10654/J XXVII. GP
Eingelangt am 07.04.2022
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Fiona Fiedler, Kolleginnen und Kollegen
an den Bundesminister für Soziales‚ Gesundheit‚ Pflege und Konsumentenschutz
betreffend Medizinische Innovationsboards
Im Gesundheitssystem stellt sich seit jeher der Konflikt, mit den vorhandenen Mitteln ein Maximum an Versorgung zu organisieren. Damit befindet man sich im Spannungsfeld von schnellstmöglichen Therapiezugang und Therapiekosten. Letztere können bei innovativen Therapien sehr hoch sein, speziell zu Beginn. Die Frage stellt sich zudem, wie sehr die Verantwortlichen den Fokus auf niedrige Preise richten, um Kosten einzusparen.
Ausrollen der Kostenrechnung
Im Bereich der Sozialversicherung erfolgt die Aufnahme von innovativen Therapien in den Erstattungskodex (EKO) durch die die Bewertung der Heilmittelevaluierungskommission (HEK). Das gilt für Innovationen genauso wie für die Preisbildung bei Generika und Biosimilars, die in weiterer Folge auf den Markt gelangen. Im Spitalsbereich haben viele Träger Medizinische Innovationsboards eingeführt, wie beispielsweise die KAGES mit dem sogenannten „Medizinischen Innovationsboard“ (MIB) (1). Weil dafür die gesetzlichen Grundlagen fehlen, herrscht wenig Klarheit darüber, wie Patient:innen oder Produzenten zu informieren sind, nach welchen Kriterien und Entscheidungsregeln eine Therapie in der KAGES Anwendung an Patient:innen findet und unter welchen Umständen das nicht der Fall ist. Es fehlt darüber hinaus jeder Rechtsschutz für Patient:innen, denen der Zugang zu bestimmten medikamentösen Therapien verwehrt wird (2). Im Laufe der Zeit verbreitete sich das Konzept der MIBs und beispielsweise die Länder Salzburg und Tirol schlossen Kooperationsvereinbarungen ab, um diese mit nutzen zu können (3).
Auch in Niederösterreich wurden MIBs eingeführt, dies hatte die Landesregierung bereits 2019 bestätigt (4), wobei das niederösterreichische Innovationsboard zu Vorwürfen zwischen den Ländern führten, dass teurere Patient:innen unter dem Vorwand von Therapie-Einschränkungen nach Wien verlagert würden (5).
Mangelnde Rücksicht auf Patientennutzen
Unabhängig davon, dass die Qualität von Patientenversorgung keine Kostenfrage sein sollte, ist Zeit bei schweren Krankheiten oft der entscheidende Faktor ist. Derzeit ist nicht klar, wie sich die Entscheidungen des MIB auf die Lebensqualität oder das Überleben von betroffenen Patient:innen auswirken. Für schwerkranke Patient:innen kann eine verlängerte Verfahrensdauer (auch wenn es sich nur um wenige Wochen handelt) nicht selten den Tod bedeuten. Dennoch zeigt sich, dass die MIBs hier für Ungerechtigkeiten zwischen den Bundesländern sorgen und Onkologen immer wieder bemängeln, dass der Fokus auf finanzielle Aspekte von Behandlungen zu Nachteilen für Patient:innen führt(6).
Nachdem die Nachteile MIBs rasch klar ersichtlich wurden, wurden mithilfe der Versicherungsträger noch 2018 das Bewertungsboard für kostenintensive Medikamente (BMK) eingerichtet. Da bei den MIBs unklar war, wer genau auf welcher Basis die Entscheidung über den Medikamenteneinsatz traf, war es Ziel des BMK, nicht nur eine ökonomische, sondern auch eine medizinisch-therapeutische Einschätzung zu treffen und die Patientenverteilung zwischen den Krankenhäusern besser zu steuern (3). Da es sich bei dem BMK allerdings nur um ein zeitlich und inhaltlich begrenztes Pilotprojekt handelt, ist unklar, ob und wie die Praxis der MIBs damit ausgeglichen werden kann. Zwar führte das Ministerium schon zum Start des Projekts aus, dass mit diesem eine bundesweite Praxis entstehen sollte, sind Entscheidungen der MIBs nach wie vor nicht rechtsverbindlich und auch, wenn Krankenhäuser Patient:innen nicht nach dem Wohnort diskriminieren dürfen, gibt es in unterschiedlichen Regionen unterschiedliche Versorgungsangebote - mit denen die Nutzung verschiedener Arzneimittel einhergeht - wodurch es zu verschiedenen Versorgungsstandards kommt.
Gemäß den Empfehlungen des Rechnungshofes und weil es auch bei der Versorgung von seltenen Krankheiten und hochpreisigen Therapien zu immer mehr Flexibilität zwischen niedergelassener, ambulanter und stationärer Versorgung kommt, ist es also nötig, dass das BMSGPK eine gesamtstaatliche Planung zur Versorgung von Patient:innen mit innovativen (und hochpreisigen) Medikamenten vorlegt und sich um deren Umsetzung bemüht. Grundsätzlich müssen für derartige Vereinbarungen ja nicht nur klassische Einkaufsvereinbarungen durch Krankenanstaltenapotheken oder Aufnahmen in den Erstattungskodex genutzt werden, sondern im internationalen Vergleich zeigen sich sogar erfolgsabhängige Bezahlungsmodelle als nicht unüblich (7)
(1) http://www.landesrechnungshof.steiermark.at/cms/dokumente/12653535_3515517/adc2d0a3/Pr%C3%BCfbericht%20Onkologische%20Versorgung%20Steiermark.pdf
(2) https://steiermark.orf.at/news/stories/2892085/
(3) https://www.rechnungshof.gv.at/rh/home/home/Arzneimittelbeschaffung_Bund_2019_44.pdf
(4) https://www.landtag-noe.at/service/politik/landtag/LVXIX/05/597/597B.pdf
(5) https://www.krone.at/1837117
(6) https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/wissen/forschung/2079132-Zugang-zu-wirksameren-Krebstherapien-wird-schwieriger.html
(7) https://irihs.ihs.ac.at/id/eprint/5914/1/ihs-report-2021-czypionka-stacherl-hobodites-wert-innovation-gesundheitswesen.pdf
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
a. Falls ja, bitte um Aufstellung der Mitglieder inklusive deren Zuständigkeit für Krankenhausbetreiber beziehungsweise Krankenhäuser
a. Falls ja, bitte um Übermittlung der einzelnen Krankenanstalten
9. Laut Aussage von BM Mückstein soll das Bewertungsboard für kostenintensive Medikamente als gemeinsame Instanz aller Bundesländer und der Sozialversicherung vom Pilotprojekt in eine Dauereinrichtung umgewandelt werden. Welche und wie viele Gespräche mit Vertretern der Versicherungsträger und Bundesländer gab es dazu bisher? (Bitte um Übermittlung der Gesprächsdaten inklusive Gesprächsteilnehmer)
b. Gibt es diesbezüglich auch Planungen wie die Medikamentenerstattung vereinfacht abgewickelt werden kann, wenn Patient:innen sowohl stationär/ ambulant als auch über niedergelassene Ärzt:innen versorgt werden?
b. Wenn ja, was unternimmt man seitens des BMSGPK im Sinne eines gesamtstaatlich sparsamen Vollzugs dagegen?