10693/J XXVII. GP
Eingelangt am 12.04.2022
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ANFRAGE
des Abgeordneten Peter Schmiedlechner
und weiterer Abgeordneter
an die Frau Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus
betreffend Umgehung des gesetzmäßigen Bundeslenkungsausschusses durch intransparente Krisenstäbe
Der Bundeslenkungsausschuss wird unter anderem zur Beratung und Empfehlung von Vollzugsmaßnahmen sowie insbesondere zur Beratung in Fragen der vorbeugenden Versorgungssicherung gemäß Lebensmittelbewirtschaftungsgesetz einberufen. Am 24. März 2022 wurde der Frau Ministerin Köstinger während der Fragestunde im Nationalrat die Frage gestellt, warum angesichts der aktuellen Krise ebendieser Bundeslenkungsausschuss noch nicht einberufen wurde.[1] Die Einberufung und Befassung des Bundeslenkungsausschusses erfolgen nach Bedarf oder bei wichtigem Anlass oder wenn mindestens vier Mitglieder dies verlangen, unverzüglich. Angesichts der Zusammensetzung des Gremiums und vor dem Hintergrund der sich mehrenden Krisen stünde dem nichts entgegen. Eine Antwort auf die gestellte Frage blieb die Ministerin schuldig:
Abgeordneter Peter Schmiedlechner (FPÖ): Frau Minister, gerade im tierischen Bereich denken viele Produzenten, viele Landwirte darüber nach, die Produktion einzustellen. Die Frage wird sein: Wie lange können sich die Bauern die Produktion noch leisten?
Sie haben vorhin gesagt, Sie hätten eine Kommission eingesetzt, die die Märkte beobachtet. Meine Frage: Wie oft tagt diese, warum wurde der Bundeslenkungsausschuss gemäß Lebensmittelbewirtschaftungsgesetz jetzt noch immer nicht einberufen und wann setzen Sie diesen ein?
Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Frau Bundesministerin, bitte.
Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Elisabeth Köstinger: Aktuell sind wir in Österreich Gott sei Dank mit einer guten Versorgungslage gesegnet. Das hat sehr viel mit unseren Lagerbeständen zu tun, und vor allem auch mit dem Selbstversorgungsgrad.
Der Krisenstab – es ist keine Kommission, sondern ein Krisenstab –, der im Landwirtschaftsministerium eingerichtet wurde, sammelt jetzt aktuell Daten, analysiert vor allem auch Warenströme – ganz zentral ist für uns natürlich die Abhängigkeit von Betriebsmitteln, speziell Düngemitteln, Pflanzenschutzmitteln, die für die Produktion sehr wichtig sind – und bereitet das auf.
Der Krisenstab tagt regulär wöchentlich, die Sammlung der Daten und der Austausch erfolgen aber natürlich auf täglicher Basis.
Nicht ein beliebiger Krisenstab, sondern der Bundeslenkungsausschuss gemäß des Lebensmittelbewirtschaftungsgesetzes wäre ob der gegenwärtigen Krisen das gesetzlich vorgesehene Instrument zu deren Bewältigung. Innerministeriale Krisenstäbe, die hinter verschlossenen Türen tagen, sieht das Lebensmittelbewirtschaftungsgesetz nicht vor. Vielmehr heißt es dort in § 1:
(1) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft kann für die im § 2 genannten Waren
1. durch Verordnung im Falle einer unmittelbar drohenden Störung der Versorgung oder zur Behebung einer bereits eingetretenen Störung unbedingt erforderliche Lenkungsmaßnahmen anordnen, sofern diese Störungen
a. keine saisonale Verknappungserscheinung darstellen und
a. durch marktkonforme Maßnahmen nicht, nicht rechtzeitig oder nur mit unverhältnismäßigen Mitteln abgewendet oder behoben werden können,
oder
2. aufgrund der Empfehlungen des Bundeslenkungsausschusses zu Zwecken der Sicherstellung einer langfristigen Krisenvorsorge und Erhaltung der Ernährungssouveränität unter Berücksichtigung der bestehenden EU-rechtlichen und nationalen Regelungen Vorsorgemaßnahmen, die zur Erreichung der Ziele geeignet sind, treffen.
(2) Lenkungsmaßnahmen können auch ergriffen werden, soweit es zur Erfüllung völkerrechtlicher Verpflichtungen zur Inkraftsetzung von entsprechenden Maßnahmen erforderlich ist.
(3) Lenkungsmaßnahmen gemäß § 3 haben zum Ziel, eine ungestörte Erzeugung und Verteilung von Waren aufrechtzuerhalten oder wieder herzustellen, um die gesamte Bevölkerung und sonstige Bedarfsträger, einschließlich jener der militärischen Landesverteidigung, ausreichend zu versorgen. Hiebei ist sowohl auf die gesamtwirtschaftlich zweckmäßigste Nutzung der Waren als auch auf bestehende völkerrechtliche Verpflichtungen Bedacht zu nehmen.
(4) Verordnungen gemäß Abs. 1 und 2 bedürfen, soweit derartige Verordnungen nicht ausschließlich die gänzliche oder teilweise Aufhebung von Lenkungsmaßnahmen zum Gegenstand haben, der Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrates.
(5) Bei Gefahr im Verzug sind Verordnungen, die der Zustimmung des Hauptausschusses nach Abs. 4 bedürfen, gleichzeitig mit dem Antrag auf Erteilung der Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrates zu erlassen. Verordnungen, deren Erlassung die Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrates nicht vorangegangen ist, sind unverzüglich aufzuheben, wenn der Hauptausschuss des Nationalrates ihrer Erlassung nicht oder nicht innerhalb der dem Einlangen des Antrages folgenden Woche zustimmt.
(1) Für folgende Waren – im folgenden Waren genannt – können Lenkungsmaßnahmen ergriffen werden:
1. Lebensmittel einschließlich Trinkwasser,
2. Marktordnungswaren im Sinne des § 4 Z 1 des Marktordnungsgesetzes 2007; BGBl. I Nr. 55/2007, in der jeweils geltenden Fassung, sonstige landwirtschaftliche Erzeugnisse und Tiere, die für die Gewinnung von Lebensmitteln geeignet sind,
3. Düngemittel,
4. Pflanzenschutzmittel,
5. Futtermittel und
6. Saat- und Pflanzgut.
(2) Waren, die für Zwecke der militärischen Landesverteidigung vorrätig gehalten werden, dürfen diesen Zwecken nicht entzogen werden.
(3) Waren, die in das Bundesgebiet durch karitative Hilfsaktionen eingeführt oder verbracht und dem karitativen Zweck zugeführt werden, unterliegen nicht der Bewirtschaftung auf Grund dieses Bundesgesetzes.
(4) Waren, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens von Lenkungsmaßnahmen bereits im Eigentum oder zur Verfügung eines Landes oder einer Gemeinde stehen oder für die Versorgung der eigenen Bevölkerung vorrätig gehalten werden, dürfen diesen Zwecken nicht entzogen werden.
Da wir aus den Medien aber auch vielen Berichten der Landwirtinnen und Landwirte wissen, dass (auch im Warenkatalog genannte) Güter bereits knapp sind, stellt sich die Frage, warum die Bundesministerin nicht jene Lenkungsmaßnahmen zielführend einsetzt, welche ihr zur Verfügung stehen.
In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an die Frau Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus folgende
Anfrage
1. Warum wurde angesichts des Krieges in der Ukraine und der enormen Inflation bis jetzt kein Bundeslenkungsausschuss nach dem Lebensmittelbewirtschaftungsgesetz einberufen?
2. Haben Sie sich diesbezüglich für eine Nutzung dieses Instruments eingesetzt?
a. Wenn ja, wann?
b. Wenn ja, inwiefern?
c. Wenn nein, warum nicht?
3. Ist der Informationsstand des letzten Bundeslenkungsausschusses aus dem Jahr 2021 aus Ihrer Sicht noch immer aktuell?
a. Wenn ja, welche Handlungen haben Sie auf diesem Wissensstand beruhend gesetzt?
b. Wenn nein, welche Informationen haben sich überholt?
c. Wenn nein, aus welchen Quellen beziehen Sie aktuelle Informationen?
d. Wenn nein, haben Sie den Mitgliedern des Bundeslenkungsausschusses neue Informationen zur Kenntnis gebacht?
4. Wann wird der Bundeslenkungsausschuss nach dem Lebensmittelbewirtschaftungsgesetz angesichts der jüngsten Entwicklungen einberufen?
5. Planen Sie die Einsetzung eines Fachausschusses gem. § 6 der GO-BLA?
a. Wenn ja, welche Fragen sollen in diesem Rahmen behandelt werden?
b. Wenn nein, warum nicht?
6. Droht eine Verknappung der Waren, welche im § 2 des Lebensmittelbewirtschaftungsgesetzt genannt werden?
a. Falls ja, um welche Waren handelt es sich?
b. Falls ja, warum wurde bis jetzt nichts unternommen?
c. Falls nein, heißt es, es droht keine Verknappung bei
i. Lebensmittel einschließlich Trinkwasser,
ii. Marktordnungswaren im Sinne des § 4 Z 1 des Marktordnungsgesetzes 2007; BGBl. I Nr. 55/2007, in der jeweils geltenden Fassung, sonstige landwirtschaftliche Erzeugnisse und Tiere, die für die Gewinnung von Lebensmitteln geeignet sind,
iii. Düngemittel,
iv. Pflanzenschutzmittel,
v. Futtermittel und
vi. Saat- und Pflanzgut?
7. Welche alternativen Krisenstäbe, Arbeitskreise oder Organisationseinheiten ihres Ressorts oder in dessen Verantwortungsbereich befassen sich mit Krisenmaßnahmen im weitesten Sinne analog zum Lebensmittelbewirtschaftungsgesetz?
8. Welche Kosten wurden dadurch budgetwirksam?
9. Wann fanden entsprechende Sitzungen statt?
10. An welchen dieser Sitzungen nahmen Sie persönlich teil?
11. Welche weiteren Stakeholder (Minister und Ministerien, Kammern, AMA, NGOs, usw.) sind dabei jeweils involviert?
12. Welche Informationen werden dabei von wem aufbereitet?
13. Nach welchen Kriterien werden diese Informationen öffentlich gemacht?
[1] Zitat aus den stenographischen Protokollen (Zusatzfrage zu Karin Doppelbauer (NEOS) „Krieg in der Ukraine; drohende Preissteigerungen und Hungersnöte (153/M)“), 149/NRSITZ (XXVII. GP) - Sitzung des Nationalrates am 24. März 2022 | Parlament Österreich