10649/J XXVII. GP
Eingelangt am 05.04.2022
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Anfrage
der Abgeordneten Michael Schnedlitz
und weiterer Abgeordneter
an die Präsidentin des Rechnungshofes
betreffend mutmaßliche ÖVP-Korruption – wenn der Rechnungshof wegsieht
Der Verdacht, dass in diversen ÖVP-Ministerien seit Jahren Parteiarbeit auf Kosten der Steuerzahler verrichtet wird, wird seit Monaten breit in den Medien diskutiert. Fragt man die Rechnungshofpräsidentin, warum hier dennoch nicht geprüft wird,[1] wird schlichtweg nicht geantwortet. Obwohl es insbesondere für die Bewertung der Haushaltsführung durch die Rechnungshofpräsidentin relevant ist zu wissen, wie Ressourcen eingesetzt werden und ob man Prüfschritte setzt, verschweigt sich diese pauschal.[2] Man beruft sich auf besonders eng interpretierte gesetzliche Grenzen.
Weniger eng interpretiert man die eigentliche Aufgaben des Rechnungshofes gemäß dem Rechnungshofgesetz. Die ehemalige ÖVP-Familienministerin und Meinungsforscherin Sophie Karmasin wurde aufgrund von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft festgenommen. Im Raum steht der Vorwurf der Umfragen- und Inseratenkorruption, insbesondere gegen Ex-ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz und sein enges Umfeld. Die Meinungsforscherin soll über viele Jahre hinweg bei Angebot und Abrechnung von Umfragen und Studien mit Ministerien betrogen haben. Der Rechnungshof scheint von all dem nichts mitbekommen zu haben, obwohl er hierfür die Prüfkompetenz hätte und gerade solche Vorgänge aufzudecken wären.
Stattdessen betreibt der Rechnungshof inzwischen einen eigenen Podcast[3] und veröffentlicht in politischem Aktionismus medienwirksam Gesetzesentwürfe. Es stellt sich – vor dem Hintergrund der augenscheinlichen Untätigkeit bezugnehmend auf die jüngsten ÖVP-Skandale die Frage, ob der Rechnungshof die dafür notwendige Prüfkompetenz aufweist. Inwiefern der Entwurf des Rechnungshofes „unabhängig von parteipolitischen Gesichtspunkten nach rein sachlichen, objektiven Kriterien ausgearbeitet“[4] wurde, ist ebenfalls zu hinterfragen.
Bereits im Juni 2016 berichtete „Die Presse“, dass der damalige ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka darauf beharrt, „eine seiner beiden Kandidatinnen“, uA. Margit Kraker, „als Rechnungshof-Präsidentin durchzusetzen“.[5] Seitens der ÖVP wollte man einen „Kandidaten aus [dem] politischen Umfeld“,[6] obwohl sich der damalige Bundeskanzler Christian Kern explizit gegen Personen mit Partei-Karriere als Rechnungshof-Präsidenten ausgesprochen hatte. Eine solche Karriere kann man der Rechnungshofpräsidentin, die als Juristin im ÖVP-Parlamentsklub, als beamtete Leiterin des ÖVP-Landtagsklubs Steiermark sowie als Büroleiterin des nunmehrigen ÖVP-Landeshauptmanns der Steiermark,[7] Hermann Schützenhöfer, tätig war, keineswegs absprechen. Folglich betonte Bundeskanzler Kern auch, dass man einen „ganz unabhängigen Kandidaten“ vorgezogen hätte.[8]
„Margit Kraker wurde durch einen ÖVP-Postenschacher Präsidentin des Rechnungshofes“,[9] stellte die deutsche Wochenzeitung „Die Zeit“ diesbezüglich im März 2022 abschließend fest.
Nicht nur die ÖVP als juristische Person und politische Heimat der Rechnungshofpräsidentin, sondern auch der ÖVP-Nationalratspräsident, der Klubobmann der ÖVP und die ÖVP-Justizsprecherin tragen inzwischen Aktenzahlen als Beschuldigte in diversen strafrechtlichen Verfahren.[10] Vor diesem Hintergrund erscheint die Forderung nach Einsichtsrechten in (Oppositions-)Parteien durch den Rechnungshof durchaus beachtenswert.
In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an die Präsidentin des Rechnungshofes folgende
Anfrage
1. Welche Wahrnehmungen hat der Rechnungshof hinsichtlich der mutmaßlichen Umfragen- und Inseratenkorruption durch die ehemalige ÖVP-Ministerin Karmasin bzw. darüber hinaus in von ÖVP-Ministern geführten Ministerien?
2. Wie konnte der Rechnungshof solch ein vermeintlich korruptives System übersehen?
3. In welchen Prüfverfahren wurden entsprechende Vorgänge geprüft?
4. Wurden entsprechende Vorgänge jemals beanstandet?
a. Wenn ja, in welchen Berichten?
b. Wenn ja, inwiefern?
c. Wenn nein, warum nicht?
5. Welche Wahrnehmungen hat der Rechnungshof hinsichtlich allfällig verbotener Personal/Sach-Spenden von ÖVP-Kabinetten zugunsten der ÖVP?
6. Wurde diesbezüglich jemals geprüft?
a. Wenn ja, wann?
b. Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
c. Wenn nein, warum nicht?
7. Wieso fiel die mutmaßlich zweckwidrige Verwendung von öffentlichem Geld zum Wohle einer Partei oder auch ihrer Repräsentanten bei Prüfungen der betroffenen Bundeseinrichtungen durch den Rechnungshofes nie auf?
8. Planen Sie diesbezüglich inzwischen eine Prüfung?
a. Wenn ja, wie beurteilen Sie in der Prüfungsplanung Risikopotenzial, Ausgabenhöhen, Veränderungen wichtiger Kenngrößen, aktuelle Ereignisse, das besondere öffentliche Interesse und die präventive Wirkung? (Bitte je Kriterium antworten)
b. Wenn nein, inwiefern liegt kein Risikopotenzial vor?
c. Wenn nein, inwiefern sind die Ausgabenhöhen vernachlässigbar?
d. Wenn nein, inwiefern liegt keine Veränderungen wichtiger Kenngrößen vor?
e. Wenn nein, handelt es sich nicht um ein aktuelles Ereignis?
f. Wenn nein, inwiefern liegt kein besonderes öffentliches Interesse vor?
g. Wenn nein, warum bedarf es keiner präventiven Wirkung?
9. Liegen Ihnen vor dem Hintergrund der begründenden Einleitung Prüfanliegen vor?
a. Wenn ja, von wem?
b. Wenn ja, wann sind diese jeweils zugegangen?
c. Wenn ja, welche Schritte wurden diesbezüglich gesetzt?
d. Wenn ja, welche konkreten Prüfanregungen enthalten diese Anliegen jeweils?
10. Haben sich auch Privatpersonen an Sie gewandt bzw. Sie aufgefordert tätig zu werden?
a. Wenn ja, wie viele Personen?
b. Wenn ja, wie haben diese Kontakt aufgenommen?
Wenn ja, welche Schritte wurden diesbezüglich gesetzt
11. Bereiten sich Prüferinnen und Prüfer bereits auf eine diesbezügliche Prüfung vor?
a. Wenn ja, seit wann?
b. Wenn ja, wodurch veranlasst?
c. Wenn ja, aufgrund welcher Rechtsgrundlage?
d. Wenn ja, betreffend welchem Prüfgegenstand?
e. Wenn ja, wie viele Personen?
f. Wenn nein, warum nicht?
12. Planen Sie Einschauen an Ort und Stelle?
a. Wenn ja, an welchen Orten?
b. Wenn ja, zu welchem der im Raum stehenden Vorwürfe?
c. Wenn nein, warum nicht?
13. Planen Sie Gespräche oder Interviews mit den in der Begründung genannten Beschuldigten?
a. Wenn ja, mit wem?
b. Wenn ja, zu welchem der im Raum stehenden Vorwürfe?
c. Wenn ja, wann?
d. Wenn nein, warum nicht?
14. Entspricht die Verwendung von Bediensteten in Ministerien für parteipolitische Arbeit der ÖVP den Zielen und Grundsätzen der Haushaltsführung im Sinne des Bundeshaushaltsgesetzes?
a. Wenn ja, inwiefern?
b. Wenn nein, wie prüft der Rechnungshof solche Verwendungen?
15. Wurde die Verwendung von Bediensteten in Ministerien für parteipolitische Arbeit der ÖVP in den Rechenschaftsberichten (§ 5 PartG) der ÖVP ausgewiesen?
a. Wenn ja, inwiefern?
b. Wenn ja, in welchem Ausmaß?
c. Wenn ja, welche Schritte hat der Rechnungshof daraufhin unternommen?
16. Liegen Ihnen vor dem Hintergrund der einleitenden Begründung konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass im Rechenschaftsbericht der ÖVP enthaltene Angaben unrichtig oder unvollständig sind – insbesondere hinsichtlich lebender Subventionen iSd § 2 Z5 PartG?
a. Wenn ja, welche?
b. Wenn ja, seit wann?
c. Wenn ja, welche Schritte wurden daraufhin gesetzt?
d. Wenn ja, wann wurden diese Schritte jeweils gesetzt?
e. Wenn nein, warum nicht?
17. Wie ist die vorangehende Frage bezüglich Zahlungen und Sachleistungen iSd § 2 Z5 PartG zu beantworten?
18. Wurde der betroffenen politischen Partei ÖVP vom Rechnungshof die Möglichkeit zur Stellungnahme innerhalb angemessener Frist eingeräumt?
a. Wenn ja, wann?
b. Wenn ja, über welchen Zeitraum erstreckte sich die Frist?
c. Wenn ja, wann wurde eine Stellungnahme abgegeben?
d. Wenn ja, welche Schritte wurden in Folge der Stellungnahme gesetzt?
e. Wenn ja, wann wurden diese Schritte gesetzt?
f. Wenn nein, wann werden Sie diese Möglichkeit einräumen?
19. Haben Sie von der politischen Partei ÖVP die Bestätigung der Richtigkeit ihrer Stellungnahme durch ihren Wirtschaftsprüfer verlangt?
a. Wenn ja, wann?
b. Wenn ja, warum?
c. Wenn ja, durch welchen Wirtschaftsprüfer wird die Richtigkeit bestätigt?
20. Konnte die Stellungnahme durch den Wirtschaftsprüfer die nach §10 Abs. 4 PartG verlangte Stellungnahme die dem Rechnungshof vorliegenden konkreten Anhaltspunkte für Unrichtigkeiten und Unvollständigkeiten im Rechenschaftsbericht ausräumen?
a. Wenn ja, inwiefern?
b. Wenn nein, warum nicht?
21. Wurde daraufhin aus einer von der Kammer der Wirtschaftstreuhänder übermittelten Liste mit Wirtschaftsprüfern durch Los ein bislang nicht bestellter Wirtschaftsprüfer mit der Prüfung des Rechenschaftsberichts beauftragt?
a. Wenn ja, warum?
b. Wenn ja, wer wurde gelost?
c. Wenn nein, warum nicht?
22. Inwiefern wurde gem. § 10 Abs. 5 PartG geprüft, ob ein politisches Naheverhältnis des Gelosten zur ÖVP ausgeschlossen werden kann?
23. Wurde von der ÖVP dem bestellten Wirtschaftsprüfer Zugang und Einsicht in die zur Prüfung erforderlichen Unterlagen und Belege gewährt?
a. Wenn ja, wann?
b. Wenn ja, über welchen Zeitraum?
c. Wenn nein, warum nicht?
24. Wurden aufgrund unrichtiger oder unvollständiger Angaben im Rechenschaftsbericht Geldbusen verhängt?
a. Wenn ja, wann?
b. Wenn ja, gegen wen? (Bitte angeben ob gegen die Partei, eine nahestehende Organisation oder Gliederung)
c. Wenn ja, in welcher Höhe?
d. Wenn ja, sind weitere Geldbusen auszuschließen?
e. Wenn nein, warum nicht?
25. Gibt es vor dem Hintergrund der einleitenden Begründung Anhaltspunkte, dass eine politische Partei, nahestehende Organisation oder Gliederung Spenden unter Verstoß gegen § 6 Abs. 1a, 4, 5 oder 6 PartG angenommen, nicht ausgewiesen oder nicht gemeldet hat?
a. Wenn ja, welche Anhaltspunkte liegen vor?
b. Wenn ja, wann wurden diese bekannt?
c. Wenn ja, in welcher Höhe?
d. Wenn ja, welche Schritte wurden daraufhin gesetzt?
26. Inwiefern evaluiert der Rechnungshof seine eigene Gebarung, vor dem Hintergrund, dass dieser Podcasts produziert und Gesetzesentwürfe präsentiert, aber parlamentarische Anfragen nicht beantwortet wurden?
27. Welche Aufrufzahlen erreicht der Rechnungshof mit seinem Podcast je Episode und Plattform zur Verbreitung?
28. Welche Kosten werden durch die Erstellung des Podcasts budgetwirksam?
29. Wie würde der Rechnungshof einen Podcast einer öffentlichen Einrichtung, der binnen eines Monats auf YouTube lediglich 16 Aufrufe erzielt (https://www.youtube.com/watch?v=yLZgcSK8xIM) hinsichtlich Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit beurteilen?
30. Nach welchen Kriterien legt der Rechnungshof verschiedene Maßstäbe an, wenn er seine Aufgaben bzw. Pflichten enger oder weiter definiert?
31. Wieso dauerte die (Nicht-)Beantwortung der Anfrage betreffend „Keine Rechnungshofprüfung nach türkisen Korruptionsskandalen?“ (8576/AB) knapp zwei Monate?
32. Wann wurde die Anfrage erstmals inhaltlich geprüft?
33. Welche Schritte, die eine Bearbeitungszeit von knapp zwei Monaten rechtfertigen, wurden daraufhin gesetzt?
[1] Vgl. Anfrage betreffend „Keine Rechnungshofprüfung nach türkisen Korruptionsskandalen?“ (8739/J), https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/J/J_08739/index.shtml
[2] Siehe Anfragebeantwotung (8576/AB), https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/AB/AB_08576/index.shtml
[3] https://www.rechnungshof.gv.at/rh/home/fragen-medien/Podcast_Trust_/Der_Podcast_aus_dem_Rechnungshof.html
[4] https://www.rechnungshof.gv.at/rh/home/news/news/news_2/Rechnungshof_legt_Vorschlag_fuer_ein_wirksameres_Parteien.html
[5] https://www.diepresse.com/5004853/lopatka-will-rechnungshof-praesidentin-gegen-spoe-durchsetzen
[6] https://www.diepresse.com/5004346/rechnungshof-lopatka-fuer-kandidaten-aus-politischem-umfeld
[7] https://www.meineabgeordneten.at/Abgeordnete/margit.kraker, https://www.kleinezeitung.at/steiermark/6021160/Steirer-an-den-Schalthebeln_Margit-Kraker_Unsere-Macht-besteht
[8] https://kurier.at/politik/inland/lopatka-ueber-rh-nachfolge-mehrheit-gegen-spoe-kein-koalitionsbruch/203.158.166
[9] https://www.zeit.de/2022/10/parteiengesetz-oesterreich-tranzparenz-margit-kraker
[10] Eine vorläufige Aufzählung aller Beschuldigten findet sich hier: https://zackzack.at/2022/04/03/wurm-im-staat