Eingelangt am 13.04.2022
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Anfrage
der Abgeordneten Fiona Fiedler, Kolleginnen
und Kollegen
an den Bundesminister für
Soziales‚ Gesundheit‚ Pflege und Konsumentenschutz
betreffend Finanzierung der Selbsthilfe
Selbsthilfe ist ein
verhältnismäßig simples und billiges Instrument, um Patient:innen
ein stärkeres Gefühl der Selbstbestimmung zu geben und den
Rehabilitationsweg nach Erkrankungen oder Unfällen erfolgreicher zu
beschreiten. Im Sinne selbstbestimmter Patient:innen hat sich deshalb auch die
Regierung vorgenommen, Selbsthilfegruppen und -vereine zu stärken und mehr
kollektive Patientenbeteiligung im Gesundheitsbereich zu ermöglichen. In
Österreich sind Selbsthilfe- und Patientenvereine aber oftmals mit
bürokratischen Hürden konfrontiert, müssen selbst hohe finanzielle
Mittel zum Erhalt der Strukturen aufbringen und haben aufgrund der
zersplitterten Förderstrukturen Probleme, in allen Bundesländern ihre
Tätigkeiten gleichwertig zu erbringen. Nachdem in allen Bundesländern
aber immer alle Instrumente zur Gesundheitsverbesserung gleichwertig gefördert
werden sollten, stellt das eine unnötige Organisationsbelastung dar.
In Folge dessen ist auch die Kompetenz- und
Servicestelle für Selbsthilfe mit der Ausarbeitung von potenziellen
Weiterentwicklungen in diesem Bereich beschäftigt und hat erst Ende
März klargestellt, dass Selbsthilfevereinee unter ein gemeinsames
"großes Dach" kommen sollen und diese Entwicklung durch das
Ministerium angestoßen, koordiniert und finanziert werden sollte (1).
Selbsthilfe ist zwar kein direktes Instrument
der Gesundheitspolitik, allerdings stellen sie für die einzelnen
Mitglieder Hilfe bei Bewältigungsstrategien dar und besonders im Bereich
chronischer Krankheiten und psychischer Störungen gibt es gute Ergebnisse,
da sich auf Erfahrungswerten basierend bessere Hilfestellungen im medizinischen
Bereich und in der Systemabwicklung (Antragsstellungen,
Förderinformationen etc) ergeben, als es durch Aussenstehende möglich
wäre (2) und sollen damit auch dem Ministerium zufolge einen fixen
Bestandteil des Gesundheitssystems darstellen.
Mehr Beteiligung, keine Finanzierung
In Deutschland steht für Selbsthilfe seit
1993 aus den Beiträgen der Versicherten ein Budget von rund 40 Millionen
Euro pro Jahr zur Verfügung (3), in Österreich lassen sich trotz der
Absichten der Regierung in Anfragebeantwortungen aber kaum konkrete Schritte
erkennen - geschweige denn Informationen über budgetäre Committments
(4). Bekannt ist, dass über die Sozialversicherungen jährlich eine
Million zur Verfügung gestellt wird (5), die ÖGK steuert 300.000 Euro
bei (6). Dennoch empfiehlt beispielsweise auch das Institut für
systemische Organisationsforschung klar, dass es für eine finanzielle
Grundsicherung ein "umfassenderes Finanzierungskonzept, idealerweise im
Zuge des Finanzlastenausgleichs und unter verstärkter bundespolitischer
Beteiligung" benötige (7).
Eine Forderung, die auch der Bundesverband
für Selbsthilfe als Kernforderung vertritt (8). Auch, weil zwar das
Ministerium die wichtige Rolle von Selbsthilfevereinen zur Vertretung von
Patienteninteressen in beratenden Gremien des Ministeriums betont, allerdings
müssen dafür eben auch Kapazitäten verfügbar sein. Nachdem
bei den bundesweiten Selbsthilfevereine das Jahresbudget im Median über
7.000 Euro beträgt, 12% allerdings weniger als 1.000 Euro und bei weiteren
12% gibt es überhaupt kein Budget (9). In Folge dessen stellt sich die
Frage, wie das Ministerium sich konkret vorstellt, dass die Selbsthilfevereine
diese systemrelevanten Aufgaben übernehmen können.
- https://oekuss.at/sites/oekuss.at/files/Pr%C3%A4sentation_Studie_Buerger_innenBeteiligungGesundheit_final_220322.pdf
- https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Ministerium/Kooperation_Rehabilitationskliniken-Selbsthilfeorganisationen.pdf
- https://www.kiss-hh.de/aktuelles-beitrag/zahlen-und-fakten-der-nakos-zur-selbsthilfe
- https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/AB/AB_09092/index.shtml
- https://www.sozialversicherung.at/cdscontent/?contentid=10007.846174&portal=svportal
- https://www.gesundheitskasse.at/cdscontent/?contentid=10007.877863&portal=oegkportal
- https://oekuss.at/sites/oekuss.at/files/2020-08/ISO_Selbsthilfe_Evaluierung%20_S%C3%A4ule%202%20und%204%20ENDBERICHT.pdf
- https://www.bundesverband-selbsthilfe.at/kernforderungen-zur-staerkung-der-selbsthilfe-in-oesterreich/
- https://www.sozialversicherung.at/cdscontent/load?contentid=10008.715483&version=1505198152
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher
folgende
Anfrage:
- Welche Grundlagen zur Stärkung von Selbsthilfebeteiligung
wurden bisher konkret erarbeitet? (Bitte um Aufschlüsselung nach
BMSGPK, Versicherungsträger oder SH-Landesverband)
- Welcher Kostenrahmen wurde für deren
Umsetzung berechnet? (Bitte um Aufschlüsselung je Projekt und
Träger)
- Welcher Zeitraum wurde für die
jeweilige Umsetzung festgelegt? (Bitte um Aufschlüsselung nach
Projekt und Träger)
- In welcher Höhe und für welche
Projekte wurden in den vergangenen fünf Jahren über den Fonds
Gesundes Österreich Mittel zur Verfügung gestellt?
- Wie viele Selbsthilfe-Tage zur Vernetzung
wurden in jedem Bundesland in den vergangenen fünf Jahren
veranstaltet und welche Projekte entstanden in Folge? (Bitte um
Aufschlüsselung der Selbsthilfe-Tage nach Jahr und Bundesland, Angabe
der teilnehmenden Vereine und resultierender Projekte)
- Welche Dachverbände erhielten in den
vergangenen fünf Jahren eine Förderung des BMSGPK und zu welchem
konkreten Zwecke bzw welche Tätigkeiten konnten die Vereine auf Basis
dieser Finanzierung durchführen?
- In wie vielen und welchen Gremien des BMSGPK
sind Selbsthilfevereine als Mitglieder vertreten und in welchem
Ausmaß? (Bitte um Aufschlüsselung der jeweiligen Gremien mit
Angabe der Vertreter:innen und Anzahl der Sitzungen in den vergangenen
fünf Jahren)
- Wie viele Treffen hat es seitens des BMSGPK
mit den in der 9092/AB genannten Stakeholdern pro Jahr gegeben und welche
Mittel erhielten diese jeweils? (Bundesverband Selbsthilfe
Österreich, Pro Rare Austria, Nationales Netzwerk Selbsthilfe,
Selbsthilfe-Landesverbände und -Kontaktstellen, themenbezogene
Selbsthilfeorganisationen - bitte auch um Angabe, wie viele Patient:innen
diese Stakeholder jeweils vertreten)
- Zu welchen Ergebnissen ist die
Machbarkeitsstudie zu Bürger- und Patientenbeteiligung im
Gesundheitswesen gekommen und welche Konsequenzen wird das für die
Finanzierung von Selbsthilfevereinen bzw die Erarbeitung von
Finanzierungskonzepten oder Fördermöglichkeiten durch das
BMSGPK haben? (Bitte auch um Übermittlung der Studie als Beilage)
- Ist aus der Machbarkeitsstudie auch erkenntlich,
welchen konkreten Nutzen Selbsthilfevereine in Österreich für
das Gesundheitssystem haben und haben könnten?
- Mit welchen Mitteln unterstützte das
BMSGPK die Vernetzungsplattform von Selbsthilfegruppen von Menschen mit
psychischen Erkrankungen in den vergangenen fünf Jahren? (Bitte um
Aufschlüsselung der jeweiligen Mittel nach Jahren)
- Welche konkreten Förderungen wurden
bisher/ werden im Jahr 2022 umgesetzt? (Unter Bezugnahme auf 9092/AB)
- Welche Rolle für die Förderung von
Selbsthilfe spielt dabei das Bild von Selbsthilfe und Patientenvertretung
bzw wie werden diese beiden Aspekte im Ministerium unterschieden?
- Welche konkreten Aktivitäten wurden
bisher/ werden im Jahr 2022 umgesetzt? (Unter Bezugnahme auf 9092/AB)
- Welche Teile des Arbeitsprogramms der
ÖKUSS werden 2022 umgesetzt?
- Bis wann werden die konkreten,
praxistauglichen Ausarbeitungen mit dem Steuerungsgremium vorliegen?
- Welche konkreten Tätigkeiten werden
seitens der GÖG "im Rahmen eines Projektes" zum Thema
Selbsthilfegruppen umgesetzt? (Unter Bezugnahme auf 9092/AB)