10706/J XXVII. GP

Eingelangt am 13.04.2022
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Anfrage

der Abgeordneten Fiona Fiedler, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Soziales‚ Gesundheit‚ Pflege und Konsumentenschutz

betreffend Finanzierung der Selbsthilfe

 

Selbsthilfe ist ein verhältnismäßig simples und billiges Instrument, um Patient:innen ein stärkeres Gefühl der Selbstbestimmung zu geben und den Rehabilitationsweg nach Erkrankungen oder Unfällen erfolgreicher zu beschreiten. Im Sinne selbstbestimmter Patient:innen hat sich deshalb auch die Regierung vorgenommen, Selbsthilfegruppen und -vereine zu stärken und mehr kollektive Patientenbeteiligung im Gesundheitsbereich zu ermöglichen. In Österreich sind Selbsthilfe- und Patientenvereine aber oftmals mit bürokratischen Hürden konfrontiert, müssen selbst hohe finanzielle Mittel zum Erhalt der Strukturen aufbringen und haben aufgrund der zersplitterten Förderstrukturen Probleme, in allen Bundesländern ihre Tätigkeiten gleichwertig zu erbringen. Nachdem in allen Bundesländern aber immer alle Instrumente zur Gesundheitsverbesserung gleichwertig gefördert werden sollten, stellt das eine unnötige Organisationsbelastung dar.

In Folge dessen ist auch die Kompetenz- und Servicestelle für Selbsthilfe mit der Ausarbeitung von potenziellen Weiterentwicklungen in diesem Bereich beschäftigt und hat erst Ende März klargestellt, dass Selbsthilfevereinee unter ein gemeinsames "großes Dach" kommen sollen und diese Entwicklung durch das Ministerium angestoßen, koordiniert und finanziert werden sollte (1).

Selbsthilfe ist zwar kein direktes Instrument der Gesundheitspolitik, allerdings stellen sie für die einzelnen Mitglieder Hilfe bei Bewältigungsstrategien dar und besonders im Bereich chronischer Krankheiten und psychischer Störungen gibt es gute Ergebnisse, da sich auf Erfahrungswerten basierend bessere Hilfestellungen im medizinischen Bereich und in der Systemabwicklung (Antragsstellungen, Förderinformationen etc) ergeben, als es durch Aussenstehende möglich wäre (2) und sollen damit auch dem Ministerium zufolge einen fixen Bestandteil des Gesundheitssystems darstellen.

Mehr Beteiligung, keine Finanzierung

In Deutschland steht für Selbsthilfe seit 1993 aus den Beiträgen der Versicherten ein Budget von rund 40 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung (3), in Österreich lassen sich trotz der Absichten der Regierung in Anfragebeantwortungen aber kaum konkrete Schritte erkennen - geschweige denn Informationen über budgetäre Committments (4). Bekannt ist, dass über die Sozialversicherungen jährlich eine Million zur Verfügung gestellt wird (5), die ÖGK steuert 300.000 Euro bei (6). Dennoch empfiehlt beispielsweise auch das Institut für systemische Organisationsforschung klar, dass es für eine finanzielle Grundsicherung ein "umfassenderes Finanzierungskonzept, idealerweise im Zuge des Finanzlastenausgleichs und unter verstärkter bundespolitischer Beteiligung" benötige (7).

Eine Forderung, die auch der Bundesverband für Selbsthilfe als Kernforderung vertritt (8). Auch, weil zwar das Ministerium die wichtige Rolle von Selbsthilfevereinen zur Vertretung von Patienteninteressen in beratenden Gremien des Ministeriums betont, allerdings müssen dafür eben auch Kapazitäten verfügbar sein. Nachdem bei den bundesweiten Selbsthilfevereine das Jahresbudget im Median über 7.000 Euro beträgt, 12% allerdings weniger als 1.000 Euro und bei weiteren 12% gibt es überhaupt kein Budget (9). In Folge dessen stellt sich die Frage, wie das Ministerium sich konkret vorstellt, dass die Selbsthilfevereine diese systemrelevanten Aufgaben übernehmen können.

  1. https://oekuss.at/sites/oekuss.at/files/Pr%C3%A4sentation_Studie_Buerger_innenBeteiligungGesundheit_final_220322.pdf
  2. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Ministerium/Kooperation_Rehabilitationskliniken-Selbsthilfeorganisationen.pdf
  3. https://www.kiss-hh.de/aktuelles-beitrag/zahlen-und-fakten-der-nakos-zur-selbsthilfe
  4. https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/AB/AB_09092/index.shtml
  5. https://www.sozialversicherung.at/cdscontent/?contentid=10007.846174&portal=svportal
  6. https://www.gesundheitskasse.at/cdscontent/?contentid=10007.877863&portal=oegkportal
  7. https://oekuss.at/sites/oekuss.at/files/2020-08/ISO_Selbsthilfe_Evaluierung%20_S%C3%A4ule%202%20und%204%20ENDBERICHT.pdf
  8. https://www.bundesverband-selbsthilfe.at/kernforderungen-zur-staerkung-der-selbsthilfe-in-oesterreich/
  9. https://www.sozialversicherung.at/cdscontent/load?contentid=10008.715483&version=1505198152

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Welche Grundlagen zur Stärkung von Selbsthilfebeteiligung wurden bisher konkret erarbeitet? (Bitte um Aufschlüsselung nach BMSGPK, Versicherungsträger oder SH-Landesverband)
  2. Welcher Kostenrahmen wurde für deren Umsetzung berechnet? (Bitte um Aufschlüsselung je Projekt und Träger)
  3. Welcher Zeitraum wurde für die jeweilige Umsetzung festgelegt? (Bitte um Aufschlüsselung nach Projekt und Träger)
  4. In welcher Höhe und für welche Projekte wurden in den vergangenen fünf Jahren über den Fonds Gesundes Österreich Mittel zur Verfügung gestellt?
  5. Wie viele Selbsthilfe-Tage zur Vernetzung wurden in jedem Bundesland in den vergangenen fünf Jahren veranstaltet und welche Projekte entstanden in Folge? (Bitte um Aufschlüsselung der Selbsthilfe-Tage nach Jahr und Bundesland, Angabe der teilnehmenden Vereine und resultierender Projekte)
  6. Welche Dachverbände erhielten in den vergangenen fünf Jahren eine Förderung des BMSGPK und zu welchem konkreten Zwecke bzw welche Tätigkeiten konnten die Vereine auf Basis dieser Finanzierung durchführen?
  7. In wie vielen und welchen Gremien des BMSGPK sind Selbsthilfevereine als Mitglieder vertreten und in welchem Ausmaß? (Bitte um Aufschlüsselung der jeweiligen Gremien mit Angabe der Vertreter:innen und Anzahl der Sitzungen in den vergangenen fünf Jahren)
  8. Wie viele Treffen hat es seitens des BMSGPK mit den in der 9092/AB genannten Stakeholdern pro Jahr gegeben und welche Mittel erhielten diese jeweils?  (Bundesverband Selbsthilfe Österreich, Pro Rare Austria, Nationales Netzwerk Selbsthilfe, Selbsthilfe-Landesverbände und -Kontaktstellen, themenbezogene Selbsthilfeorganisationen - bitte auch um Angabe, wie viele Patient:innen diese Stakeholder jeweils vertreten)
  9. Zu welchen Ergebnissen ist die Machbarkeitsstudie zu Bürger- und Patientenbeteiligung im Gesundheitswesen gekommen und welche Konsequenzen wird das für die Finanzierung von Selbsthilfevereinen bzw die Erarbeitung von Finanzierungskonzepten  oder Fördermöglichkeiten durch das BMSGPK haben? (Bitte auch um Übermittlung der Studie als Beilage)
  10. Ist aus der Machbarkeitsstudie auch erkenntlich, welchen konkreten Nutzen Selbsthilfevereine in Österreich für das Gesundheitssystem haben und haben könnten?
  11. Mit welchen Mitteln unterstützte das BMSGPK die Vernetzungsplattform von Selbsthilfegruppen von Menschen mit psychischen Erkrankungen in den vergangenen fünf Jahren? (Bitte um Aufschlüsselung der jeweiligen Mittel nach Jahren)
  12. Welche konkreten Förderungen wurden bisher/ werden im Jahr 2022 umgesetzt? (Unter Bezugnahme auf 9092/AB)
  13. Welche Rolle für die Förderung von Selbsthilfe spielt dabei das Bild von Selbsthilfe und Patientenvertretung bzw wie werden diese beiden Aspekte im Ministerium unterschieden?
  14. Welche konkreten Aktivitäten wurden bisher/ werden im Jahr 2022 umgesetzt? (Unter Bezugnahme auf 9092/AB)
  15. Welche Teile des Arbeitsprogramms der ÖKUSS werden 2022 umgesetzt?
  16. Bis wann werden die konkreten, praxistauglichen Ausarbeitungen mit dem Steuerungsgremium vorliegen?
  17. Welche konkreten Tätigkeiten werden seitens der GÖG "im Rahmen eines Projektes" zum Thema Selbsthilfegruppen umgesetzt? (Unter Bezugnahme auf 9092/AB)