10718/J XXVII. GP

Eingelangt am 20.04.2022
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Stephanie Krisper, Henrike Brandstötter, Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt

betreffend Weltflüchtlingstag: Verminderung von Fluchtursachen & Umsetzung des UN-Flüchtlingspakts

 

Der 20. Juni 2022 ist der von den Vereinten Nationen eingerichtete Weltflüchtlingstag. Laut UNHCR sind derzeit 84 Millionen Menschen auf der Flucht – aus vielfältigen Gründen wie Krieg, Gewalt, Menschenrechtsverletzungen, Hunger und humanitäre sowie Umweltkatastrophen - eine Zahl, die in den letzten Jahren stets anstieg.

Von den 84 Millionen Menschen auf der Flucht sind:

Etwa zwei Drittel der Flüchtlinge stammen aus fünf Ländern: Syrien, Venezuela, Afghanistan, Südsudan und Myanmar. Die meisten Flüchtlinge, etwa 73%, finden in den Nachbarstaaten ihres Herkunftslandes Zuflucht und rund 85% von ihnen leben in Entwicklungsländern, welche sich mit knappen Ressourcen um eine menschenrechtskonforme Aufnahme und Unterbringung der Schutzsuchenden bemühen müssen. Darüber hinaus sind 42% der Menschen auf der Flucht Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren, welche besonders schutzbedürftig sind.

Als Reaktion auf die steigende Anzahl an Menschen auf der Flucht verabschiedete die UN-Generalversammlung 2018 den Globalen Pakt für Flüchtlinge – auch Österreich stimmte der Vereinbarung damals zu. Der UN-Flüchtlingspakt umfasst vier zentrale Aspekte:

Das türkis-grüne Regierungsprogramm besagt, Schutz gälte es für Betroffene „primär so nahe wie möglich an der Herkunftsregion zu ermöglichen“. Es brauche „nachhaltige Beiträge zur Reduktion von Flucht- und Migrationsursachen, wie z.B. die Unterstützung in Herkunftsländern, um Lebensperspektiven vor Ort zu schaffen.“ In Hinsicht auf Konflikte, welche menschliches Leid und Fluchtbewegungen zur Folge haben, gälte es die Rolle Österreichs als „Vermittler in internationalen Konflikten im Sinne einer aktiven und engagierten Friedensdiplomatie zu stärken“.

Auch humanitäre Hilfe in Krisenregionen wolle man ausbauen. Die sogenannte und immer wieder beschworene „Hilfe vor Ort“ sei der österreichischen Bundesregierung dabei „ein zentrales Anliegen.“ Jedoch ist die „Hilfe vor Ort“, so wie sie von türkis-grün betrieben wird, zwar medienwirksam, aber in der Praxis kaum von Nutzen. Vielmehr wurde das Scheitern der „Hilfe vor Ort" mehrmals verdeutlicht, beispielsweise im Falle der inadäquaten Hilfslieferungen an Griechenland nach dem Brand des Lagers in Moria oder der zunächst deplatzierten und dann unzureichenden Errichtung von Kinderbetreuungsplätzen in Kara Tepe.

Zwar stiegen die Ausgaben Österreichs für den Auslandskatastrophenfonds und für die Entwicklungszusammenarbeit über die letzten Jahre, doch liegt Österreich mit 0,29% des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe weit unter den 0,7%, die im Regierungsprogramm vorgesehen sind, und unter dem OECD-Durchschnitt.

Angesichts der geschilderten Sachlage ist fragwürdig, inwieweit Österreich tatsächlich zur nachhaltigen Verminderung der Fluchtursachen beiträgt und den zentralen Aspekten des UN-Flüchtlingspakts gerecht wird. Anlässlich des Weltflüchtlingstags am 20. Juni 2022 erscheinen demnach Informationen über das Vorgehen der österreichischen Bundesregierung in diesem Bereich von Interesse.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage:

 

  1. Welche konkreten Maßnahmen setzte welche Stelle in Ihrem Ressort jeweils wann, um Fluchtursachen nachhaltig zu vermindern?
  2. Welche konkreten Maßnahmen setzte welche Stelle in Ihrem Ressort jeweils wann, um den Druck auf die Aufnahmeländer zu mindern?
    1. Inwiefern unterstützte wann Österreich welche Länder, die eine besonders hohe Anzahl an Flüchtlingen aufnehmen?
  1. Welche konkreten Maßnahmen setzte welche Stelle in Ihrem Ressort jeweils wann, um "nachhaltige Beiträge zur Reduktion von Flucht- und Migrationsursachen" zu leisten?
  2. Welche konkreten Maßnahmen setzte welche Stelle in Ihrem Ressort jeweils wann, um Schutzsuchenden nachhaltige „Lebensperspektiven vor Ort“ zu ermöglichen?
    1. Inwieweit setzte wann sich welche Stelle in Ihrem Ressort dafür ein, dass Schutzsuchende aus Afghanistan in den Nachbarstaaten Afghanistans eine Lebensperspektive und legale Möglichkeiten des Aufenthaltes haben?
    2. Inwiefern setzte wann sich Österreich ein für bzw. unterstützt Österreich die Errichtung und Betreibung von "sustainable development zones" oder welchen anderen nachhaltigen Projekten zur Verbesserung der Lebensperspektiven von Flüchtlingen in der Nähe von Krisenregionen?
  1. Welche konkreten Maßnahmen setzte welche Stelle in Ihrem Ressort jeweils wann, um die "Eigenständigkeit und Widerstandsfähigkeit" (sic) von Flüchtlingen zu fördern?
  2. Welche konkreten Maßnahmen setzte welche Stelle in Ihrem Ressort jeweils wann, um Bedingungen zu fördern, die eine Rückkehr in das Heimatland in Sicherheit und Würde ermöglichen, sowie Aufnahmeländer und Schutzsuchende in den Herkunftsregionen wirksam zu unterstützen?
  3. Welche konkreten Maßnahmen setzte welche Stelle in Ihrem Ressort jeweils wann zur Verhinderung von Konflikten und zur Friedenssicherung?
  4. Welche konkreten Maßnahmen setzte welche Stelle in Ihrem Ressort jeweils wann, um sich für vorausschauende humanitäre Hilfe einzusetzen bzw. vorausschauende humanitäre Hilfe zu leisten?
  5. Inwiefern evaluierte wann welche Stelle in Ihrem Ressort die Nachhaltigkeit und Effizienz der gesetzten Maßnahmen?
  6. Inwiefern evaluierte wann welche Stelle in Ihrem Ressort die Wirksamkeit der sogenannten „Hilfe vor Ort“?
    1. Wie werden die Ziele der „Hilfe vor Ort“ jeweils definiert und inwieweit tragen sie dazu bei, Schutzsuchende sowie Aufnahmeländer nachhaltig zu unterstützen? Gibt es messbare Ziele? 
  1. Welche Maßnahmen bzw. Projekte zur Verminderung von Fluchtursachen und zur Umsetzung der Ziele des UN-Flüchtlingspakts werden aus welchen Mitteln finanziert?
    1. Welcher Anteil der EZA-Mittel werden für Projekte verwendet, welche diesen Zwecken dienen?
  1. Mit welchen internationalen und zivilgesellschaftlichen Organisationen kooperiert bzw. kooperierte die österreichische Bundesregierung jeweils wann zur Verminderung der Fluchtursachen und zur Umsetzung der Ziele des UN-Flüchtlingspakts?
    1. Welche (finanziellen) Beiträge widmete Österreich dem UNHCR seit 2015? Bitte um Aufschlüsselung pro Jahr.
    2. Welche (finanziellen) Beiträge widmete Österreich der IOM seit 2015? Bitte um Aufschlüsselung pro Jahr.
    3. Inwieweit unterstützte Österreich IOM und UNHCR bei der Errichtung, Betreibung und Finanzierung von Schutzzentren entlang der Hauptmigrationsrouten?
  1. Inwieweit wird bei Maßnahmen bzw. Projekten, welche die Verminderung von Fluchtursachen anstreben, die Einhaltung ethischer Standards und die Achtung der betroffenen Menschen berücksichtigt?
  2. Welche Positionen vertreten bzw. vertraten Sie bzw. Vertreter_innen Ihres Ressorts jeweils wann auf EU-Ebene hinsichtlich
    1. der Verminderung von Fluchtursachen?
    2. der Schaffung von Perspektiven für Schutzsuchende in Aufnahmeländern?

                                          i.    Welche Positionen vertreten bzw. vertraten Sie bzw. Vertreter_innen Ihres Ressorts jeweils wann auf EU-Ebene hinsichtlich Initiativen wie "sustainable development zones" oder welchen anderen nachhaltigen Projekten zur Verbesserung der Lebensperspektiven von Flüchtlingen in der Nähe von Krisenregionen?

    1. der Zielsetzungen des UN-Flüchtlingspakts?
    2. humanitärer Hilfe für Menschen auf der Flucht?
    3. Entwicklungszusammenarbeit zum Wohle Schutzsuchender?
  1. Welche Positionen vertreten bzw. vertraten Sie bzw. Vertreter_innen Ihres Ressorts jeweils wann in internationalen Gremien hinsichtlich
    1. der Verminderung von Fluchtursachen?
    2. der Schaffung von Perspektiven für Schutzsuchende in Aufnahmeländern?

                                          i.    Welche Positionen vertraten Sie bzw. Vertreter_innen Ihres Ressorts jeweils wann in internationalen Gremien hinsichtlich Initiativen wie "sustainable development zones" oder welchen anderen nachhaltigen Projekten zur Verbesserung der Lebensperspektiven von Flüchtlingen in der Nähe von Krisenregionen?

    1. der Zielsetzungen des UN-Flüchtlingspakts?
    2. humanitärer Hilfe für Menschen auf der Flucht?
    3. Entwicklungszusammenarbeit zum Wohle Schutzsuchender?