10707/J XXVII. GP

Eingelangt am 14.04.2022
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Philip Kucher,

Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz

betreffend unbefriedigende Datensituation hinsichtlich des aktuellen Pandemiegeschehens in Österreich.

Seit Beginn der Pandemie ist man in Österreich mit einer mittelmäßig bis sehr schlechten Datenqualität konfrontiert. Teilweise gibt es Daten (zumindest für die Öffentlichkeit) schlicht nicht, teilweise sind sie irreführend oder inkonsistent, teilweise je Bundesland unterschiedlich und manchmal einfach nur schlecht aufbereitet. Teilweise wurde die Qualität der Daten sogar aktiv verschlechtert, wenn man den Informationsgehalt des alten und des neuen Impfdashboards vergleicht. Aus der „alten Version" war es etwa noch möglich exakte Impfquoten nach Lebensjahr (zum Beispiel „wie viele der 13-Jährigen sind geimpft"?) zu entnehmen - zumindest, wenn man sich durch die zu Grunde liegenden csv-dateien kämpfte. Das geht heute nicht mehr. Es gibt lediglich noch altersgruppierte Impfdaten zum Download.

Unter anderem der Rechnungshof kritisierte das in seinem Bericht, der im Vorjahr öffentlich bekannt wurde, ausführlich: Gesundheitsministerium, Innenministerium und die Länder veröffentlichten auf ihren Dashboards oder Websites täglich „in unterschiedlichen Formaten zu unterschiedlichen Zeitpunkten Daten mit unterschiedlichen Auswertungszeitpunkten und unterschiedlichem Detailgrad, die sich mitunter auch in ihrer Definition unterschieden", heißt es in dem Bericht.

An diesem Umstand hat sich bis heute, zwei Bundeskanzler und Gesundheitsminister später, nichts geändert. Nach wie vor werden Betten in den Bundesländern unterschiedlich gezählt, nach wie vor Testungen in unterschiedlichen Zeitrhythmen gemeldet und vieles mehr. Insbesondere sind aber Datenmängel in folgenden Bereichen problematisch.

Fallzahlen:

Es gibt seit Anbeginn der Pandemie, ganz versteht man nicht, wieso, zwei Meldesysteme der täglichen Fallzahlen. Einmal durch den „Krisenstab", einmal durch das „Epidemiologische Meldesystem" (EMS).

Je nachdem, an welcher Zahl man sich orientiert erhält man ein - teilweise massiv - auseinanderklaffendes Bild der Lage.

Des Weiteren wird nicht (transparent) erfasst bzw. ausgewiesen, wie viele der Neuinfektionen ungemipfte, geimpfte, genesene oder sowohl geimpfte als auch genesene Personen umfassen, ob es sich dabei um Erst- oder Wiederinfektionen handelt, wie viele Impfungen die Betroffenen erhalten haben und wie lange eine (mögliche) letzte Impfung zurückliegt.

Hospitalisierungen:

Die in Österreich zur Verfügung stehenden Daten (sowohl die Normal- als auch die Intensivstationen betreffend) weisen stets nur den tagesaktuellen Belegungsstand aus.

Es ist dabei - und das ist wirklich schwerwiegend - nicht ersichtlich, wie viele der Personen „mit Corona" im Krankenhaus auch „wegen Corona" ein Bett belegen, bei denen also COVID die Primärdiagnose bei der Aufnahme ist. Daraus resultiert für den Krankenhausbetrieb zwar kein Unterschied, denn ob wirklich aufgrund der Infektion im Krankenhaus, oder aus anderem Grund aber dennoch infiziert, belegt wird jedenfalls ein in der Zählweise Corona-relevantes Bett sein, auch um das Infektionsgeschehen im Krankenhaus möglichst unter Kontrolle zu halten. Allerdings sinkt die Aussagekraft des Belegungsstatus hinsichtlich der Virulenz (wie krank macht das Virus) bei Omikron weiter.

Zweitens sagt die bloße absolute Zahl aktuell belegter Betten nichts über den „Aufnahmen" bzw. „Entlassungen" aus. Aus den offiziellen Daten ist beispielsweise auch nicht abzulesen, wie viele Patienten insgesamt bisher mit einer COVID-Diagnose auf Normalstationen und auf Intensivstationen aufgenommen wurden, und wieviele der Patienten im Spital verstorben sind.

Hypothetisches Beilspiel:

Am Montag waren in Österreich 1.000 „Normalbetten von Covid- 19-Patienten" belegt.

Am Dienstag waren in Österreich 1.200 „Normalbetten von Covid-19-Patienten" belegt.
Folgende Fragen bleiben offen:

-      Wie viele Menschen verließen von Montag auf Dienstag das Krankenhaus, weil es ihnen wieder gut geht?

-      Wie viele Menschen mussten von Montag auf Freitag auf die Intensivstation verlegt werden?

-      Wie viele Menschen verstarben von Montag auf Dienstag?

-      Wie viele der 1.000 Menschen vom Montag, sind in den 1.200 Menschen vom Dienstag noch enthalten?

-      Und daher: Wie viele Menschen kamen am Dienstag „neu" ins Krankenhaus dazu?

-      Beziehungsweise: Wie viele der 1.200 Menschen vom Dienstag kamen von der Intensivstation (zurück) auf die Normalstation?

Selbiges gilt für den Bereich der Intensivstationen.

Drittens weisen die österreichischen Daten zu den Hospitalisierungen, ebenso wenig wie die Daten zu den Fallzahlen, (transparent) aus, wie viele der Hospitalisierten (auf den Normalstationen wie auf den Intensivstationen) ungemipfte, geimpfte, genesene oder sowohl geimpfte als auch genesene Personen sind und wie groß der Zeitabstand einer etwaigen Impfung/ durchgemachten Erkrankung zur notwendig gewordenen Krankenhauseinweisung/ Verlegung auf die Intensivstation ist.

Impfdashboard:

Das österreichische Impfdashboard weist aus wie viele Menschen tagesaktuell in Österreich bis auf Bezirks- und Gemeindeebene hinab geimpft sind und wie viele davon vollständig geimpft beziehungsweise „geboostert" sind. Auch wie viele der geimpften Personen in Österreich mit welchem Impfstoff geimpft wurden kann man noch relativ leicht herausfinden, wenn man die Muße hat, sich mit den zu Grunde liegenden Csv- Dateien auseinanderzusetzen.

Komplizierter wird es schon, der Frage nachzugehen, wie viele der aktuell gültigen Impfzertifikate heute, morgen oder im nächsten Monat vom Ablauf bedroht sind, aber selbst das geht noch (unnötig kompliziert).

Keine Chance hat man, wenn man rausfinden will, wie viele der zum Beispiel Doppelt­geimpften aber (noch) nicht „geboosterten" die dritte Impfung auch wirklich brauchen werden. Eine kürzlich durchgemachte Erkrankung würde das immer noch große Delta zwischen zweifach- und dreifach geimpften Personen möglicherweise deutlich reduzieren. Auch weitere Antworten bleibt das Impfdashboard schuldig:

„Wie viele Menschen in Österreich sind nach Lebensjahr geimpft?"

„Wie viele geimpfte Personen haben eine Corona-Erkrankung durchgemacht und sind damit zusätzlich „genesen"?''

Todeszahlen:

Die täglich gemeldeten „an Covid-19 verstorbene" Personen in Österreich sind nachvollziehbar. Sie sind auch nach Altersgruppen - allerdings nicht analog zu den Altersgruppen, die etwa beim Impfdashboard herangezogen werden - aufgeschlüsselt verfügbar. Als „Covid-19 Tod'1 ist von der AGES definiert: „ein laborbestätigter Fall von

C0VID19 mit Ausgang Tod, wobei zwischen Status „Erkrankung" und Status „Tod" der Status „Genesen/Geheilt NICHT vorgelegen hat."

Die Todeszahlen sind daher durchaus aussagekräftig hinsichtlich einer Sterblichkeit durch das Virus. Mangels einer Aufschlüsselung der Todeszahlen nach unterschiedlichen Vorerkrankungen oder möglicherweise korrelierenden Gesundheitseingriffen, geben sie keine weiteren Einblicke.

Im Sinne der Überzeugung, dass breitestmögliche Transparenz die beste Prävention jeder Verschwörungstheorie ist und dass man als Bürgerin dieses Landes ein Recht auf gut aufbereitete Information durch die öffentlichen Behörden, unter Wahrung der Datenschutzkonformität, hat, stellen die unterfertigten Abgeordneten folgende

Anfrage

1)    Ist die Datenlage Österreichs aus Sicht des BMSGPK zufriedenstellend?

2)    Wird an einer Verbesserung der Datenlage in Österreich gearbeitet?

3)    Wann kann mit einer Verbesserung der Datenlage in Österreich gerechnet werden?

4)    An welchen internationalen Best-Practice-Beispielen wird man sich hier orientieren?

5)    Welche konkreten Schritte wurden seitens des BMSGPK auf Basis der Rechnungshofkritik konkret unternommen?

6)    Wird an einer Vereinheitlichung der Daten in den vom Rechnungshof kritisierten Feldern in folgenden Punkten gearbeitet?

a.     Format

b.    Einheitliche Auswertungszeitpunkte

c.     Einheitlicher Detailgrad

d.    Einheitliche Definition

7)    Welche konkreten Schritte wurden hier (Frage 6)a. - 6)d.) seitens des BMSGPK jeweils unternommen?

8)    Gibt es im BMSGPK eine Einheit/ Task-Force/ Arbeitsgruppe oder ähnliches, die mit der Verbesserung der Datenlage in Österreich hinsichtlich der Corona-Situation im Land befasst?

9)    Wird daran gearbeitet die Open-Data-Files (CSV-Dateien) nach den international üblichen Formatierungsregeln zur Verfügung zu stellen?

10)  In  der Vergangenheit kam es immer wieder zu tageweisen Ausfällen der Datenübermittlung. Wurden alle Tage, an denen keine tagesaktuellen Daten zur Verfügung standen, nachgetragen? (Der 14. November 2021 scheint bei den Fallzahlen aus der EMS-Morgenmeldung immer noch zu fehlen).

11) Wurden   seitens des BMSGPK konkrete Schritte unternommen, um solche Ausfälle in Zukunft zu vermeiden?

Testen:

12) Es kam in der Vergangenheit immer wieder zu der Situation, dass die kumulierte Summe der aus den Bundesländern gemeldeten vorgenommenen Testungen nicht mit den in österreichweit gemeldeten Tests übereingestimmt haben. Gibt es seitens des BMSGPK eine Erklärung dafür?

13) Es kam in der Vergangenheit immer wieder zu der Situation, dass die kumulierte Summe der gemeldeten vorgenommenen Antigen-Testungen sowie PCR- Testungen nicht mit den österreichweit insgesamt gemeldeten Tests übereingestimmt haben. Gibt es seitens des BMSGPK eine Erklärung dafür?

14) Die   Schul-, Betriebs- und Apothekentestungen werden gesondert unter https://info.gesundheitsministerium.gv.at/?re=infektionsfage ausgewiesen. Es ist nirgendwo klar erkennbar, ob diese in den übermittelten Testzahlen der Bundesländer enthalten sind. Ist dies der Fall, oder handelt es sich um zusätzliche Tests?

Neuinfektionen:

15) Wieso   hält man nach über zwei Jahren Pandemie nach wie vor an zwei unterschiedlichen Meldesystemen (Krisenstab und EMS) fest?

a.     Ist eine Straffung bzw. Vereinheitlichung angedacht?

16) Wie  kann seitens des BMSGPK erklärt werden, dass die Werte aus den beiden unterschiedlichen Meldesystemen teilweise massiv auseinanderklaffen? (Der bloße Umstand, dass die beiden Meldesysteme zu unterschiedlichen Tageszeiten auswerten, reicht hier oft nicht als Begründung aus)

17) Wieso werden die österreichweiten täglichen Neuinfektionen nicht aussagekräftiger ausgewiesen? Etwa nach folgenden Schemata:

a.     Wie viele der gesamten Neuinfektionen umfassen einfach- doppelt- und dreifach geimpfte Personen und wie lange die Impfung jeweils zurückliegt?

b.    Wie viele der gesamten Neuinfektionen umfassen ungeimpfte Personen?

c.     Wie viele der gesamten Neuinfektionen umfassen genesene Personen?

d.    Wie viele der gesamten Neuinfektionen umfassen sowohl geimpfte, als auch genesene Personen?

e.     Bei wie vielen der gesamten Neuinfektionen handelt es sich um eine „Erstinfektion"?

f.      Bei wie vielen der gesamten Neuinfektionen handelt es sich um eine „Wiederinfektion"?

Hospitalisierungen:

18)  Die Aussagekraft der Daten im Bereich der Hospitalisierungen lässt besonders zu wünschen übrig: ist die Datenlage Österreichs in diesem Bereich aus Sicht des BMSGPK zufriedenstellend?

19)  Die Auslastung der Betten (intensiv sowie „normal") „mit COVID-19- Patient:innen" stellt zwar dar, wie viele der Patient:innen im Krankenhaus an Corona erkrankt sind, allerdings nicht, wie viele davon nicht „nur" „mit", sondern tatsächlich auch „wegen" der Corona-Erkrankung im Krankenhaus sind. Wieso wird an dieser Darstellung festgehalten?

a.     Wird an einer präziseren Darstellung gearbeitet?

20)  Die bloße Zahl der aktuell belegten Betten sagt nichts über erfolgte „Aufnahmen" oder „Entlassungen" aus, wie einleitend näher ausgeführt Wieso wird an dieser Darstellung festgehalten?

a.     Wird an einer präziseren Darstellung gearbeitet?

b.    Wird in Zukunft konkret ausgewiesen werden, wie viele der hospitalisierten Patienten (normal + intensiv) neu aufgenommen wurden?

c.     Wird in Zukunft konkret ausgewiesen werden, wie viele der hospitalisierten Patienten vom Vortag (normal) aus dem Krankenhaus entlassen wurden?

d.    Wird in Zukunft konkret ausgewiesen werden, wie viele der hospitalisierten Patienten (intensiv) neu aufgenommen wurden?

e.     Wird in Zukunft konkret ausgewiesen werden, wie viele der hospitalisierten Patienten (intensiv) von der Normalstation hinzugekommen sind?

f.      Wird in Zukunft konkret ausgewiesen werden, wie viele der hospitalisierten Patienten vom Vortag (normal + intensiv) verstorben sind?

21)  Wieso  werden die österreichweiten Zahlen hinsichtlich der Hospitalisierungen (die Normalstationen sowie die Intensivstationen betreffend) nicht aussagekräftiger ausgewiesen? Etwa nach folgenden Schemata:

a.    Wie viele der insgesamt hospitalisierten Personen (Normalstation wie Intensivstation) umfassen einfach- doppelt- und dreifach geimpfte Personen und wie lange die Impfung jeweils zurückliegt?

b.    Wie viele der insgesamt hospitalisierten Personen (Normalstation wie Intensivstation) umfassen ungeimpfte Personen?

c.     Wie viele der insgesamt hospitalisierten Personen (Normalstation wie Intensivstation) umfassen genesene Personen?

d.    Wie viele der insgesamt hospitalisierten Personen (Normalstation wie Intensivstation) umfassen sowohl geimpfte, als auch genesene Personen?

e.     Bei wie vielen der insgesamt hospitalisierten Personen (Normalstation wie Intensivstation) handelt es sich um eine „Erstinfektion"?

f.      Bei wie vielen der insgesamt hospitalisierten Personen (Normalstation wie Intensivstation) handelt es sich um eine erneute Hospitalisierung?

Todeszahlen:

22)  Als „Covid-19 Tod" ist von der AGES definiert: „ein laborbestätigter Fall von COVID19 mit Ausgang Tod, wobei zwischen Status „Erkrankung“ und Status „Tod" der Status „Genesen/Geheilt NICHT vorgelegen hat." Die Darstellung der österreichweiten Zahl an Verstorbenen könnte allerdings deutlich mehr qualitative Einblicke etwa durch eine Aufschlüsselung der Todeszahlen nach dem Vorhandensein von Vorerkrankungen oder möglicherweise korrelierenden Gesundheitseingriffen. Wird dem in Zukunft - bei Wahrung der Datenschutzkonformität - nachgekommen werden?