichen Druck auf Russland und seine Wirtschaft verursachen. Allerdings wurde schon im Vorfeld des Krieges klar, dass sich Europa in den letzten Jahrzehnten in eine viel zu große Abhängigkeit von russischen Energieimporten manövriert hat, was die Handlungsfähigkeit der EU deutlich reduziert, die wirtschaftliche und militärische Verwundbarkeit stark erhöht und Russland eine verlässliche Einnahmequelle zur Finanzierung des Angriffskriegs garantiert.

Österreich ist aufgrund des jahrelangen, kollektiven Versagens der österreichischen Energiepolitik in einer besonders prekären Lage. Entgegen zahlreicher Warnungen und mehrerer Völkerrechtsverletzungen vonseiten Putins (wie etwa der Besetzung der Krim) wurde im letzten Jahrzehnt nicht nur wenig bis gar nichts unternommen, um die Abhängigkeit von russischen Gasimporten zu reduzieren, sondern diese sogar ausgebaut. Bei einem plötzlichen Stopp der Gasversorgung - etwa bei einer weiteren Eskalation der Sanktionen oder als Folge eines Infrastrukturschadens im Zuge der Kampfhandlungen - wären aufgrund der am Ende des Winters fast leeren Speicher umgehend Lenkungsmaßnahmen notwendig und die österreichische Wirtschaft wäre gezwungen, den Betrieb deutlich zu reduzieren. Kurzfristige Alternativen für Gasimport in nennenswerten Mengen gibt es keine, weil unsere Gasinfrastruktur bewusst jahrelang ausschließlich auf Russland ausgerichtet worden ist.

Eine der Hauptursachen für dieses österreichische Versagen bei der Ausrichtung unserer Energiepolitik und Sicherung Wirtschaftsstandorts war die Unternehmensstrategie der OMV, an der die Bundesrepublik zu etwa einem Drittel beteiligt ist. In den letzten 15 Jahren scheiterten mehrfach Projekte zur Diversifizierung der Gasversorgung und zur Stärkung der Unabhängigkeit von Russland - etwa durch Beteiligungen in Norwegen, Rumänien oder durch die Schaffung der Nabucco-Pipeline - mehrfach an internem Widerstand. Ein ehemaliger OMV Chef sprach in einem Interview von "Russland-Verstehern" die dazu beigetragen haben, dass die Abhängigkeit von russischem Gas nicht reduziert, sondern aktiv erhöht wurde und so der österreichische Wirtschaftsstandort und die Versorgungssicherheit untergraben wurden. Auch verschiedene Finanzminister der Republik haben als Eigentümervertreter des Bundes scheinbar keinerlei Interesse gezeigt hier entgegenzuwirken.

Aufgrund dieser Entwicklungen ist einerseits zu prüfen, welche Rolle die Republik in Zukunft bzgl. OMV einnehmen wird und welche langfristige Strategie hier in Zusammenhang mit Versorgungssicherheit, aber auch Klimawandel geplant ist. Andererseits gibt es aufgrund der aktuellen Unsicherheiten und Preissteigerungen am Gas- und Ölmarkt zahlreiche kurzfristige Probleme, an deren Lösung sich die OMV - und somit die Republik als Miteigentümer - beteiligen kann und muss.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

Anfrage:

 

 

  1. Welchen grundsätzlichen Nutzen und strategisches Ziel hat die Beteiligung der Republik Österreich an der OMV?
    1. Ist die Republik Österreich an der OMV beteiligt, da es sich bei der OMV um ein Infrastrukturunternehmen handelt und die Beteiligung die Versorgung mit Gas sicherstellen soll?
    2. Ist das Ziel der Beteiligung an der OMV, Gewinne für die Republik Österreich zu maximieren?
    3. Ist die OMV diesen Zielsetzungen im Zusammenhang mit der aktuellen Krise gerecht geworden?
    4. Wie beurteilt das BMF die strategische Beteiligung der Republik, angesichts der Neuausrichtung der OMV als Chemiekonzern?
  1. Wurde das BMF in Kenntnis darüber gesetzt, dass die OMV für die Finanzierung der Nord Stream II der Gazprom 729 Mio. Euro zur Verfügung gestellt hat?
    1. Wenn ja, wie beurteilt das BMF den Umstand, dass entgegen gängiger Praxis nicht eine Bank, sondern ein anderes Unternehmen den Bau der Nord Stream II zum Teil finanziert hat? 
    2. Welchen Nutzen hat eine Teilfinanzierung der Pipeline Nord Stream II für die Republik Österreich?
    3. Wie viel Prozent der 729 Mio. Euro wurden bereits zurückgezahlt?
    4. Welche Maßnahmen wird das BMF setzen, wenn es zu einem Zahlungsausfall durch die Insolvenz der Nord Stream 2 Betreibergesellschaft kommt?
    5. Ist dem BMF bekannt, dass Nord Steam II nicht geplant war, um Gas nach Österreich zu transportieren?

                                          i.    Falls ja, seit wann?

  1. War dem BMF bekannt, dass Beteiligungen an Importgasleitungen/inländischen Gasleitungen durch die OMV verkauft wurden (Allianz, Verbund …) während gleichzeitig in ausländische Leitungen, die kein Gas nach Österreich transportieren sollten (Nordstream II) investiert wurde? 
    1. Falls ja, seit wann und was war die Einschätzung der Expert_innen im BMF?
    2. Falls nein, warum nicht?
  1. Wurde das BMF  bzw. der Bundesminister für Finanzen in Kenntnis über den von OMV und Gazprom geplanten "Asset Swap", im Zuge dessen die OMV eine knapp 25% Beteiligung am Achimov-Gasfeld und die Gazprom im Gegenzug Assets der OMV (Norge) AS erhalten hätte sollen, gesetzt?
    1. Wenn ja, hat das BMF diesen Asset Swap unterstützt und welche Maßnahmen hat es dahingehend gesetzt?
    2. War das BMF mit Vertreter_innen der norwegischen Regierung dahingehend in Austausch, da sich Norwegen von Anfang an gegen den Einstieg der Russen bei der OMV (Norge) AS quergelegt hat, und wenn ja, was war das Ergebnis? 
    3. Wenn nein, warum nicht? 
  1. Im 4. Quartal 2021 hat die OMV Abschreibungen und Wertberichtigungen in Höhe von 1,7 Mrd. Euro vorgenommen. Wie beurteilt das BMF bzw. der Bundesminister für Finanzen in der Rolle als Eigentümervertreter dieses Vorgehen?
  2. Welche Rolle haben das BMF bzw. der Bundesminister für Finanzen und seine Vorgänger in der Rolle als Eigentümervertreter der Republik seit Januar 2020 bei der strategischen Ausrichtung der OMV gespielt?
  3. Wurde die hohe Abhängigkeit von russischem Gas bzw. die entsprechende langjährige strategische Ausrichtung der OMV von Seiten des BMF bzw. der Bundesminister für Finanzen in der Rolle als Eigentümervertreter seit Jänner 2020 als problematisch bewertet und innerhalb des Unternehmens thematisiert?
    1. Wenn ja, wann?
    2. Wenn nein, warum nicht?
  1. Stellt die langjährig gewachsene hohe Abhängigkeit von russischem Gas und den damit verbundenen Problemen für Wirtschaftsstandort und Versorgungssicherheit ein Versagen des BMF dar, die Interessen der Republik innerhalb der OMV zu vertreten?
    1. Wenn nein, inwiefern hat das BMF versucht - in dieser Legislaturperiode und davor - die strategische Ausrichtung der OMV anzupassen?
  1. Welche mittel- und langfristigen strategischen Anpassungen wird das BMF bzw. der Bundesminister für Finanzen in der Rolle als Eigentümervertreter bei der OMV aufgrund der aktuellen Ereignisse einfordern?
  2. Wird das BMF bzw. der Bundesminister für Finanzen in der Rolle als Eigentümervertreter in punkto Versorgungssicherheit Maßnahmen ergreifen, um sich für die Diversifizierung der Gasversorgung bei der OMV einzusetzen?
    1. Wenn ja, welche Schritte werden hier gesetzt?
  1. Wird das BMF bzw. der Bundesminister für Finanzen in der Rolle als Eigentümervertreter Maßnahmen ergreifen, um sich für die Reduktion der Abhängigkeit von Russland bei der OMV einzusetzen?
    1. Wenn ja, welche Schritte werden hier gesetzt?
  1. Laut aktuellem Geschäftsbericht fördert die OMV in Norwegen insgesamt ca. 27TWh (16.3Mboe) Erdgas jährlich in Norwegen, was in etwa einem Drittel des österreichischen Gasbedarfs entspricht. Wird das BMF bzw. der Bundesminister für Finanzen in der Rolle als Eigentümervertreter Maßnahmen ergreifen, um einen größeren Anteil davon dem österreichischen Markt zur Verfügung zu stellen?
    1. Wenn keine derartigen Schritte gesetzt werden, warum nicht?
    2. Wenn keine derartigen Schritte gesetzt werden, welchen Nutzen hat dann der/die österreichische Steuerzahler_in konkret an dieser Geschäftstätigkeit bzw. der Beteiligung der Republik daran?
    3. Da bereits in der in der Vergangenheit Gas aus Norwegen nach Österreich geswapped wurde, welche Mengen sollten aus Sicht des BMF und des Finanzministeriums in Zukunft für Österreich reserviert werden und ab wann könnten solche Gaslieferungen nach Österreich stattfinden?
    4. Hatte das BMF bzw. der Finanzminister bereits Unterredungen mit der OMV damit dementsprechend Leitungskapazitäten gebucht werden?
    5. Falls ja, mit welchem Volumina wird hier bis Mai, bis Juni und bis September gerechnet?
  1. Wird das BMF bzw. der Bundesminister für Finanzen in der Rolle als Eigentümervertreter Maßnahmen ergreifen, diese Geschäftstätigkeit in Norwegen kurzfristig auszuweiten, um die Gasversorgung Österreichs stärker zu diversifizieren?
    1. Wenn keine derartigen Schritte gesetzt werden, warum nicht?
    2. Wenn keine derartigen Schritte gesetzt werden, welchen Nutzen hat dann der/die österreichische Steuerzahler_in konkret an dieser Geschäftstätigkeit bzw. der Beteiligung der Republik daran?
  1. Wird das BMF Maßnahmen ergreifen, um die Errichtung einer Pipeline aus dem Schwarzen Meer voranzutreiben?
    1. Falls ja, bis wann werden konkrete Pläne vorliegen?
    2. Falls nein, warum nicht?
  1. Wird das BMF bzw. der Bundesminister für Finanzen in der Rolle als Eigentümervertreter Maßnahmen ergreifen, um das OMV Portfolio im Bereich LNG Importe auszubauen?
  2. Laut Pressestatement hat das Gate Terminal bei Rotterdam, an dem die OMV maßgeblich beteiligt ist eine jährliche Regasifizierungskapazität von 12 Mrd m³ Gas bzw. 127TWh - was etwa 133% dem österreichischen Jahresbedarfs entspricht. Wird das BMF bzw. der Bundesminister für Finanzen in der Rolle als Eigentümervertreter Maßnahmen ergreifen, um das Gate Terminal in Rotterdam verstärkt für Importe nach Österreich zu nutzen?
    1. Wenn ja, über welche Pipelineinfrastruktur?
    2. Wenn keine derartigen Schritte gesetzt werden, warum nicht?
    3. Wenn keine derartigen Schritte gesetzt werden, welchen Nutzen hat dann der/die österreichische Steuerzahler_in konkret an dieser Geschäftstätigkeit bzw. der Beteiligung der Republik daran?
  1. Wird das BMF bzw. der Bundesminister für Finanzen in der Rolle als Eigentümervertreter Maßnahmen ergreifen, um die bestehenden Gasspeicherkapazitäten für Österreich zu nutzen und somit die Versorgungssicherheit der österreichischen Bürgerinnen und des Wirtschaftsstandortes zu sichern?
  2. Welche kurzfristigen Schritte wird das BMF bzw. der Bundesminister für Finanzen in der Rolle als Eigentümervertreter bei der OMV setzen, um den Gaspreis zu reduzieren?
  3. Welche kurzfristigen Schritte wird das BMF bzw. der Bundesminister für Finanzen in der Rolle als Eigentümervertreter bei der OMV setzen, um auf einen etwaigen Versorgungsausfall im Zuge des Kriegs in der Ukraine reagieren zu können?
    1. Sind seit der Beginn des Ukraine-Krieges zusätzliche Pipeline Kapazitäten gebucht worden?
    2. Falls ja, wie viele? Von wo? Ab wann?
    3. Falls nein, warum nicht?
  1. Welche mittel- und langfristigen strategischen Anpassungen wird das BMF bzw. der Bundesminister für Finanzen in der Rolle als Eigentümervertreter bei der OMV aufgrund der klimapolitischen Zielsetzungen der Bundesrepublik sowie der Europäischen Union einfordern?
  2. Welche Maßnahmen wird das BMF bzw. der Bundesminister für Finanzen konkret setzen, um sicherzustellen, dass nächsten Winter nicht zwei Millionen Menschen in Österreich frieren müssen und die Industrieproduktion nicht zusammenbricht?
  3. Haben Sie vor, in nächster Zeit einen Sonderaufsichtsrat der OMV einzuberufen, um die Versäumnisse aufzuarbeiten und schnellstmöglich Pläne für die Sicherung der Gasversorgung der Österreicher_innen für den nächsten Winter zu gewährleisten?
    1. Falls ja, hat das BMF bereits Schritte dahingehend gesetzt?
    2. Falls ja, wird das BMF eine Berichtslegung fordern, um sicherzugehen, dass alle notwendigen Maßnahmen im Sinne der Versorgungssicherheit getroffen wurden?
    3. Falls nein, welche anderen Schritte hat das BMF gesetzt, um die Versäumnisse in der OMV aufzuklären?